Es soll im Folgenden aufgezeigt werden, dass in Wolframs Parzival der weiblichen Figur die Möglichkeit offensteht, sich auch durch den Bruch mit höfischen Traditionen durchaus unabhängig von männlichen Figuren und dem Hof zu bewegen. Der Text widerruft diese scheinbare Unabhängigkeit wieder und verhindert damit das Bild einer endgültig unabhängigen Frau im höfischen Roman. Als Beispiel dafür soll auf die Figur der Herzeloyde und auf Kommentare des Erzählers bezüglich der weiblichen Rolle in Wolframs Roman eingegangen werden. Zuerst wird die Methodik und die theoretische Einbettung der Fragestellung erläutert. Im Anschluss daran wird Wolframs Herzeloyde mit der Fragestellung behandelt sowie in Relation zu den Erzählerkommentaren gesetzt.
Der höfische Roman des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts scheint nicht ohne aktive und passive Mitbeteiligung von Frauenfiguren auszukommen. Dies lässt sich beispielsweise an der Einbindung von weiblichen Charakteren in den Handlungsverlauf von Romanen wie Wolframs von Eschenbach Parzival erkennen: Sowohl Parzival als auch Gawan finden sich in ihren Abenteuern des Öfteren in Auseinandersetzungen mit weiblichen Figuren oder über diese wieder. Mit der Rolle der Frau geht auch die Bedeutung der minne in Wolframs höfischen Roman einher. Nach Emmerling tritt neben dem Bild von "einer innigen personalen und [...] dauerhaften Bindung" zwischen Mann und Frau zudem noch das "Infragestellen des Systems der Minne" im Parzival auf. Sie führt fort, dass mehrere weibliche Figuren in Wolframs Roman sich aktiv und passiv gegen die "Leidmechanismen der höfischen Minne'" zu wehren versuchen. Jeder dieser weiblichen Charaktere sucht seinen eigenen Weg, um den ritterlichen Lebensstil seiner Angehörigen zu verarbeiten oder zu umgehen. Dazu gehört, dass sich manche dieser Figuren in gewisser Weise vom Hof und den damit verbundenen Normen entfernen. Sigune verarbeitet den Tod ihres Schianatulanders indem sie sich auf einen "langen Passionsweg" begibt, und dadurch fern von der höfischen Welt ihr Dasein im Roman verbringt. Herzeloyde zieht mit ihrem Sohn nach Gahmurets Tod in die Wildnis von Soltane, "entsagt [...] der Herrschaft" und verbringt den Rest ihres Lebens in der nicht-höfischen Welt der Einöde. Orgeluse zieht sich zwar nicht zwingend körperlich vom Hof zurück, aber dass sich ihre Auffassung von minne und triuwe sich weit vom normativ-höfischen Verständnis entfernt hat, lässt sich in ihren Passagen deutlich erkennen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Theoretische Einbettung und Vorgehensweise
- Wolframs unabhängige Herzeloyde
- Herzeloydes Bräutigamwerbung
- Einöde und Abhängigkeit
- Frauenlob und Frauenschelte
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Figur der Herzeloyde in Wolframs von Eschenbach Roman Parzival und analysiert, inwieweit sie als unabhängige weibliche Figur dargestellt wird. Die Arbeit beleuchtet die Ambivalenz zwischen Herzeloydes scheinbarer Emanzipation und ihrer Abhängigkeit vom männlichen Geschlecht.
- Herzeloydes Bräutigamwerbung und ihre Abweichung von höfischen Normen
- Herzeloydes Rückzug in die Wildnis und ihre zunehmende Abhängigkeit von ihrem Sohn Parzival
- Der Einfluss des Erzählers auf die Darstellung von Frauenlob und -schelte im Parzival
- Die Frage, inwieweit weibliche Emanzipation im mittelalterlichen Kontext möglich ist
- Die ambivalente Darstellung weiblicher Figuren in der Literatur des Mittelalters
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung stellt den Kontext der weiblichen Figuren in höfischen Romanen des 12. und 13. Jahrhunderts dar und hebt die Bedeutung der minne in Wolframs Parzival hervor.
Theoretische Einbettung und Vorgehensweise
Dieses Kapitel erläutert die wissenschaftliche Herangehensweise an die Fragestellung und die theoretische Einbettung der Arbeit.
Wolframs unabhängige Herzeloyde
Herzeloydes Bräutigamwerbung
Dieser Abschnitt analysiert Herzeloydes Bräutigamwerbung um Gahmuret und ihre Abweichung von traditionellen Brautwerbungsriten.
Einöde und Abhängigkeit
Hier wird Herzeloydes Rückzug in die Wildnis und ihre zunehmende Abhängigkeit von ihrem Sohn Parzival untersucht.
Frauenlob und Frauenschelte
Dieser Abschnitt beleuchtet die Kritik des Erzählers am hohen Minnesang und setzt diese Kritik in Relation zur Figur der Herzeloyde.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit Themen wie weibliche Unabhängigkeit, höfische Minne, Geschlechterrollen, höfischer Roman, Wolfram von Eschenbach, Parzival, Herzeloyde, Frauenlob und -schelte, mittelalterliche Literatur, Ambivalenz.
- Citar trabajo
- Christian Schulz (Autor), 2015, Wîpheit im "Parzival". Das Versagen weiblicher Unabhängigkeit am Beispiel der Herzeloyde in Wolfram von Eschenbachs Roman, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/703384