Implementierung eines digitalen KVP-Boards zur Prozessverbesserung im Zeitalter von Industrie 4.0


Research Paper (undergraduate), 2018

90 Pages, Grade: 1,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung und Motivation
1.1 Ziel und Aufbau der Arbeit

2 Menschzentrierter Gestaltungsansatz
2.1 Grundsätze der menschzentrierten Gestaltung
2.1.1 Partizipation der Nutzer
2.1.2 Iterativ zyklisches Vorgehen
2.1.3 Benutzerzentrierte Evaluation
2.1.4 Berücksichtigung der User Experience
2.1.5 Interdisziplinäre Kompetenzen
2.2 Phasen und Gestaltungsaktivitäten
2.2.1 Nutzenkontextanalyse
2.2.2 Anforderungsanalyse und -ermittlung
2.2.3 Entwurf von Gestaltungslösungen und Implementierung
2.2.4 Evaluierung

3 Nutzenkontextanalyse
3.1 Prozesslernfabrik CiP
3.2 Kontinuierlicher Verbesserungsprozess
3.2.1 KVP-Klassifizierung
3.2.2 Systemverständnis
3.2.3 Nutzerrollen und ihre Kernkompetenzen

4 Anforderungsermittlung
4.1 Erfolgsfaktoren
4.2 Anforderungsermittlung im Kontext einer Ruby on Rails Web-Applikation
4.2.1 Erfolgsfaktor PDCA-Zyklus
4.2.2 Zielorientierung
4.2.3 Kennzahlen
4.2.4 Prozessstabilität und Standards
4.2.5 Mitarbeiterkompetenzen und Coaching
4.2.6 Dokumentation
4.2.7 Visual Management und Gestaltung von Visualisierung
4.2.8 Technologie und IT
4.2.9 Infrastruktur für eine lernende Organisation
4.3 Lastenheft
4.4 Pflichtenheft

5 Implementierung
5.1 Definition des Webframeworks
5.1.1 Webframework: Ruby on Rails
5.1.2 Design-Framework: Bootstrap
5.2 Systemarchitektur
5.2.1 Development Environment
5.2.2 Staging Environment
5.2.3 Production Environment
5.2.4 Übersicht Systemarchitektur
5.3 Grundlagen und Gestaltungsparadigmen
5.3.1 Model View Controller Pattern
5.3.2 Visuelle Gestaltungsprinzipien
5.3.3 Responsive Design
5.4 Back-End-Entwurf
5.4.1 Identifizierung der zu Implementierenden Datenstruktur
5.4.2 Herleitung der Modelle und ihrer Submodelle
5.4.3 Gesamtmodell
5.4.4 Implementierung der Systemstruktur in RoR
5.4.5 Zugriffsverwaltung in Ruby on Rails
5.5 Front-End-Entwurf
5.5.1 Oberflächen-Layout
5.5.2 Struktureller Aufbau
5.6 Implementierung des im Pflichtenheft definierten Funktionumfangs

6 Evaluation
6.1 Entwurf des Usability-Tests
6.1.1 Expert Cognitive Walkthrough Usability-Test
6.1.2 Aufbau des Usability-Tests
6.1.3 Dokumentation des Experten-Feedbacks
6.2 Iterative Systemverbesserung
6.2.1 Erste Evaluationsiteration
6.2.2 Zweite Evaluationsiteration
6.2.3 Dritte Evaluationsiteration
6.2.4 Ergebnis der Evaluierungsphasen

7 Fazit und Ausblick
7.1 Ausblick

8 Anhang

9 Literaturverzeichnis

Zusammenfassung

Durch die stetig voranschreitende Vernetzung von Produktionsstrukturen unter dem Leitgedanken der Industrie 4.0 und digitalen Transformation von Unternehmen im Allgemeinen besteht ein riesiges Potential Synergieeffekte verschiedener Teildiszip-linen bei diesem Prozess der Digitalisierung zu nutzen.

Unter diesem Aspekt ist es Ziel dieser Arbeit das am Institut für Produktionsmanage-ment, Technologie und Werkzeugmaschinen bereits auf theoretischer Ebene erforschte und ausformulierte Konzept des digitalen kontinuierlichen Verbesserungs-prozesses als Web-basiertes Shoopfloor-Tool mit Hilfe des modernen Web-frameworks Ruby on Rails zu implementieren.

Als Entwicklungsansatz wird hierfür der menschzentrierte Gestaltungsprozess nach DIN EN ISO 9241-210 gewählt. In diesem Kontext wird eine Nutzenkontextanalyse sowie anschließende Anforderungsdefinition auf Basis der vorangegangenen For-schungsergebnisse des Instituts durchgeführt. Darauf aufbauend wird ein auf Ruby on Rails basierendes digitales KVP-Board implementiert und mittels Expert Reviews in der Prozesslernfabrik CiP getestet.

Abstract

Through the steadily increasing networking of production structures under the guid­ing principles of Industrie 4.0 and digital transformation of the complete enterprise, there is a high potential to create synergy effects due to the process of digitalization of several sub-disciplines.

Concerning this aspect, the aim of this paper is to implement the concept of a digital and continuous improvement process in the form of a web-based shoopfloor tool by means of the modern web framework Ruby on Rails, which has already been theo­retically researched and defined at the institute of product management, technology, and machine tools.

Therefore, the people-centered design process according to DIN EN ISO 9241-210 was chosen as the fitting development approach. In this context, an analysis to spec­ify the context of use and a subsequent requirements definition based on the previous findings of the institute were conducted. In this regard, a digital CIP-Board based on the framework of Ruby and Rails was implemented and consequently tested with the help of Expert Reviews within the Center of Productivity CiP.

Keywords: production management – pdca – industrie 4.0 – shopfloor management system, web application, ruby on rails

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Aufbau dieser Arbeit in Anlehnung an den menschzentrierten Gestaltungsanasatz nach DIN EN ISO 9241-210 (2011, S. 15)

Abbildung 2: Phasen der menschzentrierten Gestaltungsaktivitäten aus DIN EN ISO 9241-210 (2011, S. 15)

Abbildung 3: Eingliederung und Aufbau der Nutzenkontextanalyse

Abbildung 4: Die drei identifizierten KVP-Ausprägungen auf Basis der Unternehmensbefragung

Abbildung 5: Die drei Säulen des dKVP-Board

Abbildung 6: Eingliederung und Aufbau der Anforderungsanalyse

Abbildung 7: PDCA Zyklusmodell mit Führungsfragen aus CiP (2017)

Abbildung 8: Eingliederung und Inhalt der Implementierungsphase

Abbildung 9: Übersicht der dKVP-Board Bereitstellungsumgebungen

Abbildung 10: Grid Layout bei verschiedenen Auflösungen

Abbildung 11: Legende für ER-Diagramme, links Beziehungen-, rechts Entitätendarstellung

Abbildung 12: stark vereinfachtes ERD des dKVP-Boards

Abbildung 13: ER-Diagramm User Model

Abbildung 14: ER-Diagramm Wertstrom und Teilprozesse

Abbildung 15: ER-Diagramm qualitative und quantitative Prozesseigenschaft, Hindernis und Zielzustand

Abbildung 16: ER-Diagramm PDCA

Abbildung 17: Model-Hierarchie des dKVP

Abbildung 18: allgemeine Layout-Struktur der Desktop-Ansicht

Abbildung 19: Titelbereich

Abbildung 20: standardmäßiger Tabellenaufbau

Abbildung 21: Tooltip und Zielzustand-Stepper - hier am Beispiel einer dynamischen Hilfestellung für notwendige Interaktionen bei der Erstellung eines Teilprozesses

Abbildung 22: PDCA-Stepper

Abbildung 23: Startseite mit PDCA-Feed

Abbildung 24: Statistik-Bereich mit Pareto-Lernzonen-Diagramm und Erfolgskennzahlen

Abbildung 25: Live-Kennzahlen in der PDCA-Do-Phase

Abbildung 26: Coaching-Session-Ansicht

Abbildung 27: Flowchart der allgemeinen Bedienstruktur

Abbildung 28: Validierungsphase

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Anforderung PDCA-Zyklus nach Jäger (2016)

Tabelle 2: Anforderung Wertstrommap-Tool nach Jäger (2016)

Tabelle 3: Anforderung Prozesszustands-Tool nach Jäger (2016)

Tabelle 4: Anforderung Messbarkeit nach Jäger (2016)

Tabelle 5: Anforderung Umsetzbarkeit nach Jäger (2016)

Tabelle 6: Anforderung KVP-Fortschritt nach Jäger (2016)

Tabelle 7: Anforderung Kennzahlenauswahl nach Jäger (2016)

Tabelle 8: Anforderung Kennzahlbestimmung nach Jäger (2016)

Tabelle 9: Anforderung SOP-Tools nach Jäger (2016)

Tabelle 10: Anforderung KVP-Leistungen nach Jäger (2016)

Tabelle 11: Anforderung digitale Dokumentation nach Jäger (2016)

Tabelle 12: Anforderung Gestaltungsrichtlinien für Visualisierungen nach Jäger (2016)

Tabelle 13: Anforderung Kaizen-Feed nach Jäger (2016)

Tabelle 14: Anforderung Graphical-User-Interface nach Jäger (2016)

Tabelle 15: Anforderung Kommunikationssystem nach Jäger (2016)

Tabelle 16: Anforderung Wissensmanagement nach Jäger (2016)

Tabelle 17: Pflichtenheft tabellarische Übersicht

Tabelle 18: Gestaltungsprinzipien nach Vorlesungsfolien IAD (2016)

Tabelle 19: Zugriffsberechtigungen auf die Hauptmodelle

Tabelle 20: Phasen des Expert Cognitive Walkthrough Usability-Tests

Tabelle 21: Maßnahmenkatalog abgeleitet aus der ersten Evaluierungsphase

Tabelle 22: Maßnahmenkatalog abgeleitet aus der zweiten Evaluierungsphase

Tabelle 23: Maßnahmenkatalog abgeleitet aus der dritten Evaluierungsphase

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung und Motivation

Kontinuierliche Prozessverbesserung hat sich als eine Ausprägung des Kaizen Leitge-dankens über die letzten Jahrzehnte als ein sehr beliebter Ansatz zur Prozessverbesserung und Innovationsmotor in Unternehmen etabliert. In einer Welt, in der Prozesse stetig komplexer werden und als Ganzes kaum noch durchschaubar sind, ist die stetige „Veränderung zum Besseren“, wie man Kaizen wörtlich überset-zen kann, ein genauso einfacher wie effektiver Ansatz, um Produkte und Prozesse in kleinen Schritten ohne kostenintensive disruptive Maßnahmen verbessern zu können (vgl. Brunner 2008, S. 37).

Dieser Ansatz im Allgemeinen wurde bereits in diversen Ausprägungen analysiert, getestet und zum Einsatz gebracht. Am Institut für Produktionsmanagement, Tech-nologie und Werkzeugmaschinen der Technischen Universität Darmstadt wurde im Speziellen der proaktive zielorientierte kontinuierliche Verbesserungsprozess u.a. von Cachay (2013) erforscht und auch bereits in der Prozesslernfabrik CiP in analo-ger Form umgesetzt und in Workshops eingesetzt.

Durch die voranschreitende Digitalisierung in allen Bereichen des Lebens durchlebt auch das industrielle Umfeld einen Wandel, der unter dem Leitmotto „Industrie 4.0“ zusammengefasst werden kann. Die Kernaussage dieses Ansatzes ist, dass durch die Digitalisierung aller Fertigungsebenen eine Produktivitätssteigerung durch das Auf-lösen dieses klassisch hierarchischen Systemdenkens erreicht werden kann. Durch die damit verbundene digitale Verfügbarkeit von Produktionsprozessdaten in Echtzeit ergeben sich auf Shop-Floor-Ebene neue Möglichkeiten der rechnergestütz-ten Auswertung und Interaktion mit den Mitarbeitern vor Ort als auch dem Unternehmensmanagement.

In Bezug auf den KVP-Ansatz bietet eine digitale Umsetzung des proaktiven zielge-richteten kontinuierlichen Verbesserungsprozesses großes Potential einer rechnergestützten Effizienzsteigerung und erhöhten Partizipation der Mitarbeiter.

1.1 Ziel und Aufbau der Arbeit

Ziel dieser Arbeit ist somit die Entwicklung und Implementierung eines digitalen KVP-Boards (i.F. dKVP-Board oder dKVP) im Kontext einer digitalisierten Produktion mit Hilfe eines modernen Webframeworks.

Hierfür wird in Kapitel 2 der menschzentrierte Gestaltungsansatz für interaktive Sys-teme nach DIN EN ISO 9241-210 (2011) mit seinen Grundsätzen als Planungsansatz vorgestellt. Basierend auf den vier Hauptphasen Nutzenkontextanalyse, Anforde-rungsdefinition, Gestaltungslösungsentwurf und Evaluation gliedern sich danach die darauf folgenden Kapitel 3 bis 6.

In Kapitel 3 werden die Kernbereiche des Nutzenkontextes Nutzer, Aufgabe und An-wendungsumgebung spezifiziert. Als Verwendungsumgebung wird hier die Lernfabrik CiP vorgestellt. Anschließend wird der KVP als Kernaufgabe des Systems erläutert, von anderen KVP-Systemansätzen abgrenzt und abschließend die verschie-denen Nutzerrollen des KVP vorgestellt.

In der darauf folgenden Anforderungsermittlung in Kapitel 4 werden auf Basis der durch die Prozesslernfabrik identifizierten Erfolgsfaktoren digitaler KVP-Systeme spezifische Anforderungen für die Umsetzung mit Hilfe des Webframeworks Ruby on Rails konkretisiert. Zusammenfassend wird daraus das Lastenheft der Prozesslern-fabrik sowie das sich daraus ableitende Pflichtenheft für die dKVP-Board Web-Applikation vorgestellt. In der Implementierungsphase in Kapitel 5 werden zu Anfang die verwendeten Web-frameworks und die daraus resultierende Systemarchitektur definiert. Anschließend werden für diesen Systemansatz grundlegende Programmier- und Designparadig-men vorgestellt, die als Basis für den darauf aufbauenden Systementwurf und die Funktionsimplementierung dienen.

Die Evaluation des dKVP-Boards wird als letzte Phase des menschzentrierten Ansat-zes in Kapitel 6 thematisiert. Hierfür wird ein Usability-Test entworfen, der im Rahmen der Prozesslernfabrik mehrmals durchgeführt wird. Abschließend wird dar-gestellt, wie auf Basis der Evaluationsergebnisse iterativ das dKVP-Board verbessert und optimiert wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Aufbau dieser Arbeit in Anlehnung an den menschzentrierten Gestaltungsanasatz nach DIN EN ISO 9241-210 (2011, S. 15)

2 Menschzentrierter Gestaltungsansatz

Da der Aufbau dieser Arbeit dem Phasenmodell des menschzentrierten Gestaltungs-ansatzes nach DIN EN ISO 9241-210 (2011) folgt, wird dieser Produktentwicklungsansatz im folgenden Kapitel vorgestellt. Die Norm ist Teil der Reihe 9241 „Ergonomie der Mensch-System-Interaktion“ und gilt als „allgemein an-erkannte Leitlinie, deren Einhaltung empfohlen wird.“ (König 2012, S. 30)

Die Wahl dieses Ansatzes für die Entwicklung des dKVP-Board als Web-Applikation bietet sich vor allen Dingen deshalb an, da durch den iterativen Ansatz des Modells auch die vorangegangenen Forschungsergebnisse der Prozesslernfabrik bezüglich di-gitaler KVP-Systeme von Jäger (2016) und Kümmel (2016) als bereits durchlaufene Zyklen des Modells aufgefasst werden können. Somit kann in den Phasen Nutzen-kontextanalyse und Anforderungsdefinition auf diese Ergebnisse zurückgegriffen und aufgebaut werden. Hierbei ist jeweils zusätzlich eine Spezifizierung für den kon-kreten Implementierungsfall als Web-Applikation mit dem Framework Ruby on Rails vonnöten.

In der letzten Phase kann die Erprobung in der Prozesslernfabrik mit diesem Modell als Evaluationsphase abgebildet werden. Die gewonnenen Erkenntnisse können an-schließend genutzt werden das Bord iterativ zu verbessern und somit alle Anforderungen zu erfüllen.

Ziel dieses Ansatzes ist es durch die Partizipation und den Fokus auf die zukünftigen Nutzergruppen, über alle Phasen des Entwicklungsprozesses hinweg, die Erfüllung der relevanten ergonomischen und funktionalen Anforderungen an das System zu gewährleisten (vgl. Bruder & Didier 2015, S. 641).

2.1 Grunds ä tze der menschzentrierten Gestaltung

In diesem Kapitel werden die fünf Grundsätze, die in der ISO-Norm definiert sind, kurz vorgestellt.

2.1.1 Partizipation der Nutzer

In den Entwicklungsprozess sollen zukünftige Nutzer und relevante Stakeholder mit eingebunden werden. Hierbei sind vor allen Dingen das umfassende Verständnis der zukünftigen Nutzer, ihre Arbeitsaufgaben und die Arbeitsumgebung von hoher Rele-vanz. Eine aktive Partizipation kann hierbei durch Bereitstellung von Informationen als auch durch die konkrete Teilnahme an der Evaluation erreicht werden (vgl. DIN EN ISO 9241-210 2011, S. 10).

2.1.2 Iterativ zyklisches Vorgehen

Bei der Gestaltung von interaktiven Systemen soll iterativ vorgegangen werden, um so systematisch Fehler zu beseitigen. Es ist davon auszugehen, dass ein iteratives Vorgehen hierbei zielführend ist, da es die Komplexität von Mensch-Maschinen-Schnittstellen meist nicht erlaubt bereits zu Beginn alle relevanten Informationen zur Bestimmung der Anforderungen zur Verfügung zu haben. Gerade den Nutzern fällt es nach ersten Evaluierungsrunden eines Prototyps meist leichter Rückmeldung zu Ergonomie und weiteren Anforderungen zu geben (vgl. DIN EN ISO 9241-210 2011, S. 11).

2.1.3 Benutzerzentrierte Evaluation

Wie bereits aufgeführt ist die Rückmeldung der zukünftigen Nutzer von hoher Rele-vanz. Diese Art der Partizipation minimiert das Risiko, dass an den eigentlichen Anforderungen der Nutzer vorbei entwickelt wird und somit nicht alle relevanten Anforderungen erfüllt werden. Die benutzerzentrierte Evaluation kann hierbei mit aktiver Partizipation beim betrieblichen Einsatz oder zumindest aus der Perspektive der Nutzer erfolgen (vgl. DIN EN ISO 9241-210 2011, S. 10).

2.1.4 Ber ü cksichtigung der User Experience

User Experience ergibt sich aus der Darstellung, Funktionalität, Systemleistung, dem interak-tiven Verhalten und den unterstützenden Ressourcen eines interaktiven Systems, sowohl der Hardware als auch der Software. Sie ist auch eine Folge der bisherigen Erfahrungen, Einstel-lungen, Fähigkeiten, Gewohnheiten und der Persönlichkeit des Benutzers. (vgl. DIN EN ISO 9241-210 2011, S. 11)

Gerade im industriellen Kontext sind die Erfahrungen, Fähigkeiten sowie Gewohn­heiten der Nutzer von hoher Wichtigkeit. Bei der Überführung eines zuvor analog geführten Prozesses hin zu einem digitalen System gilt es abzuwägen, welche Tätig-keiten nun effizienzsteigernd durch das System übernommen werden können und welche noch vom Benutzer durchgeführt werden müssen. Auch bei dieser Entschei-dungsfindung sollen relevante Nutzer mit involviert sein (vgl. DIN EN ISO 9241-210 2011, S. 12).

2.1.5 Interdisziplin ä re Kompetenzen

Interdisziplinäres Denken fördert die Kreativität und entspricht dem Grundsatz der menschzentrierten Gestaltung für mehrere Nutzergruppen. Hierbei sollen möglichst alle involvierten Sichtweisen berücksichtigt werden. Beispiele für in der Norm auf-geführte Kompetenzen sind Fachwissen, Arbeitswissenschaft und Ergonomie, Systemtechnik sowie Wissen über Nutzer und weitere Interessengruppen (vgl. DIN EN ISO 9241-210 2011, S. 12).

2.2 Phasen und Gestaltungsaktivitäten

Die Gestaltungsaktivitäten unterteilen sich in vier Hauptphasen und entsprechen somit den allgemeinen Phasen von Gestaltung und Entwicklung (Anforderung, Gestaltung, Verifizierung und Validierung). Die Phasen können dadurch auch in andere Gestaltungsansätze eingebunden beziehungsweise überführt werden (vgl. DIN EN ISO 9241-210 2011, S. 14).

- Verstehen und Beschreiben des Nutzenkontextes
- Spezifizieren der Nutzenanforderungen
- Entwerfen der Gestaltungslösungen
- Testen und Bewerten der Gestaltung

In Abbildung 2 wird ersichtlich, dass zwischen den einzelnen Phasen wechselseitige zyklische Abhängigkeiten bestehen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Phasen der menschzentrierten Gestaltungsaktivitäten aus DIN EN ISO 9241-210 (2011, S. 15)

2.2.1 Nutzenkontextanalyse

Die Nutzenkontextanalyse beschäftigt sich mit dem Verstehen und Beschreiben von „Benutzermerkmalen, Arbeitsaufgaben und die organisatorische, technische und physische Umgebung“ (DIN EN ISO 9241-210 2011, S. 16).

Die Nutzenkontextbeschreibung muss die Benutzer sowie sonstige relevante Interes- sengruppen identifizieren und beschreiben. Es ist insbesondere auf die Besonderheiten und Merkmale der jeweiligen Benutzergruppen einzugehen. Bei- spiele für relevante Merkmale sind z.B. „Kenntnisse, Fertigkeiten, Erfahrung, Ausbildung, Übungen, physische Merkmale, Gewohnheiten, Vorlieben, Fähigkeiten“ (DIN EN ISO 9241-210 2011, S. S.16).

Des Weiteren müssen die Ziele und Arbeitsaufgaben des Systems und der Nutzer identifiziert werden. Dies schließt u.a. die Gebrauchstauglichkeit, typischerweise ausgeführte Arbeitsaufgaben sowie mögliche Risiken bei der Ausführung ein. Bei der Systemumgebung können technische, physikalische, soziale als auch kultu- relle Aspekte berücksichtigt werden (vgl. DIN EN ISO 9241-210 2011, S. 16 f.). „Die technische Umgebung [schließt hierbei] Hardware, Software und Materialien [ein.] [...] Zu den physikalischen Eigenschaften zählen Aspekte wie beispielsweise thermi- sche Bedingungen, Beleuchtung, Raumgestaltung und Möbel. Zu den sozialen und kulturellen Aspekten der Umgebung zählen Faktoren wie Arbeitsweisen, Organisati- onsstruktur und Einstellungen.“ (DIN EN ISO 9241-210 2011, S. 17)

2.2.2 Anforderungsanalyse und -ermittlung

Die der Nutzenkontextanalyse angeschlossene Aktivität hat das Ziel die Erfordernisse von den Nutzern zu identifizieren und daraus Nutzenanforderungen abzuleiten und zu spezifizieren. Die Anforderungen können hierbei je nach System technischer als auch organisatorischer und ergonomischer Natur sein. „Nutzungsanforderungen bil-den die Grundlage für die Gestaltung und Bewertung interaktiver Systeme zur Befriedigung der Erfordernisse der Benutzer.“ (DIN EN ISO 9241-210 2011, S. 17). Um die Qualität der Spezifikationen von Nutzungsanforderungen sicherzustellen, müssen sie gewisse Grundsätze erfüllen. So muss die Anforderung von den relevan-ten Stakeholdern verifiziert sein. Zusätzlich muss eine nachfolgende Prüfung über den Erfolg der Umsetzung möglich und frei von Widersprüchen sein. Das heißt, dass für in Konflikt stehende Anforderungen eine Lösung oder z.B. eine Trade-Off Ent-scheidung getroffen werden muss. Außerdem muss gewährleistet sein, dass Anforderungen aktualisiert werden, sobald dies während des Projektverlaufs not-wendig wird (vgl. DIN EN ISO 9241-210 2011, S. 17).

In der praktischen Umsetzung wird als Ergebnis dieser Phase meist von Seiten der Stakeholder ein Lastenheft formuliert. In Zusammenarbeit mit der Entwicklung wird daraus ein technisches Pflichtenheft abgeleitet, welches die spezifizierten Nutzenan­forderungen für das System zusammenfasst und dokumentiert (vgl. Teich et al. 2008, S. 8).

2.2.3 Entwurf von Gestaltungsl ö sungen und Implementierung

Aufbauend auf dem in den vorangegangenen Phasen analysierten Nutzenkontext so-wie den definierten Anforderungen an das System werden bei der dritten Aktivität daraus ein oder mehrere Entwürfe abgeleitet. Kann es sich zu Beginn noch um sehr vereinfachte Modelle, Simulationen oder Prototypen handeln, konkretisieren sich diese im Verlauf des Entwicklungsprozesses stetig. Dies hat den Vorteil, dass mehrere Entwürfe in der frühen Phase kostengünstig getestet werden können und von Beginn an ein konstruktives Feedback der Nutzer möglich ist.

Auf Basis dieser nutzerzentrierten Evaluierung werden die Gestaltungslösungen kon-tinuierlich verfeinert und schlussendlich eine Lösung ausgewählt. Es gilt zu beachten, dass etwaige spätere Anpassungen in der Kontextanalyse oder Anforderungsdefini-tion berücksichtigt werden müssen.

Bevor anschließend die eigentliche Implementierung beginnt ist es von großer Wich-tigkeit, dass mit den relevanten Nutzern und Stakeholdern die ausgewählte Gestaltungslösung bestimmt und evaluiert wird. Dabei gilt es vor allem die Erfüllung der zuvor definierten Anforderungen zu prüfen (vgl. DIN EN ISO 9241-210 2011, S. 20 f.). Hierfür ist es von Vorteil, dass in den vorangegangenen Phasen bereits ein Lastenheft angefertigt und daraus ein Pflichtenheft abgeleitet wurde. In der anschließenden konkreten Implementierung der ausgewählten Gestaltungslö­sung sollten folgende Grundsätze der menschzentrierten Gestaltung nach DIN EN ISO 9241-110 (2008, S. 7) und Bruder & Didier (2015, S. 638 f.) Beachtung finden:

Aufgabenangemessenheit

Ein Computerprogramm ist aufgabenangemessen, wenn es zur Erledigung der kon-kreten Tätigkeit brauchbar ist. „Brauchbar“ bedeutet, dass alle Tätigkeiten, die zu erledigen sind, vom Programm unterstützt werden und das Programm dabei wirklich eine Hilfe und kein nötiges Übel ist, das die Arbeit in manchen Situationen eher er-schwert oder umständlicher macht.

Selbstbeschreibungsf ä higkeit

Ein Computerprogramm ist selbstbeschreibungsfähig, wenn der Nutzer jederzeit dar-über informiert wird, was der Computer gerade macht und was er als nächstes von ihm als Eingabe oder Reaktion erwartet. Dies bedeutet unter anderem, dass alle Rückmeldungen und nächsten Schritte ersichtlich und nachvollziehbar sind.

Steuerbarkeit

Ein Computerprogramm ist steuerbar, wenn der Benutzer die Abfolge der Arbeits-schritte weitgehend selbst bestimmen kann. Dazu gehört auch das Unterbrechen der Arbeitsschritte ohne Datenverlust.

Erwartungskonformit ä t

Ein Computerprogramm ist erwartungskonform, wenn der Nutzer bei der Arbeit mit dem Computer keine „Überraschungsmomente“ erlebt. Solche Momente können zum Beispiel auftreten, wenn sich eine Funktion an einer ganz anderen Stelle im Menü befindet, als es zu erwarten ist, oder wenn Aufgaben nicht, wie der Nutzer es ge-wohnt ist, ausgeführt werden können.

Individualisierbarkeit

Ein Computerprogramm ist individualisierbar, wenn Einstellungen des Programms individuellen Bedürfnissen anpassbar sind.

Lernf ö rderlichkeit

Ein Computerprogramm ist lernförderlich, wenn es unter anderem ermöglicht, selb-ständig das System zu testen und kennenzulernen. Hierfür sollte das System Hilfestellungen bereit halten, um das System selbstständig verstehen zu können.

2.2.4 Evaluierung

Kernfunktionen der menschzentrierten Evaluierungsphase sind das Sammeln von weiteren Informationen über die Erfordernisse der Benutzer, Rückmeldung der Nut-zer über die Stärken und Schwächen der Gestaltungslösungen, Beurteilung ob und in welchem Grad die definierten Anforderungen erreicht wurden sowie der Vergleich zwischen den verschiedenen Gestaltungslösungen (vgl. DIN EN ISO 9241-210 2011, S. 22). Abhängig davon, auf welche vorangegangene Aktivitätenphase sich die Er-gebnisse der Evaluierung auswirken, ist der Zyklus komplett oder zumindest teilweise neu zu durchlaufen.

Um diese Funktionen der Evaluierung zu gewährleisten, ist eine frühzeitige Zuwei-sung von Ressourcen zur Planung, Durchführung und Analyse der Evaluierung notwendig. Die Durchführung kann grundsätzlich mit dem Benutzer zusammen bei-spielweise in Feldversuchen und Usability-Tests durchgeführt werden. Sie kann aber auch inspektionsbasiert durch Experten ohne direkte Teilnahme der Nutzer umge-setzt werden. Im Verlauf des Produktlebenszyklus sollte darüber hinaus eine Langzeitbeobachtung implementiert werden (vgl. DIN EN ISO 9241-210 2011, S. 22-24).

3 Nutzenkontextanalyse

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Eingliederung und Aufbau der Nutzenkontextanalyse

Wie in Kapitel 2.2.1 vorgestellt, beschäftigt sich die Nutzenkontextanalyse mit den Nutzern, den Aufgaben und den Umgebungen des zu implementierenden Systems. Im Kapitel 3.1 wird die Prozesslernfabrik CiP als Nutzer und Einsatzumgebung des dKVP-Boards vorgestellt. Anschließend wird in Kapitel 3.2 der Ansatz der kontinu-ierlichen Prozessverbesserung als Kernaufgabe des Systems vorgestellt. Dabei wird das dKVP-Board von anderen Ansätzen der kontinuierlichen Prozessverbesserung ab-gegrenzt und das KVP-Systemverständnis und die Nutzerrollen definiert.

3.1 Prozesslernfabrik CiP

Die Prozesslernfabrik CiP, Center für industrielle Produktion, ist ein Aus- und Wei-terbildungszentrum, in dem die Grundkonzepte und Methoden effizienter Produktionsprozesse vermittelt werden (vgl. PTW 2018, S. 1). Schwerpunkte der Forschung als auch der angebotenen Workshops liegen hierbei auf den Themenge-bieten schlanke Produktion, Industrie 4.0 und der Lernfabrik (vgl. PTW 2018, S. 2). Auf einer Fläche von 500m² werden mit zwei Zerspanungsanlagen und zwei Monta-gelinien sowie mit angeschlossenem QS-Shopfloor Management und Lernzellen die Methoden schlanker Produktion und Ansätze der Industrie 4.0 im Kontext einer Lern-fabrik für Aus- und Weiterbildung umgesetzt. Hierbei kann der vollständige Wertstrom eines Pneumatik-Kompaktzylinders sowie die Montage eines Elektro-Ge-triebemotors als Beispielprozessabläufe herangezogen (CiP 2018) und mittels des APROL-Prozessleitsystems der Firma B&R Industrial Automation GmbH als digitale Live-Prozessdaten erfasst, gespeichert und für andere Systeme freigegeben werden (B&R 2018).

Auch die kontinuierliche Prozessverbesserung ist Teil der Forschung und von Work­shops. Vor allem die Prozessverbesserung und Ergonomie-Optimierung in der Montage der Lernfabrik bietet ein ideales Umfeld die Methodik des KVP im Kontext eines Workshops kennenzulernen.

Fanden bis jetzt noch klassische analoge KVP-Varianten ihren Einsatz in der CiP, ist das Ziel dieser Arbeit die Forschungsschwerpunkte Prozessverbesserung, Industrie 4.0 und die Lernfabrik in der Implementierung eines digitalen KVP-Boards zu verei-nen. Hierbei soll im Allgemeinen ein dKVP implementiert werden, das die Möglichkeit einer universellen Einsatzbarkeit bietet und im Speziellen auch dem Nutzenkontext von Workshops der Prozesslernfabrik genügen muss.

3.2 Kontinuierlicher Verbesserungsprozess

Die Kernaufgabe des zu implementierenden Systems besteht darin, den kontinuierli- chen Verbesserungsprozess zu digitalisieren und plattformunabhängig verfügbar zu machen.

Da das Verständnis des KVP nicht einheitlich geprägt ist (vgl. Hambach, et al. 2015, S. 1), werden in diesem Abschnitt drei grundsätzliche Auffassungen des KVP vorge- stellt und der in dieser Arbeit zu implementierende KVP in diese Klassifizierung eingeordnet.

3.2.1 KVP-Klassifizierung

In einer hierzu durchgeführten Befragung von Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe der Mehrfachfertigung wurden auf Basis von drei grundlegenden Dimensionen drei KVP-Typen identifiziert (vgl. Hambach, et al. 2015, S. 1).

Bei den Dimensionen handelt es sich um die Wirkungsform, den Prozessfokus und die Zielorientierung.

Die Wirkungsform kann in reaktive und proaktive Verbesserungsprozesse differenziert werden. Der reaktive Prozess hat das Ziel den Status quo zu sichern und reagiert deshalb nur auf Abweichungen von diesem Standard. Proaktive Verbesserungsprozesse sind langfristiger und zukunftsorientiert und haben das Ziel den aktuellen Status weiterzuentwickeln, um ihn auf einen neuen Standard heben zu können.

Der Prozessfokus bezieht sich auf die Systemgrenzen und darauf, ob diese punktuell oder systemweit gefasst sind. So kann der KVP-Prozess wertstromübergreifend, aber auch autark für einzelne Prozesse, eingeführt werden.

Die Zielorientierung thematisiert die Relevanz von Verbesserungsansätzen. Nichtrelevante Verbesserungsvorschläge reduzieren die Effektivität und Effizienz als auch die Motivation zur Partizipation am KVP. Bei der Unternehmensbefragung konnten drei grundsätzliche KVP-Ausprägungen identifiziert werden (siehe Abbildung 4).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Die drei identifizierten KVP-Ausprägungen auf Basis der Unternehmensbefragung

Bei Typ A handelt es sich um freiwillige, selbstinitiative und punktuelle, aber nicht zielorientierte Verbesserungensprozesse, wie sie z.B. beim betrieblichen Vorschlagswesen realisiert sind. Ob es sich dabei um reaktive oder proaktive Vorschläge handelt, ist meistens durch die nicht vorhandene Zielorientierung zu Anfang nicht erkennbar und somit das Ergebnis meist eher zufällig. Typ B beschränkt sich auf zielorientierte Problemlösungen, die jedoch nicht den Prozessstandard heben, sondern den Status quo sichern sollen. Dies kann punktuell als auch systemübergreifend umgesetzt werden.

Bei Typ C steht die Sicherung, aber vor allen Dingen auch die Anhebung des aktuellen Standards, im Vordergrund. Zudem ist das Systemverständnis von großer Wichtigkeit, da auf Basis der Systemhierarchie die Ziele in kleinere Teilziele heruntergebrochen werden, um sie so schrittweise umsetzen zu können. Dieser Ansatz bindet alle Mitarbeiter als auch Führungskräfte in den KVP ein und profitiert von einer ausgeprägten hierarchieübergreifenden Coaching-Kultur.

3.2.2 Systemverständnis

In diesem KVP-Klassifizierungssystem versteht sich der zu implementierende KVP- Ansatz ganz klar als Ausprägungstyp C. Gerade bei dieser komplexesten Ausprägung kann man die Stärken von digitalen Systemen bezüglich Datenerfassung, Dokumentation und Kommunikation voll aus- nutzen.

Auf Basis der Typ C-Klassifizierung fußt der Ansatz des dKVP-Boards auf drei ele- mentaren Säulen (siehe Abbildung 5):

Systemverst ä ndnis

Es wird das System als Ganzes erfasst und dabei hierarchisch in Wertströme, Teil-prozesse und Prozesseigenschaften zerlegt. Hierbei definiert sich ein Teilprozess durch zugehörige Prozesseigenschaften und ein Wertstrom durch zugehörige Teil-prozesse.

Verst ä ndnis der Zielorientierung

Für das System im Ganzen werden strategische Ziele bzw. Visionen auf Wertstromebene festgelegt. Daraus abgeleitet werden proaktive als auch reaktive Zielzustände auf Teilprozessebene. Diese Zielzustände gilt es mittels Problemlö-sungsansätzen auf Prozesseigenschaftsebene zu erreichen.

Verst ä ndnis der Methodik

Um das System als auch die Zielorientierung und Problemlösung im KVP abbilden und durchführen zu können, sind mehrere Methoden notwendig. So muss das Sys­tem mittels einer Wertstromanalyse in Wertströmen, Teilprozessen und Prozesseigenschaften abgebildet werden. Als Problemlösungsansatz findet der PDCA-Zyklus Verwendung, der durch Coaching unterstützt wird. Hierbei liegt beim PDCA der Fokus auf Teilprozess- und Prozesseigenschaftsebene. Das Coaching be-zieht weiter gefasst alle Aspekte des Systems mit ein.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Basierend auf diesem Systemverständnis ergeben sich abgeleitet aus der Unterneh-menshierarchie die drei Nutzerrollen Unternehmensführung (i.F. Manager), KVP-Führungskraft (i.F. Coach) und KVP-Mitarbeiter (i.F. Coachee). Sie eint, dass jede Nutzerrolle ein grundlegendes Verständnis des Systems sowie der Zielorientierung haben muss. Der jeweilige Fokus sowie die einzusetzenden Metho-den unterscheiden sich dabei jedoch je nach Nutzerrolle.

Manager

Manager legen die strategischen Ziele für die Wertströme fest und sind zudem als oberste Kontrollinstanz im KVP-System anzusehen. Um dieser Rolle gerecht zu wer-den, müssen sie die Abbildung des Systems durch Wertströme, Teilprozesse und Prozesseigenschaften im Ganzen interpretieren und validieren können. Für sie liegt der Fokus auf der schrittweisen Standardanhebung und Systemverbesserung, weni-ger auf der operativen Durchführung, um dies zu erreichen.

Coach

Der Coach benötigt ein systemübergreifendes als auch ein sehr spezifisches Wissen über die von ihm betreuten Wertströme. Seine Kernaufgabe liegt darin mittels Wert-stromanalyse Wertströme, Teilprozesse und Prozesseigenschaften zu identifizieren und auf Basis der strategischen Ziele Zielzustände auf Teilprozessebene für die Coa-chees abzuleiten. Zudem benötigt er in seiner Rolle als Coach in der Problemlösung ein tiefgehendes methodisches Verständnis des PDCA-Ansatzes sowie Coaching-spe-zifische Soft-Skills (z.B. Kommunikation, Gesprächsführung und Moderationstechniken) (vgl. Hambach, et al. 2015, S. 4). Der Fokus liegt somit da-rauf operative zielorientierte Problemlösungen auf Basis von strategischen Unternehmenszielen anzustoßen, zu unterstützen und zu führen.

Coachee

Der KVP-Mitarbeiter benötigt ein grundlegendes Verständnis des Systems als auch der Zielorientierung. Seine Expertise leitet sich jedoch hauptsächlich aus seiner Pro-duktionsnähe ab. Ergänzt wird diese durch das methodische Verständnis des PDCA-Prozesses sowie dem damit verbundenen Coaching. Darauf aufbauend besteht seine Hauptaufgabe darin schrittweise konkrete Problemlösungsmethoden, auf Basis von durch den Coach definierten Zielzuständen, durchzuführen. Sein Fokus liegt hierbei auf seinem praxisnahen Expertenwissen bezüglich der jeweiligen Teilprozesse.

4 Anforderungsermittlung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Eingliederung und Aufbau der Anforderungsanalyse

Die Anforderungsermittlung in dieser Arbeit knüpft an die vorangegangenen For-schungen der Prozesslernfabrik an. Hierfür wird als Ausgangspunkt die Erfolgsfaktoren- und Anforderungsermittlung für einen Click-Dummy Prototyp von Jäger (2016) herangezogen und für die Implementierung einer Web-Applikation spe-zifiziert. Im gleichen Kontext wird anschließend das Lastenheft der Prozesslernfabrik analysiert und daraus das Pflichtenheft für die Web-Applikation abgeleitet.

4.1 Erfolgsfaktoren

Um die Anforderungen zu ermitteln, wurden neun Faktoren für eine erfolgreiche Digitalisierung des KVP identifiziert (vgl. Jäger 2016, S. 39-54):

- PDCA-Zyklus Zielorientierung Kennzahlen
- Prozessstabilität und Standards
- Mitarbeiterkompetenzen und Coaching Dokumentation
- Visual Management und Gestaltung von Visualisierung
- Technologie und IT Infrastruktur für eine lernende Organisation

4.2 Anforderungsermittlung im Kontext einer Ruby on Rails Web-Applikation

Diese Erfolgsfaktoren wurden allgemein und plattformunabhängig formuliert. Da der Nutzenkontext in dieser Arbeit durch Einsatz eines Web-Frameworks als Entwick-lungsumgebung konkretisiert wird, gilt es nun diese Erfolgsfaktoren diesbezüglich zu erläutern und zu spezifizieren.

4.2.1 Erfolgsfaktor PDCA-Zyklus

Tabelle 1: Anforderung PDCA-Zyklus nach Jäger (2016)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Plan-Do-Check-Act Zyklus (PDCA) bildet mit seinen Phasen den Rahmen zur Durchführung von kontinuierlichen Verbesserungsprozessen. Der PDCA ist eines der gängigsten Problemlösungsansätze. Wie auch in den bereits vorangegangen Arbei-ten von Jäger (2016) und Cachay (2013) wird eine in vier Abschnitte aufgeteilte Planungsphase zum Einsatz kommen. In der Planungsphase wird zuerst der Ist-Zu-stand mit dem Ziel-Zustand abgeglichen. Der Fokus liegt darauf, ein Hindernis als mögliche Ursache für die Nichterreichung des Zielzustandes zu identifizieren. An-schließend wird eine Lösungshypothese für das ausgewählte Hindernis aufgestellt. Zur Überprüfung dieser Hypothese wird ein Experiment formuliert, das in der Do-Phase durchgeführt wird. In der Check-Phase werden die Ergebnisse des Experiments evaluiert und bewertet. Hierbei ist zwischen einem gescheiterten Experiment (vom Zielzustand entfernt), einem erfolgreichen Experiment (Annäherung an den Zielzu-stand) und dem Erreichen und damit Abschluss des Zielzustandes zu unterscheiden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: PDCA Zyklusmodell mit Führungsfragen aus CiP (2017)

Durch die zentrale Stellung dieses Tools innerhalb des dKVP-Boards sollte auch ein großes Augenmerk auf die optimale Unterstützung der Mitarbeiter bei der Bedienung gelegt werden.

Bei der Implementierung als Web-Applikation ist darauf zu achten, dass die Führung durch den PDCA auf mobilen Endgeräten als auch bei der Desktop-Variante gegeben ist. Gerade für die Mitarbeiter (Coachee) soll schon anhand der Menüführung die zentrale Rolle des PDCA ersichtlich werden.

4.2.2 Zielorientierung

Tabelle 2: Anforderung Wertstrommap-Tool nach Jäger (2016)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Grundsätzlich müssen Wertströme und ihre Relationen zu Prozessen und Prozessei-genschaften abbildbar sein. Da die reine Datenstruktur dem Nutzer jedoch nicht ausreicht, um die Zusammenhänge nachvollziehen zu können, muss es die Möglich-keit geben Visualisierungen der Wertströme zur Verfügung stellen zu können.

Tabelle 3: Anforderung Prozesszustands-Tool nach Jäger (2016)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zielzustände werden auf Prozessebene definiert. Es muss die Möglichkeit gegeben sein, Prozesseigenschaften mit dem Zielzustand verknüpfen und ihn visualisieren zu können.

Tabelle 4: Anforderung Messbarkeit nach Jäger (2016)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Es muss überprüfbar sein, ob ein Zielzustand erreicht wurde oder nicht. Deshalb muss auch für qualitative Prozesseigenschaften das Experiment in der Do-Phase als obligatorisch betrachtet werden. Die Entscheidung, ob ein qualitativer Zielzustand erreicht wurde, liegt nichtsdestotrotz schlussendlich beim Coachee und Coach.

Tabelle 5: Anforderung Umsetzbarkeit nach Jäger (2016)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Couch muss die Zugriffsrechte auf die KVP-Leistungsdaten seiner Coachees be-sitzen, um vom Umfang und Anspruch her passende Zielzustände für diese definieren zu können. Hierfür werden dem Coach jedoch nur Hilfsmittel zur Entscheidungsfin-dung zur Verfügung gestellt und keine automatisierten Entscheidungen durch das System getroffen.

Tabelle 6: Anforderung KVP-Fortschritt nach Jäger (2016)

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Es muss eine visuelle Darstellung der KVP-Performance der Coachees implementiert werden. Durch das Auftragen von erfolgreichen PDCA Zyklen auf durchlaufene Ite-rationen können die Mitarbeiter anhand der sich bildenden Paretokurve ihre Performance schnell einschätzen sowie eine mögliche Unter- oder Überforderung ausmachen.

4.2.3 Kennzahlen

Tabelle 7: Anforderung Kennzahlenauswahl nach Jäger (2016)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Datenstruktur muss eine Relation zwischen Wertstrom, Prozess, Kennzahlen und Zielzuständen zulassen. Die Mitarbeiter müssen außerdem die Möglichkeit haben auf einfache Weise die Kennzahlen an neue Ist-Zustände anzupassen.

Tabelle 8: Anforderung Kennzahlbestimmung nach Jäger (2016)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das System muss den Mitarbeiter dabei unterstützen, auf möglichst einfachem Wege Kennzahlen anpassen zu können. Hierbei soll es Hilfestellungen bezüglich der Un-terscheidung von qualitativen und quantitativen Kennzahlen geben. Im quantitativen Fall können den Nutzern zusätzliche optionale Hilfestellungen wie eine Schnittstelle zu Live-Kennzahlen der Prozesslernfabrik oder weitere kennzahltypabhängige Tools (z.B. eine Stoppuhr) bereitgestellt werden.

4.2.4 Prozessstabilit ä t und Standards

Tabelle 9: Anforderung SOP-Tools nach Jäger (2016)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Darstellung von erfolgreichen PDCA-Zyklen und ihren Hindernissen sowie Lö-sungshypothesen in einem PDCA-Feed, der für alle Mitarbeiter zugänglich ist, kann als erster Schritt hin zu einer digitalen Standard Operating Procedure (SOP) gesehen werden.

4.2.5 Mitarbeiterkompetenzen und Coaching

Tabelle 10: Anforderung KVP-Leistungen nach Jäger (2016)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zusätzlich zum KVP-Performance-Chart soll der Coach auch die Möglichkeit haben, die Leistungen seiner Coachees anhand von diversen Leistungskennzahlen feststellen zu können. Somit hat auch der Coach die Möglichkeit auf etwaige Unter- oder Über-forderung seiner Coachees frühzeitig zu reagieren.

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Excerpt out of 90 pages

Details

Title
Implementierung eines digitalen KVP-Boards zur Prozessverbesserung im Zeitalter von Industrie 4.0
College
Technical University of Darmstadt  (Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW))
Grade
1,0
Author
Year
2018
Pages
90
Catalog Number
V704266
ISBN (eBook)
9783346189417
ISBN (Book)
9783346189424
Language
German
Keywords
KVP, kontinuierlicher Verbesserungsprozess, Shopfloor Management, Ruby on Rails, Webframework, Fullstack, DIN EN ISO 9241-210, menschzentrierter Gestaltungsansatz
Quote paper
Jan Heimer (Author), 2018, Implementierung eines digitalen KVP-Boards zur Prozessverbesserung im Zeitalter von Industrie 4.0, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/704266

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