Tod im Schnee - Verhörte Architektur


Diploma Thesis, 2004

72 Pages, Grade: 1,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

0.0

1.0 einleitung

2.0 identifizieren
2.1 Emulsion
2.2 Immersion
2.3 Dispersion

3.0 erschliessen
3.1 Akustik
3.2 Technik
3.3 Elektronik

4.0 einbeschreiben
4.1 Visuell
4.2 Ideell
4.3 Integral

5.0 bekleiden
5.1 Ambulant
5.2 Statisch
5.3 Virtuell

6.0 auflösen
6.1 Die Zurückbleibenden
6.2 Der Abschied
6.3 Die Abreisenden

7.0 Anhang
7.1 Literaturverzeichnis
Monographien
Sammelwerke
Zeitschriftenartikel
Online-Quellen
7.2 Bildnachweis

0.0

„Nobody, ahem, shouldn’t you be with your own tribe, or something?”

“My blood is mixed, my mother was UMGAMBEIPAKANI, my father is ABSOLUKA. This mixture was not respected. As a small boy, I was often left to myself. So I spent many months, stalking the elk people, to proove I would soon become a good hunter. One day finally, my elk relatives took pitty on me and a young elk gave his life to me. With only my knife I took his life. As I was preparing to cut the meet, white man came upon me. They were English soldiers, I cut one with my knife, but they hit me on the head with a rifle. All went black, my spirits seemed to leave me. I was then taken east, in a cage.[…] And each time I arrived in another city, somehow the white man had moved, all their people there headed me. Each new city contained the same white people as the last, and I could not understand how a whole city of people could be moved so quickly. Eventually, I was taken on a ship across the great sea, over to England. And I was paraded before them, like a captured animal, an exhibit. And so I mimicked them, imitating their ways, hoping that they might lose interest in this young savage. But their interest only grew.

I was copying them, so they placed me into the white mans schools. […] But I make careful plans an’ I eventually escaped. Once again I crossed the great ocean. I saw many sad things as I made my way back to the lands of my people.

Once they realised who I was, the stories of my adventures angered them. They called me a liar, exceeded it: he, who talks loud saying nothing.

They ridiculed me, my own people!

And I was left to wander the earth alone. I am nobody.”[1]

1.0einleitung

Am 11.März 1913 schrieb der italienische Maler Luigi Russolo sein futuristisches Manifest Die Kunst der Geräusche. Adressiert war es als Brief an den auch zu den Futuristen zählenden Komponisten Balilla Pratella, dessen Aufführung er am Abend zuvor gemeinsam mit Filippo Tomaso Marinetti in Rom besucht hatte. Noch unter dem Eindruck der Worte und Werke Pratellas führt er dessen Ideen, und die dem Futurismus eigene Affinität zu Maschinen bis in letzter Konsequenz aus. In dieser radikalen Formulierung versucht er die Notwendigkeit einer neuen Musik zu begründen, die allein aus Geräuschen komponiert werden soll. Inspiriert vom Maschinenrhythmus in Fabriken, und der Dynamik des Verkehrslärms auf den Straßen, erkennt Russolo in diesen Klängen die Musik des Futurismus. Wegen ihres technisch betrachteten - basierend auf der Komplexität der Obertöne - reicheren Klangspektrums, soll damit das klassische harmonische System vollständig ersetzt werden. Maschinen, als erwünschtes Instrumentarium futuristischer Komposition, ermöglichen demnach ein Tonsystem von zuvor noch nie gekannten Harmonien und Schwingungsverhältnissen.

Damit wird das Verhältnis invertiert, das bis dahin Kunstform und gewöhnliche Realität unterschieden hat: die in periodischen Teilverhältnissen schwingenden Töne der Musik, und die aperiodisch schwingenden Umweltgeräusche. Luigi Russolo gibt einem Phänomen musikalische Form, das einer visuellen Betrachtung entliehen ist, der Umkehr von Figur und Grund.[2] Der Maler Russolo steht am Anfang des 20.Jahrhunderts zugleich als Auftakt des gern beschworenen sonic turns, der die Ablösung des visuellen Sinns durch den auditiven einleitet. Diesbezüglich ist er als Vorbote einer möglichen Umwälzung der ästhetischen Auffassung des gesamten Kunstspektrums weitaus bedeutender, als allein für die Musikgeschichte, in der sein einziger, wie auch immer zu wertender Verdienst ist, als erster das Geräusch in die Musik einbezogen zu haben.

Ein wichtiger Ausgangspunkt der Infragestellung einer vom Bild aus gedachten und bestimmten Umwelt, ist demnach sein Manifest L’Arte dei Rumori. Es ist ein Versuch, die Umgebungswelt akustisch zu dechiffrieren und als kompositorisches Element zu verarbeiten. Durch die geforderte Imitation mit künstlichen Klangerzeugern, wird die Klangebene der Umwelt in einer zeitlich organisierten, also einer musikalischen Struktur präsentiert. Unter Einbeziehung seines praktischen Schaffens folgte aus musiktheoretischer Perspektive betrachtet jedoch wenig Fruchtvolles. Für diese hat sein Werk geringe Relevanz.

Folgt man jedoch den Stimmen der „Primitiven einer neuen, völlig verwandelten Sensibilität“[3], wie sich die Futuristen selbst nannten, muss jedoch auch das geistige Erfassen selbst einer Wandlung unterzogen werden. Seine theoretischen Ausführungen geben immer wieder einen Ausblick auf Vorstellungen, dass die Umwelt selber, ihre Geräusche und Laute ästhetisch organisiert werden sollten. Insofern ist es von größerem Interesse, seine Werke, und die seiner Nachfolger, nicht als Kompositionen, sondern als Modelle einer akustischen Raumplanung aufzufassen. Denn damit betont Russolo eine Empfindung, die in der Architektur, Stadt- und Raumplanung, welche auch als räumliche Gestaltung der Welt funktioniert, normalerweise nicht berücksichtigt wird. Ohne die Bedingung einer technischen Notwendigkeit findet der Einsatz akustischer Mittel in der Architektur nicht statt.

Diese Unterrepräsentation mahnt auch R. Murray Schafer in seinen Forschungen zur Klangökologie an, und fordert Architekten und Stadtplaner auf, diesen Mangel zu beseitigen. In der vom Menschen anhand des Bildes geplanten und geordneten Umwelt treten die akustischen Reize vergleichsweise struktur- und orientierungslos auf.

Russolo ist nicht der einzige, der sich mit einem zwischen Musik und Architektur aufspannenden sinnlichen Phänomen des Raumes auseinandersetzt. Was bei ihm noch chiffriert und im Keim verborgen liegt, tritt im Verlauf des 20. Jahrhunderts offensichtlicher und weitaus differenzierter zu Tage, der musikalische Klang als Aggregat einer architektonischen Räumlichkeit. Während Architekten gerne auf strukturelle und formale Elemente oder Begriffe der Musik zurückgreifen, um ihre Kompositionen zu umschreiben, graben die Komponisten im musikspezifischen Material der Klänge, um daraus eine räumliche Umhüllung zu bilden. In unmissverständlicher Klarheit geben La Monte Youngs Worte Auskunft darüber, wo das Ziel all seiner künstlerischen Aktivitäten erreicht ist: One must get inside the sound.[4] Wie kein anderer Komponist hat er sich von jeglichem Interesse an einem zeitlichen Verlauf losgelöst, und umso stärker die Bedeutung stehender Klänge in seinem Werk betont. Durch die Wiedereinführung der reinen Stimmung eröffnet sich ihm die Möglichkeit der Konstruktion komplexer Klangverhältnisse. Anders als bei Russolo lassen diese sich aber dennoch auf eine gemeinsame Periodizität zurückführen. Erst daraus ergibt sich gemäß Young die Möglichkeit für das menschliche Ohr, die genau abgestimmten Frequenzverhältnisse auch hinsichtlich ihrer räumlichen Qualitäten präzise und vollständig zu erfassen.

Von ebensolcher Hingabe an den Klang, seiner Zeit aber was die Möglichkeit zu dessen Realisierung betrifft voraus, war Edgard Varèse. Seine Raumvorstellung baut auf Klängen auf, die der Musik in architektonischen bzw. mehrdimensionalen geometrischen Verhältnissen einbeschriebenen sind. Diese Ideen korrespondieren mit musikpsychologischen Untersuchungen wie sie zum Beispiel Ernst Kurth ausgeführt hat, die dem Raumphänomen der Musik aus wissenschaftlicher Sicht nachgegangen sind. Die Quellenlage woher Varèse seine vielschichtigen Inspirationen gezogen hat, sind nur sehr dürftig geklärt. Zum weiteren Verständnis seiner Ideen dient deshalb auch die von Gerhard Albersheim entwickelte Abhandlung über die Dimensionalität des Tonraums, wenngleich sie zeitlich in keinem direkten Zusammenhang steht. Dennoch illustriert sie recht einfach Varèses Worte und erhellt ein wenig dessen mitunter verwirrenden visuellen Analogien. In mehreren Phasen seines Schaffens treten solche Vorstellung unter verschiedenen Aspekten auf und prägen die Form seiner Arbeiten. Anfängliche Analogien zu organisierten Klangmassen erweitert er um vielschichtige Überlegungen zum Verlauf räumlicher Wahrnehmung anhand von Bewegung und deren Übertragung in die Struktur des Zeitverlauf einer Komposition. Sehr spät, nach einer längeren Schaffenspause, münden seine Konzepte in einer Zusammenarbeit mit LeCorbusier zur Weltausstellung 1958 in Brüssel. Hier hatte der Komponist zum ersten Mal Zugriff auf die zuvor erträumten technischen Möglichkeiten, und eröffnete mit diesen Implementationen auch das Gebiet einer Multimediaarchitektur.

Eine noch intensivere Verwendung technischer Hilfsmittel als Möglichkeit räumlicher Erweiterung der Musik, zeigt das Beispiel Karlheinz Stockhausens. Er entwickelte die Platzierung des Klangs im Raum als zusätzlichen Parameter der Musik. Dieses Konzept erweitert er ausgehend von mehrchörigen Orchesteraufstellungen, hin zur dreidimensionalen elektronischen Klangsteuerung innerhalb von ihm angedachter architektonischer Konstruktionen. In der Gegenüberstellung mit den physikalischen Bedingungen der Raumakustik und des räumlichen Hörens wird der Sprachcharakter dieser Konzeption deutlich. Seine Ideen hängen mit der experimentellen Arbeit im Rundfunkstudio Köln, oder auch von anderen Komponisten in Freiburg zusammen. Diese Entwicklungen fließen auch in die populäre Studiotechnik ein, die beginnt, aus einem visionär zu nennenden Gebrauch von Techniken, eigene Formen zu generieren. Am Ende dieser Entwicklungen stehen die heute üblichen technischen Standards des surroundsounds, die ironischerweise die Perfektion der subjektiven Immersion im Klang in einer ständig steigenden Anzahl externer Klangquellen sucht.

Diese vollständige Überziehung von Architektur durch technische Installationen hat noch andere Vorläufer im 20. Jahrhundert, sowohl im musikalischen, als auch in Versuchen einer industriellen Verwertbarkeit. Die Ideen der Muzak Corporation, Eric Saties Musique d’ Ameublement, oder auch konzeptionelle Werke aus dem Bereich der Ambient Musik unterscheiden sich dabei nur marginal. Deren Arbeiten suchen alle die Funktionalisierung ihrer Musik innerhalb der Architektur, mit dem Willen, den Charakter der Räume zu prägen und gezielte atmosphärische Qualitäten zu schaffen.. Die musikalische Figur drängt zum architektonischen Grund und verliert sich dazwischen, als Bild, Möbel oder Tapete.

Auf diesem Nährboden aus vergangenen künstlerischen Konzepten keimt am Ende des 20 Jahrhunderts eine Vielfalt individueller Aneignungen, die bewusst oder unbewusst, die Struktur der klingenden Umwelt weiter ausloten. Walkman, Boom Cars oder Klanginstallationen sind in den verschiedenen Abstufungen ihrer Unbefangenheit gegenüber dem Architektonischen naiv und subversiv zugleich. Denn zum einen stellen sie sich desinteressiert gegenüber den vorherrschenden Bedeutungsebenen der Gestaltung von Stadt und Architektur. Als akustisches Graffiti formulieren Sie ihr Zeichensystem in der Ebene, die von architektonischer Planung nicht berücksichtigt wird. Damit etablieren sie ihre Gegenposition genau da, wo Architektur und Stadtplanung ihren stummen Fleck[5] haben. In dieser Situation wird eine autonome Architektur durch das nicht Zustandekommen einer Kommunikationsebene in einen autistischen Zustand versetzt. Sie bleibt genau da sprachlos, wo Futuristen das unmittelbare Leben verlangen, wo Körperlichkeit und sinnliche Empfindung die erste Verbindung zur Außenwelt herstellen. Taktile Reize, die der auditorische Wahrnehmungsapparat ununterbrochen verarbeitet, und womit der Einzelne in beständigem Kontakt zur Außenwelt steht. Ein Blick kann abgewendet werden, die Augen können geschlossen werden. Die Ohren aber empfangen jederzeit von überall her, und „Musik ist das Medium [solch] absoluter Unmittelbarkeit“.[6]

Wenn nun Komponisten, Musiker und musikbegeisterte Techniker sich aufmachen, diese Unmittelbarkeit als Raum zu definieren, sollte es sich lohnen, hinzuhören. Oder man lässt auch diesen Versuch der Objektivierung sein, und lässt den Raum schlicht geschehen. Das würde dem Prinzip des Hörens entsprechen, da es ständig gegenwärtig ist. Offensichtlich bleibt dabei Musik Musik, sie kann nicht zur statischen Form, zur Architektur versteinern. Ihr Material sind Klänge, verursacht durch Luftschwingungen, die ein sehr flüchtiges Element sind. Dass Musik die Zeit zum Problem hat, widerspricht nicht der wesentlich beständigeren Form des Raums. Ihr prozessualer Charakter, ihr ständiges Variieren und Modulieren selbst ist der Anteil der Musik, der als Architektur zu bezeichnen ist. Es ist die Konstitution der Form im beständigen Entwerfen und Verwerfen, ein dauernd neu formulierter Raum, ein klingend vermitteltes Architekturmodell. „Klänge verkünden, was von Klängen angestellt wird.“[7] Musik auf der Suche nach Raum ist schon Raum. Und ihre Klänge sind die Boten ihrer eigenen Nachricht: Phantome unerhörter Architektur.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2 Phonurgia Nova

2.0identifizieren

In seiner Lehre von den Tonempfindungen richtet Herrmann von Helmholtz sein Augenmerk auch auf eine Klärung der Unterschiede zwischen einem Ton und dem Geräusch. Ausgehend von seiner physikalischen Betrachtungsweise, gelingt eine Differenzierung der beiden nur bedingt. Anhand ihrer Obertonreihen, lassen sich die unterschiedlichen Qualitäten eines Tones und eines Geräusches bestimmen, und damit auch klassifizieren. Diese Unterscheidung ist abschließend jedoch nur als eine rezeptive, eine qualitative Unterscheidung anhand des Eindrucks eines vorhandenen oder fehlenden Wohlklangs. In ihrer Eigenschaft sind sich Ton und Geräusch identisch, nur Ihre Ausformungen sind unterschiedlich. Sie befinden sich gleichsam an zwei Enden einer Skala, nicht von Tonhöhen, sondern des Verhältnisses ihrer Obertonreihen, also einer inneren Harmonie des Tones. Während die reine Schwingung eines Sinustones, des reinsten Tons, eben keine Klangfarbe hat, da jegliche charakterbildende Reihe von Obertönen fehlt, ist das Geräusch seinerseits mit einem Zuviel an Obertonreihen bzw. einem zu kurzen und unregelmäßigen Schwingungsverlauf verknüpft. Technisch betrachtet können Geräusch und Ton gleichgesetzt werden, da ihre Unterscheidung eben keine absolute und Eindeutige ist, sondern eine Relative, die sich in eben diesem Feld zwischen einer regelmäßigen Wiederkehr der reinen Schwingung und dem unruhigen Verlauf eines komplexen Geräusches aufspannt.

2.1Emulsion

Luigi Russolo hat seine Inspiration unter anderem aus eben jenen Untersuchungen Herrmann von Helmholtz’ gezogen, in denen jener die Gemeinsamkeiten und qualitativen Unterschiede von Ton und Geräusch ausführt. Äußert Helmholtz zwar, dass Geräusch und Klang weit voneinander getrennt seien, ist dies für Russolo nur eine ästhetische Trennung, da beide durch Schwingungen verursacht werden und eine gemeinsame Hörempfindung auslösen. Wie dargelegt sind sie vom physikalischen Standpunkt aus prinzipiell identisch.

Zu dieser technischen Erkenntnis gesellt sich in Russolos Kunst der Geräusche eine Ausführung über die wachsende Verwendung komplexer Harmonien in der Zeitgenössischen Musik. Aus beiden Sachverhalten zieht Russolo die Konsequenz, dass das musikalische Geräusch eine logische Konsequenz sowohl aus der Musikgeschichte und der Lehre von den Tonempfindungen ist. Das Geräusch scheint eine bloße Steigerung von dissonantem Tonmaterial zu sein. Die offensichtliche Notwendigkeit seiner künstlerischen Verwendung ergibt sich zwingend aus dem physikalisch reicheren Klangspektrum, mit dem ein höheres Maß an Ausdruckskraft geschaffen werden kann.

Auch den musikgeschichtlich erfolgten Wechsel von homophoner zu polyphoner Musik und die sich daran anschließende Konzentration der Komposition auf die harmonischen Zusammenhänge schließt Russolo in seinen Folgerungen ein. „Diese musikalische Entwicklung verläuft parallel zum Anwachsen der Maschinen.“[8] Im Verlauf der Geschichte erkennt Russolo übereinstimmend eine Zunahme von Dissonanzen und Maschinen. Implizit zielen seine Ausführungen darauf, darin kein historisches Nebeneinander zu sehen, sondern ein konsekutives Prinzip; dass die Musik eine Reaktion, eine sublimierte Interpretation der Laute der Umwelt sei. Die Idee, dass musikalische Formen eine Antwort auf die natürliche Klangsphäre seien, gibt es in der Theorie, oder auch in der Musik selber, die natürliche Laute musikalisch interpretiert. Russolo geht aber nicht weiter auf die Thematiken einer solchen Programmmusik ein. Er begnügt sich mit der Betonung des konsekutiven Zusammenhangs, um daraus einen Kernpunkt seiner These entwickeln zu können.

Einst sei der Ton „abgegrenzt und unabhängig vom Leben“[9] allein den Göttern zugeschrieben gewesen. Daraus habe sich die Musik entwickelt, die eine „der wirklichen als fantastische übergeordnete, unverletzliche und heilige Welt“[10] sei. In dieser Phase der Menschheit waren demnach Ton und Geräusch noch getrennt. Innerhalb der herrschenden Vorstellung einer göttlichen Macht, ist dieser Ton Sinnbild der anderen Welt. Die Zeichen dieses Göttlichen überträgt der reine Ton über das Wunder seiner sinnlichen Empfindung. Mit dem einhergehenden Wandel des Weltverständnisses, habe auch das damit in Zusammenhang stehende musikalische Verständnis gewechselt. Die ursprüngliche Besinnung auf den einzelnen Ton wurde erweitert um die Anordnung in seiner zeitlichen Abfolge, in der horizontalen Dimension. Der Übergang von homophoner Musik der Antike und gregorianischer Gesänge, über die als einzeln aufgefassten Tonlinien der Polyphonie, hin zur stärker werdenden Beschäftigung mit harmonischen Fragen, ist deshalb auch Folge und Zeichen des Übergangs vom Göttlichen zum Weltlichen. Die zwei Jahre vor Russolos Manifest von Schönberg vorgenommene Aufhebung einer auf einen Grundton bezogene Tonalität, ist Ausdruck der endgültigen Säkularisierung in der Musik. Die Einführung der Zwölftontechnik ist für Russolo damit das Signal, dem Göttlichen, Heiligen, vertreten durch den einzelnen, reinen Ton, keinen Platz mehr in der Musik einzuräumen und an seiner statt in das Bild der zunehmend komplexen Welt einzutauschen. Prädestiniert dafür, das Bild dieser Verweltlichung in der Musik darzustellen, ist der Klang der Maschinen.

Nicht nur in der Musik leben die Futuristen ihre Neigung zu all den Maschinen aus, die in ihr direktes Lebensumfeld getreten sind. In ihrer Begeisterung setzt sich die Bewegung über „die Differenz zwischen ästhetischer und gesellschaftlicher Moderne hinweg, indem sie die Faktoren des technischen Fortschritts, Spiegelungen der gesellschaftlichen Moderne, in ihrer faktischen, nicht künstlerisch transformierten Erscheinungsform kurzerhand zu ästhetischen Gegenständen selbst erklärt.“[11] Sie geraten in den Taumel ihrer euphorischen Bejahung des Jetzt, das zugleich einen Ausblick auf das Zukünftige freigibt. Im Bild des jedes Hindernis überrollenden, nach vorn ausgerichteten Automobils oder noch eindeutiger des Aeroplans ist dieser Sachverhalt prägnant einbeschrieben. Im Rausch der Geschwindigkeit, dem Voran mit der Maschine, der nicht allein selbstgewählt ist, sondern auch rekursiv durch den gesellschaftlichen Wandel befördert wird, gehen Ursache und Wirkung verloren. Die technischen Errungenschaften sind Geförderte und Förderer des Umbruchs zugleich. Frei nach Kittler gilt auch für die futuristische Welt, dass Maschinen verkünden, was von Maschinen angestellt werden wird. Eigentlich Werkzeuge der Gegenwart, sind sie doch auch Boten, welche die Bestimmung der Zukunft in sich tragen. Diese Zukunft definieren die Futuristen in einer ausdrücklichen Abgrenzung zu einer etwas verschwommen erfassten spirituell Geistigen. Es findet eine Konzentration auf den von der materiellen Welt verursachten Sinnesreiz aus. „Die christliche Moral diente der inneren Entwicklung des Menschen. Heute hat sie sich alles göttlichen entleert und damit ihre Existenzberechtigung verloren. Die christliche Moral schützte die physische Struktur des Menschen vor den Exzessen der Sinnlichkeit.“[12] Das futuristische Ideal ist der Exzess der Sinnlichkeit. Es ist der Wunsch des körperlichen In-Kontakt-Tretens mit der Welt. Verherrlicht in der bis ins maßlose gesteigerten Geschwindigkeit. Und die Maschinen sind die Mittler des neuen intensiven Erlebens.

Daher bekommt die materielle Qualität der Dinge ihre Priorität im Akt des Gestaltens, die Aufmerksamkeit gilt nur der stofflichen Welt, deren komplexe Gesamtgestaltung die Futuristen nun angehen. Es ist ein Schöpfungsgedanke, der mit der Abschaffung der göttlichen Kraft korreliert.. Das Formen des alle Dinge umschließenden naturgleichen Rahmens, des Raums kann als Architektur verstanden werden. Und erster Schritt einer angedachten Beherrschung des Raums, versprechen die ganz im Wortsinn der futuristischen Bewegung zu verstehenden Ikonen, Auto und Flugzeug. Ihre selbstverständliche Aneignung wird bestätigt durch die damals neuen Erkenntnisse zur Raumwahrnehmung, dem Zusammenhang von Raum und Zeit. Über immer wechselnde Betrachterpositionen und die Bewegung, lässt sich Erkenntnis über seinen eigenen inneren Zusammenhang gewinnen. In der Logik Marinettis bedeutet die durch Technik beschleunigte menschliche Bewegung die Transformation der Raumerkenntnis hin zur Allmächtigkeit. „Verhundertfachte menschliche Energie wird über Zeit und Raum herrschen.“[13] Aber über Raum lässt sich im futuristischen Denken nicht allein als Produkt aus Bewegung und Zeit gebieten. Die Aufhebung der Schwerkraft durch den Aeroplan gebiert eine Freiheit im Raum, wie sie nicht einmal der als Raumkunst verstandenen Architektur zusteht. Auch Russolos Geräuschkunst ist ein ursprünglicher Wunsch, den akustischen Raum zu beherrschen.

Wiederum ist das eigentliche Ziel des futuristischen Strebens die intensive sinnliche Empfindung. Russolo baut seine Argumentation auf einer Art futuristischen Affektenlehre auf. Er spricht vom Bedürfnis der Empfindungen, dementsprechend die Klangspektren futuristischer Musik ständig erneuert werden müssten. Da nun „das Geräusch unumschränkt über die menschliche Empfindung“[14] herrsche, wird die geräuschverursachende Maschine selbst zum ästhetischen Objekt. Allein die brachiale Lautheit bewirkt einen ähnlich instanten und intensiven Sinnreiz wie der Rausch der Geschwindigkeit. Da die Bedingungen futuristischer Ästhetik eben jene sind, dem Kunstwerk eben diesen Reiz wiederzugeben, nehmen nun die mit der Widmung der Modernität versehenen Maschinen die Stelle des mit dem Göttlichen verbundenen Musikinstruments ein. „Jedes Ereignis unseres Lebens wird von Geräuschen begleitet. Geräusche sind unserem Ohr folglich vertraut und können uns unmittelbar ins Leben zurückrufen.“[15] Russolos Worte zeugen nicht nur vom Glauben an die Wirkung der Maschinen und besonders ihrer Geräusche, sondern künden zugleich von der Notwendigkeit einer unmittelbaren Verknüpfung mit diesen Heilsbringern. Das heißt, es ist nicht mehr die Ausformungen der religiösen Kultur, die Ausblick auf ein besseres Leben, eine Form der Erlösung gibt, sondern die Technik, der gesamte materielle Raum, der als das Leben selbst dieses Versprechen abgibt.

Auf irritierende Weise schlägt er in seinen weiteren Ausführungen jedoch einen anderen Weg ein, als den, welchen der Mentor des Futurismus, Marinetti, vorgibt. Darüber gibt uns der Begriff des Zurückrufens Aufschluss. Für Russolo gibt es das Leben, und ein anders geartetes Gegenstück, die Kunst. Dort sollen die Geräusche ihre Wirkung vollbringen. Seine Ausführungen gelten einer Ästhetik, die sich auf die Musik bezieht. Der Dichter Marinetti aber formuliert seine Gedanken immer in einer Ausrichtung auf die Gestalt der Umwelt. Die Worte Marinettis nehmen zwar lyrische Formen an, funktionieren aber als Manifest: Die Darlegung eines Programms zur Ästhetisierung der alltäglichen Dinge und Funktionen. Sollte Russolo die gleiche Absicht gehegt haben, müssten seine schriftlichen Äußerungen nur als Bauanleitung zur Erschaffung eines Manifests aus Geräuschen verstanden werden, das dann nichts anderes wollte, als die Musikliebhaber den Konzerthäusern zu entreißen und in die Welt der Geräusche zu vertreiben. Er verfasste ein Manifest, das sich um die Belange der Musik kümmerte, und arbeitete auch intensiv an der faktischen Verwirklichung seiner Ideen.

Die von ihm hergestellten Intonarumori, Geräuschmacher, sind eine Objektivierung der Geräusche, die durch eine künstlerische Transformation der Maschinen zu Musikinstrumenten stattfindet. Russolo kann die emotionale Bindung zu ihnen aufrechterhalten, er hört und sieht immer noch Maschinen. Dem Publikum erschließt sich die eigentliche Herkunft der Geräusche jedoch nicht mehr. Es reagiert empört und verstört. Es tritt ein, was Russolo selbst eingefordert hat. „Erschüttert zuerst die Sinne, so werdet ihr auch den Verstand erschüttern!“[16] Es soll zuerst eine Attraktion auf die Physis wirken, damit die Kontemplation Wert bekommt. Doch dem bis an den Schmerz grenzenden Exzess der Sinnlichkeit scheint keine geistige Betrachtung, das verstandesmäßige Erfassen der weitreichenden Bedeutung, zu folgen. Denn das Publikum verlässt nicht die Hallen, um sich an den Geräuschen der Welt zu ergötzen, wie es ein Verständnis als klingendes Manifest nahe legt, noch ist es bereit, die Kunst der Geräusche zu hören. Letzteres hatte sich Russolo jedoch erwartet, und dementsprechend verunsichert und enttäuscht reagiert er auf die Ablehnung. In diesem Zwiespalt zwischen dem futuristischen Gedankengut seiner Schriften, das eine Beherrschung des Raums vorsieht, und seinem Werk, mit dem das Geräusch in die Musik eindringt, bleibt auch die Beurteilung interpretationsfähig. Für den Klangökologen R. Murray Schafer markieren Russolos Experimente „einen Brennpunkt in der Geschichte der Gehörwahrnehmung, eine Umkehr von Figur und Grund, die Ersetzung von Schönheit durch Abfall.“[17] Vom Standpunkt der Musik betrachtet, lässt sich dem sicherlich zustimmen. Selbst Luigi Russolo hat das Sich-Abheben der Musik von den Geräuschen der Welt angedeutet. Im Sinne des Futurismus, der seine neue Sensibilität auf ein Begreifen des Grunds als Figur richtet, kann man dies jedoch verneinen. Die Fragestellung nach den räumlichen Qualitäten seiner Ideen bzw. deren Realisierungen ist demnach noch nicht beantwortet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3 Russolo hört, was man nicht sehen kann. Das Bild zeigt, was man nicht hören kann: Werkzeuge für das Modell einer neuen akustischen Realität

Luigi Russolo sprach voller Bewunderung und futuristischer Emphase von Maschinen und ihren Geräuschen. Er ging jedoch nicht so weit, diese selbst als Instrumente zu verwenden, um gleichsam die Objekte des akustischen Raums zur Sprache zu bringen. Auch die ausdrückliche Betonung, dass es musikalische Geräusche seien (sie waren in ihrer Tonhöhe stufenlos regulierbar) verstärkt noch einmal sein Bemühen um eine Reform der Kunst, um die Invention neuer orchestraler Klangfarben. Es zeigt sich deutlich, dass er dem Impetus der von Marinetti beschworenen Bewegung nicht folgen konnte, wenn er sich dagegen ausspricht, dass die Intonarumori nie lediglich Imitation der Umweltgeräusche sein sollen. Und mit der künstlerischen und technischen Transformation seiner Überlegungen findet auch die Übertragung des Lebensraum in den Raum der Kunst statt. Das Lärmen der neuen Verkehrsmittel und der Produktionsstätten ist demnach hauptsächlich Inspirationsquelle für die Fortführung der Entwicklung der Musik. So wie auch Schönbergs 1909 erschienene Harmonielehre trotz der Auflösung einer Grundtonbeziehung die tonalen Verhältnisse lediglich erweitert, und damit gestärkt hat, kann auch Russolo ein Bekenntnis zur Musik, sogar zum tonalen System zugeschrieben werden. Sein Werk führt er als eine kontinuierliche Fortentwicklung der Musik aus.

Dem Zuhörer jedoch fällt die Auslegung der Geräusche als Musik schwer, wenn nicht der Versuch allein schon irreführend ist. Denn wo Russolo Musikinstrumente sieht und Maschinen hört, sieht das Publikum Maschinen und hört Musik. Grauenvolle Musik. In Erwartung einer absoluten Musik entgeht dem Rezipienten die vollständig narrative Durchformung, das dahinter stehende räumliche Bild. Russolo ist vom Maler zum Lautmaler geworden. Er findet „Gefallen an der idealen Orchestrierung des Getöses [...], der verschiedenen Geräusche von Bahnhöfen, Eisenhütten, Webereien, Druckereien, Elektrizitätswerken und Untergrundbahnen.“[18] Seine Kompositionen sind Entwürfe, die sich mit der bestmöglichen Form der akustischen Wirklichkeit auseinandersetzen. Notenblätter werden zu Zeichnungen, Aufführungen zu Modellen. Die Partitur gibt keine Auskunft darüber, an welchem Ort die Geräusche auftreten. Entworfen und Dargestellt wird nur das in der Zeit strukturierte Auftreten der Klangquellen.

Je nach Art der Geräusche, ihrer Längen und ihrer zeitlichen Abstände, ergibt sich das Bild im Raume auftauchender und wieder verschwindender Maschinen. Der Ort ihres Auftauchens wird nicht von Russolo bestimmt, sondern ergibt sich allein aus der der Maschine zugrundeliegenden Funktion. Dynamik und Tonhöhenänderungen bilden so z.B. einen sich entfernenden und beschleunigenden Zug ab. Der Zeitpunkt seiner Abfahrt ist frei bestimmbar, aber die Richtung wird bestimmt vom Gleisverlauf. Das Initial zum raumgreifenden Akt des Fahrens ist aber nicht den Schienen, sondern dem Fahrplan einbeschrieben. So kommt der Zeitverlauf der Musik offenkundig dem futuristischen Sujet der Bewegung entgegen und bietet sich als Träger der Geräuschkunst an. „Von daher sind wir sicher, dass unsere Auswahl, Abstimmung und Beherrschung der Geräusche einen neuen, ungeahnten Genuss eröffnen wird.“[19]

Eine solche Kunst der Geräusche im Rahmen der Musik sollte man aber nur als Zwischenschritt gelten lassen. „Denn lange können wir ihn nicht unterdrücken, unseren Wunsch, endlich eine neue musikalische Realität zu erschaffen.“[20] Damit sollte beileibe nicht, so wie es oberflächlich betrachtet geschehen ist, ein neuer Realismus in die Musik eindringen. Russolo hat sich nur des Mediums der Musik bemächtigt, um seine Ideen zum Klingen zu bringen. Der Inhalt dieser Ideen ist aber der, dass Formen und Strukturen der Umwelt das Kunstwerk konstituieren sollen. Russolos Arbeiten waren erste Schritte in diese Richtung, erste didaktische Übungen, die nicht einmal seinen Worten bis zur letzten Konsequenz folgten.

Und seine Worte folgen nicht der Vision der wahrhaft futuristischen Klangkomposition. Die Heuler und Dröhner, die Russolo gebastelt hat, um sie nacheinander ein paar mal zu betätigen und ihnen mit beseelten Ohren zu lauschen sind nichts anderes „als die mühseligen Verrenkungen des Künstlers, der sich abmühte, die unüberwindbaren Schranken zu durchbrechen, die sich seinem Wunsch entgegenstellen, seinen Traum voll und ganz zu verwirklichen!“[21] Die Kunst der Geräusche harrt noch immer ihrer Realisierung, und Russolo selbst hat seinen zu keinem Zeitpunkt andeutungsweise realisierten Wunsch ausgesprochen: „Nachdem unsere vervielfältigte Sensibilität futuristische Augen bekommen hat, wird sie endlich auch futuristische Ohren haben. Dann können wir die Motoren und die Maschinen unserer Industriestädte eines Tages aufeinander abstimmen, so dass jede Fabrik in ein berauschendes Geräuschorchester verwandelt wird.“[22] Ob Russolo seinen Wunsch ein Leben lang schmerzlich unterdrückt hat, oder doch kein so heroischer Futurist war, um die Kraft seiner Worte in eine noch stärkere Tat strömen zu lassen, bleibt dahingestellt. Hätte er sich nicht als Maler begriffen, der ein Abbild der Realität schafft, sondern als Gestalter einer unmittelbar räumlichen Textur, hätte er seine Ideen womöglich anders realisiert. Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, dass es futuristischer Anspruch wäre, der die Fahrpläne neu schriebe, den Verkehrspolizisten Zeitanweisungen für Ihre Signale wie Partituren in die Hand drückte, oder die Produktionsmaschinen in einem einheitlichen Rhythmus synchronisierte. Dies wäre eine wahrhaft futuristische Komposition, eine akustische Organisation der funktionalen Abläufe anhand musikalischer Kriterien. Es mag abwegig klingen, doch dieses Beispiel zeigt, was eine figurative Formung des Grunds sein könnte, die in simultanem Verbund zur Kunst der Geräusche erst Umkehr bezeichnet werden kann. Zugleich deutet sich an, dass diese Utopie bei weitem nicht so schauerlich scheint, wie Schafers Bezeichnung Abfall ursprünglich assoziieren lässt. Denn die Geräusche scheinen unter keinen Umständen vermeidbar, sie treten auf, ob in einem geplanten Zeitverlauf, oder in zufälliger Art und Weise.

[...]


[1] "He, du, Niemand! Solltest Du eigentlich nicht bei Deinem Stamm sein?"
"Mein Blut ist vermischt; meine Mutter war UMGAMBEIPAKANI, mein Vater ist ABSOLUKA. Diese Mischung wurde nicht respektiert. Als kleiner Junge war ich oft auf mich allein gestellt. Deshalb verbrachte ich viele Monate damit, den Elchleuten hinterherzujagen, um zu beweisen, dass ich bald ein guter Jäger werden würde. Schließlich hatten meine Elchahnen eines Tages Mitleid mit mir, und ein junger Elch gab mir sein Leben. Allein mit meiner Klinge nahm ich es ihm. Als ich mich daranmachte sein Fleisch zu schneiden, stießen Weiße auf mich. Es waren englische Soldaten; einen verletzte ich mit meinem Messer, aber sie schlugen mich mit einem Gewehr auf dem Kopf. Alles wurde Schwarz, meine Geister schienen mich zu verlassen. Ich wurde dann nach Osten gebracht, in einem Käfig. […] Und jedes Mal wenn ich in einer weiteren Stadt ankam, war der weiße Mann bereits umgezogen; ihre Leute eilten mir voraus. Jede neue Stadt enthielt die gleichen Weißen wie die Letzte, und ich konnte nicht verstehen, wie eine ganze Stadt voller Leute so schnell bewegt werden konnte. Schließlich wurde ich auf einem Schiff über das große Meer, nach England gebracht. Und ich wurde ihnen vorgeführt, wie ein eingefangenes Tier, ein Ausstellungsstück. Und deshalb ahmte ich sie nach und imitierte ihre Verhalten, in der Hoffnung, sie würden vielleicht das Interesse an diesem jungen Wilden verlieren. Ihr Interesse jedoch, wuchs nur.
Ich kopierte sie, weshalb sie mich in des weißen Mannes Schulen setzten. […], Aber ich machte sorgfältige Pläne un` ich entkam schließlich. Einmal mehr überquerte ich den großen Ozean. Ich sah viele traurige Sachen, auf meinen Weg zurück in die Gebiete meines Stammes.
Sobald sie erkannten, wer ich war, ärgerten sie sich über die Geschichten meiner Abenteuer. Sie schimpften mich einem Lügner, benannten es: Er der laut redet und nichts sagt.
Sie verspotteten mich, meine eigenen Leute!
Und mir blieb nur übrig, die Welt allein zu durchstreifen. Ich bin Niemand."
Jim Jarmusch. Dead Man. Soundtrack von Neil Young: „Nobody’s story“. 1994 Nr. 8 (Transkript des Verfassers).

[2] Für R.M. Schafer ist die Affirmation des Geräusches, als wünschenswerte Kunstform durch Russolo, mitverantwortlich für den unbewussten Umgang mit der Lautsphäre und der Akzeptanz eigentlich störender, ungesunder Klänge. Durch die Aufhebung der Möglichkeit einer ästhetischen Zuweisung, verlieren Klänge die für Schafers Klangökologie notwendige eindeutige Wertigkeit des gut oder schlecht, gesund, ungesund. (Schafer, R. Murray: Klang und Krach, Eine Kulturgeschichte des Hörens. Frankfurt am Main: Athenäum 1988. S. 150)

[3] Umberto Boccioni, Carlo D.Carra, Luigi Russolo, Giacomo Balla, Gino Severini. Die futuristische Malerei – Technisches Manifest. In: Futurismus. Geschichte, Ästhetik, Dokumente. Hrsg. von Schmidt-Bergmann, Hansgeorg. Hamburg: Rowohlt 1993. S. 310.

[4] In mehreren Quellen wird La Monte Young mit diesen Worten zitiert, ohne dass eine Einordnung gegeben wird, wann oder in welchem Zusammenhang er diese Worte geäußert hat. Es war mehr ein geflügeltes Wort, das in seiner Selbstverständlichkeit wohl keiner schriftlichen Fixierung bedurfte. „He was always talking about getting inside the sound” (Terry Riley, The Trinity of Eternal Music. In: Sound and Light: La Monte Young, Marian Zazeela. Hrsg. von Duckworth, William; Fleming, Richard. Lewisburg: Bucknell University Press 1996. S.98)

[5] In Anlehnung an Lefèbvre fügt Shuhei Hosokawa der visuellen Distanz des Stadtplaners auch noch die akustsiche Dimension hinzu, die sowohl in der traditionellen Stadtplanung als auch im modernen Urbanismus kaum Bestand hat. Der blinde Fleck einer fehlerhaften Planung findet sich dementsprechend auch in der akustischen Dimension. (Shuhei Hosokawa: Der Walkman Effekt. In: Aisthesis. Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer anderen Ästhetik. Hrsg. von Karlheinz Barck; Peter Gente; Heidi Paris; Stefan Richter. Leipzig: Reclam 1990. S.240)

[6] Poschardt, Ulf: DJ-Culture, Hamburg: Rogner & Bernhard 1995. S.32

[7] Kittler, Friedrich: Draculas Vermächtnis, Technische Schriften. Leipzig: Reclam 1993. S.144

[8] Russolo, Luigi: Die Kunst der Geräusche, Mainz: Schott 2000. S.7

[9] ebd. S.6

[10] ebd. S.6

[11] Hermann Danuser, Wer hören will muss fühlen – Anti-Kunst oder die Kunst des Skandals. In: Der musikalische Futurismus. Hrsg. von Kämper, Dietrich. Heidelberg: Laaber 1999. S.99

[12] F.T. Marinetti, Die neue Moral-Religion der Geschwindigkeit. In: Futurismus. Geschichte, Ästhetik, Dokumente. Hrsg. von Schmidt-Bergmann, Hansgeorg. Hamburg: Rowohlt 1993. S.203

[13] ebd. S.203

[14] Russolo, Luigi: Die Kunst der Geräusche, Mainz: Schott 2000. S.5

[15] ebd. S.11

[16] ebd. S.78

[17] Schafer, R. Murray: Klang und Krach, Eine Kulturgeschichte des Hörens. Frankfurt am Main: Athenäum 1988. S.150

[18] Russolo, Luigi: Die Kunst der Geräusche, Mainz: Schott 2000. S.9

[19] ebd. S.11

[20] ebd. S.8

[21] F.T. Marinetti. Gründungsmanifest. In: Futurismus. Geschichte, Ästhetik, Dokumente. Hrsg. von Schmidt-Bergmann, Hansgeorg. Hamburg: Rowohlt 1993. S.79

[22] luigi russolo, Die Geräuschkunst. In: Futurismus. Geschichte, Ästhetik, Dokumente. Hrsg. von Schmidt-Bergmann, Hansgeorg. Hamburg: Rowohlt 1993. S.241

Excerpt out of 72 pages

Details

Title
Tod im Schnee - Verhörte Architektur
College
University of Stuttgart  (Institut Grundlagen Moderner Architektur)
Grade
1,0
Author
Year
2004
Pages
72
Catalog Number
V70443
ISBN (eBook)
9783638616027
File size
7086 KB
Language
German
Keywords
Schnee, Verhörte, Architektur
Quote paper
Dipl.-Ing. Olaf Schäfer (Author), 2004, Tod im Schnee - Verhörte Architektur, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70443

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