Textverständnis und Verstehensanforderungen von Ganzschriften im Deutschunterricht am Beispiel "Die Nackten" von Iva Prochazkova


Bachelorarbeit, 2015

33 Seiten, Note: 3,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Textverstandnis und Verstehensanforderungen
2.1. Grundlagen des Textverstehens
2.2. Anforderungen des Literaturunterrichts der Sekundarstufe I
2.3. Modelle zur Ganzschriftenanalyse
2.3.1. Didaktische Analyse nach Zabka
2.3.2. Lift 2

3. Untersuchung der Modelle anhand des Romans „ Die Nackten"
3.1. Einordnung des Romans
3.2. Didaktische Analyse anhand ausgewahlterTextpassagen
3.3. Durchfiihrung des Buch Scans nach Lift 2
3.4. Kritische Auseinandersetzung mit den Ergebnissen beider Modelle
3.5. Einstufung des didaktischen Potentials des Romans in der Sekundarstufe I

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der Literaturunterricht der heutigen Zeit unterliegt bestimmten Anforderungen und Bedarf einer standigen Erneuerung und Uberarbeitung durch Lehrkrafte zur Optimierung. Ein Aspekt dabei ist die Auswahl von Texten, mit denen im Unterricht gearbeitet werden soil. Nicht jeder Text wird von jedem Schuler gleicherma&en verstanden. Unterschiedliche Faktoren beeinflussen oder lenken das Verstehen eines Textes. Aufgabe des Lehrpersonals ist es, mogliche Verstandnisprobleme beim Umgang eines Textes zu erkennen und abwagen zu konnen, welche Voraussetzungen die Schuler mitbringen mussen, um eine effiziente Arbeit mit dem gewahlten Text zu erlangen.

.Textverstandnis und Verstehensprobleme von Ganzschriften im Deutschunterricht am Beispiel ,Die Nackten' von Iva Prochazkova" lautet derTitel dieser Arbeit und soil sich sowohl mit dem Textverstehen der Schuler und Schulerinnen1 und den an sie gestellten Anforderungen als auch mit einer Ganzschrift an sich und dem zu erkennenden didaktischen Potenzial dieser beschaftigen. Das erste Kapitel stellt die Anforderungen des Literaturunterrichts in der Sekundarstufe I vor, wobei ein Schwerpunkt auf den des Textverstehens und den des Umgangs besonders mit literarischen Texten gelegt wird. Im Weiteren wird ein Einblick in das allgemeine Textverstehen gegeben, damitein Bewusstsein fur die ablaufenden Prozesse im Kopf der Schuler geschaffen werden soil. Dazu werden grundlegende Ablaufe dargestellt und ein eigenes Schaubild zur Veranschaulichung entwickelt. Anschlie&end beschaftigt sich die Studentin mit zwei Modellen zur Ganzschriftenanalyse, deren Konzept kurz prasentiert wird, um die Ausfuhrungen im folgenden Kapitel nachvollziehen zu konnen. Ausgewahlt wurden das Modell von Zabka zur didaktischen Analyse literarischerTexte und das Programm von Lift 2, das einen internationalen Referenzrahmen als Orientierung bietet. Das weitere Kapitel befasst sich mit dem Roman „Die Nackten", der zunachst einer Gattung und einer Epoche zugeordnet wird. Danach folgt die Anwendung der in Kapitel 2.3 vorgestellten Modelle auf diesen Roman. Bei dem Modell von Zabka beschrankt sich die Anaylse auf seine funf vorgeschlagenen Kategorien und stellt diese mit Hilfe ausgewahlterTextbeispiel dar. Der Buch-Scan von Lift 2 wird ebenfalls auf das Buch angewendet und soil die zahlreichen Elemente des Romans herausstellen, die bei der spater folgenden Einschatzung des didaktischen Potenzials auf Basis der Aspekte literarischen Lernens nach Spinner genutztwerden. Zuvorwird eine kurze Einschatzung derModelle in Bezug auf ihre Handhabung und ihren Nutzen gegeben.

2. Textverstandnis und Verstehensanforderungen

Die Arbeit mit Texten ist im Literaturunterricht elementar und Mittel zur Erlangung vorgeschriebener Fahigkeiten und Kompetenzen. Sicherlich spielen andere Medien, wie zum Beispiel Verfilmungen oder Tonaufnahmen besonders heutzutage auch eine Rolle, dennoch ist der Text das klassische Instrument im Literaturunterricht. Erwird in jeglicher Form, sei es ein Gedicht, ein Zeitungsartikel oder ein ganzes Buch, zur Arbeit mit den Schulern verwendet. Die Anforderungen, die an Schuler im Literaturunterricht gestellt werden, sind naturlich abhangig von der jeweiligen Altersklasse und besuchten Schulform. Da die Studentin im spateren Beruf mit Schulern der Sekundarstufe 1 auf Haupt-, Real- und Gesamtschulen arbeiten wird, beschrankt sich das erste Unterkapitel auf die gestellten Anforderungen in dieser Altersklasse. Das Textverstandnis bzw. Textverstehen soil im zweiten Unterkapitel bearbeitet werden. Dazu werden die grundlegenden Prozesse des Textverstehens dargelegt und durch die Studentin in einem selbst erstellten Schaubild zusammengefasst. Das dritte Unterkapitel setzt sich mit Modellen zur Analyse von Ganzschriften auseinander. Hierwird der Fokus auf das Analysemodell von Thomas Zabka und das Programm LiFT-2 gelegt, die beide Ansatzpunkte zur Erkennung von Verstehensproblemen und didaktischen Potenzialen literarischerTexte durch eigene Auseinandersetzung mit dem Text und unterstutzenden Fragestellungen zu diesen geben.

2.1 Anfoderungen an den Literaturunterricht in der Sekundarstufe 1

Am Anfang der Arbeit soil es einen kurzen Einblick in die eigentlichen Anforderungen an die Schuler innerhalb des Literaturunterrichts bzw. des allgemeinen Deutschunterrichts geben. Die Auseinandersetzung mit vorgegebenen Lernzielen und Kompetenzen, die es auf Seiten der Schuler zu erreichen gilt, bildet fur Lehrkrafte die Grundlage der Unterrichtsgestaltung und, die in Bezug zum Literaturunterricht, die Wahl der verwendeten Texte. Es ist notwendig zu wissen, wohin die Schuler sich entwickeln sollen, und was besonders durch die Arbeit mit einer ausgewahlten Ganzschrift im Sinne der institutionellen Vorgaben gefordert werden soil und kann. Bildungsstandards und Kernlehrplane sind heute die Vorgaben, nach denen sich Lehrkrafte bezuglich ihrer Unterrichtsziele richten mussen. Pragend fur beides ist der Begriff der Kompetenz, der nach Weinert folgenderma&en definiert wird:

Kompetenzen sind die bei Individuen verfugbaren oder durch sie erlernbaren, kognitiven Fahigkeiten und Fertigkeiten, urn bestimmte Probleme zu losen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fahigkeiten, urn die Problemlosungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu konnen2.

Es steht somit nicht das explizite Wissen im Fokus, sondern der Erwerb von weitreichenderen, allgemeiner anwendbaren Kompetenzen. Im Fach Deutsch schreiben die KMK Bildungsstandards vier Kompetenzbereiche vor. Die „ Sprache und den Sprachgebrauch untersuchen, Sprache zurVerstandigung gebrauchen, fachliche Kenntnisse erwerben, uber Verwendung von Sprache nachdenken und sie als System verstehen"3 als Kompetenzbereich steht in Zusammenhang mit jedem der drei anderen Bereiche. Diese sind beschrieben als Sprechen und Zuhoren, Schreiben und Lesen- mit Texten und Medien umgehen4. Letzt genannter Kompetenzbereich ist wohl der fur den reinen Literaturunterricht in Kombination mit dem der Sprache und des Sprachgebrauchs relevanteste (was nicht bedeutet, dass die anderen beiden vollig au&er Acht gelassen werden sollen) und fur den weiteren Verlauf der Arbeit von Bedeutung. Die genauere Beschreibung dieses Kompetenzbereiches verdeutlicht dessen Gewichtung innerhalb des Literaturunterrichts.

Die Schulerinnen und Schuler verfugen uber grundlegende Verfahren fur das Verstehen von Texten, was Leseinteresse sowie Lesefreude fordert und zur Ausbildung von Empathie und Fremdverstehen beitragt.

Sie entnehmen selbststandig Informationen aus Texten, verknupfen sie miteinander und verbinden sie mit ihrem Vorwissen. Dafur entwickeln sie verschiedene Lesetechniken und setzen Lesestrategien gezielt ein. Sie verfugen uber ein Grundlagenwissen zu Texten, deren Inhalten, Strukturen und historischer Dimension, reflektieren uber Texte, bewerten sie und setzen sich auf der Grundlage entsprechender Kriterien mit ihrem asthetischen Anspruch auseinander. Sie verfugen uber ein Orientierungswissen in Sprache und Literatur und nutzen die verschiedenen Medien, urn Informationen zu gewinnen und kritisch zu beurteilen.5

All die dort beschriebenen Kompetenzen gilt es den Schuler durch die Arbeit mit ausgewahlter Literatur naher zu bringen.

Weitere wichtige Funktionen des Literatur- bzw. des Deutschunterrichts sind in den Kernlehrplanen des Landes NRW formuliert. Die Kompetenzbereiche der Bildungsstandards sind dort mit aufgegriffen und prazisiert worden. Ein Aspekt der Kernlehrplane stellt der Umgang mit literarischen Texten dar. Die zu erwartenden Fahigkeiten der Schuler am Ende der Sekundarstufe 1 werden formuliert und sind in Bezug auf das Thema „Textverstandnis und Verstehensprobleme von Ganzschriften" ausschlaggebend. Umgang mit literarischen Texten o ein Spektrum altersangemessener Werke - auch Jugendliteratur - bedeutender Autorinnen und Autoren kennen o epische, lyrische, dramatische Texte unterscheiden, insbesondere epische Kleinformen, Novelle, langere Erzahlung, Kurzgeschichte, Roman, Schauspiel, Gedichte o Zusammenhange zwischen Text, Entstehungszeit und Leben des Autors/der Autorin bei der Arbeit an Texten aus Gegenwart und Vergangenheit herstellen o zentrale Inhalte erschliefcen o wesentliche Elemente eines Textes erfassen: z.B. Figuren, Raum- und Zeitdarstellung, Konfliktverlauf o wesentliche Fachbegriffe zur ErschlieGung von Literatur kennen und anwenden, insbesondere Erzahler, Erzahlperspektive, Monolog, Dialog, sprachliche Bilder, Metapher, Reim, lyrisches Ich o sprachliche Gestaltungsmittel in ihren Wirkungszusammenhangen und in ihrer historischen Bedingtheit erkennen: z.B. Wort-, Satz- und Gedankenfiguren, Bildsprache (Metaphern) o eigene Deutungen des Textes entwickeln, am Text belegen und sich mit anderen daruber verstandigen o analytische Methoden anwenden: z.B. Texte untersuchen, vergleichen, kommentieren o Handlungen, Verhaltensweisen und Verhaltensmotive bewerten6 Die Kernlehrplane und Bildungsstandards sind zwar der Ma&stab, an dem es sich zu orientieren gilt, allerdings ist es fragwurdig, ob alle Ziele des Literaturunterrichts in ihnen Berucksichtigung finden. Laut Literaturdidaktikern zahlt zu den Zielen des Unterrichts namlich auch die asthetische Erfahrung, die Schuler im Umgang mit literarischen Texten erleben konnen. Literarische Bildung, die Forderung von Imagination und Kreativitat, Identitatsfindung und Fremdverstehen und die Auseinandersetzung mit historischen und kulturellen Erfahrungen stehen ebenfalls im Mittelpunkt des Literaturunterrichts. Diese eben meist nicht konkret in den Standards formulierten Ziele, mussen mit den in den Bildungsstandrads und Kernlehrplanen geforderten Kompetenzen verbunden werden, um alle Bildungsziele des Literaturunterrichts abdecken zu konnen 7. Wie und ob diese vorgegebenen Ziele im Literaturunterricht erreicht werden konnen, und welcher Anspruch an eine Ganzschrift in diesem Kontext gestellt wird, gilt es im weiteren Verlauf der Arbeit anhand eines konkreten Buches im Ansatz zu untersuchen.

2.2. Grundlagen des Textverstehens

Texte verstehen zu konnen ist nicht nur im schulischen Umfeld, sondern auch in jedem anderen alltaglichen Bereich eine Anforderung, die es zu bewaltigen gilt. Um einen Text verstehen zu konnen, muss dieser zunachst gelesen werden, weshalb die Kompetenz des Textverstehens in enger Verbindung mit der des Lesens steht. Lesekompetenz umfasst sowohl das funktionelle und zielgerichtete Lesen, bei dem es primar darum geht, einem Text bestimmte bzw. konkrete Informationen zu entnehmen, als auch grundlichere und uber die reine Informationsentnahme hinausreichende Formen des Lesens, die z.B. zum Lernen und Entdecken neuer Handlungsmoglichkeiten dienen konnen8.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Theoretische Struktur von Lesekompetenz bei PISA9

Anhand dieses Modells von PISA wird die enge Verbindung von Lesekompetenz und Textverstehenskompetenz deutlich. Nur durch das Lesen kann ein Text uberhaupt erst im Ansatz verstanden werden. Die Auspragung der Lesekompetenz beeinflusst somit die des Textverstehens.

Beim Lesen eines Textes werden Worter bzw. Satze wahrgenommen und im Gehirn verarbeitet, woraus am Ende ein „Textverstehen" resultieren soil. Ganz so einfach lauft dieser Prozess allerdings nicht ab. Gerade bei Schulern mit unterschiedlichen kognitiven und sozialen Voraussetzungen spielt ein Einblick in die Prozesse des Textverstehens eine wichtige Rolle und bedarf somit der Klarung einiger Grundlagen. Da die Thematik „Textverstehen" in vielen unterschiedlichen Wissenschaft, wie der Psychologie oder Linguistik, mittlerweile ein sehr breites Feld darstellt, werden hier nur allgemeine Einblicke aus verschiedenen Ansatzen gegeben, urn ein erstes Verstandnis dieses komplexen Begriffes zu erhalten.

Der Begriff des Textverstehens bezieht sich auf all jene kognitiven Vorgange, die an der Aufnahme, Transformation, Organisation, Speicherung, Reaktivierung und Reproduktion von Textinformation beteiligt sind.10 Diese Definition verdeutlicht, dass es beim Textverstehen urn weitaus mehr als ein simples „W6rterlesen" geht. Textverstehen geht uber die blo&e Informationsentnahme hinaus. Die Wahrnehmung der Schrift aktiviert beim Leser bereits vorhandenes Weltwissen, das ihm bereits in der mundlichen Sprache zur Verfugung steht und im Prozess des Textverstehens mit der Schriftsprache bzw. dem Gelesenen verknupftwird11.

Ausgangslage jedes Textverstehensprozesses ist die Existenz dreier Komponenten: ein Text, der von einem Autor innerhalb eines bestimmten Kontextes verfasst wurde, ein Rezipient, der den Text Nest und verarbeitet, und abschlie&end „die Relation zwischen Text und Rezipient, die sich mit dem Verstehen etabliert"12. Auf Seiten des Textes gibt es unterschiedliche Faktoren, die den Prozess des Verstehens voranbringen oder auch hemmen konnen. Die Koharenz, die Komplexitat der Syntax oder die Lange tragen zur Verstandlichkeit eines Textes bei und beeinflussen somit auch das Verstehen des Rezipienten. Vom Rezipienten wird das Verstehen insofern gesteuert, als dass er zentrale Elemente des Textes erkennen und sich deren Zusammenhange bewusst werden muss. Hierzu zahlen bei literarischen Texten z.B. die Charakteristika der Figuren, deren Beziehung oder ihre Entwicklung. Hinzu kommt die Deutung des Textes, die je nach Wissensbestand und allgemeiner Lebenserfahrung der Schuler als Rezipienten sehr subjektiv gepragt ist.13. Es muss somit nicht immer zum gleichen Verstehen der Rezipienten kommen, sondern es ist durchaus moglich unterschiedliche Wahrnehmungen eines Textes zu erhalten. Der vorgegebene Text und der Rezipient mit seinem Wissen, seinen Erwartungen, Interessen etc. interagieren miteinander. Diese Wechselwirkung lasst sich wie oben schon angedeutet in zwei parallel ablaufende Verarbeitungsprozesse gliedern: eine textgeleitete und eine konzept- bzw. erwartungsgeleitete Verarbeitung. Dabei bezieht sich die textgeleitete Verarbeitung auf die Auseinandersetzung mit der Textoberflache, also dem konkreten Wortlaut eines Textes, und derTextbasis, die den Sinn und die Bedeutung eines Textes umfasst. Die konzept- bzw. erwartungsgeleitete Verarbeitung inkludiert den Rezipienten mit seinen kognitiven Strukturen14.

Die Wechselwirkung zwischen Text und Rezipient wird aus Sicht der Psychologie und kognitiven Linguistik so beschrieben, dass der Text durch den Leser auf Grundlage seines Vorwissens rekonstruiert wird und nicht nur die Bedeutung des Textes entnommen wird. Ein Text trage keine Bedeutung, sondern „dient vielmehr als Ausloser fur mentale Konstruktionsprozesse, die teils von der externen Textinformation und teils von der internen Vorwissensinformation angeleitet werden"15. Das im Text Beschriebene wird mental im Kopf des Rezipienten reprasentiert.

Ein weiterer wichtiger Punkt bezuglich des Textverstehens, besonders unter der Berucksichtigung literarischerTexte, ist das Fullen von Leerstellen und die Bildung von Inferenzen durch den Rezipienten. Der Leser wird bei der Verarbeitung eines Textes immer wieder dazu angehalten im Text nicht explizit Genanntes durch sein Vor- und Weltwissen bei der Erstellung einer mentalen Textreprasentation zu erganzen. Besonders im Literaturunterricht lauft es haufig darauf hinaus, dass die Schuler das vom Autor „Gemeinte" durch die Arbeit mit einem Text verstehen sollen. Der Autor manifestiert in seinem Text sein Wissen uber einen bestimmten Sachverhalt, der von den Schulern anhand der Textinformationen unter Ruckgriff auf ihr Wissen rekonstruiert werden soil. Es wird versucht zu verstehen, was der Autor gemeint haben konnte16.

Abschlie&end sei gesagt, dass im Kontext Schule das Textverstehen auch dem Einfluss der Lehrperson unterliegt, was nicht au&er Acht gelassen werden darf. Je nachdem welche Informationen z.B. in vorherigen Unterrichtsstunden an die Schuler herangetragen wurden, kann auch das Verstehen durch diese beeinflusst und gelenkt werden. Im Zuge der im Unterricht stattfindenden Anschlusskommunikation kann das Textverstehen ebenfalls modifiziert werden und bietet die Moglichkeit zum Abgleich des eigenen Primarverstehens17. Auf Basis der oben aufgefuhrten Gedanken hat die Studentin versucht ein Schaubild zum Textverstehensprozess zu entwerfen, das die wesentlichen Aspekte aufgreifen und deren Beziehung veranschaulichen soil.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Uberblickdes Textverstehensprozesses18

Auf der linken Seite befindet sich der Autor mit seinen den Text beeinflussenden Eigenschaften. Dieser verfasst den Text. Der Text selbst wiederum besitzt ebenfalls bestimmte Faktoren, die zu seinem Verstandnis beitragen und sind hier blau unterlegt. Gelesen wird der Text vom Rezipienten, der den Text wiederum rekonstruiert, wodurch die Wechselwirkung zwischen Text und Rezipient deutlich wird. Die Rekonstruktion beeinflussende Elemente auf Seiten des Rezipienten sind sein Weltwissen, seine vorhandenen sprachlichen Kenntnisse, seine Neigungen bzw. Interessen, sowie das Alter und das Geschlecht. Im oberen Bereich der Abbildung ist zusatzlich fur den schulischen Kontext die Lehrkraft als Einflussfaktor auf das Textverstehen dargestellt. Diese wahlt den Text aus und kann das Verstehen des Rezipienten insofern beeinflussen, als dass die Lehrkraft die Moglichkeit besitzt im Unterricht bestimmtes Wissen zu vermitteln, das das Verstandnis des Textes unterstutzt oder lenkt.

Sicherlich ist der Prozess des Textverstehens mit diesen Ausfuhrungen nicht bis ins kleinste Detail aufgeklart. Dennoch wurde versucht die grundlegenden und fur den weiteren Verlauf der Arbeit notwendigen Ablaufe darzustellen.

2.3 Modelle zur Ganzschriftenanalyse

Nachdem die Anforderungen an den Literaturunterricht in der Sekundarstufe I und Grundlagen des Textverstehens insbesondere auf Seiten der Schuler betrachtet wurde, stellt sich die Frage nach der Eignung bestimmter Ganzschriften in Bezug auf das Wissen um diese zwei Tatbestande. Lehrkrafte stehen oftmals allein vor der Wahl eines passenden Textes fur ihre Klassenstufe. Ihre Aufgabe ist es einen Text zu wahlen, der geeignet ist, um die Leistungsanforderungen, die an die Schuler gestellt werden, zu fordern, wobei die Ganzschrift unterschiedliche Leistungsniveaus der Schuler einer Klasse abdecken sollte und im besten Fall nicht auf Ablehnung, sondern auf Leseinteresse der Schuler sto&t. Dies wirft zum Beispiel Fragen wie Welches Thema eignet sich?, Wielang darf der Roman sein? oder Ist die verwendete Sprache fur die gegebene Klassenstufe angemessen? etc. bei den Lehrkraften auf. Eine einzelne Person konnte bei solch komplexen Anforderungen ohne jegliche Unterstutzung Jalsche" Entscheidungen treffen und der an sie gestellten Anforderung nicht gerecht werden.

Aus diesem Grund werden im Folgenden zwei Modelle zur Analyse von Ganzschriften vorgestellt, die Lehrkraften bei ihrer Textauswahl als Unterstutzung und Orientierung dienen sollen, um das Potential literarischer Texte zu erkennen und bestmoglich zu nutzen.

[...]


1 Im weiteren Verlauf der Arbeit wird lediglich die mannliche Form verwendet, wobei die weibliche Form miteingeschlossenist.

2 Leistungsmessungen in Schulen. Hg. Von Franz E. Weinert, Weinheim und Basel, 2001, S. 27f

3 Beschlusse der KMK: Bildungsstandards im Fach Deutsch fur den mittleren Schulabschluss. Beschlussvom 04.12.2003

4 Vgl.Ebd., S.8

5 Beschlusse der KMK: Bildungsstandards im Fach Deutsch fur den mittleren Schulabschluss.

6 Kernlehrplan fur die Gesamtschule-Sekundarstufe I in NRW. Hg. Ministerium fur Schule und Kinder des Landes NRW. 1 Aufl. 2004

7 Spinner, Kaspar H.: Zielsetzungen des Literaturunterrichts (1999). In: Ders.: Kreativer Deutschunterricht. Seelze: Kallmeyer 2001, S. 168-179.

8 Vgl. OECD (2010), PISA 2009 Ergebnisse: Zusammenfassung, S.6

9 PISA 2000, S.82

10 Christmann, U. (2006). Textverstehen. In J. Funke & P. A. Frensch (Hrsg.), Handbuch der Allgemeinen Psychologie - Kognition (S. 612). Gottingen: Hogrefe.

11 Vgl. Grzesik J.: Texte verstehen lernen. Munster: Waxmann Verlag GmbH 2005, S. 165 ff.

12 Oh, Jang-Geun: Das strategische Textverstehen : theoretische Grundlagen, Methode und Anwendung des strategischen Textverstehens. Diss. Munster(Westfalen) 2000, S.10

13 Vgl. Leubner, Martin; Saupe, Anja; Richter, Matthias: Literaturdidaktik. 2.,akturalisierte Auflg. Berlin: Akad.-Verlg. 2012, S. 35

14 Schnotz, W. (2006). Was geschieht im Kopf des Lesers? Mentale Konstruktionsprozesse beim Textverstehen aus der Sicht der Psychologie und kognitiven Linguistik. In H. Bluhdorn (Hrsg,), Text- Verstehen: Grammatik und daruber hinaus. Berlin, New York: Walter de Gruyter, S.224

15 Schnotz, W. (2006). Was geschieht im Kopf des Lesers? Mentale Konstruktionsprozesse beim Textverstehen aus der Sicht der Psychologie und kognitiven Linguistik. In H. Bluhdorn (Hrsg,), Text- Verstehen: Grammatik und daruber hinaus. Berlin, New York: Walter de Gruyter, S.224

16 Vgl. Ebd.

17 Vgl. Leubner, Martin; Saupe, Anja; Richter, Matthias: Literaturdidaktik. 2.,akturalisierte Auflg. Berlin: Akad.-Verlg. 2012, S. 35

18 Die Abbildung 1 befindet sich zur genaueren Betrachtung in einem ganzseitigen Format im Zabka T. : Didaktische Analyse literarischer Texte. Theoretische Uberlegungen zur Lehrerkompetenz. In Frickel, Kammler, Rupp (Hrsg.): Literaturdidaktik im Zeichen von Kompetenzorientierung und Empirie. Freiburg im Breisgrau: Fillibach 2012, S. 139

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Textverständnis und Verstehensanforderungen von Ganzschriften im Deutschunterricht am Beispiel "Die Nackten" von Iva Prochazkova
Hochschule
Universität zu Köln
Note
3,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
33
Katalognummer
V704505
ISBN (eBook)
9783346201652
ISBN (Buch)
9783346201669
Sprache
Deutsch
Schlagworte
beispiel, deutschunterricht, ganzschriften, nackten, prochazkova, textverständnis, verstehensanforderungen
Arbeit zitieren
Judith Klaßen (Autor:in), 2015, Textverständnis und Verstehensanforderungen von Ganzschriften im Deutschunterricht am Beispiel "Die Nackten" von Iva Prochazkova, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/704505

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