Eines der tragenden Fundamente jedes modernen Staates ist sein Bildungswesen. Niemand müsste das besser wissen, als die Deutschen. Der Aufstieg Deutschlands in den Kreis der großen Kulturnationen wurde im neunzehnten Jahrhundert durch den Ausbau der Universitäten und der Schulen begründet [...] Jetzt aber ist das Kapital verbraucht: [...] es steht ein Bildungsnotstand bevor, den sich nur wenige vorstellen können. (Picht)Was Georg Picht schon Mitte der 60er Jahre für das deutsche Bildungssystem konstatierte, ist heute so aktuell wie vor der großen Bildungsexpansion. Die aktuelle Lage ist jedoch nicht nur von Bildungsnotstand, sondern vor allem auch durch ungleiche Chancen an der Bildungsbeteiligung geprägt.
Vorwiegend die Bildungsexpansion der 70er Jahre und die These einer dadurch erfolgten Bildungsination in den 90ern hatten die Illusion genährt, dass mit der Expansion der besser qualizierenden Schulformen im weiterführenden Schulwesen der Abbau von Benachteiligung nach Herkunft erreicht sei (Gogolin 35). Unter Bildungstheoretikern war zwar seit Picht immer wieder auf den kritischen Zustand des Bildungssytems hingewiesen worden (z.B. Lutz (1983), Klemm (1990)), doch waren ihre Warnungen überhört worden. Schließlich war es vor allem die PISA-Studie im Jahr 2000, die die Öffentlichkeit aus ihrem Glauben riss, das deutsche Bildungssystem sei hoch qualizierend und garantiere gleiche Chance auf Bildungserwerb. Seitdem geistert das Gespenst PISA durch Feuilletons und bildungspolitische Debatten. Unter dem eindringlichen Titel:Bildung, Bildung, Bildung!hat Jutta Allmendinger jüngst in der Zeit ein Plädoyer für Investition in gerechte Bildung verabschiedet, in dem sie vor allem auf den Zusammenhang zwischen Bildungsarmut und Arbeitslosigkeit hinweist.
Einiges spricht für eine gezielte Investition in Bildung und dafür, sich erneut Gedanken über die Chancen der Bildungsteilhabe zu machen. Deshalb werde ich in dieser Arbeit die in den letzten Jahren kontrovers geführten Debatten auswerten und das Projekt Bildung auf bestehende Ungleichheiten untersuchen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Zum Wert von Bildung
- Warum Chancengleichheit?
- Bildungsarmut, Berufsqualifikation und soziale Positionierung
- Soziale und kulturelle Selbstverwirklichung
- Demokratische Partizipation
- Zur Beschreibung von Bildungsungleichheit
- Pierre Bourdieu und die soziale Reproduktion kulturellen Kapitals
- Die Übertragung von Bourdieus Ansatz auf das deutsche Bildungssystem durch Michael Vester
- Die PISA-Studie
- Bestehende Ungleichheiten im deutschen Bildungssystem
- Soziale Herkunft bedingt Bildungserfolg
- Selektion durch das dreigliedrige Schulsystem?
- Benachteiligung von Migrantenkindern
- Ansätze zur Verbesserung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit den Ungleichheiten im deutschen Bildungssystem und analysiert die Gründe dafür. Sie untersucht den Wert von Bildung für Individuen und die Gesellschaft sowie die theoretischen Ansätze zur Beschreibung von Bildungsungleichheit. Die Arbeit betrachtet die Ergebnisse der PISA-Studie und untersucht bestehende Ungleichheiten im deutschen Bildungssystem, insbesondere die Auswirkungen der sozialen Herkunft, des dreigliedrigen Schulsystems und der Benachteiligung von Migrantenkindern.
- Der Wert von Bildung für Individuen und die Gesellschaft
- Theoretische Ansätze zur Beschreibung von Bildungsungleichheit
- Die Ergebnisse der PISA-Studie
- Bestehende Ungleichheiten im deutschen Bildungssystem
- Möglichkeiten zur Verbesserung der Bildungschancen
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung beleuchtet den aktuellen Stand der Bildungslandschaft in Deutschland und konstatiert die Existenz von ungleichen Chancen im Bildungssystem. Sie stellt die Hauptfragen der Arbeit vor, die sich mit dem Wert von Bildung, der Beschreibung von Bildungsungleichheit, den bestehenden Ungleichheiten in Deutschland und möglichen Ansätzen zur Verbesserung befassen.
- Zum Wert von Bildung: Dieses Kapitel erörtert das normative Gleichheitspostulat im Bildungswesen und seine Bedeutung für die Chancengleichheit. Es werden drei Funktionen von Bildung in der Gesellschaft herausgearbeitet: soziale und ökonomische Platzierung, soziale und kulturelle Selbstverwirklichung sowie demokratische Partizipation.
- Zur Beschreibung von Bildungsungleichheit: Dieses Kapitel stellt die theoretischen Ansätze von Pierre Bourdieu und Michael Vester zur Erklärung von Bildungsungleichheit vor. Es geht auf die soziale Reproduktion kulturellen Kapitals und die Übertragung dieser Konzepte auf das deutsche Bildungssystem ein. Außerdem wird die Bedeutung der PISA-Studie als Instrument zur Analyse von Bildungsungleichheit hervorgehoben.
- Bestehende Ungleichheiten im deutschen Bildungssystem: Dieses Kapitel untersucht die Auswirkungen der sozialen Herkunft auf den Bildungserfolg und die Rolle des dreigliedrigen Schulsystems bei der Selektion. Es analysiert die Benachteiligung von Migrantenkindern im deutschen Bildungssystem.
Schlüsselwörter
Bildungsungleichheit, Chancengleichheit, Bildungsexpansion, PISA-Studie, soziale Reproduktion, kulturelles Kapital, dreigliedriges Schulsystem, Migranten, soziale Herkunft, Bildungsarmut.
- Arbeit zitieren
- Peter Brüstle (Autor:in), 2006, Ungleiche Bildungschancen in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70478