Risikomanagement. Entscheidungstheoretischer Ansatz und praktische Umsetzungsanalyse


Tesis, 2007

136 Páginas, Calificación: 1,5


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Symbolverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Aufbau und Zielsetzung

2. Betriebswirtschaftliche Entscheidungstheorie
2.1 Grundlagen der Entscheidungstheorie
2.1.1 Forschungsschwerpunkte der Entscheidungstheorie
2.1.2 Entscheidungstheorie als betriebswirtschaftliche Theorie
2.1.3 Entscheidungsmodelle
2.2 Entscheidungen bei Sicherheit
2.2.1 Situation der Sicherheit
2.2.2 Entscheidungen bei einer Zielgröße
2.2.3 Entscheidungen bei mehreren Zielgrößen
2.3 Entscheidungen bei Unsicherheit im engeren Sinne
2.3.1 Situation der Unsicherheit im engeren Sinne
2.3.2 Entscheidungsregeln
2.4 Entscheidungen bei Risiko
2.4.1 Risikosituation
2.4.2 Klassische Entscheidungsprinzipien
2.4.3 Bernoulli-Prinzip
2.5 Mehrstufige Entscheidungsprobleme

3. Risikomanagement
3.1 Grundlagen des Risikomanagements
3.1.1 Geschichtlicher Hintergrund und Begriffsdefinition
3.1.2 Auslöser für den Bedarf des Risikomanagements
3.1.3 Risikokategorien
3.2 Risikomanagement in Unternehmen
3.2.1 Zielsetzung des Risikomanagements
3.2.2 Aufbau und Gestaltung des Risikomanagements
3.2.3 Strategisches und wertorientiertes Risikomanagement

4. Zusammenhang Risikomanagement und betriebswirtschaftliche Entscheidungstheorie

5. Praxisbeispiel Risikomanagement
5.1 Risikomanagement Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG
5.1.1 Unternehmenssituation der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG
5.1.2 Risikomanagement bei der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG
5.2 Kritische Beurteilung des Risikomanagements bei der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG

6. Schlussbetrachtung
6.1 Zielerreichung
6.2 Fazit und Perspektiven

Literatur- und Internetverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Symbolverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1:Basiselemente eines Entscheidungsmodells

Abbildung 2: Mögliche Erwartungsstrukturen über die Zustände

Abbildung 3: Allgemeine Form der Ergebnismatrix bei Risiko

Abbildung 4: Ergebnismatrix bei sicheren Entscheidungen

Abbildung 5: Zielgrößenmatrix eines Autokäufers

Abbildung 6: Ergebnismatrix bei Unsicherheit im engeren Sinne

Abbildung 7: Ergebnismatrix mit Bedauernswerten bzw. Bedauernsmatrix

Abbildung 8: Beispiel Erwartungswertermittlung

Abbildung 9: Indifferenzkurven im (μ,σ)-Diagramm in Abhängigkeit von

der Risikoeinstellung

Abbildung 10: Verlauf unterschiedlicher Risikonutzenfunktionen

Abbildung 11: Entscheidungsmatrix

Abbildung 12: Schema einer Entscheidungssequenz

Abbildung 13: Entwicklung der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland

Abbildung 14: Übersicht über institutionelle Rahmenbedingungen

Abbildung 15: Das Drei-Säulen-Konzept des Neuen Baseler Eigenkapital-

Akkords vom Januar 2001

Abbildung 16: Unterlegungsformel bankenaufsichtliche

Eigenkapitalausstattung

Abbildung 17: Risikogewichte

Abbildung 18: Beispiel zur Risikokategorisierung

Abbildung 19: Systematik leistungswirtschaftlicher Absatzrisiken

Abbildung 20: Managementrisiken

Abbildung 21: Organisationsformen des Risikomanagements

Abbildung 22: Risikomanagementprozess

Abbildung 23: Value at Risk (VaR)

Abbildung 24: Beispiel für ein quantitatives Risk Map

Abbildung 25: Verteilungsfunktion am Beispiel Gross Profit

Abbildung 26: Ebenen des ganzheitlichen Wertmanagements

Abbildung 27: Zusammenhang Risikomanagement und

betriebswirtschaftliche Entscheidungstheorie

Abbildung 28: Aktionärsstruktur der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG

Abbildung 29: Porsche-Werk Leipzig

Abbildung 30: Porsche Panamera

Abbildung 31: Fahrzeugauslieferungen in Einheiten

Abbildung 32: Überproduktion im Wachstumsmarkt China

Abbildung 33: Marken-Cluster in China

Abbildung 34: Endmontage Porsche Cayenne in Leipzig

Abbildung 35: Funktion Overlay-Management

Abbildung 36: Overlay bei Porsche zur Steuerung des Gesamtrisikos

Abbildung 37: Entwicklung der Porsche-Aktie im Vergleich zum DAX

und CDAX-Automobil in %, Geschäftsjahr 2004/2005

Abbildung 38: Porsche RS Spyder in der American LeMans Series

1. Einleitung

1.1 Problemstellung

Das Risikomanagement in Unternehmen hat in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Dabei handelt es sich hierbei nicht um eine neue Aufgabe der Unternehmensführung oder um eine neue betriebswirtschaftliche Disziplin[1]. Vielmehr ergibt sich die Notwendigkeit eines systematischen Risikomanagements aus einer Vielzahl verschiedener Aspekte. Die Unternehmen sind einem permanenten Wandel mit wachsender Komplexität und hohem Erfolgsdruck ausgesetzt. Diese Tatsache hat in der nahen Vergangenheit zu einer stark ansteigenden Zahl von Unternehmenskrisen geführt. Der Gesetzgeber, die Kapitalmärkte und die Banken haben mit dem KonTraG, Basel II und dem Corporate-Governance-Codex wichtige Impulse zur Verbesserung der Überwachungs- und Führungssysteme in Unternehmen gegeben. Allerdings geht ein ziel- und wertorientiertes Risikomanagement weit über den institutionell geforderten Rahmen hinaus. Permanente Wandlungsprozesse aufgrund der Veränderungen wirtschaftlicher, politischer, rechtlicher oder gesellschaftlicher Rahmenfaktoren führen dazu, dass Unternehmensstrategien nicht linear fortgeschrieben werden können und erfordern daher die Einbindung eines ganzheitlichen Risikomanagementansatzes. Risiken und deren Bewältigungsmaßnahmen dürfen folglich nicht isoliert betrachtet, sondern vielmehr müssen die Identifikation, die Bewertung und Aggregation, die Steuerung und das Reporting von Risiken als unternehmensweiter Prozess bzw. Managementzyklus angesehen und in das Unternehmen eingegliedert werden. Ziel dieses ganzheitlichen Ansatzes ist die Realisierung eines wertorientierten Risikomanagements. Eine Wertsteigerung ergibt sich aus Innovation, Nachhaltigkeit, Wachstum und Maximierung der Performance-Qualität. Risikomanagement ist folglich operativ und strategisch ausgerichtet und fokussiert dabei sowohl die downside-riks als auch die upside-risks. Es werden demnach nicht nur die das Ergebnis negativ beeinflussenden Risiken systematisiert, sondern auch potenzielle Chancen des Unternehmens betrachtet. So entsteht ein dynamisch und ökonomisch wertvolles Risiko-Chancen-Gleichgewicht. Ein derartiges Konzept stellt allerdings hohe Anforderungen an die unternehmensweiten Prozesse sowie an Kommunikation und Transparenz. Von großer Bedeutung ist deshalb die Integration des Risikomanagements in das Führungssystem des Unternehmens. Da der Wert eines Unternehmens, als wesentlicher Erfolgsmaßstab, sowohl von zukünftigen Erträgen als auch von deren Risiken abhängt, wird Risikomanagement zum unverzichtbaren Bestandteil jeder wertorientierten Unternehmensführung[2]. Dazu ist eine Abbildung der Risikoziele in dem Zielsystem des Unternehmens notwendig. Des Weiteren muss das Risikomanagement in allen wesentlichen Führungsprozessen und Entscheidungen integriert werden. Risikomanagement dient folglich auch der zielorientierten Gestaltung sämtlicher mit Unsicherheit bzw. mit Risiken behafteter Unternehmensentscheidungen. Das vertretbare Risikoniveau wird so bei allen operativen und strategischen Entscheidungen einbezogen.

1.2 Aufbau und Zielsetzung

Die vorliegende Diplomarbeit thematisiert das Risikomanagement auf Grundlage eines entscheidungstheoretischen Ansatzes und einer praktischen Umsetzungsanalyse. Nach der Einleitung erfolgt in Kapitel zwei eine ausführliche Darstellung der betriebswirtschaftlichen Entscheidungstheorie. Dazu werden zunächst die Grundlagen der Entscheidungstheorie erläutert. Danach erfolgt eine Systematisierung von Entscheidungssituationen der Sicherheit, der Unsicherheit im engeren Sinne und des Risikos. Abgeschlossen wird Kapitel zwei mit der Behandlung von mehrstufigen Entscheidungsproblemen. Kapital drei beinhaltet den theoretischen Bereich des Risikomanagements. Auch hier werden zunächst die grundlegenden Aspekte dargestellt. Danach erfolgt eine umfassende Erläuterung der Risikomanagements in Unternehmen. Kapitel vier führt daraufhin die Entscheidungstheorie und das Risikomanagement zusammen. Kapital fünf umfasst die praktische Darstellung des Risikomanagements anhand eines Beispiels. Abgeschlossen wird die Arbeit mit einer perspektivischen Schlussbetrachtung.

Zielsetzung dieser Diplomarbeit ist die systematische Darstellung des Risikomanagements auf theoretischer und praktischer Ebene. Grundlage hierfür ist die betriebswirtschaftliche Entscheidungstheorie, die mit ihren Forschungsschwerpunkten und den verschiedenen Entscheidungssituationen eine mögliche Basis zur Umsetzung des Risikomangement-Instrumentariums darstellt. Um die Notwendigkeit eines Risikomanagements zu verdeutlichen, müssen zunächst die auslösenden Faktoren für den Bedarf eines derartigen Systems erläutert und daraus eine mögliche Kategorisierung verschiedener Risiken vollzogen werden. Auf Grundlage einer solchen Eingruppierung relevanter Risikofaktoren kann daraufhin die Zielsetzung des Risikomanagements aus dem nachhaltigen Erfolg des Unternehmens abgeleitet werden. Wichtig ist, dass das Risikomanagement in seiner unternehmensweiten und ganzheitlichen Ausrichtung eine wesentliche Unterstützung des wertorientierten Führungsansatzes darstellt. Dazu ist ein systematischer Aufbau bzw. eine zielorientierte Gestaltung des Risikomanagements notwendig. Neben der möglichen aufbauorganisatorischen Eingliederung erfordert deshalb die Ablauforganisation des Risikomanagements in Form eines systematischen Managementzyklus einer vertieften Betrachtung. Zusätzlich zu den theoretischen Erläuterungen soll anhand eines Beispiels die praktische Anwendung des Risikomanagements in einem produzierenden Unternehmen dargestellt und beurteilt werden.

2. Betriebswirtschaftliche Entscheidungstheorie

2.1 Grundlagen der Entscheidungstheorie

Im folgenden Gliederungspunkt werden die Grundlagen der Entscheidungstheorie dargestellt. Neben den beiden Forschungsschwerpunkten erfolgt zudem die Klassifizierung der Entscheidungstheorie als betriebswirtschaftliche Theorie und eine Betrachtung der Entscheidungsmodelle.

2.1.1 Forschungsschwerpunkte der Entscheidungstheorie

Die Entscheidungstheorie behandelt die Entscheidungsprobleme unter zwei verschiedenen Forschungsansätzen. Man unterscheidet demnach die deskriptive und die präskriptive Entscheidungstheorie[3].

Bei deskriptiven Theorien handelt es sich um Aussagesysteme, die im Rahmen der empirischen Forschung erarbeitet werden. Aufgabe dieser Systeme ist die Beschreibung und Erklärung von in der Realität bestehenden Beziehungen[4]. Die deskriptive Entscheidungstheorie beschreibt und erklärt das tatsächliche Entscheidungsverhalten. Hypothesen, wie sich Individuen in einer oder mehreren Entscheidungssituationen verhalten haben, sollen Aussagen über zukünftiges Entscheidungsverhalten ermöglichen[5]. Das Entscheidungsverhalten soll demnach prognostizierbar werden. Die Aufgabe der deskriptiven Entscheidungstheorie besteht nicht darin, aufzuzeigen, wie Entscheidungen rational getroffen werden können. Sie betrachtet das tatsächliche Verhalten von einzelnen Individuen oder ganzen Gruppen und versucht so, einen Zusammenhang zwischen der beobachteten Entscheidung und der Entscheidungssituation zu finden[6]. Die deskriptive Entscheidungstheorie baut nicht auf gegebene Entscheidungsprämissen auf, sondern beobachtet unter Einbezug der begrenzten Rationalität deren Zustandekommen. Die Ergebnisse der deskriptiven Entscheidungstheorie sind auch für die präskriptive Entscheidungstheorie von Wichtigkeit. Die präskriptiven Theorien sind Bestandteile der deduktiven Forschung und beschreiben nicht die Wirklichkeit, sondern geben Verhaltensempfehlungen für verschiedene Situationen in der Realität. Die deduktiven Untersuchungen stellen somit Orientierungshilfen für die Verarbeitung von Informationen zur Verfügung[7]. Derartige Orientierungshilfen sind aber nur dann sinnvoll, wenn sie auch realistisch umgesetzt werden können. Die deskriptive Entscheidungstheorie erforscht, welche Anforderungen der Entscheider wirklich erfüllen kann und ist somit von grundlegender Bedeutung für die präskriptive Entscheidungstheorie.

Wie sich aus der Begrifflichkeit schon ableiten lässt, gibt die präskriptive Entscheidungstheorie Handlungsempfehlungen, wie sich Individuen in bestimmten Entscheidungssituationen verhalten sollen. Dem Entscheidungsträger wird vorgegeben, welche rationalen Entscheidungen unter Betrachtung seiner Ziele die besten Ergebnisse ermöglichen[8]. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der so genannten formalen Rationalität. Die Verhaltensempfehlung wird hierbei logisch aus dem Zielsystem des Entscheiders abgeleitet. Der Rationalitätsbegriff stellt somit einen der zentralen Begriffe der präskriptiven Entscheidungstheorie dar. Eine Entscheidung ist dann rational, wenn der gewählte Weg zur Erreichung der Ziele beiträgt und das Verhältnis von dem Ergebnis und den eingesetzten Mitteln bei gegebenem Wissensstand optimal ist[9]. In der Literatur werden neben der formalen Rationalität auch noch die substantielle, objektive und subjektive Rationalität erwähnt[10]. Die substantielle Rationalität zieht erweiternd noch den substantiellen Inhalt der Ziele heran, d.h., die gewählten Ziele werden ebenfalls als Beurteilungskriterium für die Rationalität aufgeführt. Die objektive Rationalität ist dann gegeben, wenn das Situationsbild des Entscheiders mit der Wirklichkeit übereinstimmt, wie ein objektiver Betrachter diese ebenfalls feststellen würde. In der Realität ist allerdings eher die subjektive Rationalität gegeben. Man geht hier davon aus, dass eine Entscheidung auch dann optimal ist, wenn sie mit den subjektiv wahrgenommenen Informationen übereinstimmt[11].

2.1.2 Entscheidungstheorie als betriebswirtschaftliche Theorie

Die Entscheidungstheorie stellt eine der zentralen Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre dar[12]. Im folgenden soll festgestellt werden, wo die betriebswirtschaftliche Relevanz der deskriptiven und der präskriptiven Entscheidungstheorie liegt. Dafür ist es zunächst notwendig, die Betriebswirtschaftslehre und ihre wissenschaftlichen Ziele genauer zu betrachten. Die moderne Betriebswirtschaftslehre versteht sich als interdisziplinäre Realwissenschaft[13]. Dabei gehört es zu ihren Aufgaben, Menschen, die in betriebswirtschaftlichen Organisationen tätig sind bei ihren Entscheidungen sowie den Gesetzgeber bei der Konzipierung unternehmensrelevanter Gesetze zu unterstützen. Hierzu nutzt die Betriebswirtschaftslehre nicht nur die Kenntnisse der Unternehmensforschung, sondern bindet auch das Wissen anderer Wissenschaftsbereiche, wie z.B. der Rechtswissenschaft, der Soziologie und der Psychologie, in ihre Betrachtung ein. Die Betriebswirtschaftslehre lässt sich als angewandte Entscheidungslehre bezeichnen, die eine praktisch-normative Wissenschaft darstellt[14]. Unter dem Aspekt der bestmöglichen Zielerreichung leitet sie Aussagen ab bzw. gibt Hilfestellungen, wie Entscheidungen in der Betriebswirtschaft getroffen werden sollen. Die Entscheidungslehre hat sich so in den letzten 30 Jahren als eines der wichtigsten Denkmodelle der Betriebswirtschaftslehre etabliert[15]. Unter dem eben erwähnten Aspekt lässt sich nun auch das Hauptziel der Betriebswirtschaftslehre, nämlich die Entwicklung normativer Entscheidungsmodelle zur Realisierung rationaler Problemlösungen von Entscheidungssituationen, ableiten. Diese Entwicklung findet sich in der präskriptiven Entscheidungstheorie wieder, deren Handlungsempfehlungen auf den Entscheidungsmodellen basieren[16]. Allerdings kann, wie zuvor schon angedeutet, die präskriptive Entscheidungstheorie ihrer Aufgabe ohne die deskriptive Entscheidungstheorie nur unzureichend nachkommen. Die deskriptiven Modelle liefern die wissenschaftlichen Aussagen, gestützt auf Erfahrungen über verfolgte Ziele und Konsequenzen der Entscheidungen, die wiederum von der präskriptiven Theorie als Grundlage für deren Normenerstellung genutzt werden[17]. Das Entscheidungssystem lässt sich so auch in den Bereich des Informationssystems, dargestellt durch die deskriptive Theorie, und in den Bereich der Entscheidungslogik, dargestellt durch die präskriptive Theorie, unterteilen. Beide Aspekte bilden zusammen die Beratungsaufgaben der praktisch-normativen Betriebswirtschaftslehre. Aus dieser Tatsache lässt sich erkennen, dass die betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre eine Synthese aus der deskriptiven und der präskriptiven Forschung ist und sich diese Ansätze in der Betriebswirtschaftslehre nicht von einander trennen lassen[18]. Erst die Kombination der beiden Forschungsschwerpunkte unter dem Gesichtspunkt der richtigen Entscheidung mit größtmöglichem Zielerfüllungsgrad, ermöglicht der Betriebswirtschaftslehre ihre beratenden Aufgaben umfassend zu erfüllen.

In diesem Zusammenhang muss aber auch erwähnt werden, dass die deskriptive Entscheidungstheorie als empirische Forschung, aufgrund von unzureichendem Material, im Bereich der Wirtschaftswissenschaften nicht so ausgeprägt bzw. nicht so einfach ist wie z.B. in den Naturwissenschaften[19]. Das entsprechende Experiment ist in der Wirtschaftswissenschaft demnach häufig die hypothetische Entscheidungssituation. Die in den Naturwissenschaften anzutreffenden Laborexperimente werden in der Betriebswirtschaftslehre durch Experimente bzw. Beobachtungen in der Praxis ersetzt. Konstante Bedingungen oder die im Idealfall anzutreffende Veränderung nur einer bestimmten Variablen und deren Ergebnisauswirkung, sind so in der Betriebswirtschaftslehre nicht oder nur sehr selten vorzufinden[20].

2.1.3 Entscheidungsmodelle

Es wird nun erläutert, welche Bedeutung und spezifischen Aufgaben die Entscheidungsmodelle im Rahmen der Entscheidungstheorie besitzen.

Hierzu wird als erstes der allgemeine Modellbegriff genauer betrachtet. Eine wesentliche Eigenschaft eines Modells ist dessen Entstehung durch Reduzierung eines konkreten Sachverhaltes auf seine wesentlichen Elemente, was auch als Abstraktion bezeichnet wird[21]. Das Modell stellt dem zur Folge eine vereinfachte Abbildung eines realen Sachverhaltes dar. Vereinfachte Abbildung bedeutet, dass nur die Elemente von der Realität in das Modell übernommen werden, die für die Beantwortung der jeweiligen Fragestellung von Bedeutung sind. Dazu ist es notwendig, das Realsystem in die Elemente aufzugliedern, die zu einem in das Modell eingehen und zu anderem in dem Modell keine Berücksichtigung finden sollen. Der Grund für diese Vorgehensweise liegt darin, dass die entsprechenden Realsysteme, wie z.B. Unternehmen oder Märkte, derart komplex sind, dass eine Konzentration auf die für die Problemstellung wesentlichen Aspekte und Bestandteile unumgänglich ist. Nur so ist es möglich, Sachverhalte transparent und überschaubar darzustellen und Lösungsansätze zu erarbeiten. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Anforderung nach Strukturgleichheit des Modells mit der Realität[22]. Diese muss gegeben sein, um sinnvolle Rückschlüsse von den Modellen auf die Wirklichkeit zu übertragen. Konkret heißt das, dass nicht nur die relevanten Elemente und Charakteristika der Realität, sondern auch deren Beziehungen zueinander übernommen werden müssen. Es muss demnach in dem Modell eine eindeutige Zuordnung der Relationen der einzelnen Elemente erfolgen, um so die Zusammenhänge der Realität abzubilden.

Modelle lassen sich nach ihrem Verwendungszweck unterscheiden[23]. Diese Einteilung stellt auch gleichzeitig die Überleitung von dem allgemeinen Modellbegriff hin zu dem eigentlichen Entscheidungsmodell dar. Man unterscheidet Beschreibungsmodelle, Erklärungsmodelle und die Entscheidungsmodelle. Hierbei bilden die Beschreibungs- und Erklärungsmodelle die Grundlage für die Anwendung der Entscheidungsmodelle. Die Beschreibungsmodelle stellen Informationen über die Ausgangssituation zur Verfügung und die Erklärungsmodelle liefern Zweck-Mittel-Analysen bzw. als Prognosemodelle auch Prognosen über die Auswirkungen geplanter Maßnahmen. Das Entscheidungsmodell, teilweise auch Entscheidungskalkül genannt, ermöglicht dann eine Festlegung von bestimmten Aktionen unter dem Aspekt der bestmöglichen Zielerreichung[24]. Entscheidungshilfen in Form von Entscheidungsmodellen stellen einen zentralen Bestandteil der deduktiven Forschung dar. Folgende, schon etwas ältere, aber in der Literatur immer noch sehr häufig verwendete Definition von Entscheidungsmodellen nach Bretzke, wird für diese Arbeit herangezogen:

„(…) das Ergebnis eines Versuches, die für wesentlich gehaltene Elemente und Beziehungen einer als Problem empfundenen Handlungssituation in einer formalisierten Sprache so zu definieren, daß aus dem resultierenden Strukturkomplex die Problemslösung als logische Implikation abgeleitet werden kann“[25].

Generell lassen sich zwei Arten von Entscheidungsmodellen unterscheiden, nämlich die allgemeinen und die konkreten Entscheidungsmodelle. Die allgemeinen Entscheidungsmodelle, auch A-Modelle genannt, beziehen sich nicht auf konkrete oder spezielle Entscheidungsprobleme, sondern stellen lediglich bestimmte Typen von Entscheidungssituationen dar und liefern hier Lösungsvorschläge. Ziel ist es, reale Entscheidungsprobleme des entsprechenden Typs abzubilden und dann mit Hilfe der Logik oder mit Rechenverfahren zu lösen. Die konkreten Entscheidungsmodelle werden auch als K-Modelle bezeichnet und beziehen sich auf spezifische Entscheidungssituationen bzw. weisen einen raum-zeitlichen Situationsbezug auf[26]. Voraussetzung ist allerdings, dass zunächst ein entsprechendes A-Modell vorliegt, welches dann durch konkreten Bezug auf das Problem in ein K-Modell transferiert wird. Eine wichtige Aufgabe der deduktiven Forschung besteht demnach darin, eine Vielzahl verschiedener A-Modelle zu realisieren, die dann als Grundlage für die Lösung von speziellen Entscheidungsproblemen in K-Modelle umgewandelt werden können[27]. Weitere Voraussetzung für die Gestaltung eines solchen K-Modells ist aber auch, dass sinnvolle Lösungsmöglichkeiten, z.B. unter zur Hilfenahme von Rechentechniken, entwickelt werden können. Es wird nun die Basisstruktur eines Entscheidungsmodells erläutert und daraus das Grundmodell der Entscheidungstheorie abgeleitet. Die folgende Abbildung zeigt die Basiselemente eines Entscheidungsmodells auf:

Basiselemente eines Entscheidungsmodells

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Handlungsalternativen Ergebnisse Umweltzustände

Abbildung 1: Basiselemente eines Entscheidungsmodells[28]

Demnach besteht ein Entscheidungsmodell aus der Zielfunktion und dem Entscheidungsfeld. Das Entscheidungsfeld lässt sich weiter in die Handlungsalternativen, Ergebnisse und Umweltzustände untergliedern. Im folgenden wird nun genauer auf diese Elemente eingegangen. Das Problem einer Entscheidung liegt nur dann vor, wenn mindestens zwei verschiedene Handlungsalternativen existieren[29]. Die Größen für die Beschreibung dieser Alternativen werden auch Entscheidungsvariablen bzw. Aktionsvariablen genannt. In der Regel setzt sich ein Entscheidungsproblem aus mehreren dieser Variablen zusammen. Die Menge der relevanten Alternativen wird allgemein mit A und die einzelnen Alternativen mit A1, A2, A3,…AA bezeichnet. Jede Handlungsalternative führt im Rahmen ihres Aktionsraumes zu Konsequenzen, die im Entscheidungsmodell abgebildet werden müssen, um eine Beurteilung der einzelnen Alternativen vornehmen zu können. Da aber für die einzelnen Alternativen oft sehr viele verschiedene Konsequenzen vorliegen können, ist eine vollständige Erfassung im Modell nicht möglich. Es wird sich deshalb nur auf die Konsequenzen konzentrieren, die für den Entscheider ein zufrieden stellendes Ergebnis hervorbringen. Man bezeichnet diese auch als Zielgrößen oder auch als Zielvariablen. Das Ergebnis E entspricht dann der Funktion, die für jede Aktion und jeden Zustand die Zielgrößen angibt[30]. Es existieren aber auch Größen, die Auswirkungen haben auf das Ergebnis bei Wahl einer Alternative, aber von dem Entscheider selber nicht beeinflusst werden können[31]. Hierbei handelt es sich dann nicht um Entscheidungsvariablen, sondern um so genannte Daten. Dem Entscheider sind aber in der Regel nicht sämtliche Ausprägungen von entscheidungsrelevanten Daten bekannt. Als Umweltzustände oder auch als Zustandsräume werden demnach die Zustände bezeichnet, die die Ergebnisse von Aktionen beeinflussen, selber aber nicht abhängig von den Aktionen des Entscheiders sind. Jeder Zustand repräsentiert dabei eine Wertkombination der relevanten Umfelddaten[32]. Hierbei müssen aber auch die Erwartungsstrukturen des Entscheiders über die Zustände berücksichtigt werden. Das bedeutet, es erfolgt eine Präzisierung der subjektiven Erwartungen des Entscheiders. Die idealtypischen Strukturen sind in der folgenden Abbildung dargestellt und bilden auch die Grundlagen für die weitergehende Bearbeitung der Entscheidungstheorie in dieser Arbeit:

Mögliche Erwartungsstrukturen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Sicherheit Unsicherheit

Unsicherheit im engeren Sinne Risiko

Abbildung 2: Mögliche Erwartungsstrukturen über die Zustände[33]

Ein weiterer wichtiger Bestandteil eines Entscheidungsmodells ist die Zielfunktion. Ein Vergleich der unterschiedlichen Alternativen in Bezug auf ihre Konsequenzen ist nur dann möglich, wenn Zielvorstellungen existieren, die in dem Entscheidungsmodell berücksichtigt bzw. verankert werden müssen. Generell lassen sich Ziele als angestrebte Zustände definieren, die sich vom gegenwärtigen Ausgangszustand unterscheiden[34]. Auf Grundlage dieser Definition ist es möglich, vier verschiedene Zustände von Zielvorstellungen festzulegen[35]. Man unterscheidet folglich die Fixierung, Satisfizierung, Maximierung und Minimierung von Zielgrößen. Die Fixierung beschreibt den Zustand, dass ein genau fixierter Wert für die Zielgröße festgelegt wird.

Bei der Satisfizierung wird ein festgelegtes Anspruchsniveau für die Zielgröße definiert. Die Maximierung beinhaltet die Alternative, die die Zielfunktion Z maximiert, also Z → Max !. Die Minimierung entspricht folglich der Handlungsalternative, welche die Zielfunktion minimiert, also Z → Min!. Als Zielfunktion wird hier die formale Darstellung einer Entscheidungsregel verstanden, die wiederum aus einer Präferenzfunktion Ф und einem Optimierungskriterium besteht[36]. Die Präferenzfunktion Ф ordnet hierbei den verschiedenen Alternativen Präferenzwerte Ф(Aa) zu und das Optimierungskriterium stellt dar, welche Ausprägungen für den Präferenzwert angestrebt werden. In der Entscheidungstheorie wird in den meisten Fällen die Maximierung als Optimierungskriterium verwendet, da sich sämtliche Präferenzfunktionen so darstellen lassen, dass eine Verwendung des Maximums sinnvoll ist. Der Entscheider wählt demnach die Alternative, die den höheren Präferenzwert aufweist, was sich auch als Ф(Aa) → Max ! ausdrücken lässt.

Aus den vorhergegangenen Überlegungen heraus lässt sich nun auch das Grundmodell der Entscheidungstheorie nach Schneeweiß erörtern. Obwohl dieses Modell schon aus dem Jahre 1967 stammt, findet es heute immer noch Verwendung in sämtlicher Literatur zu der Thematik der Entscheidungstheorie. Ein wesentlicher Bestandteil ist, neben der zuvor erläuterten Zielfunktion, die Ergebnismatrix[37]. Die Ergebnismatrix beinhaltet die Ergebnisse aus den Kombinationen der jeweiligen Handlungsalternativen mit den zugehörigen Umweltzuständen und ist in der folgenden Darstellung aufgeführt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Allgemeine Form der Ergebnismatrix bei Risiko[38]

Beinhaltet die Ergebnismatrix Wahrscheinlichkeiten W(Ss), wie bei obiger Darstellung gegeben, ist eine Risikosituation dargestellt. Sind die Wahrscheinlichkeiten W(Ss) nicht aufgeführt, handelt es sich um eine Matrix der Unsicherheit im engeren Sinne. Als Elemente der Ergebnismatrix sind die Ergebnisse EAS dargestellt, die eintreten werden, wenn eine bestimmte Alternative AA vom Entscheider gewählt wird und der Zustand SS vorliegt[39]. Die Summe der Wahrscheinlichkeiten muss bei Berücksichtigung aller für den Entscheider möglichen Zustände gleich 1 sein. Wichtig für die Betrachtung der Alternativen, Umweltzustände und Ergebnisse ist aber noch der Einwand, dass in allen Fällen die jeweilige Anzahl durch eine Vorauswahl des Entscheiders begrenzt wird[40]. Der Entscheider wird also, wie zuvor schon kurz angedeutet, nur die Alternativen berücksichtigen, die seinen Zielsetzungen entsprechen. Der Handlungsspielraum wird so bewusst eingeengt. Das gleiche gilt für die zu berücksichtigen Umweltzustände. Weniger wichtige Daten werden außer Acht gelassen und die Anzahl der Zustände begrenzt. Ebenso wird die Anzahl der Zielgrößen reduziert, um den Planungs- und Rechenaufwand für die Ergebnisermittlung zu reduzieren.

2.2 Entscheidungen bei Sicherheit

Im folgenden Gliederungspunkt werden Entscheidungen unter dem Aspekt der Sicherheit dargestellt. Dazu ist zunächst eine kurze Erläuterung erforderlich, welche charakteristischen Merkmale die Situation der Sicherheit aufweist. Danach folgt die Differenzierung zwischen Entscheidungen bei einer und bei mehreren Zielgrößen. Es lässt sich feststellen, dass Entscheidungsprobleme bei mehreren Zielgrößen realistischer und in der Praxis häufiger anzutreffen sind. Probleme bei Sicherheit mit nur einer Zielgröße stellen sich aus entscheidungstheoretischer Sicht als relativ einfach lösbar und komplikationslos dar[41].

2.2.1 Situation der Sicherheit

Entscheidungen bei Sicherheit sind dadurch gekennzeichnet, dass der Entscheider die Ausprägungen sämtlicher entscheidungsrelevanter Daten und deren Zustand mit Sicherheit kennt. Das Ergebnis jeglicher Entscheidungsalternative lässt sich demnach vorhersehen bzw. eindeutig berechnen[42]. In der Realität ist dieser Sachverhalt zwar nicht häufig gegeben, aber Entscheidungsmodelle bei Sicherheit besitzen einen hohen theoretischen Wert und dürfen deshalb bei der Betrachtung der Entscheidungstheorie nicht außer Acht gelassen werden. Um Entscheidungsprobleme mit ausgeprägter Komplexität darzustellen, bedarf es der Modellvereinfachung. Hierbei besteht die einfachste Vorgehensweise darin, für alle Daten festgeschriebene Werte anzunehmen. Diese Daten werden als sicher angenommen, wenn man davon ausgehen kann, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit einer abweichenden Datenausprägung als sehr gering einzustufen ist oder wenn die verschiedenen Alternativen ähnlich sind. Ein weiterer Aspekt für die Verwendung von Entscheidungsmodellen unter Sicherheit ist die Tatsache, dass derartige Modelle immer noch zu besseren Entscheidungsergebnissen führen, als wenn komplett auf Modellbildung verzichtet wird[43]. Die Entscheidungsproblematik wird mit Hilfe des Modells anschaulicher und verständlicher. Ebenso lassen sich sichere Entscheidungsmodelle auch für Entscheidungsprobleme bei Unsicherheit verwenden, wenn bekannt ist, wie diese Modelle für die Unsicherheitssituation erweitert werden können[44]. Die unten aufgeführte Darstellung zeigt eine Ergebnismatrix im Fall der sicheren Entscheidung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Ergebnismatrix bei sicheren Entscheidungen[45]

Das zu der dargestellten Ergebnismatrix zugehörige Entscheidungsmodell beruht auf der Annahme der vollkommenen Information und ergibt eine Problemformulierung, die sich z.B. mit der linearen Programmierung lösen lässt. Die Ergebnismatrix ist in einem solchen Fall identisch mit einer Wertetabelle, die durch Gegenüberstellung der Alternativen zu den Ergebnissen eine einfache Auswahl der optimalen Handlung durch Ablesen ermöglicht.

2.2.2 Entscheidungen bei einer Zielgröße

Neben der vereinfachten Problemdarstellung unter dem Aspekt der aufgrund vollkommener Information gegebenen Sicherheit, wird nun eine weitere Reduzierung der Komplexität des Entscheidungsmodells vollzogen. Hierbei handelt es sich um die zusätzliche Betrachtung nur einer Zielgröße[46]. Die zielrelevanten Ergebnisse werden dabei auf eine Ergebnisart konzentriert und nur diese im Modell dargestellt. In der Praxis werden solche Modelle oft in Zusammenhang mit Zielen wie Gewinnmaximierung oder Kostenminimierung erstellt[47]. Diese Tatsache verdeutlicht, dass trotz stark vereinfachter Darstellung, sichere Entscheidungsmodelle mit nur einer zu betrachtenden Zielgröße für wichtige Entscheidungsfragen eingesetzt werden können. Entscheidend für die Bewertung von Aktionen bei nur einer Zielgröße, ist die Präferenzvorstellung des Entscheiders über die Ergebnishöhe, was sich auch als angestrebtes Zielausmaß bezeichnen lässt. Geht man nun von einer unbegrenzten Zielsetzung aus, so lässt sich die die optimale Handlung aus der Extremierungsannahme heraus einfach über die Ergebnisse ermitteln[48]. Wie zuvor schon erwähnt, liegt bei der Situation der Sicherheit für jede Aktion ein bestimmtes Ergebnis vor. Die Aktionen werden dann entsprechend ihrer Ergebnisse auf- oder absteigend sortiert und so die Rangfolge ermittelt. Die Alternative mit dem höchsten Bewertungsrang stellt dann die Optimallösung in diesem Entscheidungsmodell dar. Dieser Sachverhalt lässt sich auch als Nutzenbewertung unter Verwendung einer Nutzenfunktion U(x) = h(x) darstellen. Unter der Extremwertforderung steigt der Nutzen bei einer Maximierung monoton mit dem Ergebnis, während er bei einer Minimierung monoton mit dem Ergebnis der Zielgröße fällt[49]. Neben diesem Extremierungsprinzip gibt es aber auch die Möglichkeit, eine Nutzenfunktion anspruchsniveaubezogen einzusetzen. Die begrenzte Zielsetzung, welche dem Streben nach einem zufrieden stellenden Ergebnis entspricht, ist durch eine Zerlegung sämtlicher Ergebnisse in zwei Klassen gekennzeichnet[50]. Man unterscheidet folglich zufrieden stellende und nicht zufrieden stellende Ergebnisse. Allerdings führt eine derartige Funktion nur dann zu einem eindeutigen Ergebnis, wenn genau eine Alternative dem Anspruchsniveau des Entscheiders genügt. Liegt keine Lösung des Problems vor, also entspricht keine Alternative dem Anspruchsniveau des Entscheiders, so muss dieser sein Anspruchsniveau schrittweise senken und entsprechend aus den vorliegenden, zuvor unbefriedigenden Aktionen, die dann für ihn akzeptable Lösung auswählen. Im Gegensatz dazu erhöht der Entscheider sein Anspruchsniveau schrittweise, wenn keine eindeutige Lösung für ihn vorliegt, ihm folglich mehrere zufrieden stellende Alternativen zur Verfügung stehen.

2.2.3 Entscheidungen bei mehreren Zielgrößen

In der Realität häufiger anzutreffen als Entscheidungsmodelle mit nur einer Zielgröße sind Modelle mit multipler Zielsetzung[51]. Hierfür gibt es verschiedene Gründe. Möglich ist, dass sich der Entscheider von Beginn an an mehreren Zielgrößen orientiert. Dieser Sachverhalt ist beispielsweise bei der Darstellung und Beurteilung umfangreicher Projekte gegeben, die sich aufgrund ihrer Komplexität nicht nur durch ein einziges Zielkriterium definieren lassen. Neben quantitativen werden hier auch oftmals qualitative Zielaspekte von Problemstellungen berücksichtigt, die dann in Rangfolge- oder Scoring-Modellen abgebildet werden[52]. Ebenfalls möglich ist, dass zunächst eine übergeordnete Zielgröße existiert, die aber formal durch mehrere Zielgrößen unter dem Gesichtspunkt einer einfachen Formulierung des Entscheidungsmodells ersetzt wird[53]. Es erfolgt eine Ableitung einzelner wichtiger Unterziele aus einem Oberziel. So kann z.B. ein festgelegtes Ziel, wie die Gewinnmaximierung, in der Fertigung auf einzelne für die Realisierung des Oberziels entscheidende Unterziele herunter gebrochen werden. Als Unterziele sind dann beispielsweise der Auslastungsgrad der Anlagen, das in den Vorratsbeständen gebundene Kapital oder die Liefertermintreue zu nennen. Wie zuvor schon erwähnt, lässt sich bei sicheren Entscheidungen mit einer Zielgröße für jede Alternative genau ein entsprechendes Ergebnis zuordnen. Bei mehreren Zielgrößen ist das Ergebnis gekennzeichnet durch den Vektor der entsprechenden Zielausprägungen. Diese Tatsache lässt sich durch folgende Zielgrößenmatrix am Beispiel eines Autokäufers darstellen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Zielgrößenmatrix eines Autokäufers[54]

Die verschiedenen Zielgrößen Z und deren Ausprägungen lassen sich, bezogen auf die jeweiligen Alternativen, aus dieser Matrix entnehmen. In diesem Zusammenhang gewinnen nun auch die Beziehungen der Ziele untereinander an Bedeutung. Zwischen Zielgrößen kann Neutralität, Komplementarität oder Konkurrenz, was einem Zielkonflikt entspricht, bestehen[55]. Zwei Ziele verhalten sich zueinander neutral, wenn die Verbesserung der Zielerreichung der einen Zielvariablen ohne Auswirkungen auf den Grad der Zielerfüllung der anderen Zielvariablen ist. Komplematarität liegt dann vor, wenn eine Steigerung des Erfüllungsgrades der einen Zielgröße auch eine Verbesserung des Erfüllungsgrades der anderen Zielgröße mit sich bringt. In wirklichen Entscheidungsproblemen sind aber sowohl die Neutralität als auch die Komplementarität nicht häufig vorzufinden. Bei der Zielneutralität lässt sich das Entscheidungsproblem aufgrund der Unabhängigkeit der Ziele untereinander in einzelne Teilprobleme mit jeweils einer Zielgröße zerlegen[56]. Die Entscheidung erfolgt dann getrennt für jede Zielgröße. Bei der Komplementarität wird der Entscheider eine seiner Präferenzen entsprechende Zielgröße auswählen. Die zugehörig beste Alternative stellt bei diesem Zielverhältnis auch die beste Aktion für jede andere Zielgröße dar. Das spezielle entscheidungstheoretische Problem besteht aber aus Entscheidungsproblemen, die Zielkonflikte aufweisen[57]. Hier führt die Steigerung des Erfüllungsgrades der einen Zielvariablen zu einer Reduzierung des Erfüllungsgrads der anderen Variablen. Wie in Abbildung 6 dargestellt, ist die Mehrleistung des Wagentyps 3 mit einem höheren Verbrauch verbunden. Der besonders sparsame Typ 2 kostet, z.B. aufgrund seiner besonderen Technologie, mehr als Typ 3 und ist zudem nicht so leistungsstark. Bei den verschiedenen Typen sind die Vorteile der einen mit Nachteilen einer anderen Zielgröße verbunden. Eine Optimallösung ist in diesem Beispiel nicht gegeben. Der Entscheider hat nun zwei verschiedene Möglichkeiten. Er kann eine Auswahl gemäß seiner persönlichen Präferenz wählen oder das Effizienzkriterium einsetzen[58]. Im ersten Fall bestimmt der Entscheidungsinhaber entweder eine vollständige Präferenzzuordnung, die sämtliche Alternativen und deren Ergebnisse in Rangfolge beinhaltet oder er wählt nur die seiner Präferenz entsprechende Optimallösung; die Rangordnung der anderen Alternativen werden von ihm dann außer Acht gelassen[59]. Beim Effizienzkriterium werden zuerst alle ineffizienten Aktionen eliminiert. Eine Alternative gilt dann als ineffizient, wenn sie gegenüber mindestens einer weiteren Handlungsalternative bezüglich aller Zielsetzungen ein nicht günstigeres und bezüglich einer Zielsetzung sogar ein ungünstigeres Ergebnis erbringt[60]. In dem Autokäufer-Beispiel liegt die ineffiziente Alternative bei Wagentyp 1, da dieser in jeder Zielgröße ein schlechteres Ergebnis aufweist als die Typen 2 und 3. Durch explizite Betrachtung bzw. Maximierung einer der untereinander konkurrierenden Zielgrößen kann der Entscheider nun verschiedene effiziente Lösungsansätze fokussieren bzw. die optimal erscheinende Lösung auswählen, was allerdings bei komplexen Entscheidungsfragen wesentlich aufwändiger sein kann als in dem hier verwendeten Beispiel. Alternativ kann auch eine Zielgewichtung gewählt werden, bei der eine Maximierung der gewichteten Summe aller Zielgrößen erfolgt.

2.3 Entscheidungen bei Unsicherheit im engeren Sinne

Gemäß den Erwartungsstrukturen des Entscheiders über die Zustände werden im folgenden Gliederungspunkt die Entscheidungen bei Unsicherheiten im engeren Sinne betrachtet. Diese Entscheidungsprobleme werden in der Literatur auch teilweise als Entscheidungen bei Ungewissheit bezeichnet[61]. Zunächst werden die Situation der Unsicherheit im engeren Sinne und danach einige relevante Entscheidungsregeln dargestellt. Diese Inhalte erleichtern auch das Verständnis für die später folgende Risikosituation, da beide Entscheidungsdarstellungen unter der Erwartungsstruktur der Unsicherheit angegliedert sind. Diese Unsicherheitssituationen weisen immer mindestens zwei verschiedene Umweltzustände auf, deren Eintreten möglich ist[62].

2.3.1 Situation der Unsicherheit im engeren Sinne

Charakteristisch für Entscheidungsprobleme unter Unsicherheit im engeren Sinne ist, dass der Entscheider zwar die Umweltzustände bzw. Datenkonstellationen mit positiver Eintrittswahrscheinlichkeit nennen kann, ihm jedoch eine Festlegung der Größenordnung dieser Eintrittswahrscheinlichkeiten nicht möglich ist[63]. Es muss aber festgestellt werden, dass das Konstrukt der Entscheidungen bei Unsicherheit im engeren Sinne nur wenig für die Beschreibung von realen Entscheidungsproblemen geeignet ist, da der Entscheider in den meisten Fällen, aufgrund seiner Erfahrung oder aufgrund von Informationen, die Eintrittswahrscheinlichkeiten beziffern kann. Er besitzt normalerweise in Bezug auf die Alternativen und Zustände entsprechende Glaubwürdigkeitsvorstellungen, die sich in Wahrscheinlichkeiten darstellen lassen. Die den Wahrscheinlichkeitswerten zugrunde liegenden Informationen können z.B. aus Managementinformations- oder Frühwarnsystemen stammen. Wenn dem Entscheider tatsächlich keine Informationen zur Verfügung stehen, ist es demnach fraglich, warum ein Ereignis generell bzw. eher als ein anderes Ereignis eintreten sollte. Unter dem Prinzip des unzureichenden Grundes sind in solchen Fällen die Eintrittswahrscheinlichkeiten für alle Ereignisse als identisch anzusetzen[64]. In der Praxis werden Entscheidungskriterien der Unsicherheit im engeren Sinne deshalb auch nur bei Extremhandlungen, wie extrem vorsichtigem Entscheidungsverhalten, eingesetzt. Rommelfanger und Eickemeier führen hier beispielsweise den Abschluss eines Versicherungsvertrages für ein neu entwickeltes doppelstöckiges Großraumflugzeug mit 1000 Sitzplätzen auf, über dessen Schadenshäufigkeit noch keine Erfahrungswerte existieren und es auch derzeit kein vergleichbares Flugzeug gibt[65]. Die folgende Darstellung zeigt eine Ergebnismatrix der Unsicherheit im engeren Sinne. Im Gegensatz zu Abbildung drei, weist diese allerdings aufgrund der oben erwähnten Strukturmerkmale der Unsicherheit im engeren Sinne keine Eintrittswahrscheinlichkeiten auf. Die Darstellung bildet die Grundlage für die Anwendung der unter 2.3.2 folgenden Entscheidungsregeln.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Ergebnismatrix bei Unsicherheit im engeren Sinne[66]

2.3.2 Entscheidungsregeln

Entscheidungsregeln ermöglichen die Lösung von Entscheidungsproblemen[67]. Wie zuvor schon erwähnt, bestehen sie aus Präferenzfunktionen und Optimierungskriterien für den Präferenzwert. Für die Lösung von Entscheidungsproblemen der Unsicherheit im engeren Sinne gibt es mehrere Regeln, von denen hier einige erläutert werden sollen.

Bei der Maximin-Regel ist für die Beurteilung einer Aktion nur das Ergebnis entscheidend, das im ungünstigsten Fall realisiert wird[68]. Es ist demnach die Alternative optimal, die bei der ungünstigsten Konsequenz am günstigsten ausfällt. Formal ausgedrückt unter Verwendung der Präferenzfunktion: Ф(Aa) = min Zas.

Zas stellt hierbei den Erfolg der Alternative Aa im Zustand s dar. Diese Regel ist in der Anwendung ähnlich einfach wie die Lösung von Entscheidungen bei Sicherheit, da auch hier ein simpler Vergleich erfolgt. Allerdings ist sie durch ihren extremen Pessimismus gekennzeichnet, welcher auch den größten Nachteil der Maximin-Regel darstellt.

Für die Maximax-Regel hingegen ist bei der Beurteilung der Alternative nur das Ergebnis bzw. der Erfolg entscheidend, der im besten Fall erzielt wird[69]. Der Maximalerfolg der Alternative ist maßgebend, was sich als Ф(Aa) = max Zas darstellen lässt. Nachteilig im Gegensatz zu der Maximin-Regel sind allerdings der sehr positive Blickwinkel dieser Entscheidungsregel und die evtl. auftretende negative Konsequenz bei einer Ergebnisabweichung.

Das Hurwicz-Prinzip kombiniert die Maximin- und die Maximax-Regel[70]. Es stellt damit einen Kompromiss zwischen den beiden zuvor erläuterten Regeln dar und beurteilt den Erfolg einer Aktion nach dem niedrigsten und nach dem höchsten ihrer Ergebnisse. Dazu wird ein gewogener Durchschnitt aus den Erfolgen gebildet. Der Maximalerfolg wird dabei mit dem Parameter α und der Minimalerfolg mit dem Parameter 1- α gewichtet. Formal dargestellt ergibt sich: Ф(Aa) = α * max Zas + (1- α ) * min Zas. Das Hurwicz-Prinzip ist allerdings keine Entscheidungsregel, sondern ein Entscheidungsprinzip. Ein Entscheidungsprinzip führt nicht grundsätzlich zu einer eindeutigen Lösung des Entscheidungsproblems[71]. Das Hurwicz-Prinzip trifft keine Aussage über die Höhe des Parameters α. Die Entscheidungsträger können folglich die so genannten Optimismus-Indizes unterschiedlich formulieren, was selbst bei Erstellung der gleichen Ergebnismatrix zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann. Neben dieser Tatsache ist zudem auch problematisch, dass die Maximin- und die Maximax-Regel Grenzfälle des Hurwicz-Prinzips darstellen und so nur jeweils zwei Ergebnisse von jeder Alternative Berücksichtigung finden[72].

Die Niehans-Savage-Regel zieht für die Beurteilung der Ergebnisse Bedauernswerte heran[73]. Der Bedauernswert der Alternative Aa* für den Zustand Ss ist gleich der Differenz aus dem in diesem Zustand maximal realisierbarem Ergebnis und dem Ergebnis der Alternative Aa*. Formal lässt sich dieser Sachverhalt folgendermaßen ausdrücken: Ba*s = max Zas – Za*s. Das Bestreben des Entscheiders liegt darin, einen möglichst geringen Bedauernswert zu erreichen, d.h. diejenige Aktion zu wählen, bei der der maximale Bedauernswert am kleinsten ist[74]. Der daraus entstehende Präferenzwert lautet Ф(Aa) = max Bas. Zur Ermittlung der Bedauernswerte muss zunächst eine Matrix des Bedauerns aufgestellt und für jeden Umweltzustand, also für jede Spalte, bezogen auf die Zielgröße der Maximalwert ermittelt werden. Danach wird der jeweilige Alternativwert der Spalte von dem Spaltenmaximum abgezogen. Diese rechnerische Ermittlung der Bedauernswerte ist in folgender Abbildung verdeutlicht:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: Ergebnismatrix mit Bedauernswerten bzw. Bedauernsmatrix[75]

Die Maximalwerte der Umweltzustände bzw. Spalten sind im oberen Teil der Abbildung fett dargestellt. Im unteren Teil wird nun für jede Alternative der Spalte die Differenz aus Maximal- und Alternativwert gebildet, was dem Bedauernswert entspricht. Gemäß der Vorgabe wird der Entscheider nun die Aktion wählen, bei der der maximale Bedauernswert minimal ist. Das entspricht in der Abbildung der Alternative 1 mit dem Maximalwert von 80. Kritikpunkte sind bei diesem Prinzip allerdings, dass die Entscheidung, bezogen auf die Bedauernsmatrix, wieder auf dem Minimax-Kriterium beruht und der eingetretene Zustand ex post überprüft werden muss, um zu ermitteln, welches Ergebnis maximal hätte realisiert werden können[76]. Eine solche Abschätzung eines Maximums ist in der Praxis allerdings kaum oder nur mit sehr großem Aufwand möglich.

2.4 Entscheidungen bei Risiko

Im anstehenden Gliederungspunkt werden Entscheidungen bei Risiko thematisiert. Wie bei den zuvor erläuterten Erwartungsstrukturen der Sicherheit und Unsicherheit im engeren Sinne, erfolgt auch für die Risikosituation zunächst eine spezifische Situationsdarstellung. Danach werden die beiden klassischen Entscheidungsprinzipien, nämlich das μ-Prinzip und das (μ,σ)-Prinzip sowie das Bernoulli-Prinzip als mögliche Lösungsansätze erläutert. Entscheidungsprobleme unter dem Risikoaspekt besitzen in der wirtschaftlichen Praxis wesentliche Relevanz[77]. Sie sind daher auch für die spätere Betrachtung des Risikomanagements von großer Bedeutung.

2.4.1 Risikosituation

Wesentliches Merkmal der Risikosituation und damit auch die Abgrenzung zu der Unsicherheit im engeren Sinne ist, dass der Entscheider sich nicht nur ein Urteil über die Umweltzustände mit positiven Eintrittwahrscheinlichkeiten bildet, sondern er diesen auch konkrete Eintrittswahrscheinlichkeiten zuordnen kann[78]. Er ist also im Stande, die Risikosituation hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens zu bewerten. Grundlage dieser Bewertung sind die objektiven oder subjektiven Wahrscheinlichkeiten, die der Entscheider aufgrund von Wissen, Erfahrungen und weiteren Informationen besitzt[79]. Allerdings ist die praktische Ermittlung der Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten der Zustände nicht ganz unproblematisch. Liegen dem Entscheider genug objektive Anhaltspunkte zur Bestimmung der Wahrscheinlichkeiten vor, was z.B. dann gegeben ist, wenn den Wahrscheinlichkeiten im ausreichenden Maße empirische Daten zugrunde liegen, so sind diese auch relativ einfach zu berechnen. Komplizierter hingegen wird die Ermittlung der Eintrittswahrscheinlichkeiten, wenn primär subjektive Wahrscheinlichkeiten im Vordergrund stehen. Für die Ermittlung von subjektiven Wahrscheinlichkeitswerten gibt es nach Cole zwei verschiedene Ansätze[80]. Einer dieser Ansätze ist die Verwendung einer Standardverteilung. Zum Aufbau dieser Verteilung werden nur wenige Schätzwerte benötigt. Die Fixierung kann unter Verwendung des Medians, der als Zentralwert die Merkmalsausprägung des Elementes darstellt, das in der nach Größe sortierten Beobachtungsreihe in der Mitte steht[81], sowie dem Drei-Sigma-Bereich als zugehörigem Intervall erfolgen. Der zweite Ansatz beinhaltet eine punkt- oder intervallweise Schätzung der Wahrscheinlichkeitsverteilung aufgrund von Expertenbefragungen. Diese qualitativen Urteile müssen dann Wahrscheinlichkeitszahlen oder Wahrscheinlichkeitsintervallen zugeordnet werden. Die Abgrenzung zwischen objektiver und subjektiver Wahrscheinlichkeit wird in der folgenden Bearbeitung der Entscheidungen unter Risiko aber nicht weiter verfolgt und demnach übergreifend der Begriff der Eintrittswahrscheinlichkeiten, unabhängig ob objektiv gegeben oder auf subjektiven Überzeugungsgraden basierend, verwendet.

Die vorliegenden Eintrittswahrscheinlichkeiten werden in dem Entscheidungsmodell erfasst. Entscheidungsmodelle, die eine Wahrscheinlichkeitsverteilung beinhalten, werden auch als stochastische Modelle bezeichnet[82]. Bezüglich der notwendigen Ergebnismatrix wird an dieser Stelle auf die in Abbildung 3 dargestellte allgemeine Form bei Risiko verwiesen, die auch eine Grundlage für die folgenden klassischen Entscheidungsregeln sowie das Bernoulli-Prinzip darstellt.

2.4.2 Klassische Entscheidungsprinzipien

Zu den klassischen Entscheidungsprinzipien risikobezogener Entscheidungen gehören das μ-Prinzip und das (μ,σ)-Prinzip[83].

Wesentlicher Bestandteil des μ-Prinzip, welches auch Bayes-Kriterium genannt wird, ist der Erwartungswert μ der jeweiligen Alternativen bzw. Zielgrößen. Der Erwartungswert einer Zielgröße ergibt sich dabei für jede Handlungsalternative als Summe der mit den jeweiligen Eintrittswahrscheinlichkeiten gewichteten möglichen Ergebnisse[84]. Er bildet folglich den Mittelwert, wenn man eine Entscheidungssituation unendlich oft wiederholen würde. Die aufgeführte Darstellung gibt ein Beispiel zur Berechnung des Erwartungswertes wieder:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8: Beispiel Erwartungswertermittlung[85]

Ausgangspunkt dieses Beispiels ist die Eröffnung einer neuen Tankstelle durch einen Mineralölkonzern und die dabei erwarteten Jahresgewinne in Euro. Es kommen für den Konzern zwei verschiedene Standorte in Frage, nämlich als Alternative 1 das Stadtzentrum und als Alternative 2 der Stadtrand. Zusätzlich ist bekannt, dass die Stadt den Bau einer Umgehungsstraße plant, die aber vorerst umstritten und folglich hier noch keine Entscheidung zum Straßenbau gefallen ist. Diese mögliche Umgehungsstraße bildet in dem Beispiel die unterschiedlichen Umweltzustände und besitzt, wie man in der Abbildung sieht, wesentlichen Einfluss auf die Gewinnerwartung am Stadtrand. Dort würde sich der Verkehr bei Realisierung der neuen Straße erheblich verringern und der prognostizierte Gewinn deutlich niedriger ausfallen. Der Verkehr im Stadtzentrum wäre von der neuen Straße nicht betroffen. Die Wahrscheinlichkeiten für die Realisierung der Straße liegt bei 0,3, während sie für die Nichtrealisierung 0,7 beträgt. Wie die Abbildung zeigt, ist bei Alternative a2 der Erwartungswert höher, so dass der Entscheider unter Verwendung des μ-Prinzips diese auswählen würde. Allgemein formal ausgedrückt, lautet der Präferenzwert der Alternative Aa bei Verwendung des μ-Prinzips Ф(Aa) = ∑ w(Ss) * Zas mit Verwendung der Zielfunktion ∑ w(Ss) * Zas → Max!. Zas bildet hierbei den Wert der Zielgröße unter Verwendung der Alternative Aa und Eintreten des Zustandes Ss[86]. Diese Vorgehensweise nach dem μ-Prinzip setzt allerdings ein risikoneutrales Verhalten des Entscheiders voraus[87]. Für den risikoneutralen Entscheider sind die Schwankungen der Ergebnisse nicht relevant, da er sich ausschließlich an dem mittleren Gewinn orientiert. Der risikoscheue Entscheider hingegen würde in dem Beispiel der Tankstellenerrichtung das Zentrum als Standort auswählen, da er hier, unabhängig vom Bau der Straße, einen sicheren Gewinn von 125.000 Euro erwarten kann. Die dritte Möglichkeit stellt der risikofreudige Entscheider dar, der zugunsten einer größeren Streuung der Ergebnisse auf einen höheren Erwartungswert verzichtet. Das μ-Prinzip ist für nicht risikoneutrale Entscheider nur dann akzeptabel, wenn ein unendlicher Wiederholungsfall der Entscheidung vorliegt, da hier nach dem Gesetz der großen Zahlen die erwartete relative Abweichung der Ergebnisse nahezu gleich Null ist[88]. Allerdings ist die Möglichkeit einer derartigen Durchschnittsbetrachtung aufgrund der Tatsache, dass viele Entscheidungsprobleme in der Realität nur einmalig oder zumindest nicht permanent zu lösen sind, selten gegeben. Das (μ,σ)-Prinzip verwendet neben dem Erwartungswert μ als weiteres Verteilungsmaß die Standardabweichung σ[89]. Für den Fall, dass der Entscheider nicht risikoneutral ist, kann eine Risikobeurteilung mit Hilfe der Standardabweichung der Zielgrößen erfolgen. Die Standardabweichung σ stellt dabei das Maß der Streuung der Zielgrößenwerte um den Erwartungswert dar, so dass die allgemeine Präferenzfunktion Ф(Z) = Ф(μ,σ) lautet[90]. Die Risikosituation ist dadurch geprägt, dass die Zielgrößen über oder unter dem Erwartungswert liegen können. Haben nun zwei Alternativen den identischen Erwartungswert, wird der risikoscheue Entscheider die Alternative mit der geringeren Standardabweichung und der risikofreudige Entscheider die Alternative mit der größeren Standardabweichung wählen. Der risikoscheue Entscheidungsträger stuft die Gefahr einer negativen Abweichung höher ein, während der risikofreudige Entscheidungsträger die Chance auf eine positive Streuung wahrnimmt. Diese Tatsache lässt sich auch mit Hilfe von Indifferenzkurven darstellen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 9: Indifferenzkurven im (μ,σ)-Diagramm in Abhängigkeit von der Risikoeinstellung[91]

Die Indifferenzkurven geben an, welche (μ,σ)-Kombinationen nach dem von dem Entscheidungsträger gewählten (μ,σ)-Prinzip äquivalent sind. Bei der Risikoaversion ist die Steigung der Kurven hierbei positiv, während sie bei der Risikofreude negativ ausfällt. Die Risikoneutralität hingegen ist durch den parallelen Verlauf der Kurven zu der σ-Achse gekennzeichnet. Als optimal eingestuft werden kann die Alternative, deren

(μ,σ)-Kombination auf einer Indifferenzkurve liegt, die im Koordinatensystem möglichst weit rechts verläuft, da hier der Entscheider einen größeren gegenüber dem kleineren Erwartungswert vorzieht.

[...]


[1] Vgl. Denk, R./Exner-Merkelt, K. (2005), S. 15.

[2] Vgl. Gleißner, W./Meier, G. (2004), S. 1.

[3] Vgl. Bamberg, G./Coenenberg, A. (2004), S. 3ff.

[4] Vgl. Palupski, R. (2004), S. 92.

[5] Vgl. Meyer, R. (2000), S. 2.

[6] Vgl. Rommelfanger, H./Eickemeier, S. (2002), S. 3.

[7] Vgl. Laux, H. (2003), S. 14.

[8] Vgl. Saliger, E. (2003), S. 1.

[9] Vgl. Palupski, R. (2004), S. 23.

[10] Vgl. Bamberg, G./Coenenberg, A. (2004), S. 3ff.

[11] Vgl. Rommelfanger, H./Eickemeier, S. (2002), S. 3.

[12] Vgl. Bamberg, G./Coenenberg, A. (2004), S. 11.

[13] Vgl. Olfert, K./Rahn, H.-J. (2003), S. 22.

[14] Vgl. Bamberg, G./Coenenberg, A. (2004), S. 11.

[15] Vgl. Rommelfanger, H./Eickemeier, S. (2002), S. 1.

[16] Vgl. Zimmer, M. (2005), S. 3ff.

[17] Vgl. Laux, H. (2005), S. 15.

[18] Vgl. Czap, H. (2001), S. 6.

[19] Vgl. Meyer, R. (2000), S. 13.

[20] Vgl. Meyer, R. (1999), S. 16.

[21] Vgl. Palupski, R. (2004), S. 90.

[22] Vgl. Bamberg, G./Coenenberg, A. (2004), S. 15.

[23] Vgl. Kahle, E. (2001), S. 19.

[24] Vgl. Saliger, E. (2003), S. 8.

[25] Vgl. Bretzke, W.-R. (1980), S. 8.

[26] Vgl. Delfmann, W. (2004), S. 12.

[27] Vgl. Laux, H. (2003), S. 18.

[28] Vgl. http://ls1www.cs.unidortmund.de/Lehre/SS2004/EUV/EUV_Kapitel1_2.pdf#search=%22Grundstr uktur%20Entscheidungsmodell%22, Stand 23.10.2006.

[29] Vgl. Laux, H. (2005), S. 21.

[30] Vgl. http://www.uniduisburg.de/FB5/BWL/WI/download/berss06/kap_21.pdf#search=%22Grundstr

uktur%20Entscheidungsmodell%22, Stand 23.10.2006.

[31] Vgl. Saliger, E. (2003), S. 6.

[32] Vgl. Bamberg, G./Coenenberg, A. (2004), S. 18.

[33] Vgl. Laux, H. (2003), S. 23.

[34] Vgl. Palupski, R. (2004), S. 9.

[35] Vgl. Neus, W. (2002), S. 5.

[36] Vgl. Osterloh, M. (2004), S. 1.

[37] Vgl. Schneeweiß, H. (1967), S. 125ff.

[38] Vgl. Meyer, R. (2000), S. 20.

[39] Vgl. http://ls1www.cs.unidortmund.de/Lehre/SS2004/EUV/EUV_Kapitel1_2.pdf#search=%22Grundstr uktur%20Entscheidungsmodell%22, Stand 23.10.2006.

[40] Vgl. Laux, H. (2005), S. 36.

[41] Vgl. Neus, W. (2002), S. 6.

[42] Vgl. http://iww.uni-landau.de/unterlagen/SS06/mehret/oectheorie/oek-05-Vorlesungsunterlagen1.

pdf#search=%22Entscheidung%20bei%20Sicherheit%22, Stand 27.10.2006.

[43] Vgl. Bamberg, G./Coenenberg, A. (2004), S. 44.

[44] Vgl. Laux, H. (2003), S. 64.

[45] Vgl. Meyer, R. (1999), S. 26.

[46] Vgl. Bamberg, G./Coenenberg, A. (2004), S. 44.

[47] Vgl. Dörsam, P. (1998), S. 18.

[48] Vgl. Saliger, E. (2003), S. 21ff.

[49] Vgl. http://iww.uni-landau.de/unterlagen/SS06/mehret/oectheorie/oek-05-Vorlesungsunterlagen1.

pdf#search=%22Entscheidung%20bei%20Sicherheit%22, Stand 27.10.2006.

[50] Vgl. Bamberg, G./Coenenberg, A. (2004), S. 46ff.

[51] Vgl. Nitzsch, R. von (2002), S. 54ff.

[52] Vgl. Bamberg, G./Coenenberg, A. (2004), S. 48.

[53] Vgl. Hax, H. (1974), S. 30.

[54] Vgl. Laux, H. (2005), S. 68.

[55] Vgl. Palupski, R. (2004), S. 340.

[56] Vgl. Kahle, E. (2001), S. 30.

[57] Vgl. Dörsam, P. (2001), S. 21.

[58] Vgl. Neus, W. (2002), S. 7ff.

[59] Vgl. Laux, H. (2005), S. 71.

[60] Vgl. Bamberg, G./Coenenberg, A. (2004), S. 53ff.

[61] Vgl. Rommelfanger, H./Eickemeier, S. (2002), S. 49ff; Saliger, E. (2003), S. 80ff.

[62] Vgl. Meyer, R. (2000), S. 35.

[63] Vgl. Dörsam, P. (2001), S. 28.

[64] Vgl. Laux, H. (2005), S. 117.

[65] Vgl. Rommelfanger, H./Eickemeier, S. (2002), S. 49.

[66] Vgl. Saliger, E. (2003), S. 80.

[67] Vgl. Kahle, E. (2001), S. 121.

[68] Vgl. Bamberg, G./Coenenberg, A. (2004), S. 130.

[69] Vgl. Laux, H. (2005), S. 108.

[70] Vgl. Meyer, R. (1999), S. 37.

[71] Vgl. Motsch, A. (1995), S. 13.

[72] Vgl. Laux, H. (1998), S. 109.

[73] Vgl. Niehans, J. (1948), S. 446ff; Savage, L.J. (1951), S. 55ff.

[74] Vgl. Bamberg, G./Coenenberg, A. (2004), S. 134.

[75] Vgl. Dörsam, P. (2001), S. 32ff.

[76] Vgl. Laux, H. (2005), S. 114.

[77] Vgl. Bamberg, G./Coenenberg, A. (2004), S. 78.

[78] Vgl. Saliger, E. (2003), S. 42.

[79] Vgl. Meyer, R. (2000), S. 47.

[80] Vgl. Cole, T.D. (1970), S. 61ff.

[81] Vgl. Bleymüller, J./Gehlert, G./Gülicher, H. (2002), S. 15.

[82] Vgl. http://www.stud.uni-siegen.de/fsr5/skripte/Rieper/entsch_theo-w93.doc, Stand 02.11.2006.

[83] Vgl. Hörter, S. (2002), S. 1.

[84] Vgl. Meyer, R. (2000), S. 47.

[85] Vgl. Dörsam, P. (2001), S. 41.

[86] Vgl. Laux, H. (1995), S. 146.

[87] Vgl. Saliger, E. (2003), S. 59.

[88] Vgl. Dörsam, P. (2001), S. 42.

[89] Vgl. Kahle, E. (2001), S. 129.

[90] Vgl. Laux, H. (2003), S. 157.

[91] Vgl. http://www.rsf.uni-greifswald.de/bwl/finanzwirtschaft/Lehrstuhl%20Homepage/Lehre/INV%20P

L%20KON%20VL%202005%20Kapitel%206_Investitionsentscheidungen%20unter%20Unsicherheit.pd, Stand 02.11.2006.

Final del extracto de 136 páginas

Detalles

Título
Risikomanagement. Entscheidungstheoretischer Ansatz und praktische Umsetzungsanalyse
Universidad
University of applied sciences, Siegen
Calificación
1,5
Autor
Año
2007
Páginas
136
No. de catálogo
V70655
ISBN (Ebook)
9783638616829
Tamaño de fichero
1184 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Risikomanagement, Entscheidungstheoretischer, Ansatz, Umsetzungsanalyse
Citar trabajo
Diplomkaufmann Thorsten Baudisch (Autor), 2007, Risikomanagement. Entscheidungstheoretischer Ansatz und praktische Umsetzungsanalyse, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70655

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