Die Klage über einen Verlust nationalstaatlichen Einflusses auf das politische Geschehen ist kein neues Problem. Ebensowenig ist es ein Problem, das ausschließlich auf die Europäische Integration bezogen ist. Im Zuge der Globalisierung fand eine “Aushöhlung” des Einflusses “klassischer” politischer Gemeinschaften, wie den Nationalstaaten und subnationaler Einheiten, statt. Einen besonderen Globalisierungs-Prozess stellt die Europäische Integration dar, die in dieser Arbeit unter besonderer Berücksichtigung von Überlegungen zur Verringerung des Legitimationsdefizits der EU durch eine Einbeziehung nationaler und subnationaler Parlamente in einem Verfassungsvertrag betrachtet wird. Insgesamt steht dabei die Frage im Vordergrund, ob, und wenn ja durch welche Methoden, eine verfassungsmößig garantierte, stärkere Einbeziehung nationalstaatlicher und regionaler Parlamente der EU tatsächlich zu mehr Legitimität verhelfen würde oder ob dabei nicht negative Effekte, wie z.B. ein weiterer Verlust von Effizienz und Transparenz, die positiven Effekte überwiegen würden.
Ein Kernpunkt der Überlegungen ist das Subsidiaritätsprinzip, dessen Bedeutungsgehalt im Einzelnen sehr unterschiedlich interpretiert wird. Zunächst wird zu klären sein, inwiefern Interpretationen des Subsidiaritätsprinzips differieren und welche Auswirkungen auf politische Prozesse von den unterschiedlichen Forderungen zu erwarten sind. Verschiedene Vorschläge zur Subsidiaritätskontrolle werden daraufhin diskutiert. Dabei geht es vorallem um die Frage, ob sich gewisse Standards in den Abläufen der parlamentarischen Arbeit der Mitgliedstaaten finden lassen, die zur Herausbildung von einheitlichen Regelungen in einer europäischen Verfassung geeignet wären. Neben einem Vergleich der parlamentarischen Praxis in Finnland und Spanien wird auch geprüft, inwieweit Beschaffenheit und Struktur der COSAC für eine Beauftragung dieses Gremiums mit der Subsidiaritätskontrolle geeignet wären. Zu klären ist in erster Linie, welche Stellung das jeweilige nationale Parlament gegenüber der nationalen Regierung einnimmt und in welchem Maße die Parlamente die Regierungen beeinflussen können. Umgekehrt ist von Interesse, zu welchem Zeitpunkt, und in welchem Umfang die nationalen Regierungen Informationen an die Parlamente weitergeben. Dabei werden besonders Informationen zu EU-Themen berücksichtigt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Methoden der Subsidiaritätskontrolle als Wege zur Wahrung nationalstaatlichen Einflusses
- Das Subsidiaritätsprinzip - Hilfe oder Hindernis im europäischen Einigungsprozess?
- Einheitliche EU-weite oder individuelle mitgliedstaatliche Subsidiaritätskontrolle?
- Konstitutionelle Regionen und europäische Politik: Die Problematik einer dritten Ebene im Entscheidungsgefüge der EU
- Aufwertung der konstitutionellen Regionen durch ein Klagerecht vor dem EuGH
- Ein Kompetenzkatalog zum Schutz des politischen Einflusses der Regionen?
- Grundsätzliche Überlegungen zur starren Fixierung von Kompetenzen und deren Vor- und Nachteile aus parlamentarischer Sicht
- Stichwort \"Mindestkompetenzen”: Beitrag zur Erhaltung von politischem Einfluss oder inhaltsleere “Alibi-Kompetenz”?
- Überlegungen zur Rückübertragung von Kompetenzen auf die nationale und subnationale Ebene
- Selbstdefinition durch Identität - Welche Eigenschaften sind für politische (parlamentarische) Eigenständigkeit notwendig?
- Abgrenzung von Nationalstaat, Region und Kommune am Beispiel der BRD
- Das Parlament als Forum für eine öffentliche Diskussion
- Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Rolle und Funktion nationaler und regionaler Parlamente in einer zukünftigen EU-Verfassung. Der Fokus liegt auf der Frage, ob und inwiefern eine stärkere Einbeziehung dieser Parlamente durch eine verfassungsmäßige Garantie zu einer Steigerung der Legitimität der EU führen würde. Dabei werden sowohl positive als auch negative Effekte einer solchen Einbeziehung betrachtet, beispielsweise ein möglicher Verlust an Effizienz und Transparenz.
- Subsidiaritätsprinzip und dessen Bedeutung im europäischen Einigungsprozess
- Methoden der Subsidiaritätskontrolle und ihre Auswirkungen auf politische Prozesse
- Rolle der konstitutionellen Regionen im politischen System der EU
- Bedeutung von Kompetenzkatalogen und ihre Vor- und Nachteile für den Einfluss von Regionen
- Identität politischer Gemeinschaften und die Notwendigkeit von Kompetenzen zur Wahrung dieser Identität
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Arbeit stellt die Problematik des schwindenden Einflusses nationaler und regionaler Parlamente im Kontext der Europäischen Integration dar. Sie argumentiert, dass eine Einbeziehung dieser Parlamente in einen Verfassungsvertrag zur Steigerung der Legitimität der EU beitragen könnte. Die Bedeutung des Subsidiaritätsprinzips und verschiedene Vorschläge zur Subsidiaritätskontrolle werden als Ausgangspunkt der Analyse benannt.
- Methoden der Subsidiaritätskontrolle: Dieses Kapitel untersucht verschiedene Interpretationen des Subsidiaritätsprinzips und deren Auswirkungen auf politische Prozesse. Die Diskussion beinhaltet Vorschläge für die Einführung einheitlicher Regeln für die Subsidiaritätskontrolle in einer europäischen Verfassung. Ein Vergleich der parlamentarischen Praxis in Finnland und Spanien sowie eine Analyse der COSAC werden durchgeführt.
- Konstitutionelle Regionen und europäische Politik: Dieses Kapitel behandelt die Rolle der Regionen im politischen System der EU. Vorschläge zur Einführung eines Klagerechts für Regionen und zur Festschreibung von "Mindestkompetenzen" werden diskutiert. Die Vor- und Nachteile einer Festlegung von Aufgaben in einem "Kompetenzkatalog" werden beleuchtet.
- Grundsätzliche Überlegungen zur starren Fixierung von Kompetenzen: Dieses Kapitel widmet sich dem Konflikt zwischen einer starren Festlegung von Zuständigkeiten und dem Anspruch demokratischer Selbstbestimmung durch freie parlamentarische Debatten. Der Vorschlag zur Rückübertragung von Kompetenzen wird in diesem Zusammenhang betrachtet.
- Selbstdefinition durch Identität: Dieses Kapitel befasst sich mit der Frage, welche Eigenschaften für die politische Eigenständigkeit von Gemeinschaften notwendig sind. Am Beispiel der BRD wird eine Abgrenzung von Nationalstaat, Region und Kommune vorgenommen. Die Rolle des Parlaments als Forum für eine öffentliche Diskussion wird in diesem Kontext beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit behandelt Themen wie Subsidiaritätsprinzip, Subsidiaritätskontrolle, Legitimität der EU, nationale und regionale Parlamente, EU-Verfassung, Kompetenzkatalog, politische Identität, und das Verhältnis zwischen Nationalstaaten, Regionen und Kommunen.
- Citation du texte
- M.A. Christoph Müller (Auteur), 2003, Integrationshindernisse oder Quellen der Legitimität? Überlegungen zur Rolle und Funktion nationaler und regionaler Parlamente in einer künftigen EU-Verfassung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70828