Estado da India - Portugals Kolonialpolitik in Ostindien um 1500


Seminararbeit, 2006

29 Seiten, Note: 2+ (1,7)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einführung - Die Bedeutung der Europäischen Expansion

2. Das Portugiesische Entdeckungszeitalter Portugals wirtschaftspolitische Rolle im Europa des 15. und 16. Jhs
2.1 Portugiesische Seefahrer und Entdeckungsfahrten

3. Die Estado da India
3.1 Portugals Überseeprovinzen – Aufbau Portugiesisch-Indiens
3.2 Organisation und Finanzierung des portugiesischen Überseehandels

4. Portugiesische Kolonialpolitik – Das Zusammenleben in den Kolonien
4.1 Portugiesische Missionsgeschichte in den Überseeprovinzen
4.2 Der Niedergang der portugiesischen Vorherrschaft im Indischen Raum

5. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis:

1. Einführung - Die Bedeutung der Europäischen Expansion

In den Geschichtswissenschaften beschreibt der Begriff Kolonialismus in der Regel das Bestreben einiger europäischer Staaten, neue Siedlungs- und Wirtschaftsräume zu erschließen und ihre Machtbasis auszuweiten, kurz die Ausdehnung des eigenen Einflussbereichs.

Die europäische Ausbreitung über die Erde ist ein entscheidendes Merkmal neuzeitlicher Entwicklung ; zusammen mit der Industrialisierung und der Ausbildung moderner Staaten gehört sie zu jenen bedeutsamen Prozessen, die nach heutigem Verständnis die Neuzeit in Europa ausmachen.[1] Anstoß für die Entdeckungs- und Eroberungsfahrten der Europäer ab dem 15. Jahrhundert waren die durch wachsende Bevölkerungszahlen sowie religiöse und politische Unterdrückung ausgelöste Suche nach neuen Siedlungsgebieten – z.B. Nordamerika - und zum anderen der zeitgenössische Missionsgedanke, den christlichen Glauben über die Grenzen des Abendlandes zu verbreiten. Im Vordergrund jedoch standen immer wirtschafts- und machtpolitische Interessen. Die Suche nach neuen Handelswegen, Rohstoffquellen und Absatzmärkten, das Wetteifern um territoriale Vorherrschaft und das Recht auf Tributzahlungen und Handelsmonopole, die Gier nach Gold, Luxus und Macht; all das hatte die europäischen Monarchen der Neuzeit immer wieder zur Finanzierung viel versprechender Unternehmungen auf See bewegt. "In der Geschichte Europas gibt es kaum einen Zeitabschnitt, in dem der Handel eine so zentrale Rolle spielte wie in den Jahren von 1500 bis 1750."[2]

Im ausgehenden Mittelalter war Indien, auch wenn man in Europa nicht allzu viel über den Subkontinent wusste, als Ursprungsland der äußerst begehrten und sehr kostbaren Gewürze geschätzt. Bedeutende Knotenpunkte für deren Handel waren Byzanz mit der Hauptstadt Konstantinopel im Norden und Alexandria im südlich gelegenen Ägypten, mit denen vor allem die italienischen Hafenstädte als europäische Zwischenhändler einen reichen Austausch betrieben.[3] Durch die Kontrolle über das westliche Mittelmeer hatten die aufstrebenden Handelshäuser, vorneweg die der Genuesen und Venezianer, den Handel mit den orientalischen Luxuswaren auf europäischer Seite in ihrer Hand. Jedoch eine direkte Verbindung zu den Ländern des fernen Ostens war über lange Zeit kaum möglich; das Monopol des Direktverkehrs mit Indien behielten die Moslems inne.[4] Es bestand keine Möglichkeit des kommunikativen Austauschs; an wahrhaftige Kenntnisse der Europäer über das kulturelle Leben der Völker in Indien und weiteren Teile Asiens ist zu dieser Zeit nicht im Entferntesten zu denken. Von daher ist es auch nicht verwunderlich, dass aufgrund von einseitigen Schilderungen und der auf die Luxusgüter beschränkten visuellen Wahrnehmung, diese Länder in den Vorstellungen der Europäer ein phantastisches Ausmaß angenommen hatten.

Als also am 29. Mai 1453, etwa 200 Jahre nachdem mit Abschluss der Reconquista die letzten Moslems aus Portugal vertrieben worden waren[5], Konstantinopel an die Osmanen fiel, wurde die islamische Sperre des Gewürzhandels für christliche Händler deutlich verschärft. Die Suche nach einer von jenen Händlern nicht beherrschten Handelsroute wurde deshalb zu einem wichtigen Teil der Politik der europäischen Handelsnationen. Der aus den Kreuzzügen des Mittelalters stammende christliche Glaubenseifer erwachte zu Beginn der Neuzeit zu neuer Größe und wurde in den Dienst staatlicher Handels- und Eroberungspolitik gestellt. Von Anfang an erfolgreich beteiligt, mit dem nötigen Forschungs- und Entdeckerdrang ausgestattet, war die Handelsnation Portugal.

2. Das Portugiesische Entdeckungszeitalter Portugals wirtschaftspolitische Rolle im Europa des 15. und 16. Jhs.

Mit Beginn der Dynastie Avis (1385-1580), die mit der Herrschaft Joao I. (1385-1433) einsetzte, begann für Portugal auch eine Zeit des wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Umbruchs hinsichtlich der gesellschaftlichen Schichten und der wirtschaftlichen Kräfte.[6] Lange Zeit war die Bevölkerung aufgeteilt in ein Handel treibendes Bürgertum in den Küstenregionen und einen Adel der Grundbesitzer im Hinterland mit einer mehrheitlichen Bauernschaft. Dies begann sich im 14. Jahrhundert zu wandeln; Portugal erlebte einen großen wirtschaftlichen Aufschwung, der sich in vielen Bereichen bemerkbar machte. Die Landwirtschaft wurde zum einen gestärkt, doch auch der Adel verlagerte sich mehr und mehr in die Küstenstädte und nahm sich kaufmännischer Tätigkeiten an. Joao I., der die Tochter des englischen Herzogs von Lancaster, Philippa, geheiratet hatte, stärkte den Außenhandel durch zahlreiche Abkommen mit Engländern, Deutschen, Flamen, Franzosen, Genuesen und Katalanen. Sein Sohn Henrique, der als "Heinrich der Seefahrer" in die Geschichte einging, widmete sein Leben dem Ausbau der portugiesischen Schifffahrt und begründete somit die überseeische Tradition des Landes. Durch die Errichtung eines astronomischen Observatoriums, eines See-Arsenals und einer Seefahrerschule schuf Heinrich die besten wissenschaftlichen und technischen Vorraussetzungen für das baldige Ausgreifen Portugals nach Übersee.[7]

Lissabon, das seit Mitte des 13. Jahrhunderts Hauptstadt Portugals war, zählte wahrlich mit zu den größten Städten im Europa des 16. Jahrhunderts.[8] Sie vereinte sowohl Verwaltungsstadt mit Sitz des Gerichts, als auch Hafenstadt mit ansässiger Marine. Die Stadt war Umschlagsplatz für Handelsgüter und Zentrum für den Fischfang. Unter den etwa 50.000 Einwohnern fanden sich ausländische Kaufleute aus Genua und Florenz, England, Deutschland und Frankreich, deren Zahl im Zuge des aufkommenden Überseehandels an der

Atlantikküste noch deutlich stieg. Viele von ihnen genossen wirtschaftliche und juristische Privilegien in der Stadt, die der König zu Beginn des 16. Jahrhunderts den großen Kapitalgesellschaften zugesprochen hatte, um Lissabon und damit den portugiesischen Markt für den internationalen Handel attraktiver zu machen.

Wirtschaftspolitisch betrachtet, wären hier noch zwei Begriffe zu erwähnen, um das Bild Portugals zur Zeit der Entdeckungs- und Eroberungsfahrten abzurunden - der des Merkantilismus und der des Absolutismus. Die Zeit von 1500 bis 1750 wird bisweilen auch als das merkantile Zeitalter bezeichnet, einige Historiker verwenden in diesem Kontext sogar den Begriff des Handelskapitalismus.[9] Hierbei lag das wichtigste Ziel nationaler Politik in dem Erwerb großer Reichtümer durch die Konzentration auf einen gestärkten Außenhandel. Die absolutistische Herrschaftsform nationalstaatlicher Monarchien in eben diesem Zeitraum bedeutete außerdem eine zunehmende Kontrolle über Finanzwesen, Handel und Gewerbe durch den Staat. Die Politik wurde stark durch die dynastische Interessenslage bestimmt, lediglich in der Gewinnung finanzkräftiger Handelsgesellschaften, die für die Bereitstellung großen Kapitals benötigt wurden, erforderte es diplomatisches Geschick von Seiten der Regierung.

Soweit zusammenfassend lässt sich also sagen, dass während das Mittelmeer noch bis etwa 1500 den klassischen Handelsraum für Europa darstellte und von den Händlern Norditaliens dominiert wurde, erfuhr dieser Zustand mit Anbruch des neuen Jahrhunderts einen entscheidenden Wechsel. Das portugiesische Vordringen rund um Afrika und das Überqueren des Atlantiks durch die Spanier bewirkte eine Verlagerung der Handelszentren an die Atlantikküste. Diese wurde jedoch zugleich Ausgangspunkt eines Aufsehen erregenden Überseehandels in zwei Hauptrichtungen, zum einen nach Asien und zum anderen nach Amerika. Für die nächsten 100 Jahre stellte Portugal sich an die Spitze der kolonialen Seemächte Europas.

2.1 Portugiesische Seefahrer und Entdeckungsfahrten

In einer Zeit, als in Deutschland die innenpolitischen Verwirrungen und Verwüstungen sich hinzogen, Frankreich mit England unaufhörlich Krieg führte, Italiens unabhängige

Fürstenstaaten einander ständig bekämpften und selbst die großen Hafenstädte wie Genua, Neapel und Venedig in Mitleidenschaft zogen, und das benachbarte Spanien noch immer seinen Befreiungskrieg von den Mauren focht, konnte Portugal, dank des unerschütterlichen Engagements Prinz Heinrichs für die nationale Seefahrt, gegenüber den anderen Handelsnationen im Bereich der expansiven Entdeckungsfahrten einen wahren Vorsprung gewinnen.[10]

Abenteuerlust, Drang nach Ruhm und Selbstverwirklichung, Profitgier aber auch die Sehnsucht, neue Seewege und Länder zu entdecken, zogen die Portugiesen ab dem 15. Jahrhundert aufs Meer hinaus und ließen sie 1415 in der reichen marokkanischen Handelsstadt Ceuta ankommen. In Fortsetzung der Reconquista leitete die Eroberung dieses geostrategisch bedeutsamen Stützpunkts die portugiesische Expansion nach Übersee ein. Fortan wurden jedes Jahr weitere Schiffe entsandt, die sich an der westafrikanischen Küste entlang tasteten. Diese überseeischen Unternehmen bewiesen die beachtlichen Fortschritte in der nautischen Technik und die zielstrebige finanziell-organisatorische Planung der Portugiesen, die sie Schritt für Schritt die Küste entlang nach Süden führten. 1434 erreichten sie unter dem Kommando des Seefahrers Gil Eanes das Kap Bojador, bis 1460, dem Todesjahr Heinrichs, hatten die Portugiesen das Kap Verde umrundet, die Senegal- und Gambiamündung hinter sich gelassen und waren bis an die Küste des heutigen Sierra Leone vorgedrungen. Mit der Umrundung des Kaps der Guten Hoffnung im Jahre 1487/88 gelingt Bartolomeu Diaz der letzte entscheidende Sieg für die portugiesische Seefahrt Richtung Osten.[11]

Portugal strebte nach einem Handelsmonopol über große Territorien, dessen Kernstück Indien bilden sollte. Von daher unternahmen die Portugiesen keine großen Bemühungen, in das Innere Afrikas vorzustoßen. Der portugiesische Handelsexpansionismus zielte nicht auf die Etablierung fester Siedlungen ab, sondern beließ es bei gesicherten Militär- und Handelsstützpunkten längs der afrikanischen Küste, die sowieso in erster Linie als Stationen auf dem Weg nach Indien dienten.

Als Vasco da Gama, ein aus dem niederen Adel stammender Seefahrer, unter Führung eines Lotsen aus Malindi in Ostafrika[12] im Mai 1498 den Indischen Ozean überquerte und das an der Westküste Indiens liegende Calicut erreichte, hatte die lange Suche nach einem Seeweg in das märchenhaft reiche Land ein Ende.

[...]


[1] Reinhard, 1983, S. 11

[2] Cipolla, 1979, S. 271

[3] Brockhaus, 1953, S. 69

[4] Reinhard, 1983, S. 17 ff.

[5] Jacob, 1969, S. 249; vgl. hierzu auch: Sieber, 1949, S. 12-13

[6] Jacob, 1969, S. 72 ff.

[7] Jacob, 1969, S. 73

[8] Subrahmanyam, 1993, S. 39

[9] Cipolla, 1979, S. 271

[10] Jacob, 1969, S. 73-74

[11] Gründer 1998/99, S. 14

[12] Reinhard, 1983, 51; als Vasco da Gama die ostafrikanischen Küstenstädte erreichte, stieß er auf eine Kette von Fürstentümern, die z.T. schon vor dem Jahr 1000 von arabischen und persischen Einwanderern gegründet worden waren. Der Reichtum dieser Städte beruhte auf dem Handel mit Indien und bisweilen auch mit China, untereinander herrschten jedoch bittere Feindschaften. Da Gama, der in Mombasa auf heftige Ablehnung stieß, nutzte diese Auseinandersetzungen aus und fand Unterstützung in der nördlich gelegenen Stadt Malindi.

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Estado da India - Portugals Kolonialpolitik in Ostindien um 1500
Hochschule
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald  (Historisches Institut, Lehrstuhl für Neure Geschichte)
Veranstaltung
Europäischer Kolonialismus
Note
2+ (1,7)
Autor
Jahr
2006
Seiten
29
Katalognummer
V70909
ISBN (eBook)
9783638630474
ISBN (Buch)
9783638674751
Dateigröße
602 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Portugals Kolonialpolitik im Indischen Ozean zu Beginn der Neuzeit.
Schlagworte
Estado, India, Portugals, Kolonialpolitik, Ostindien, Europäischer, Kolonialismus
Arbeit zitieren
Sarah Rehberg (Autor:in), 2006, Estado da India - Portugals Kolonialpolitik in Ostindien um 1500, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70909

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