Dionysios I. - Tyrann von Syrakus?


Dossier / Travail de Séminaire, 2006

20 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Fragestellung
1.2 Definition des Tyrannen
1.3 Quellenlage

2. Dionysios I. - Herrscher von Syrakus
2.1. Machtergreifung
2.2 Innenpolitik und Machtsicherung
2.3 Expansion und Ausbau der Macht - Außenpolitik

3. Unter dem Schwert des Damokles - Dionysios’ Charakter

4. Fazit

Literaturverzeichnis

Quellen:

Sekundärliteratur:

Internetquellen:

1. Einleitung

1.1 Fragestellung

Zu Dionys, dem Tyrannen, schlich Damon, den Dolch im Gewande; Ihn schlugen die H ä scher in Bande.

» Was wolltest du mit dem Dolche, sprich! « Entgegnet ihm finster der W ü terich. » Die Stadt vom Tyrannen befreien! « » Das sollst du am Kreuze bereuen. « 1

Gleich zweimal innerhalb der ersten Strophe wird Dionysios I. in Schillers Ballade von der „Bürgschaft“ als Tyrann bezeichnet: Einmal vom Attentäter Damon und einmal vom Erzähler selbst. Für Schiller und seine Zeitgenossen am Ende des 18. Jahrhunderts bestand an der Bewertung des Syrakusaners als Tyrann kein Zweifel, ein Begriff, der damals ebenso pejorativ konnotiert war wie heute. Das Grimmsche Wörterbuch bewertet den Tyrannen ausgesprochen negativ als „allein-,gewaltherrscher“ und genauer „gewalttätiger, despotisch unterjochender Eroberer“.2 Es stellt sich die Frage, wie es zu dieser Einschätzung des Herrschers von Syrakus kam und ob sie mit heutigem Kenntnisstand weiterhin aufrechtzuerhalten ist. Dafür ist eine Bewertung der Quellen, auf denen diese Einschätzung beruht, unerläßlich. Dionysios I. wurde in der griechisch-römischen Historiographie von vielen Autoren geradezu zum Prototyp des Tyrannen stilisiert. Aristoteles beispielsweise benutzt ihn immer wieder als Beispiel für das entartete Gegenstück zur Monarchie.3 Ziel dieser Arbeit soll es sein, der Frage nachzugehen, wie Dionysios I. diese Stellung in der Geschichtsschreibung einnehmen konnte und ob sie gerechtfertigt ist. Dafür ist zuerst eine Definition des Tyrannenbegriffs unerläßlich. Anschließend erfolgt eine Prüfung der Quellen und der Umstände ihrer Entstehung sowie der Versuch der Rekonstruktion gesicherter Fakten über Dionysios und einer darauf fundierten Bewertung.

1.2 Definition des Tyrannen

Der Begriff IJȪȡĮȞȞȠȢ stammt nicht aus dem Griechischen, sondern aus dem Lydischen und stellte ursprünglich vermutlich einen Beinamen des Mondgottes Men dar.4 Später wurde er zunächst wertneutral von Historikern wie Herodot als Bezeichnung für barbarische Stammeshäuptlinge verwendet - eine Herrschaftsform, die den Griechen unbekannt war und die in den modernen Übersetzungen folgerichtig auch nicht als Tyrannis bezeichnet wird.5 Allerdings findet schon bei Herodot ein Bedeutungswandel statt: Aus der anfangs wertfreien Bezeichnung eines Anführers wird ein grausamer Unterdrücker: „In truth heaven will be beneath the earth and the earth aloft above the heaven (...) now that you, Lacedaemonians, are destroying the rule of equals and making ready to bring back tyranny into the cities, tyranny, a thing more unrighteous and bloodthirsty than anything else on this earth.“6 Trotzdem hatte sich die negative Konnotation zu Zeiten Herodots noch nicht vollständig durchgesetzt. Bei Xenophon zum Beispiel findet sich keinerlei Unterscheidung zwischen ȕĮıȚȜİȪȢ und IJȪȡĮȞȞȠȢ.7 Thukydides weist sogar darauf hin, daß die Herrschaft eines Tyrannen der Wirtschaft eines Staates förderlich sei8, obwohl auch er Egoismus für die Vorteile dieser Form der Herrschaft verantwortlich macht.9

Erst mit dem Einzug in die philosophische Staatstheorie bei Platon und Aristoteles wurde die heutige Bedeutung des Tyrannen endgültig festgelegt. In seiner politeia setzt Aristoteles den drei guten Staatsformen jeweils eine verkommene Abart gegenüber, die sich dadurch auszeichnet, daß sie nicht mehr auf das Gemeinwohl, sondern auf das Wohl eines Einzelnen oder einer Gruppe ausgerichtet ist. Die Tyrannis stellt dabei das negative Gegenstück zur basileia dar.10

Der Eigennutz ist also ein grundlegendes Charakteristikum der Tyrannis. Der Tyrann strebt nach Geld, Ruhm, Macht aus purem Egoismus. Der eventuell daraus entstehende Nutzen für die Polis ist lediglich ein Nebeneffekt. Damit einher geht nach Platon ein moralischer Verfall des Herrschers, der sich unter anderem in Maßlosigkeit und Verschwendungssucht ausdrückt.11

Seine Gier, die er niemals befriedigen kann und die ihn daher zum unglücklichsten aller Menschen macht,12 treibt ihn dazu, das Volk mit hohen Steuern auszupressen. Um sich vor dem entstehenden Unmut seiner Untergebenen zu schützen, zettelt er Kriege mit Nachbarstaaten an und umgibt sich mit einer Leibwache aus ausländischen Söldnern. Außerdem unterdrückt er jede potentielle Opposition, indem er die Besten des Volkes ausmerzt.13 Im Gegensatz zum König beruht die Herrschaft des Tyrannen allein auf seiner Akzeptanz und vor allem seiner militärischen Macht, nicht aber auf einer verfassungsrechtlichen Grundlage.

Aus dieser ausgesprochen negativen Beschreibung - womöglich eine Abrechnung Platons mit Dionysios nach seinem unangenehmen Aufenthalt in Syrakus - entstand das Tyrannenbild der späteren Staatsphilosophie, die vor allem durch Platons Schüler Aristoteles entscheidend geprägt wurde. Gemeinsam mit seinem Lehrer ist er überzeugt, daß die Tyrannis im Allgemeinen aus der Demokratie, der entarteten Volksherrschaft hervorgeht. Als Demagoge nutzt der Tyrann seine Fähigkeiten, das Volk zu manipulieren und gegen die Reichen und Mächtigen aufzustacheln, um sich seiner Feinde zu entledigen.14 Ist dies gelungen, schützt er sich vor dem Volk selbst, indem er es entwaffnen läßt und sich auf die Akropolis zurückzieht.15

1.3 Quellenlage

Da Primärquellen aus der Zeit Dionysios I. kaum überliefert sind, ist es unabdingbar, die oben genannten Ausführungen zu berücksichtigen. Das von Platon, Aristoteles und der Akademie vorgezeichnete Tyrannenbild und die Verbindung zum Herrscher von Syrakus waren zu Zeiten Diodors, der ausführlichsten Quelle zum Leben Dionysios‘ I., bereits fest verwurzelt.16 Zwar kannte die römische Geschichtsschreibung des ersten vorchristlichen Jahrhunderts mit Philistos eine Quelle, die Dionysios ausgesprochen positiv bewertet, doch war dieser Geschichtsschreiber, der lange Zeit in Syrakus in hohen Positionen gedient hatte, als Tyrannenfreund verschrien und somit als Vorlage inakzeptabel.17 Vermutlich hat Diodor vor allem Timaios zur Grundlage genommen. Dieser wiederum griff zwar auf Philistos‘ Fakten zurück, war aus persönlichen Erfahrungen jedoch äußerst tyrannenfeindlich eingestellt und bewertete den Herrscher von Syrakus entsprechend negativ.18 Weder Timaios noch Philistos sind erhalten geblieben, weshalb wir auf die prätentiösen Darstellungen Platons und der Akademie und auf die anekdotenhafte Geschichtsschreibung der römischen Republik und der frühen Kaiserzeit beschränkt sind. Der Wahrheitsgehalt der überlieferten Quellen muß daher als gering betrachtet werden: „In der antiken Tradition über Dionysios ist die echte historische Kunde von einer außergewöhnlich reichen Anekdotenbildung überwuchert“.19 Beispiele für diese anekdotische Tradition sind vor allem Cicero und Plutarch. Da Xenophons Hellenika als einziges überliefertes zeitgenössisches Geschichtswerk Dionysios lediglich im Zuge seiner Einflußnahme auf dem griechischen Festland zugunsten Spartas beachtet20, muß Diodor die Grundlage für diese Untersuchung bilden. Die Anekdoten hingegen, die Dionysios die typischen Eigenschaften eines Tyrannen zuschreiben, sagen weniger über Dionysios aus als über das transportierte Tyrannenbild. Interessant wird es vor allem dort, wo die Ausführungen Diodors mit den Anekdoten in Widerspruch stehen.21

[...]


1 Schiller, Friedrich : Die Bürgschaft (1799), in: Bode, D. (Hrsg.), Deutsche Gedichte - Eine Anthologie, durchgesehene Ausgabe, Stuttgart 1998, S. 117-121, S. 117.

2 Deutsches Wörterbuch von Jakob und Wilhelm Grimm (Erstbearbeitung auf CD-ROM), 2001, Bd. 22, Sp. 1967, 18, Stichwort:„Tyrann“.

3 Vgl. Aristot. pol. III 5. 3ff, Dionysios I. als Beispiel für Tyrannen vgl. V 8, 4.

4 vgl. http://www.sphinx-suche.de/goetter/men.htm [23.4.06]

5 Hdt. I, 6. Daß der IJȪȡĮȞȞȠȢ in diesem Fall nicht mit der späteren Bedeutung gleichzusetzen ist, beweist die Tatsache, daß Godley die Übersetzung „monarch“ verwendet. Ein ähnliches Beispiel bei Hdt. I, 7 - in diesem Fall wird der IJȪȡĮȞȞȠȢ als „ruler“ bezeichnet.

6 Hdt. V 92.

7 Hofer, 2000, S. 56.

8 Thuk. I 13,1.

9 Thuk. I 17,1.

10 Aristot. pol. III, 4. 7 - 5. 7.

11 Plat. pol. IX 3, 573-574.

12 Plat. pol. IX 6, 579-580.

13 Plat. pol. VIII 16-18 sowie Aristot. pol. V 8, 7. Zur Söldnergarde vgl. auch Aristot. pol. V 8, 6-7.

14 Aristot. pol. V 4. 4-6 nennt dafür sogar Dionysios I. als Beispiel.

15 Aristot. pol. V 8, 7.

16 vgl. die Tyrannentopoi bei Caven, 1990, S. 225f.

17 Caven, 1990, S. 1.

18 Caven, 1990, S. 2. Vgl. auch Stroheker, 1958, S. 16.

19 Stroheker, 1958, S. 11.

20 Vgl. Stroheker 1958, S. 12.

21 Stroheker, 1958, S. 22.

Fin de l'extrait de 20 pages

Résumé des informations

Titre
Dionysios I. - Tyrann von Syrakus?
Université
Technical University of Braunschweig  (Historisches Seminar)
Cours
Die griechische Tyrannis
Note
1,0
Auteur
Année
2006
Pages
20
N° de catalogue
V70975
ISBN (ebook)
9783638629249
ISBN (Livre)
9783656111580
Taille d'un fichier
452 KB
Langue
allemand
Mots clés
Dionysios, Tyrann, Syrakus, Tyrannis
Citation du texte
Johannes Kaufmann (Auteur), 2006, Dionysios I. - Tyrann von Syrakus?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70975

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