Bildungsungleichheit an deutschen Schulen. Über ungleiche Bildungschancen von SchülerInnen mit Migrationshintergrund


Dossier / Travail, 2006

23 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Bildungssituation in Deutschland

3. Der Primarbereich – die Wiege der Bildungsungleichheiten?
3.1 Die Bedeutung des Elternhauses
3.1.1 Förderung schulischer Fähigkeiten
3.1.2 Wissensressourcen der Eltern
3.1.3 Lehrerempfehlung vs. Elternaspirationen
3.2 Institutionelle Diskriminierung

4. Die Sprache(n) – der Schlüssel zum Bildungserfolg
4.1 Sprachkompetenz und Schulerfolg
4.2 Zweisprachige Erziehung im Primarbereich

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Deutschland ist ein multikulturelles und multilinguales Land. Die Ursache für diese ethnische, sprachliche, kulturelle und religiöse Vielfältigkeit ist der Anteil zugewanderter und zuwandernder Menschen aus den weltweit verschiedensten Ländern. Zum einen sind die Chancen, die sich aus den Migrationsprozessen eröffnen (speziell vor dem Hintergrund des internationalen Wettbewerbs) immens, zum anderen haben derartige Veränderungen der Bevölkerungsstruktur neue soziale Disparitäten zur Folge. Insbesondere im Bereich des Bildungswesens zeichnet sich ab, dass SchülerInnen aus Migrantenfamilien zu großen Teilen weit hinter ihren deutschen Altersgenossen zurückbleiben, was auf Bildungsungleichheiten für SchülerInnen mit Migrationshintergrund schließen lässt. Den Berichten der PISA-Studien zufolge ist diese Bildungsungleichheit größer als in den meisten anderen PISA-Teilnehmer-Staaten.

Der aktuelle, öffentliche Diskurs bezüglich der Bildungsbeteiligung und der daraus resultierende Bildungs(miss)erfolg von SchülerInnen mit Migrationshintergrund hat mich dazu bewogen die besagte Thematik im Rahmen dieser Hausarbeit zu diskutieren. Darüber hinaus habe ich als Nachkomme von „Arbeitsmigranten“ ein persönliches Interesse daran mich intensiv mit derartigen Fragestellungen auseinander zu setzen.

„Bereits die Feststellung, inwieweit Schüler aus Migrantenfamilien oder ausländische Schüler gegenüber deutschen Schülern Nachteile haben, ist schwieriger als man auf den ersten Blick anzunehmen geneigt ist, und zwar deshalb, weil hierfür nur unzureichende bzw. nur teilweise miteinander vergleichbare Daten vorliegen.“ (Diefenbach in Becker 2004, 227) Die empirische Bildungsforschung nach den Determinanten und Indikatoren der ungleichen Bildungschancen für SchülerInnen mit Migrationshintergrund steht derzeit noch in den Anfängen. Erschwerend hinzu kommt, dass ein Teil der Migranten (sowie Spätaussiedler und Asylanten, die in meinen Untersuchungen aber unberücksichtigt bleiben) in den amtlichen Bildungsstatistiken nicht als solche identifiziert werden können, weil sie über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügen. Trotz unzureichender Forschungsergebnisse lässt sich aussagen, dass SchülerInnen aus Zuwanderungsfamilien im deutschen Bildungssystem eine defizitäre Position einnehmen. Einen Überblick über die momentane Bildungssituation in Deutschland gebe ich im zweiten Kapitel.

Wie im ersten Bericht des PISA-Konsortiums gezeigt werden konnte, besteht in Deutschland die entscheidende Hürde für schulischen Erfolg von Schülerinnen und Schülern aus zugewanderten Familien im Erwerb der Bildungssprache (Verkehrssprache). Der Zugang zur Bildungssprache nimmt eine elementare Stellung ein und entscheidet darüber, in welchem Maße eine Bildungsbeteiligung, nicht nur für SchülerInnen mit Migrationshintergrund möglich ist. Um eine mögliche Klärung herbeizuführen, inwieweit die Bildungssprache als Determinante für Bildungsungleichheiten fungiert, gehe ich im vierten Kapitel der vorliegenden Hausarbeit auf die essenzielle Bedeutung der schulischen Schriftsprache in deutschen Bildungsinstitutionen ein.

Insbesondere der Grundschule kommt die (wichtige) Aufgabe zu, die heterogene Schülerschaft an die deutsche Sprache „heranzuführen“, um ihr dadurch zukünftigen Bildungserfolg zu ermöglichen. Empirische Bildungsforschungen zeigen, dass es den institutionellen Einrichtungen bis heute nicht gelingt im Primarbereich existente Bildungsungsungleichheiten zu nivellieren. Dieser Zustand lässt durchaus auf eine faktische Diskriminierung der SchülerInnen aus Migrantenfamilien in deutschen Schulen schließen. Um eine mögliche Antwort auf die Fragestellung, ob und inwieweit eine institutionelle Diskriminierung im Primarbereich stattfindet, abzuleiten, setze ich mich in einem Teilbereich des dritten Kapitels mit dieser Problemstellung auseinander. Der Themenschwerpunkt meiner Hausarbeit liegt im komplexen Bereich der Primarstufe, deren Bedeutung ich, auch unter dem Gesichtspunkt des Elternhauses, im dritten Kapitel ausführlich diskutiere.

In der Regel werden die Ungleichheiten an einer Vielzahl von Bestimmungsfaktoren festgemacht. Der oft angewandte Ressourcenansatz (vgl. z.B. Pierre Bourdieu) bietet die Möglichkeit, die häufig voneinander unabhängigen Indikatoren in einen theoretischen Rahmen zu integrieren. Die Basis bildet dabei die Überlegung, dass ein Individuum, die ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen nutzt, um ihre Ziele zu erreichen. Da die Ressourcen des Menschen aber letzten Endes begrenzt sind, ist er in seinem Handeln entsprechenden Restriktionen unterworfen. So kann dieser nicht immer verwirklichen, was er gerne möchte.

In der vorliegenden Hausarbeit skizziere ich primär die Bedeutung der schulischen Schriftsprache und welchen Stellenwert der Primarbereich für SchülerInnen aus zugewanderten Familien einnimmt. Die Schriftsprache als Bildungssprache, die den Zugang zur Bildung überhaupt erst ermöglicht, und der Primarbereich, in dem die Weichen für zukünftigen Bildungs(miss)erfolg gestellt werden. Wie ich bereits aufgeführt habe, lassen sich die herrschenden Bildungungleichheiten im deutschen Schulsystem nicht ausschließlich an zwei Aspekten festmachen, hierzu tragen eine Vielzahl anderer Bestimmungsfaktoren zum Gesamtbild bei. Aber sowohl der quantitative als auch der zeitliche Rahmen dieser Hausarbeit erfordert eine Eingrenzung auf die besagten, wesentlichen Indikatoren.

Im abschließenden Fazit führe ich die Ergebnisse meiner Untersuchungen noch einmal kurz auf und trage Empfehlungen (bezüglich der von mir untersuchten Dimensionen) zusammen.

2. Bildungssituation in Deutschland

Das deutsche Bildungswesen ist im Gespräch!

Hierzu haben vor allem die internationalen Vergleichsuntersuchungen TIMSS, PISA, IGLU sowie die innerdeutsche Ergänzungsstudie PISA-E beigetragen. Demnach erzielen SchülerInnen mit Migrationshintergrund im allgemein bildenden Schulsystem niedrigere Bildungsqualifikationen als gleichaltrige Deutsche. Besonders die Befunde der PISA-Studie als auch der IGLU-Studie machen deutlich, dass die Förderung und Integration von SchülerInnen aus zugewanderten Familien in anderen Ländern besser gelingt als in der Bundesrepublik Deutschland; Länder mit ähnlicher Migrationsdichte, wie z.B. Kanada und Schweden, können deutlich größere Erfolge in der Bildungsbeteiligung vorweisen.

Inzwischen ist die Mehrzahl der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund entweder in Deutschland geboren (70 % der bei PISA und 75 % der bei IGLU Getesteten) oder vor Beginn der Schulpflicht eingereist. Dies entspricht mittlerweile einem sehr großen Anteil der Gesamtschülerschaft. So liegen die Anteile der SchülerInnen mit Migrationshintergrund an der Gesamtschülerschaft in Bremen und Hamburg bei 40,7 % bzw. 38,5 %. In Hessen und Nordrhein-Westfalen sind es knapp 32 %, in Baden Württemberg 29 %, in Rheinland-Pfalz 25 % und in Bayern 22 % (vgl. Deutsches PISA-Konsortium 2003, 247).

Laut PISA überschreiten fast 50 % der getesteten 15-jährigen und 25 % der durch IGLU getesteten Grundschüler mit Migrationshintergrund im Lesen nicht die elementare erste Kompetenzstufe. Auffällig ist, dass SchülerInnen aus zugewanderten Familien, die in Deutschland geboren sind, schlechtere Ergebnisse erzielen, als SchülerInnen die im Ausland geboren und dort zur Schule gegangen sind (vgl. Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration 2005, 49). So scheint der von einigen Bildungsforschern oft gepredigte Indikator „Einreisealter“ eher eine untergeordnete Rolle für Schulerfolg bzw. -misserfolg im deutschen Bildungssystem zu spielen.

Bildungsbeteiligung[1]

Im Schuljahr 2003/2004 besuchten knapp 12,5 Mio. SchülerInnen die allgemeinbildenden und beruflichen Schulen in Deutschland. Davon besaßen insgesamt 9,3 % (etwa 1,16 Mio.) nicht die deutsche Staatsangehörigkeit. Die ausländischen SchülerInnen verteilten sich daher zu 80 % (etwa 962 Tsd.) auf die allgemeinbildenden Institutionen und zu 20 % (etwa 192 Tsd.) auf die beruflichen Schulen. Im Vergleich zu statistischen Auswertungen der Schuljahre zuvor, ist eine steigende Ausländerrate an den allgemeinbildenden Institutionen festzustellen, während sie an beruflichen Schulen sank. Der Grund hierfür ist zum einen die steigende Geburtenrate der ausländischen Bevölkerung und zum anderen die deutlich niedrigere Beteiligung ausländischer Jugendlicher an der beruflichen Bildung.

Vor allem im Sekundarbereich I nehmen die ausländischen SchülerInnen gegenüber den deutschen eine defizitäre Position ein: ausländische SchülerInnen besuchen häufiger die Hauptschule als ihre deutschen Altersgenossen. Dagegen bleibt die ausländische Schülerschaft in Realschulen und Gymnasien weit hinter der deutschen. Die Gesamtschulen, die im Gegensatz zu Realschulen und Gymnasien auch ohne Grundschulempfehlung besucht werden können, verzeichneten dagegen im Schuljahr 2003/2004 einen höheren Anteil ausländischer (13 %) als deutscher SchülerInnen (8 %). Im besagten Schuljahr verließen 18,1 % der ausländischen Jugendlichen das Schulsystem ohne Abschluss, während es bei den Deutschen 7,4 % waren (vgl. Statistisches Bundesamt 2005; eigene Berechnungen).

Betrachtet man die Bildungsbeteiligung seit den 1990er Jahren, so lässt sich zum Teil eine positive Entwicklung deuten: Der Anteil ausländischer SchülerInnen an Real- und Gesamtschulen sowie an weiterführenden Schulen weist einen leichten Aufwärtstrend auf; bei den Gymnasien stagniert er. An den Hauptschulen nahm der Ausländeranteil etwas ab, während er sich an Sonderschulen immens erhöhte. Ein Grund für den hohen Ausländeranteil an Sonderschulen ist die häufige Zurückstellung von Migrantenkindern bei der Einschulung.

3. Der Primarbereich – die Wiege der Bildungsungleichheiten?

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, nimmt der Primarbereich eine besondere Stellung für SchülerInnen mit Migrationshintergrund ein. Nach bisherigen Ergebnissen der Bildungsforschung besitzt die Grundschule den größten Vorhersagewert für eine Schulkarriere und trägt daher ein hohes Maß an Verantwortung für die Chancen auf Bildungserfolg. So liegt es vor allem an der Grundschule als erste Zuständigkeit für die SchülerInnen mit verschiedenen sprachlichen und kulturellen Primärerfahrungen elementare Bildungsarbeit zu leisten. Im Vordergrund steht dabei die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit, der Lern- und Leistungsmotivation sowie die kognitive aber auch die emotionale Entwicklung.

3.1 Die Bedeutung des Elternhauses

Migrantenfamilien unterscheiden sich häufig von einheimischen Familien in den Möglichkeiten den Schulerfolg ihrer Kinder zu unterstützen und zu sichern. Vor allem in der kontinuierlichen Förderung sowie im rechtzeitigen Erkennen und Ausräumen von Schwierigkeiten sind Zuwanderungsfamilien, bedingt durch ihre Ressourcenausstattung, eingeschränkt. Diese Begebenheiten möchte ich im Folgenden verdeutlichen. Zum einen gehe ich auf die Förderung schulischer Fähigkeiten durch die Eltern ein, zum anderen auf die vorhandenen Wissensressourcen, die bedeutend für Bildungsentscheidungen sind; insbesondere im Primarbereich.

3.1.1 Förderung schulischer Fähigkeiten

Zu einer kontinuierlichen Förderung des Schulerfolgs gehört die regelmäßige Unterstützung bei den Hausaufgaben und bei der Vorbereitung auf Klassenarbeiten. Der Unterstützungsleistung der Eltern kommt eine wichtige Funktion zu, da ein großer Teil des Lernprozesses außerhalb schulischer Institutionen stattfindet. So liegt es nahe, dass Kindern aus gehobenen Sozial- und Bildungsschichten höhere Chancen eingeräumt werden seitens der Eltern gefördert zu werden. Eltern, die selbst eine höhere Bildung durchlaufen haben, sind eher in der Lage ihren Kindern bei schulischen Fragen, aber auch Schwierigkeiten kompetente Hilfestellung zu leisten. Bei Kindern, die aufgrund der Ressourcenausstattung ihres Elternhauses nicht auf derartige Hilfe zurückgreifen können, beschränkt sich der Lernprozess auf das schulische Umfeld. Insbesondere die deutsche Sprache nimmt hier eine grundlegende Stellung ein. Wenn die Eltern die deutsche Sprache nur unzureichend beherrschen, können sie ihren Kindern im Schulleben nur wenig oder gar keine Hilfe bieten. Hier liegt es vor allem an schulischen Institutionen dieses Defizit zu erkennen und dementsprechend entgegenzuwirken; auch unter Berücksichtigung der Bilingualität der Migrantenkinder. Ergebnisse bisheriger Unterrichtsforschungen bestätigen, dass insbesondere die Grundschulen in dieser Hinsicht versagen (vgl. z.B. Gogolin/Kroon 2000). Welche Bedeutung Sprache(n) für den Bildungserfolg hat, wird im vierten Kapitel erläutert.

[...]


[1] Personengruppen mit Migrationshintergrund, die über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügen sind in den ausgewerteten Statistiken nicht berücksichtigt. Infolgedessen bleibt nur der bedingt aussagefähige Vergleich nach Staatsangehörigkeit.

Fin de l'extrait de 23 pages

Résumé des informations

Titre
Bildungsungleichheit an deutschen Schulen. Über ungleiche Bildungschancen von SchülerInnen mit Migrationshintergrund
Université
University of Applied Sciences Esslingen
Cours
Sozialpolitik, soziale Ungleicheit und Soziale Arbeit
Note
1,0
Auteur
Année
2006
Pages
23
N° de catalogue
V71184
ISBN (ebook)
9783638628310
ISBN (Livre)
9783638675024
Taille d'un fichier
469 KB
Langue
allemand
Mots clés
Bildungsungleichheit, Schulen, Bildungschancen, SchülerInnen, Migrationshintergrund, Sozialpolitik, Ungleicheit, Soziale, Arbeit
Citation du texte
Robert Njari (Auteur), 2006, Bildungsungleichheit an deutschen Schulen. Über ungleiche Bildungschancen von SchülerInnen mit Migrationshintergrund, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/71184

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