Ausgewählte Methodenaspekte der Individualhilfe


Hausarbeit, 2007

25 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


GLIEDERUNG

1 Einleitung

2 Individualhilfe als Methode der Sozialen Arbeit
2.1 Grundlagen der lebensweltorientieren Individualhilfe
2.2 Methodik der lebensweltorientierten Individualhilfe
2.3 Individualhilfe vs. Case-Management - Diskussion

3 Ethik
3.1 Ethik in der Individualhilfe – Code Of Ethics
3.2 Anwendung des Code Of Ethics in der Individualhilfe

4 Schlussbetrachtung und Kommentar

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

In meiner Hausarbeit zum Thema Individualhilfe, möchte ich den Zusammenhang zwischen lebensweltorientierter Individualhilfe und der ethischen Dimension des Handelns von professionellen Helfern darstellen und kommentieren.

Die in letzter Zeit vermehrt aufgetretenen Fälle von Kindeswohlgefährdung, welche teilweise mit dem Tod des betroffenen Kindes endeten, oder aber Korruptions- und Sexskandale in großen Kapitalgesellschaften, der zunehmende Anstieg von körperlicher Gewalt unter Schülern, in Fußballstadien oder das Beklagen vieler Menschen von mangelndem Anstand und schlechter Moral in ihrem Umfeld, verdeutlichen in welcher scheinbar schlechten ethisch-moralischen Verfassung sich Menschen und deren Lebensumfelder innerhalb dieser Gesellschaft derzeit befinden. Die im Jahre 2006 von der Friedrich-Ebert-Stiftung erstellte Studie “Gesellschaft im Reformprozess” aus einer Erhebung der TNS Infratest Sozialforschung Berlin zeigte zugleich das Entstehen einer ganzen neuen Gesellschaftsschicht auf (vgl. Internet 4). Die als “abgehängtes Prekariat” neu klassifizierte und mit 8% der Wahlberechtigten nicht unerhebliche Bevölkerungsgruppe wird in den Medien (vgl. N24 Nachrichten) auch als die “Neue Unterschicht” bezeichnet. Diese Gesellschaftsschicht birgt nicht nur politischen Zündstoff, sondern gibt Ausblick auf den zu erwartenden Bedarf an professioneller individueller Hilfe für die Betroffenen.

Im Zuge der bundesweiten Reformen und zunehmender Einsparungen in den Arbeitsbereichen der Sozialen Arbeit entstehen dabei Brennpunkte aus unterschiedlichstem Blickwinkel. Neben den klassischen Brennpunkten bei der Klientel Sozialer Arbeit, wird auch die Leistungsfähigkeit der Sozialen Arbeit zum Brennpunkt. Der rigide personelle Sparwillen im Sozialstaat führt nicht nur zu Mehrbelastung für jeden einzelnen professionellen Helfer, sondern kann im Einzelfall bis zur Verweigerung der optimalen Betreuungsleistungen für den Klienten führen, beispielhaft erwies sich hier der Fall Kevin aus Bremen (vgl. Internet 1).

Durch den anhaltenden Reformbedarf, der nachhaltigen Gesetzesänderungen und der kontinuierlichen gesellschaftlichen Veränderungen, stellt sich die Frage, wie weit sich lebensweltorientierte Individualhilfe noch nach den ethischen Grundsätzen der sozialen Arbeit leisten lässt. Welche Bedeutung hat ethisches Handeln und wie verbindlich sind die ethischen Grundsätze für den professionellen Helfer?

Aufgrund des beschränkten Umfangs dieser Arbeit, zeige ich die geschichtliche Entwicklung, die Anwendungsfelder und Methodik der Individualhilfe nur auszugsweise auf und konzentriere mich im Schwerpunkt der Arbeit auf den Diskurs zur ethischen Individualhilfe im lebensweltorientierten Kontext, sowie meinen Kommentar zum Thema der Ethikdiskussion in der Sozialen Arbeit. Die Entstehungsgeschichte und Bedeutung der Ethik für die gesellschaftliche Entwicklung lässt sich aufgrund des Umfangs dieses Themas hier nur auszugsweise betrachten.

2 Individualhilfe als Methode der Sozialen Arbeit

Individualhilfe, auch als soziale Einzel(fall)hilfe bezeichnet, ist eine der drei “klassischen” Grundformen des methodischen Handelns in der Sozialen Arbeit (vgl. Galuske 2005, S. 113; vgl. Pantucek 1998, S. 67). Neben sozialer Gruppenarbeit und Gemeinwesenarbeit, ist die Individualhilfe nach meinem Eindruck auch die aktuell noch am häufigsten angewandte Methode der professionellen Helfer. Was aber verstehen wir unter Methode? Galuske beschreibt den Begriff “Methoden” wie folgt:

“Methoden haben etwas mit planvollem Handeln zu tun, mit Handeln, das in gewissem Umfang standardisiert ist, das nämlich zurückgreift auf einen Fundus an mehr oder minder erprobten Hilfsmitteln.” (Galuske 2005, S. 23)

Meinhold hingegen beschreibt die Individualhilfe nicht mehr als eine klassische Methode, sondern als ein Handlungskonzept mit einem oder mehreren Ablaufmodellen und dazugehörig definierten Umsetzungsregeln und Arbeitsprinzipien. Dabei treten die (insbesondere ethischen) Grundprinzipien im Umgang mit dem Klienten als Moderator zur Umsetzung der Konzepte und Handlungsstrategien auf (vgl. Meinhold 2005, S. 366).

Die Entstehungsgeschichte der Individualhilfe als eine Methode beginnt in den USA, wo Individualhilfe als “social casework” 1917 im Buch “Social Diagnosis” erstmals von Mary Richmond umfassend beschrieben wurde (vgl. Galuske 2005, S. 73). Sie beschrieb und analysierte in diesem Buch die Vorgehensweisen und Handlungsmuster der Organisation “Charity Organization Society” (COS). Die Arbeitsweise der dort tätigen Frauen, den so genannten Fürsorgerinnen, die einerseits Bedürftige zuerst registrierten, um dann deren individuellen Bedarf durch “friedly visitors” (z. dt.: freundliche Hausbesucher) zu ermittelten und anschließend diese Bedürftigen an die zur Verfügung stehenden Stellen zur Hilfe vermittelten, war Kern ihres Lehrbuchs. Richmond orientierte sich dabei sehr an der Psychoanalyse und somit der Medizin, was sie durch die Verwendung von Begriffen wie Diagnose, Behandlung oder Therapie herausstellte (vgl. ebd.)

In Deutschland gilt Alice Salomon als ein wichtiger Importeur dieser Methode. Salomon veröffentlichte 1926 ihr Buch “Soziale Diagnose” in Anlehnung an das Werk von Richmond und beschreibt ebenfalls die Ermittlung von Bedarf als Ausgangspunkt der Hilfeleistung (vgl. Meinhold 2005, S. 361).

Nach dem 2. Weltkrieg brachten die amerikanischen MethodenlehrerInnen und die während der nationalsozialistischen Herrschaft emigrierten Helfer die Methode wieder in die Diskussion, da diese zwischenzeitlich durch die NS-Regierungszeit und den 2. Weltkrieg nahezu völlig zum Erliegen gekommen war. Hertha Kraus (1950) und Herbert Lattke (1955) fassten die Methodendiskussion in den USA zusammen und versuchten zusammen mit anderen den Methodentransfer nach Deutschland. Aufgrund der gesellschaftlichen und geschichtlichen Unterschiede beider Länder war eine uneingeschränkte Übernahme jedoch nicht möglich und es mussten sich in der Folgezeit eigene Methodenansätze, die in Deutschland auch anwendbar waren, entwickeln (vgl. Galuske 2005, S. 74ff).

In den späten 70er Jahren standen die Methoden der Sozialen Arbeit, insbesondere jedoch die Individualhilfe und soziale Gruppenarbeit in der gesellschaftlichen Kritik. Die Individualhilfe wurde von den Kritikern als ein Instrument der Unterdrückung durch den Staat empfunden und sie würde gesellschaftlich bedingte Probleme individualisieren, insgesamt wurde somit zugleich die Notwendigkeit der Individualhilfe in Frage gestellt (vgl. Pantucek 1998, S. 47ff).

Aktuell befindet sich die Individualhilfe in der Diskussion mit dem Verweis zum Case-Management und bedingt durch Ereignisse wie den Tod des kleinen Kevin in Bremen, in der kritischen Betrachtung durch die Öffentlichkeit, worauf ich später jedoch noch eingehen werde.

2.1 Grundlagen der lebensweltorientieren Individualhilfe

In der Individualhilfe beschäftigen sich professionelle Helfer der Sozialen Arbeit mit unterschiedlichsten Menschen in, gesellschaftlich oder aus Sicht der Betroffenen, anormalen Lebenssituationen. Innerhalb der Profession spricht man bei der Arbeit mit diesen Menschen von „Fällen“, daher auch der Begriff „Einzelfallhilfe“. Aber was oder wer ist überhaupt ein Fall? Pantucek beschreibt diesen Ausdruck mit „Person in der Situation“, wobei er die vielfältigen Beziehungen zwischen Menschen und ihrer Umwelt voraussetzt (vgl. Pantucek 1998, S. 70).

Mit Blick auf die auch von mir vertretende Auffassung zur Individualhilfe, die sich an der Lebenswelt des Klienten orientiert, glaube ich, dass eine ausschließliche Betrachtung der Person unter Vernachlässigung der Lebens(um)welt des Klienten, wie es in einigen Ansätzen des „social casework" praktiziert wird (vgl. Pantucek 1998, S. 70) suboptimal ist. Menschen leben in unterschiedlichsten gesellschaftlichen Räumen und Umständen, die ihr Handeln permanent beeinflussen. Sie können sich zumeist weder den Sozialraum noch den Zeitpunkt für diese Lebensweltentwicklung auswählen und gestalten sie dennoch von Beginn an aktiv mit. Dabei muss sich jedes Individuum unterschiedlichsten Situationen stellen, die es nicht umgehen kann und dafür wenig bis gar keine Handlungsalternativen hat, beispielsweise Beendigung der Schulpflicht und der damit verbundene Lebenswandel. Der Mensch entwickelt für die unterschiedlichsten Situationen angepasste „Rollen“, Pantucek beschreibt dieses „Selbstmanagement in Rollen“ (Pantucek 1998, S. 77) als menschliche Eigenart die uns befähigt unser Handeln zu beobachten und dieses selbst zu reflektieren. „Selbstreflexion bringt die Teilpersönlichkeiten oder Rolleninterpretationen wieder zusammen“ (ebd.). Somit bleibt die Gesamtpersönlichkeit als einzelne bestehen und der innere Dialog in seiner Ambivalenz unterschiedlichster Gefühle als Zugangsmöglichkeit für die Individualhilfe gegeben (vgl. ebd.).

Analog der Auffassung Pantucek´s vertrete ich die Ansicht, dass Menschen sich aufgrund der direkten Lebensumwelt Eigenschaften wie beispielsweise religiöse Handlungsweisen, Sprache, Wissen, Fähigkeiten und Verhalten aneignen, sozusagen von bzw. mit den Anderen lernen, jedoch als autonome Persönlichkeit auch ganz individuelle Wesenseigenschaften entwickeln (vgl. Pantucek 1998, S.78). Somit kann lebensweltorientierte Individualhilfe nur im unmittelbaren Kontext der Betrachtung dieser individuellen Persönlichkeit und der allgemeinen Lebenswelt betrieben werden.

Wenn sich für Menschen ein soziales Problem konstituiert, werden diese sich zumeist selbst bemühen diese schwierige Lebenslage zu lösen. Neben der Anpassung von Lebensweisen und Handlungsstrategien, dem Finden von eignen Erklärungen und Begründungen, kommt es je nach Persönlichkeit auch gelegentlich zum Abbruch mit dem Lebensumfeld auf der Suche nach einem neuen „besseren“ Lebensumfeld (vgl. Pantucek 1998, S. 79 f), beispielhaft würde ich hierfür „Ausreißer-Kids“ anführen, die aufgrund einer in ihren Sichtweise ausweglosen Konfliktsituation mit ihrem Umfeld die Flucht aus eben diesem suchen und damit zum potenziellen Klientel der Sozialen Arbeit werden. Auf dem Weg der selbständigen Problembewältigung wird sich durch den betroffenen Menschen der unterschiedlichsten Ressourcen bedient.

Einerseits sind das die „lebensweltlichen Netzwerke“ (Pantucek 1998, S. 80f) also jene die im direkten Umfeld der Betroffenen vorhanden sind (Familie, Nachbarn, Freunde, Kollegen, usw.), andererseits werden die gesellschaftlich geschaffenen Ressourcen, die so genannten „formellen Netzwerke“, in Form von vermittelten Sozialleistungen (Arbeitslosen- Kranken-, Rentenversicherung u.a.) genutzt (vgl. ebd.).

Menschen die diesen Selbstbewältigungsprozess nicht erfolgreich durchleben und sich an den professionellen Helfer wenden oder an einen solchen durch Dritte als Dienstleistungsempfänger vermittelt werden, bezeichnet die Soziale Arbeit als Klienten. Dabei ist der Begriff „Klient“ in der Profession durchaus umstritten und wird auch mit Begriffen wie „Adressat“ oder „Betroffener“ ersetzt (vgl. Pantucek 1998 S. 97). Bevor der entsprechend Hilfsbedürftige jedoch nicht im direkten Kontakt mit dem Sozialarbeiter steht und nicht die Möglichkeit hat auf den ihm angebotenen Hilfeprozess selbst einzuwirken, spricht man vom potenziellen Klienten (vgl. Pantucek 1998 S. 99). Erst mit der Erteilung des Auftrags wird der potenzielle zum richtigen Klienten und der Sozialarbeiter zum Dienstleister gegenüber diesem. Ein zusätzliches Problem, welches auch von Pantucek beschrieben wurde ist die Stigmatisierung von Klienten der Sozialen Arbeit durch die Gesellschaft (vgl. Pantucek 1998 S. 100). Ich halte dies für ein kulturgeschichtliches Problem in Deutschland, in dem meiner Meinung nach ein generelles Problem im Umgang mit andersartigen, sprich dem Mainstream, anormal erscheinenden Menschen besteht. Häufig wird den Betroffenen der gewählte Lebensstil oder - raum nicht zugesprochen und alles gesellschaftlich Anormale als Abart klassifiziert, die es mit allen Mitteln zu bekämpfen gilt. Mein persönliches Empfinden gibt aber diesen Menschen, die beispielsweise auf der Straße leben wollen und sich dabei an die vom Rechtstaat vorgegeben Normen halten, den Raum dies auch tun zu dürfen, so denn diese Menschen auch wissen wo im Bedarfsfall Hilfe in Anspruch genommen werden kann. Wir, als Sozialarbeiter, haben zwar eine gesellschaftliche Verpflichtung Bedürftigen zu helfen, aber wir dürfen nicht jedem Hilfen aufzwingen, nur weil dieser uns hilfsbedürftig erscheint. Teilweise agiert die Individualhilfe so auch in Feldern, in denen der Bedarf durch die vermeintlichen „Klienten“ gar nicht gewünscht ist und nur durch den politischen oder gesellschaftlichen Willen von Außen erzwungen wurde.

[...]

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Ausgewählte Methodenaspekte der Individualhilfe
Hochschule
Fachhochschule Lausitz in Cottbus
Veranstaltung
Methoden der Sozialen Arbeit
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
25
Katalognummer
V71240
ISBN (eBook)
9783638631334
ISBN (Buch)
9783638928953
Dateigröße
465 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Ausgewählte, Methodenaspekte, Individualhilfe, Methoden, Sozialen, Arbeit
Arbeit zitieren
Benny Blatz (Autor:in), 2007, Ausgewählte Methodenaspekte der Individualhilfe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/71240

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