Der Wandel des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) vom parteikonformen Studentenverband zur wichtigsten Initiativgruppe innerhalb der Studentenbewegung


Seminar Paper, 2006

20 Pages, Grade: 2,0


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Wandel des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) vom parteikonformen Studentenverband zur wichtigsten Initiativ- gruppe innerhalb der Studentenbewegung
2.1 Die Gründungszeit des SDS
2.1.1 Gründung...
2.1.2 Gesellschaftlicher Hintergrund
2.1.3 Gründe für den Eintritt in den SDS
2.1.4 Programmatik/ Ideologie
2.1.5 Organisationsstruktur und Verhältnis zur SPD
2.2 Der Entfremdungsprozess von der SPD und Wandel zur
Neuen Linken
2.2.1 Veränderungen im SDS
2.2.2 Konfliktpunkte
2.2.3 Die Spaltung des SDS
2.3 Der SDS als Motor der Studentenbewegung..
2.3.1 Die Denkschrift „Hochschule in der Demokratie“
2.3.2 Die Entwicklung bis zum Beginn der Studentenrevolte
2.3.3 Themen und Aktionen innerhalb der Studentenbewegung
2.4 Das Ende des SDS

3. Zusammenfassung und Schluss

4. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Von hier aus gesehen liegt die Bedeutung des SDS nicht darin, die geballte Macht von tausend Intellektuellen zu sein, sondern eine Gruppierung, in der junge sozialistische Intelligenz lernt zu kooperieren, um ihre gemeinsame Kritik an der bestehenden Gesellschaft in einer Weise wirksam werden zu lassen, die mit zu einer sozialistischen Veränderung dieser Gesellschaft beitragen kann.“[1]

Dieses Zitat stammt vom Bundesvorsitzenden des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (im folgenden SDS abgekürzt) des Jahres 1963, Manfred Liebel. Es beschreibt die Zielsetzung dieser Organisation ziemlich präzise, nämlich die Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen und die Aufklärung der Öffentlichkeit durch diese Kritik.

Der SDS, der sich nach dem zweiten Weltkrieg als Studentenverband der SPD konstituierte, entwickelte sich im Laufe der Jahre hin zu einer selbständigen Gruppierung, die schließlich die führende Rolle in der außerparlamentarischen Opposition (APO) und der Studentenbewegung inne hatte. In der vorliegenden Arbeit soll dieser Entwicklungsprozess von seiner Gründung bis zu seiner Auflösung analysiert werden. Dabei wird zunächst die Gründungszeit betrachtet. Aus welchen Gründen traten die Studenten, in den SDS ein und wie war der gesellschaftliche Hintergrund? Daneben werden die Ideologie, das Verhältnis zur SPD, sowie die Organisationsstruktur des SDS erläutert. Im darauffolgenden Abschnitt sollen die wichtigsten Punkte dargestellt werden, die entscheidend zum Entfremdungsprozess von SDS und SPD und schließlich zur Spaltung des SDS beigetragen haben. Anschließend wird die Rolle des SDS, sowie dessen Themen und Aktionen innerhalb der Studentenbewegung erläutert. Im letzten Abschnitt werden dann die Gründe für die Auflösung des SDS dargestellt. Abschließend soll geklärt werden, ob man den SDS als soziale Bewegung bezeichnen kann. Dieter Rucht versteht unter einer sozialen Bewegung „ ein auf gewisse Dauer gestelltes und durch kollektive Identität abgestütztes Handlungssystem mobilisierter Netzwerke von Gruppen und Organisationen, welche sozialen Wandel mit Mitteln des Protests – notfalls bis zur Gewaltanwendung – herbeiführen, verhindern oder rückgängig machen wollen.[2] Soziale Bewegungen sind nach Rucht durch fünf Dimensionen gekennzeichnet: eine feste Ideologie, eine Struktur der Anhängerschaft, einen gewissen Grad an Organisation, bestimmte Strategien bzw. ein bestimmtes Aktionsrepertoire und eine Entwicklungsdynamik, die von der Entstehung zur Blütezeit und schließlich zum Zerfall führt.[3]

Bei der verwendeten Literatur wurde zu einem großen Teil auf Standardwerke zurückgegriffen. Dazu zählt die „Kleine Geschichte des SDS“ von Tilman Fichter und Siegward Lönnendonker aus dem Jahr 1998. Es ist die einzige Lektüre, die den Entwicklungsprozess des SDS von der Gründung bis zur Auflösung beschreibt. Über die Entwicklung des SDS bis zur Spaltung und über das Verhältnis von SDS und SPD informieren sehr ausführlich die Werke von Willy Albrecht aus dem Jahr 1994 „Der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS)“, von Tilman Fichter aus dem Jahr 1988 mit dem Titel „SDS und SPD“ sowie die bereits 1976 erschienene Publikation „Der SDS“ von Jürgen Briem. Das aktuellste Werk wurde von Siegward Lönnendonker, Bernd Rabehl und Jochen Staadt verfasst und 2002 herausgegeben. Es trägt den Titel: „Die antiautoritäre Revolte“ und befasst sich zeitlich mit dem SDS nach der Trennung von der SPD. Zum Thema Studentenbewegung stellt das Buch „Die Studentenproteste der 60er Jahre“ aus dem Jahr 2000 ein grundlegendes Nachschlagewerk dar, denn es enthält Adressen aller Archive zu diesem Thema, eine sehr ausführliche Chronik der Ereignisse zwischen Ende 1964 bis Ende 1970 und schließlich eine umfangreiche Bibliographie.

Ergänzend zu diesen Standardwerken wurden Aufsätze zu diesem Thema und einzelne Kapitel aus verschiedenen Publikationen herangezogen.

2. Der Wandel des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) vom parteikonformen Studentenverband zur wichtigsten Initiativgruppe innerhalb der Studentenbewegung

2.1 Die Gründungszeit des SDS

2.1.1 Gründung

Kurz nach Ende des zweiten Weltkrieges bildeten sich an den Universitäten zunächst verschiedene kleine regionale sozialistische Studentenorganisationen, so zum Beispiel die „Arbeitsgemeinschaft sozialistischer Studenten“ in Hamburg.[4] Den Impuls zur Gründung eines überregionalen Studentenbundes gaben bestehende Gruppen aus Münster, Frankfurt a.M. und Hamburg, indem sie dem damaligen Vorsitzenden der SPD, Kurt Schumacher, in einem Brief eine „Arbeitstagung“ mit anschließender Kundgebung in Hamburg vorschlugen. Teilnehmen sollten sozialistische Studenten der westlichen Besatzungszone sowie der Parteivorstand der SPD.[5]

Vom 2. Bis 6. September 1946 fand schließlich der Gründungskongreß des SDS statt, an dem 84 Delegierte aus 20 Hochschulorten teilnahmen. Heftig umstritten waren die Ideologie des SDS sowie die Frage ob SDS-Mitglieder gleichzeitig der SPD angehören müssen. Das Ergebnis dieser Diskussionen war zum einen der Beschluß, das Bekenntnis zur SPD nicht mit in die Satzung aufzunehmen, um alle Richtungen auf Grundlage des freiheitlichen Sozialismus mit einzubeziehen. Zum anderen wurde das ideologische Programm sehr allgemein gehalten, um möglichst vielen Mitgliedern gerecht zu werden. In den sog. „Hamburger Richtlinien“ fanden sich unter anderem Ziele wie soziale Gerechtigkeit, demokratischer Neuaufbau eines sozialistischen Staates oder ein vereintes Deutschland.[6] Laut Albrecht wurden zu diesem Zeitpunkt bereits hochschulpolitische Ziele in einem gesonderten „kulturpolitischen Programm“ formuliert. Dabei wurden neben Forderungen nach einheitlichen Examensbedingungen oder finanziellen Hilfen für sozial bedürftige Studenten auch das Ansinnen nach einer grundlegenden Hochschulreform geäußert.[7]

2.1.2 Gesellschaftlicher Hintergrund

Um die Entstehung und den Wandel des SDS nachvollziehen zu können, ist es notwendig, die gesellschaftlichen Bedingungen sowie die Situation an den Universitäten zur damaligen Zeit darzulegen.

Zum Zeitpunkt der Gründung des SDS war das Denken der Studenten erheblich durch die Kriegserfahrung geprägt. Die meisten Mitglieder hatten an der Front gekämpft und die Härten des Krieges sowie des Nationalsozialismus am eigenen Leib erfahren. Zudem herrschte in dieser Zeit große materielle Armut. Die Lebensmittel waren rationiert, auch für Studenten wichtige Utensilien wie Bücher waren schwer zu bekommen. Hinzu kam die Wohnungsnot, da vor allem die Häuser in den Städten ausgebombt waren. Viele Studenten lebten entweder am Rande der Stadt oder in Gemeinschaftsunterkünften, zum Beispiel in alten Luftschutzbunkern.[8] Briem führt zudem an, dass aus finanziellen Gründen 60% der Studierenden erwerbstätig waren und ihr Studium nebenbei absolvieren mussten.[9]

Auch die Situation an den Hochschulen war durch den Krieg geprägt. Nach Fichter waren von 14 Universitäten zwei teilweise und acht komplett zerstört worden.[10] Trotzdem wurden Lehr- und Forschungsbetrieb sogleich wieder aufgenommen, allerdings ohne ein konkretes Konzept zur Entnazifizierung der Professoren und zur Demokratisierung der Lehre. So wurden zwar viele Lehrkörper aus dem Dritten Reich entlassen, gleichzeitig seien laut Fichter aber einige der neu angestellten Dozenten und Professoren Mitglieder der SA oder der NSDAP gewesen.[11] Das Thema „Entnazifizierung der Hochschule“ war im SDS über viele Jahre ein wichtiges Themenfeld, aus dem viele Aktionen resultierten.

2.1.3 Gründe für den Eintritt in den SDS

Aufgrund der oben genannten Kriegserfahrung und der materiellen Not hatten die Studenten zu einem großen Teil eine eher politikfeindliche Einstellung.[12] Es stellt sich nun die Frage, aus welchen Motiven heraus jene Studenten zur damaligen Zeit in den SDS eintraten. Benno Müller-Hill hat in seinem Aufsatz „Warum wurden wir Mitglieder im SDS 1946-1960?“ einige wesentliche Gründe für Eintritt in den SDS benannt. Als einen Anstoß nennt er Kontakte zur SPD vor 1945, beispielsweise eine Mitgliedschaft bei den „Falken“ als Schüler. Ein weiteres Motiv ist der familiäre Hintergrund. Viele SDS Mitglieder stammten aus sozialdemokratischen, kommunistischen oder jüdischen Familien und haben selbst Diskriminierung erfahren oder den Widerstand der Eltern gegen dem Nazi-Regime miterlebt. Für einige Mitglieder war der Eintritt in den SDS selbstverständlich, da sie bereits Mitglied bei der SPD waren und den SDS als Studentenverband der SPD ansahen. Für viele Studenten war das Kriegserlebnis Motivation für eine Mitgliedschaft im SDS. Sie wollten selbst etwas zu einem friedlichen Aufbau der Demokratie beitragen oder sehnten sich nach geistiger Betätigung und Kultur. Andere Studenten wollten den schnell erstarkten Korporationen (studentische Verbindungen) entgegentreten und die politische Linke stärken. Als einen letzten wichtigen Grund für den Beitritt in den SDS nennt Müller-Hill den Wunsch, sich politisch zu betätigen, auch im Hinblick auf eine spätere Karriere in der SPD.[13]

[...]


[1] Fichter, Tilman und Siegward Lönnendonker, Macht und Ohnmacht der Studenten. Kleine Geschichte des SDS, Hamburg 1998, S. 94.

[2] Rucht, Dieter, Modernisierung und neue soziale Bewegungen. Frankfurt a.M. 1994, S. 76f.

[3] Vgl. Ebd. S. 84ff.

[4] Vgl. Fichter, Tilman, SDS und SPD. Parteilichkeit jenseits der Partei, Opladen 1988, S. 43.

[5] Ebd. S. 46f.

[6] Ebd. S. 49f.

[7] Vgl. Albrecht, Willy, Zur Geschichte des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes von 1946-1960: Das Spannungsverhältnis zwischen Hochschulreform und Gesellschaftsreform, in: Zum 40. Jahrestag der Gründung des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS), Bonn 1987, S. 19f.

[8] Vgl. Fichter, Tilman und Siegward Lönnendonker, Macht und Ohnmacht der Studenten. Kleine Geschichte des SDS, Hamburg 1998, S. 15f.

[9] Vgl. Briem, Jürgen, Der SDS. Die Geschichte des bedeutensten Studentenverbandes der BRD seit 1945, Frankfurt 1976, S. 17.

[10] Vgl. Fichter 1988, S. 22f.

[11] Ebd. S. 33ff.

[12] Ebd. S. 14.

[13] Vgl. Müller-Hill, Benno, Warum wurden wir Mitglieder im SDS 1946-1960?, in: 1999 Zeitschrift für Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts. 13. Jahrgang, März 1998, Heft 1, Hamburg 1998, S. 172-189.

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Details

Title
Der Wandel des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) vom parteikonformen Studentenverband zur wichtigsten Initiativgruppe innerhalb der Studentenbewegung
College
LMU Munich  (Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte)
Course
Proseminar Jugend, Jugendkulturen und Jugendbewegungen in Westdeutschland 1945-1989
Grade
2,0
Author
Year
2006
Pages
20
Catalog Number
V71361
ISBN (eBook)
9783638620550
File size
446 KB
Language
German
Keywords
Wandel, Sozialistischen, Deutschen, Studentenbundes, Studentenverband, Initiativgruppe, Studentenbewegung, Proseminar, Jugend, Jugendkulturen, Jugendbewegungen, Westdeutschland
Quote paper
Simone Schrodi (Author), 2006, Der Wandel des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) vom parteikonformen Studentenverband zur wichtigsten Initiativgruppe innerhalb der Studentenbewegung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/71361

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