Lehrerstress und Depersonalisation


Hausarbeit, 2007

28 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0. Einleitung

1. Stress im Lehrerberuf
1.1. Berufsbild
1.2. Lehrerstress und Krankheiten
1.3. Stressintervention
1.3.1. Das pädagogische Tagebuch
1.3.2. Stressdrama
1.3.3. Inszenierung
1.3.4. Arbeit mit Inneren Bildern

2. Depersonalisationsstörung
2.1. Begriff und Einordnung
2.2. Symptomatik
2.3. Auslösende Faktoren
2.4. Erklärungsansätze
2.4.1. Neurobiologische Ansätze
2.4.2 Neuropsychologischer Ansatz
2.4.3 Psychodynamischer Ansatz
2.5. Therapie

3. Schlussbetrachtung

4. Literaturverzeichnis

0. Einleitung

Diese Hausarbeit zum Thema „Lehrerstress und Depersonalisation“ ist im Rahmen des Seminars „Stress und Gesundheit“ bei Frau Dr. A. Buske-Kirschbaum im Wintersemester 2006/07 entstanden.

Der Beruf des Lehrers wurde in der vergangenen Zeit mit zunehmender Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit diskutiert. Folglich sind auch die „lehrertypischen“ Krankheiten, wie das Burnoutsyndrom oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen in den Mittelpunkt gerückt. Diese Hausarbeit soll jedoch verdeutlichen, dass auch eine weniger bekannte psychische Störung, die Depersonalisation, zu den stressinitiierten Krankheiten zählt.

Im ersten Teil dieser Arbeit wird der Beruf des Lehrers, Lehrerstress und die daraus folgenden Krankheiten sowie die Stressintervention näher betrachtet. Im zweiten Teil wird die Depersonalisation bezüglich ihrer Symptome, auslösende Faktoren, Erklärungsansätze und Therapiemöglichkeiten vorgestellt. Grundlage dieser Arbeit bildet dabei LUKAS (2003) „Das Gefühl, ein No-Body zu sein.“ Um den Rahmen dieser Hausarbeit nicht maßgeblich zu überschreiten, wurde auf eine tiefgehende fachliche Diskussion verzichtet und die Darstellung der zentralen Aspekte des Krankheitsbildes in den Vordergrund gestellt.

1. Stress im Lehrerberuf

1.1. Berufsbild

Der Lehrerberuf ist ein schwieriger und zugleich auch ein schöner Beruf. Was gibt es denn schöneres als junge Menschen auf ihren Weg zum Erwachsenwerden zu begleiten? Ihre körperlichen sowie sozialen Veränderungen mit zu erleben? Ihnen auf ihrem Weg nützliches Wissen zu vermitteln und sie am Ende stolz aus der Schule zu entlassen? RABINDRANATH TAGORE (1861-1941), ein indischer Dichter und Philosoph, formulierte den Beruf des Lehrers folgendermaßen: „Die Hauptaufgabe des Lehrers ist nicht, Bedeutungen zu erklären, sondern an die Tür des Geistes zu klopfen.“

Folgende Merkmale des Lehrerberufes sind es, die ihn von anderen (sozialen) Berufen unterscheiden (vgl. BARTH 1992 in: VAN DICK 2006, S. 24):

- Ein sehr breites Rollenspektrum: Der Großteil der heutigen Berufe besitzt ein exakt beschriebenes Berufsbild. So hat zum Bespiel der Lebensmittelkontrolleur den Berufsschwerpunkt Verbraucher vor gesundheitlichen Gefahren durch Lebensmittel, Bedarfsgegenstände, aber auch vor Irreführung und Täuschung zu schützen. Aus der weitaus unspezifischeren Rollen- bzw. Aufgabenverteilung im Lehrerberuf, folgt für den Lehrer ein breiteres und vielf ä ltigeres Bet ä tigungsfeld. So muss er neben der Hauptaufgabe der Wissensvermittlung zunehmend erzieherisch und psychologisch tätig sein, indem er indirekt damit „beauftragt“ wird, familiäre sowie soziale Probleme zu korrigieren. Er soll dem Schüler ein „Freund“ sein, gleichzeitig als Autoritätsperson wirken und zusätzlich bei der Persönlichkeitsentwicklung des Schülers mitwirken.
- Das Lehrer-Schüler-Verhältnis ist in den meisten Fällen keine freiwillige Zusammenarbeit. Die in Deutschland gesetzlich festgelegte allgemeine Schulpflicht hat zur Folge, dass sich weder Schüler noch Lehrer ihr Gegenüber auswählen können. Diese Art des Zwangkontextes führt dazu, dass der Lehrer in den meisten Fällen wenig positives Feedback seitens der Schüler bekommt.
- Die Kontrolle des Lehrers in Bezug auf seine Arbeit ist sehr gering. Sein täglicher Erfolg, aber auch seine Stellung im Kollegium und in der Gesellschaft hängt sehr eng mit den Leistungen & der persönlichen Einstellungen der Schüler zusammen. Der Lehrer hat wenige Möglichkeiten seinen Arbeitserfolg zu messen. Ihm bleiben letztendlich nur die Möglichkeiten der Leistungskontrolle (schriftliche Testate, mündliche Überprüfungen, etc.) und die daraus resultierenden Zensuren, um den Erfolg der Wissensvermittlung zu ermitteln und diesen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen
- Durch Lehrpläne, Schulgesetze und Verordnungen sind Lehrer sehr in ihrer Selbstst ä ndigkeit eingeschr ä nkt. Sie arbeiten ständig unter zeitlichen Druck, da sie den gesetzlich festgelegten Zeitrahmen einhalten müssen und es in der Regel keinen Arbeitsaufschub gibt, denn am Ende des Schuljahres muss jeder Schüler den gleichen Lehrstoff vermittelt bekommen haben.
- Ab dem Moment des Stundenklingelns interagieren Lehrer in den meisten Fällen als Einzelpersonen. Diese Stellung des „ Einzelk ä mpfers “ ist in sozialen Berufen eher selten. So können zum Beispiel Sozialarbeiter in schwierigen, konfliktreichen Situationen zusammen Lösungen finden, was dem Lehrer in einem kritischen Moment innerhalb der Unterrichtsstunde nicht gegeben ist. Im Gegenteil: Die Folge seiner Reaktion in einer bestimmten Situation muss er innerhalb kürzester Zeit abwägen und verschiedene Konsequenzen daraus schließen
- Nicht zuletzt ist das Berufsbild des Lehrers in der Gesellschaft durch ein schlechtes Image geprägt. Oft wird ihr Berufsbild auch als „ Halbtagsjobber “ betitelt (vgl. SCHAARSCHMIDT 2005). So wird ihre Arbeit mit langen Sommerferien oder auch kurzen Schultagen assoziiert. Keinerlei Beachtung finden dagegen Elternabende, Unterrichtsplanungen, Arbeitskorrekturen, Lehrerkonferenzen, Planung der Schulfeste oder auch Fort- und Weiterbildungen (vgl. KIEL 2005 in: VON CARLSBUG et al. 2005, S. 197)

Fragt man einen Schüler, wie er sich den „idealen“ Lehrer vorstellt, würde er antworten, dass der Lehrer „[…] gerecht, aufgeschlossen, tolerant, humorvoll und eine Autorität sein [soll].“

(VON CARLSBURG, HEYDER 2005 in: VON CARLSBURG et al. 2005 , S. 231)

Diese eher allgemein gehaltenen Charaktereigenschaften würden aber auch auf einen Bäcker- oder Kfz-Meister zutreffen, wenn man die gleiche Frage dessen Auszubildende stellen würde. Die Professionalität des Lehrers ist jedoch besonders durch das Zusammenwirken folgende Fähigkeiten charakterisiert (vgl. REKUS 2005 in: VON CARLSBURG et al. 2005, S. 71):

- Der Lehrer selbst muss sein fachlich zu vermittelndes Wissen so überblicken können, dass „[…] er zu jedem Zeitpunkt des Lernprozesses weiß, an welcher Stelle der Schüler sich in seinem Denken befindet.“ (ebd., S. 71)
- Für den Lehrer ist außerdem eine didaktisch-methodische Vielfalt notwendig, um den Schüler auf seinem persönlichen Weg der Lösungsfindung zu begleiten. Dies können zielgerichtete Fragen oder auch Denkanstöße sein. „Dazu benötigt der Lehrer eine fachmethodische Kompetenz.“ (REKUS ebd., S. 71)
- Eine entsprechende Gedankenführung der Schüler ist aber nur dann möglich, wenn der Lehrer „[…] um die Besonderheiten der Individuallage weiß und die Lernmöglichkeiten realistisch einschätzt […].“ (ebd., S. 71)

Neben diesen drei wesentlichen Kompetenzen gibt es aber noch einen weiteren unerlässlichen Punkt, der zu der Professionalität des Lehrers beiträgt: „[…] [D]ie pädagogische Intuition [ist] die unverzichtbare Fähigkeit des Lehrers […] die situativ richtige Entscheidung zu treffen, um den Schüler auf den Weg des Lernens zu bringen und zu begleiten.“ (ebd., S. 77) Unter dem intuitiven Handeln der Lehrer versteht man demnach, in der richtigen Situation die richtige Frage zu stellen, was weder „[…] unmittelbar aus der Rationalität des akademischen Wissens noch aus der Menge der gewonnen Erfahrungen […]“ (ebd., S. 71) hervorgeht, sondern auf der Wissensreflexion des Lehrers basiert.

1.2. Lehrerstress und Krankheiten

In der heutigen Gesellschaft, welche größtenteils durch Leistungsdruck, hohe Anforderungen und Zeitnot geprägt ist, ist der Stressbegriff allgegenwärtig. Er wird von vielen Menschen täglich verwendet und hat dennoch eine individuelle Bedeutung. Hört man jemanden zum Beispiel sagen „Ich habe Stress“, können hinter dieser Redeweise eine große Anzahl von unterschiedlichen belastenden Umweltfaktoren (Lärm, Zeitdruck, Hektik usw.) stehen. Andererseits werden mit „Ich bin gestresst“ auch körperliche Reaktionen und Empfindungen zum Ausdruck gebracht. Allein anhand dieser Aussagen wird deutlich, dass Stress bezüglich seiner Art und Weise sehr subjektiv wahrgenommen wird (vgl. VAN DICK 2006, S. 27).

Bereits 1978 wurde von KYRIACOU und SUTCLIFFE Lehrerstress „[…] als negative Emotionen (wie Ärger oder Depression) bei einem Lehrer, die mit potentiell schädlichen physiologischen und biochemischen Veränderungen einhergehen, [definiert]. Diese Emotionen resultieren aus bestimmten Aspekten der Lehrertätigkeit und entstehen im Prozess der subjektiven Wahrnehmung, die von der persönlichen Konstitution des Lehrers, einer Bedrohung seines Selbstwertsgefühls oder des Wohlbefindens und von Coping-Strategien, die zur Reduktion dieser Bedrohung eingesetzt werden, beeinflusst wird.“ (VAN DICK 2005, S. 35; übersetzt: K. R.) Nach VAN DICK (2005) sind vor allem „[…] zu große Klassen, Probleme mit Schülern (Motivations-, Konzentrationsschwierigkeiten, Disziplinprobleme), administrative Probleme (Verwaltungsarbeit, Schwierigkeiten mit Behörden, Hemmnisse durch Erlässe und Verordnungen), Probleme mit Kollegen, Probleme mit Eltern sowie die fehlende Anerkennung durch die Öffentlichkeit […]“(VAN DICK 2005, S. 48), die als Stressoren des Lehrerberufs zu sehen sind.

Der Psychologe UWE SCHAARSCHMIDT führte mit seinem Team die bisher größte Studie zur Lehrergesundheit durch und statuierte vier Muster des beruflichen Erlebens und Verhaltens von Lehrern: Muster G und S sowie die Risikomuster A und B (vgl. SCHAARSCHMIDT 2005, S. 24 ff.).1

In dieser Studie wurden u.a. die Zusammenhänge von Lehrerstress und schulischen Bedingungen betrachtet. Den zu untersuchenden Lehrern wurden dazu 26 Merkmale, die in vorherigen Erhebungen als belastend eingestuft wurden, vorgelegt. Abbildung 1 zeigt die Belastungseinschätzung der einzelnen Muster bezüglich der drei am häufigsten genannten Merkmale (1. Verhalten schwieriger Schüler, 2. Klassenstärke, 3. Stundenzahl). Zu erkennen ist, dass die Risikotypen A und B alle drei Items als starke (4) bis sehr starke (5) Belastung einstuften. „[…] [B]esondere Beachtung [verdient es], dass selbst die Lehrer des Musters G, also die Gesündesten und Widerstandsfähigsten, den Grad ihrer Belastung sehr hoch veranschlagen.“ (SCHAARSCHMIDT 2005, S. 73)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 Die drei als besonders belastend eingeschätzten Bedingungen Verhalten schwieriger Sch ü ler, Klassenst ä rke und Stundenzahl bei Berücksichtigung der Musterzugehörigkeit (SCHAARSCHMIDT 2005, S. 74)

Neben diesen schulbezogenen Untersuchungen wurde in dieser Studie aufgezeigt, dass es eindeutige Zusammenhänge zwischen den gesundheitlichen Merkmalen und den Risikomustern gibt. So ist aus der Abbildung 2 zu entnehmen, dass bei den Risikomustern A und B die jeweils höchsten Werte für psychische als auch für körperliche Beschwerden vorliegen: „Die Personen beider Muster geben gleichermaßen mehr Kopfschmerzen, Herz- Kreislauf- und Magenbeschwerden sowie Verspannung der Muskulatur an […].“ (SCHAARSCHMIDT 2005, S. 32)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2 Beeintr ä chtigung des psychischen Befindens sowie K ö rperlich-funktionelle Beschwerden (SCHAARSCHMIDT 2005, S. 32)

Körperliche Beschwerden sind u.a. Magen-Darm-Erkrankungen, Bronchialasthma, Arthritis, Spannungskopfschmerz aber auch Migräne. Zudem untersucht die heutige Forschung insbesondere Stress als Ursache von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und das Mitwirken verschiedener Stressoren an den Störungen des Immunsystems. (vgl. KROHNE 1997, S. 268) Zu den psychischen Beschwerden gehören u.a. psychische Störungen, Befindensbeeinträchtigungen oder auch die Abwesenheit von Wohlbefinden. „Die Lehrertätigkeit stellt, weil sie überwiegend psychisch belastend ist, ein Modell der psychischen Gesundheit dar.“ (RUDOW 1994, S. 39) Ob eine belastende Situation jedoch wirklich krank macht, hängt von deren Stärke, Dauer und Komplexität sowie deren Neuheit, Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit ab. Dennoch stellen Lehrer eine Risikogruppe dar und „[…] wegen des großen Ausmaßes negativer Folgen […]“ sollten die Häufigkeit und Intensität der Störungen „[…] ein ernstzunehmendes Warnsignal für die zuständigen Institutionen sein.“ (ebd., S. 39)

1.3. Stressintervention

GEBAUER (2000) stellt in seinem Buch „Stress bei Lehrern - Probleme im Schulalltag bewältigen“ verschiedene Methoden zur Stressbewältigung für einzelne Lehrer, das Lehrerkollegium, aber auch für Klassen und einzelne Schüler vor. Insgesamt stellen die 13 Praktiken ein sogenanntes Methodennetz dar, wobei einzelne Strategien, aber auch deren Kombination für die Bewältigung belastender Situationen herangezogen werden können. Im Folgenden werden vier dieser Methoden, die wenig Zeit benötigen und gut umsetzbar sind, näher betrachtet.

1.3.1. Das pädagogische Tagebuch

Viele Lehrer kennen diese Art der Gedanken- und Gefühlsniederschrift aus ihren Jugendjahren. Aspekte dieser Methode sind nach GEBAUER (2000) vor allem die Rekonstruktion wichtiger Ereignisse während der Unterrichtstunde, Mitschriften von Schüleräußerungen, aber auch die Wahrnehmung der eigenen Gefühle in heiklen, hektischen Situationen.

Der Lehrer notiert in diesem Buch individuelle Eindrücke, Momente des Unterrichtes, aber auch Belastungssituationen.

[...]


1 Eine ausführliche Charakterisierung in SCHAARSCHMIDT 2005, S. 24 ff

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Lehrerstress und Depersonalisation
Hochschule
Technische Universität Dresden
Autor
Jahr
2007
Seiten
28
Katalognummer
V71546
ISBN (eBook)
9783638632096
Dateigröße
423 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lehrerstress, Depersonalisation
Arbeit zitieren
Kristin Rikovsky (Autor:in), 2007, Lehrerstress und Depersonalisation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/71546

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