Klassischer Mythos und moderne Arbeitswelt in J. W. Goethes Pandora


Term Paper, 2006

21 Pages, Grade: 1,0


Excerpt


Inhalt

I. Einleitung
1. Zur Entstehung des Werkes
1.1 Mythologischer Stoff und Goethes Bearbeitung

2. Systole und Diastole: Prometheus - Epimetheus
2.1 Prometheus
2.2 Epimetheus
2.3 Phileros und Epimeleia – die Kinder der Titanen

3. Alte Zeiten und neues Zeitalter – Mythos und Moderne

4. Fazit

5. Bibliographie

I. Einleitung

In Goethes Festspiel Pandora (1808) wird der Konflikt einer antiken Mythenwelt im Übergang zu einer modernen Gesellschaft thematisch am Stoff des Prometheus-Mythos entwickelt. Gerade von Prometheus und seiner Symbolkraft als Held und fortschrittlichen Rebell der Aufklärung war Goethe augenscheinlich sehr fasziniert. Die Mythologie um Prometheus hat Goethe so kontinuierlich beschäftigt wie keine andere. Doch wie wird in Pandora am klassischen Mythos der Übergang in die moderne Arbeitswelt verarbeitet?

Obwohl Goethe das Festspiel nie fertig gestellt hat und daher nur ein Fragment erhalten ist, können aus seinen Aufzeichnungen über die geplante Wiederkehr Pandoras Rückschlüsse für die Interpretation des Fragments gezogen werden. Auffällig für die Figur des Prometheus ist die Umdeutung seines Charakters im Werk Goethes. In jungen Jahren erfährt Prometheus noch eine heldenhafte Verehrung durch Goethe und die Formierung der Aufklärer in Anlehnung an die Lichtmetapher. Dies ist in Pandora anders. Ebenso die positive Belegung Pandoras mit der Erlösung der Menschheit ist ein weiterer Schritt Goethes mit der zeitgemäßen Neubesetzung im Zeichen der weiblichen Schönheit. Ihre Gaben, die ebenfalls nicht mehr als „Geisel der Menschheit“, sondern als Geschenke des Glücks umgedeutet werden, sollten Wissenschaft und Technik miteinander versöhnen. Gerade die klassische Form der antiken Mythosgestalten mit moderner Arbeitswelt setzt die Aktualität des goethischen Zeitalters als Umbruch von einer „alten“ zu einer „neuen“ Welt dar. Im Nebeneinander der verschiedenen Welten herrscht eine „sinnentleerte, gewalttätige Ordnung, und die Reintegration, die wechselvolle Durchdringung der verschiedenen Bereiche.“[1] So wird mit der Verbindung in Form der Kinder der Titanen eine mögliche Perspektive des Dramas auf eine sinnvolle, menschenfreundliche Gestaltung der Arbeit mit der Kunst (Kultur) eröffnet, die sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht entzieht, sondern eine Symbiose von Mensch, Natur und Technik schafft.[2] Am antiken Mythos entwickelt Goethe die Problematik der modernen Arbeitswelt. Im Folgenden wird die Konstellation der Gegensätze und deren Konfliktpotenzial näher beleuchtet.

1. Zur Entstehung des Werkes

Die Mythologie um Prometheus hat Goethe so intensiv beschäftigt wie keine andere. Seine häufigen Versuche und das jeweilige Scheitern belegen sein großes Interesse an diesem mythologischen Stoff um Prometheus: „der mythologische Punkt, wo Prometheus auftritt . . . (ist mir) immer gegenwärtig und zur belebten Fixidee geworden. […] ‚Pandora’ sowohl als die ’Wahlverwandschaften’ drücken das schmerzliche Gefühl der Entbehrung aus“[3]

Das Festspiel Pandora von 1808 entstand als Auftragsarbeit für die Zeitschrift „Prometheus“ auf Bitten von Leo von Seckendorff und Joseph Ludwig Stoll. Als angemessene Form für dieses Thema wählte Goethe das Festspiel.[4] Leider sind nicht alle Teile vollendet, was aus diesem Festspiel ein fragmentarisches Werk macht. Nur der erste Akt „Pandoras Rückkehr“ ist überliefert; in dem Pandora aber selbst noch gar nicht auftritt. Im Gegensatz zur Tradition der damaligen Mythosverarbeitung stellt Goethe die Frau nicht mehr als Geißel der Menschheit dar, sondern setzt sie zeitgemäß sie als Inbegriff der Schönheit an.[5]

So versucht er in Pandora, die Prometheusmythologie in Form eines Festspiels zu verarbeiten. In der dramatischen Gattung des Festspiels sind Fest und Spiel bereits in der Bezeichnung enthalten. In Pandora wird allerdings das Fest noch stärker in den Vordergrund gerückt. Die exponierte Darstellung des Geschehens in der Tradition des Theaters konfrontiert den Rezipienten zwangsläufig mit einer Zuschauerposition, in der eine permanente Distanz zum Geschehne innehat. Das Bewusstsein um die „Inszenierung“, also dem Spiel, wird durch Goethe mit dem Fest überlagert, da die Elemente des Spiels bereits in der Form gegeben sind.[6]

Überliefert ist weiterhin, dass Goethe den Auftritt seiner Pandora im Zeichen eines Geschenkes mit einer positiv belegten Gabe ausstatten wollte. Diese Gabe sollte „Vergangenes in ein Bild verwandeln“ können; d.h., dass auf erhöhter Stufe Wissenschaft und Technik zu einer gesteigerten Gestaltungskraft zusammengeführt werden, die so religiös-göttliche Züge annimmt.[7] Die zeitgenössische politische Situation und die kriegerischen Konfrontationen haben Goethe vermutlich den Glauben an eine solche Verbindung aufgeben lassen. Sicherlich empfand er die Schlachten bei Jena und Auerstedt als „Zusammenbruch einer Welt von Ordnung und Sicherheit.“[8] Er stellte den Text nie fertig.

In einschlägiger Forschungsliteratur wird die Figur des Prometheus immer wieder mit der „Tat-Gestalt“ Napoleon Bonaparte in Verbindung gebracht; ein solcher Zusammenhang scheint zwar immer wieder plausibel, bleibt aber in der Forschung weiterhin umstritten. Vielmehr ist anzunehmen, dass Goethe ohne aktuelle Bezüge – distanziert von Mythologie und Sinnbildlichkeit – die kompensatorische Kraft von Kunst, Literatur und Wissenschaft herausstellen wollte.[9]

1.1 Mythologischer Stoff und Goethes Bearbeitung

Mit der Arbeit an Pandora begann Goethe bereits 1807. Angelehnt an die Idealität und Normen der Antike, sollte die mythologische Bearbeitung dazu dienen, die historische Situation mit einem Gegenbild zu konfrontieren.[10]

Der Mythos der Pandora sieht auf eine lange Tradition und Genes zurück. In vielerlei Hinsicht ist er bereits „kulturgeschichtlich oder moralisch, psychologisch und metaphysische“[11] gedeutet worden. Goethe hatte für seine Recherchen Hesiods Theogonie und Werke und Tage rezipiert. Mit Sicherheit kannte er auch Platons frühen Dialog Protagoras. Der Stoff basiert auf dem überlieferten Mythos, dass Pandora die Schöpfung des göttlichen Handwerkers Hephaistos im Olymp war. Er formte sie auf Anordnung des wütenden Gottes Zeus aus Ton. Pandora, die „allesgebende“ Frau wurde mit außerordentlicher Schönheit beschenkt, um das Glück der Menschen zu zerstören, welchen durch Prometheus auf der Erde herrschte.

Prometheus hatte Zeus das Feuer gestohlen und es den Menschen gebracht. Mit diesem Element nun vertraut, entfernen sich die Menschen von den Göttern. Epimetheus musste nun Pandora als Strafe für das Vergehen seines sterblichen Bruders Prometheus heiraten. Epimetheus, der Bruder des Prometheus, nimmt die göttliche Botin bei sich auf und Pandora öffnet dort das Gefäß mit allen Übeln für die Menschheit. Allein die Hoffnung bleibt im Gefäß zurück. Soweit die antike Grundlage.

Bereits in der Renaissance wird mit der Umwertung des Mythos begonnen. Nicht mehr der Niedergang der Menschheit wird hieraus gelesen, sondern deren Drang nach Perfektibilität.[12] Goethe geht in seiner positiven Deutung sogar noch einen Schritt weiter, wenn er Pandora wiederkehren lässt. Diese Wendung findet sich nicht in Goethes wichtigster Quelle[13] und stammt vermutlich von ihm selbst. Ganz in antiker Stimmung verwendet Goethe mit seinen jambischen Trimetern historische Rhythmen. Seine viel gerühmten Wechsel von Rhythmen bis hin zu Gattungsmischungen vereinen in diesem Festspiel eine harmonische Mischung aus antiken und modernen Metren.[14] Bezeichnenderweise dauert die Handlung des Stückes von der Nacht bis zum Sonnenaufgang des kommenden Tages. Es findet also ein Wechsel von Dunkel nach Hell statt. Von der Dunkelheit in die Erleuchtung. Mit der wiederholten Lichtmetaphorik assoziiert der Rezipient die bevorstehende Aufklärung in den damals herrschenden unruhigen Zeiten.

Kontrast und Polarität spielen in Pandora eine wichtige Rolle. So herrscht zwischen den beiden Welten der Protagonisten eine starke Differenz, die für die Gegensätzlichkeit antiker und neuer Welt eine klare Abgrenzung erzeugt. In diese Konfliktsituation sollte nun Pandora zurückkehren und die Welten versöhnen. Alle Handlungsstränge laufen in der Person Pandoras zusammen, die ja aber selbst gar nicht auftritt. So zeigt sich der Wechsel von Trennung und Vereinigung als Goethes Einsicht alles Lebendigens in diesem Zusammenspiel.[15]

2. Systole und Diastole: Prometheus - Epimetheus

Das Thema des Festspiels ist also die Polarität der beiden ungleichen Brüder. Von Tat und Reflexion, vita acvtiva und vita centemplativa, Prometheus und Epimetheus. Beide Bereiche des Lebens[16] dieser Brüder erscheinen verderblich und getrennt. Es herrscht eine „sinnentleerte, gewalttätige Ordnung, und die Reintegration, die wechselvolle Durchdringung der verschiedenen Bereiche.“[17]

[...]


[1] Vgl. Jens, Walter (Hrsg.): Kindlers neues Literatur-Lexikon.

[2] Vgl. ebd.

[3] Goethe, Johann Wolfgang von: Werke, Band 32. Tag- und Jahres-Hefte als Ergänzung meiner sonstigen Bekenntnisse. Zum feyerlichen Andenken der Durchlauchtigsten Fürstin und Frau Anna Amalia, verwittweten Herzogin zu Sachsen-Weimar und Eisenach, gebornen Herzogin von Braunschweig und Lüneburg 1807. Zu brüderlichem Andenken Wielands 1813. Stuttgart/Tübingen 1830

[4] Vgl. Metzler Goethe Lexikon: Personen – Sachen – Begriffe. Jeßig/Lutz/Wild (Hrsg.) Stuttgart/Weimar 2004. S. 328

[5] Vgl. ebd. S. 328

[6] Vgl. Uwe Japp: Generische Formen. Goethes „Festspiel“ Pandora (2005)

[7] Vgl. Metzler Goethe Lexikon: Personen – Sachen – Begriffe. S. 328

[8] Vgl. Theo Bruck (Hrsg.) Goethe Handbuch. Dramen. Band 2. Stuttgart/Weimar 1996. S. 335

[9] Vgl. ebd. S. 335

[10] Vgl. ebd. S. 336

[11] Vgl. ebd. S. 336

[12] Vgl. Theo Bruck (Hrsg.) Goethe Handbuch. Dramen. Band 2. Stuttgart/Weimar 1996. S. 336

[13] Bereits in Benjamin Hederichs Gründlichem Lexicon Mythologicum finden sich positive Tendenzen zur Bewertung von Pandora. Hier hat sich Goethe sicherlich einen Anreiz für seine Stoffentwicklung holen können.

[14] Vgl. Theo Bruck (Hrsg.) Goethe Handbuch. S. 336

[15] Vgl. ebd. S. 337

[16] Gemeint ist hier die immaterielle Kunst des Epimetheus und materielle Tätigkeit des Prometheus.

[17] Vgl. Jens, Walter (Hrsg.): Kindlers neues Literatur-Lexikon.

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Details

Title
Klassischer Mythos und moderne Arbeitswelt in J. W. Goethes Pandora
College
University of Mannheim  (Lehrstuhl für neuere deutsche Literaturwissenschaft und qualitative Medienanalyse)
Course
Technik und Literatur
Grade
1,0
Author
Year
2006
Pages
21
Catalog Number
V71978
ISBN (eBook)
9783638683616
ISBN (Book)
9783638879613
File size
519 KB
Language
German
Keywords
Klassischer, Mythos, Arbeitswelt, Goethes, Pandora, Technik, Literatur
Quote paper
Master of Arts Alexander Monagas (Author), 2006, Klassischer Mythos und moderne Arbeitswelt in J. W. Goethes Pandora, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/71978

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