Kann es per Ausnahme erlaubt oder gar geboten sein, zu foltern, wenn damit - und nur damit - ein Menschenleben gerettet werden kann? Solch eine heikle Frage hätten sich Moralphilosophen wie Rechtstheoretiker noch vor einigen Jahren wohl kaum mit akademischem Anspruch gestellt. Spätestens mit Shues deontologischer Anti-Folter-Doktrin unter dem Titel „torture“ schien das Thema Folter bei nahezu allen seriösen Rechtswissenschaftlern und Philosophen vom Tisch – inklusive sämtlicher aus hypothetischen „hard cases“ (z.B. „Ticking-Bomb-Terrorist“-Szenario, kurz: „TBT“) sich speisender Relativierungsversuche. Im Rahmen dieses Diskurses verfolgt die vorliegende Hausarbeit das Ziel, in Richtung eines kontextgebundenen Foltergebotes zu argumentieren. Der Fokus richtet sich dabei sowohl auf die ethische Herleitung als auch auf die praktischen Implikationen dieses auf bestimmte Fallkonstellationen beschränkten Gebotes. Der Begriff des „Gebotes“ indes impliziert, dass der intendierten moralischen Überzeugung, Folter sei in bestimmten, klar umrissenen Kontexten moralisch geboten, auch eine entsprechende juristische Konsequenz zu folgen habe.
Das Ziel der Arbeit liegt dabei keineswegs darin, Folter zum modus operandi der kriminalistischen oder kriegs- bzw. völkerrechtlichen Praxis zu erklären. Ziel der Arbeit ist es lediglich, die Absolutheit des Folterverbots in Frage zu stellen, um anschließend möglichst präzise Parameter ihrer praktischen Umsetzbarkeit herauszuarbeiten. Drei Kernthesen sollen im Rahmen der Arbeit gestützt werden:
These I: Die Annahme, Folter könne per se unter keinen Umständen jemals erlaubt oder gar geboten sein, ist nicht zu halten.
These II: Es gibt Kontexte, in denen das Folterverbot ausnahmsweise nicht gilt, und diese Kontexte können klar umrissen werden, ohne notwendigerweise zum schleichenden Missbrauch („slippage“) in benachbarten Fallgruppen zu führen.
These III: Folter ist keine „Praxis für Engel“; es lassen sich Parameter einer angewandten Folterpraxis unter öffentlich kontrollierten Bedingungen skizzieren, die Unverhältnismäßigkeit, Fehlanwendung und Missbrauch wirksam eindämmen und ein Abrutschen von Rechtsstaaten oder gerechten Kriegsparteien in die Barbarei verhindern.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Allgemeine Einleitung
- Geschichte und Definition
- Beispiele einer aktuellen Debatte - eine Bestandsaufnahme
- Rettungsfolter - ein spezieller Fall
- Argumentation
- Das deontologische Argument
- Die drei Argumente der menschlichen Würde
- Das Argument der notorischen Inkompetenz
- Das Argument der Schiefen Ebene
- Das Argument „assault upon the defenseless“
- Harte Fälle, schlechte Gesetze?
- Konklusion
- Verhältnismäßigkeit, Öffentlichkeit, Kontrolle: Warum ist kontrollierte Folter geboten?
- Proportionalität
- Öffentlichkeit und Kontrolle
- Skizze einer möglicher Folterpraxis: Wie ist kontrollierte Folter möglich?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit argumentiert für ein kontextgebundenes Foltergebot, indem sie sowohl ethische Herleitung als auch praktische Implikationen dieses auf bestimmte Fallkonstellationen beschränkten Gebotes beleuchtet. Der Fokus liegt dabei auf der Überzeugung, dass Folter in bestimmten, klar umrissenen Kontexten moralisch geboten ist, und diese Überzeugung auch entsprechende juristische Konsequenzen haben sollte.
- Ethische Herleitung eines kontextgebundenen Foltergebots
- Praktische Implikationen und mögliche Fallkonstellationen
- Widerlegung gängiger Anti-Folter-Argumente
- Die Rolle von Verhältnismäßigkeit, Öffentlichkeit und Kontrolle bei der Legitimierung von Folter
- Entwicklung einer ethisch rechtfertigungsfähigen Folterpraxis
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung führt in die Debatte um die Relativierung des Folterverbots ein, stellt die Problematik des "Ticking-Bomb-Terroristen"-Szenarios vor und erläutert das Ziel der Arbeit, für ein kontextgebundenes Foltergebot zu argumentieren.
- Argumentation: Dieses Kapitel analysiert klassische Anti-Folter-Argumente und stellt deren Unhaltbarkeit in Frage. Es wird ein ethischer Konsequentialismus als Grundlage für die Argumentation gewählt.
- Konklusion: Dieses Kapitel setzt sich mit der Frage der Möglichkeit einer kontrollierten Folterpraxis auseinander. Es wird argumentiert, dass eine wirksame Kontrolle durch Öffentlichkeit einem unwirksamen Totalverbot vorzuziehen sei.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit dem ethischen und rechtlichen Dilemma der Folter in Bezug auf das "Ticking-Bomb-Terroristen"-Szenario. Sie untersucht die Relativierung des absoluten Folterverbots, die Notwendigkeit einer kontrollierten Folterpraxis und die Rolle von Verhältnismäßigkeit, Öffentlichkeit und Kontrolle bei der Legitimierung von Folter.
- Citar trabajo
- Benjamin Baum (Autor), 2007, Kann das Folterverbot relativiert werden?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72002