Bei einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den Charaktereigenschaften des Tiberius, seinem Wirken als zweiter Prinzeps und Nachfolger des Augustus und nicht zuletzt mit der Art und Weise, wie er von seinem Stiefvater als Nachfolger bestimmt und verstanden wurde, ist nicht zu übersehen, dass sich das Tiberius- Bild in der Wissenschaft in den letzten Jahrhunderten gewandelt hat.1 Die Zeiten der Schwarz-Weiß-Malerei, im Hinblick auf Tiberius´ politische Rolle wie auch in Bezug auf die Bewertung seiner Persönlichkeit, sind längst vorüber. Bis Mitte des vergangenen Jahrhunderts wurde Tiberius meist als heuchlerischer und böswilliger Despot charakterisiert2. Hermann Schiller und Theodor Mommsen hingegen kommen im letzten Jahrhundert zu einer äußerst positiven Beurteilung seiner Person.3 Die Forschungsliteratur, an dieser Stelle sei besonders auf Ernst Kornemanns Tiberius-Biographie und eine weitere Biographie des israelischen Historikers Zvi Yavetz hingewiesen, fokussiert ebenfalls auf zwei grundsätzliche Charaktereigenschaften des Tiberius. Dies ist auf der einen Seite Tiberius als Opfer einer augusteischen Nachfolgepolitik, die ihn unwillkürlich als Notlösung aus Gründen der Staatsraison verstand. Tiberius wird hier als zutiefst gespaltene Persönlichkeit charakterisiert. Auf der anderen Seite werden Tiberius´ unzweifelhaft vorhandene Talente im Bereich der Diplomatie, der militärischen Führung und der Administration heraus gestellt. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem zweiten Princeps Tiberius und der Frage nach der Legitimation seiner Herrschaft. Dabei wird zu Beginn auf das Erbe Augustus´ sowie auf die Quellenlage bei Tiberius eingegangen, um die Ausgangssituation darzustellen. Im darauf folgenden Hauptteil werden Fragen zum jahrelangen Ausschauhalten des Augustus nach einem geeigneten Nachfolger aufgeworfen. Beleuchtet wird die Art und Weise, wie die Nachfolgepolitik in Bezug auf Zwangsvermählungen und -adoptionen betrieben wurde, sowie der widersprüchlich anmutende Charakter des Tiberius.
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1 Vgl. Baar, S.9.
2 Vgl. Yavetz, Tiberius, S.169.
3 Vgl. Kornemann, Tiberius, S.5.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Das Erbe des Augustus
- Die Quellenlage bei Tiberius
- Velleius Paterculus
- Sueton
- Tacitus
- Cassius Dio
- Tiberius' Werdegang bis hin zur Übernahme des Prinzipats
- Die Jugend bis hin zur Scheidung von Agrippina
- Die unglückliche Ehe mit Iulia und das freiwillige Selbstexil auf Rhodos
- Die Rückkehr nach Rom und die anschließende Adoption durch Augustus
- Die Amtsübernahme nach dem Tod des Augustus
- Die ersten Regierungsjahre
- Rückzug auf Capri und die politischen Folgen
- Eigenschaften des Tiberius
- Die Persönlichkeit des zweiten Prinzeps
- Das Verhältnis des Tiberius zum Senat
- Tiberius im Schatten des Augustus
- Augustus´ Einfluss durch die erzwungene Eheschließung mit Iulia – ein Schlüsselerlebnis für Tiberius
- Tiberius Regentschaft im Vergleich mit Augustus
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit dem römischen Kaiser Tiberius und der Frage nach der Legitimation seiner Herrschaft. Sie analysiert das Erbe des Augustus und die Quellenlage zu Tiberius, um die Ausgangssituation zu beleuchten. Darüber hinaus untersucht die Arbeit die Nachfolgepolitik des Augustus, die Zwangsvermählungen und -adoptionen sowie den Charakter des Tiberius. Besonderes Augenmerk liegt auf dem Verhältnis des Tiberius zu Augustus und seinen Anverwandten sowie auf seinen charakterlichen Merkmalen. Die Regierungszeit, die durch Intrigen und den Aufstieg des Prätorianerpräfekten Seian geprägt war, wird weniger fokussiert.
- Das Erbe des Augustus und dessen Einfluss auf Tiberius
- Die Nachfolgepolitik des Augustus und die Frage nach der Legitimität von Tiberius
- Die Charaktereigenschaften des Tiberius und ihre Bedeutung für seine Herrschaft
- Das Verhältnis des Tiberius zum Senat und zu seinen Anverwandten
- Der Vergleich der Regierungszeiten von Augustus und Tiberius
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel dieser Arbeit befasst sich mit der Einleitung und stellt die Relevanz der Forschung zu Tiberius in den Kontext historischer Forschung. Das zweite Kapitel widmet sich dem Erbe des Augustus, seiner Schöpfung des Prinzipats und der darin vereinten monarchistischen und republikanischen Elemente. Das dritte Kapitel analysiert die Quellenlage zu Tiberius, wobei die wichtigsten Quellen wie Velleius Paterculus, Sueton, Tacitus und Cassius Dio vorgestellt werden. Kapitel vier befasst sich mit Tiberius' Werdegang und beleuchtet wichtige Stationen seines Lebens bis zur Übernahme des Prinzipats. Kapitel fünf behandelt die Eigenschaften des Tiberius und untersucht seine Persönlichkeit sowie sein Verhältnis zum Senat. Im sechsten Kapitel wird der Einfluss Augustus auf Tiberius analysiert und die Herrschaft des Tiberius im Vergleich zu der seines Vorgängers betrachtet. Die Arbeit gipfelt im Fazit, das die Frage nach der Legitimation von Tiberius als Nachfolger des Augustus beantwortet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beleuchtet die Themen der römischen Geschichte, des Prinzipats, der Herrschaftslegitimation, der Nachfolgepolitik, der Charaktereigenschaften, der Quellenkritik, der römischen Gesellschaft und des Vergleichs zwischen Tiberius und Augustus. Die wichtigsten Schlüsselbegriffe sind: Tiberius, Augustus, Prinzipat, Legitimation, Herrschaft, Nachfolge, Charakter, Quellen, Senat, Familie, Politik, Vergleich, Geschichte.
- Citation du texte
- Manuela Schilli (Auteur), 2007, Herrschaftslegitimation des Tiberius als Nachfolger des Augustus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72030