Schon seit langer Zeit versuchen Menschen, sich ihre Gefühle zu erklären und zu begreifen, welche Rolle sie für ihr Leben spielen. Sie fragen unter anderem danach, wo ihre Gefühle herkommen, wozu sie sie brauchen und warum sie überhaupt da sind. Gefühle waren deshalb auch von Beginn an Gegenstand philosophischer, theologischer und naturwissenschaftlicher Betrachtungen.
Heutzutage werden Gefühle nicht mehr als gottgegeben angesehen; man beschreibt und interpretiert sie jetzt vielmehr im Rahmen der Geistes- und Naturwissenschaften vor dem Hintergrund einer säkularisierten Weltanschauung. Gefühle werden daher gegenwärtig in erster Linie begriffen als (neuro)physische, psychische und soziale Phänomene.
Diese moderne Sichtweise hat jedoch zur Folge, dass, zusammen mit der prämodernen christlich-theologischen Weltanschauung, weitgehend auch die gesonderte Reflektion der spezifisch religiösen Gefühle ad acta gelegt wurde. Religiöse Gefühle werden als solche einfach kaum mehr gesondert untersucht; im Zusammenhang verschiedener Gefühlstheorien behandelt man sie jetzt allerhöchstens noch am Rande als eine Unterart der ‚natürlichen’ Emotionen.
Kann aber – die Frage erhebt sich an dieser Stelle – eine säkular orientierte Emotionstheorie von ihrem Standpunkt aus das Wesen dieser besonderen Gefühle wirklich adäquat erfassen, wenn sie sie ausschließlich als ‚natürliche’ Gefühle begreift?
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird dieser Frage nachgegangen – es wird untersucht werden, wie weit eine zeitgenössische, explizit areligiös ausgerichtete Emotionskonzeption (von Ronald de Sousa) in Hinblick auf religiöse Gefühle sehen kann und an welche Grenzen sie stößt.
Inhaltsverzeichnis
- EINFÜHRUNG
- I EMOTIONEN DER PHILOSOPHISCHE BLICK
- Übersicht
- 1 Das Buch
- 2 Die Kernideen
- 3 Aspekte des Gefühls
- 3.1 Die Biologie der Gefühle
- 3.2 Die Objekte der Gefühle
- 3.3 Die Objektivität der Gefühle
- 3.4 Die Rationalität der Gefühle
- 3.4.1 Rationalitätskriterien und ihre Anwendung auf Gefühle
- 3.4.2 Die axiologische Ebene
- 3.4.3 Schlüsselszenarien
- 3.5 Die Funktion der Gefühle
- 3.5.1 Eine neue biologische Hypothese
- 3.5.2 Was Gefühle leisten
- 4 ',bootstrapping'
- 5 Schlusssatz
- II RELIGION, RELIGIOSITÄT UND RELIGIÖSE EMOTIONEN
- Übersicht
- 1 Die Religion und das Göttliche
- 1.1 Begriff und Wesen der Religion
- 1.2 Das Göttliche bzw. Heilige
- 2 Religiöse Emotionen
- 2.1 Die Struktur religiöser Gefühle
- 2.1.1 Die Dimension der Objektwahrnehmung
- 2.1.2 Die Dimension der Tiefe
- 2.1.3 Die Dimension der Pragmatik
- 2.1.4 Zusammenfassung
- 2.2 Ein Beispiel zur Veranschaulichung: Mitleid
- 2.2.1 Szenario
- 2.2.2 Allgemeines zum Gefühl des Mitleids
- 2.2.3 Mitleid als religiöse Emotion
- 2.1 Die Struktur religiöser Gefühle
- 3 Schlusssatz
- III RELIGIÖSE GEFÜHLE IM LICHT VON DE SOUSAS EMOTIONSKONZEPTION
- Übersicht
- 1 Was mit de Sousas Ansatz erkennbar ist
- 1.1 Die biologische Seite religiöser Gefühle
- 1.2 Die kognitive Seite religiöser Gefühle
- 1.2.1 Die Objekte religiöser Gefühle
- 1.2.2 Die Frage nach der Objektivität religiöser Gefühle
- 1.2.3 Die Frage nach der Rationalität religiöser Gefühle
- 1.3 Zusammenfassung
- 1.4 Was religiöse Gefühle leisten
- 1.5 Religiöse Emotionen und ,bootstrapping’
- 2 Was de Sousas Ansatz entgehen muss Das Problem des Außen und Innen
- Die Rolle von Emotionen im menschlichen Leben und im Kontext religiöser Welterfahrung
- Die Untersuchung einer zeitgenössischen Emotionskonzeption, beispielhaft dargestellt durch Ronald de Sousa
- Die Analyse der biologischen, kognitiven und funktionalen Aspekte von Emotionen, insbesondere im Hinblick auf religiöse Gefühle
- Die Frage nach der Objektivität und Rationalität religiöser Gefühle
- Die Grenzen und Möglichkeiten der modernen Emotionskonzeption bei der Erfassung religiöser Gefühle
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit setzt sich zum Ziel, die Frage nach der Erfassbarkeit religiöser Gefühle im Kontext einer modernen, areligiös ausgerichteten Emotionskonzeption zu untersuchen. Dabei wird der Schwerpunkt auf die Analyse der Grenzen und Möglichkeiten dieser Konzeption im Hinblick auf die Spezifität religiöser Gefühle gelegt.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung, die die Bedeutung von Emotionen im Allgemeinen und im Kontext religiöser Welterfahrung hervorhebt. Anschließend widmet sich Kapitel I der Darstellung und Diskussion einer modernen Emotionskonzeption, die exemplarisch durch die Arbeit von Ronald de Sousa repräsentiert wird. Dieses Kapitel beleuchtet die biologischen, kognitiven und funktionalen Aspekte von Emotionen und geht auf die Fragen nach ihrer Objektivität und Rationalität ein. Kapitel II konzentriert sich auf die Analyse von Religion, Religiosität und religiösen Emotionen. Es werden die Struktur und die spezifischen Merkmale religiöser Gefühle untersucht, wobei das Gefühl des Mitleids als Beispiel dient. Schließlich befasst sich Kapitel III mit der Frage, inwiefern die von de Sousa entwickelte Emotionskonzeption in der Lage ist, religiöse Gefühle adäquat zu erfassen. Es werden die Grenzen und Möglichkeiten dieses Ansatzes diskutiert und das Problem des Außen und Innen im Zusammenhang mit religiösen Erfahrungen beleuchtet.
Schlüsselwörter
Religiöse Gefühle, Emotionskonzeption, Ronald de Sousa, Objektivität, Rationalität, Religion, Religiosität, ,bootstrapping', Außen und Innen
- Quote paper
- Alexander Kühn (Author), 2005, Das Undenkbare fühlen - Religiöse Gefühle im Licht einer modernen Emotionskonzeption, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72148