Die FDP - sozialliberale Vergangenheit und Zukunft?


Seminar Paper, 2007

21 Pages, Grade: 1,3


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Rolle der FDP im Parteiensystem

3. Strömungen innerhalb der FDP

4. Die sozialliberale Koalition 1969-
4.1 Entstehung
4.2 Untergang

5. Vergangenheit mit Zukunft?

6. Ergebnis und Ausblick

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die sozialliberale Koalition zwischen 1969 und 1982 hat die Bundesrepublik auf vielfältige Weise geprägt. Sie entstand in einer Zeit gesellschaftlicher Umbrüche und zerfiel, als diese Umbrüche vollzogen waren. Die vorliegende Arbeit hat zum Ziel, die Epoche der sozialliberalen Koalition, ihr Entstehen, ihren Untergang und die Chancen ihrer eventuelle Wiederbelebung genauer zu beleuchten: Wie kam es zu diesem bis heute auf Bundesebene einmaligem Bündnis? Warum stieß die FDP 1982 ihren linken Flügel ab, und was waren die Folgen? Und ist eine Neuauflage der sozialliberalen Koalition denkbar?

Für die zukünftige Entwicklung der Bundesrepublik ist vor allem die letzte Frage von Bedeutung. Wenn Volksparteien[1] allgemein koalitionsfähig sein sollen[2] benötigen sie auch entsprechende Koalitionspartner im Parteiensystem. Wäre es starr und unflexibel, gäbe es keine Notwendigkeit zu Diskussionen über neue Koalitionen – Parteien wären aufeinander als Partner festgelegt. In der Bundesrepublik existiert seit den 90er Jahren jedoch ein asymmetrisches Fünf-Parteinsystem, welches das bisher bestehende symmetrische Dreiparteiensystem ersetzte. Mit dem Auftreten der Grünen und der PDS wurde die „SPD multikoalitionsfähig […], die CDU/CSU [blieben] jedoch auf die FDP als Koalitionspartner angewiesen“.[3] Doch auch dieses Kräfteverhältnis scheint sich langsam zu verschieben: Im Zuge der vorgezogenen Bundestagswahl 2005 wurde über zahlreiche übliche und unübliche Koalitionen diskutiert: Die Ampel, die „Schwampel“, sogar eine SPD/PDS Regierung auf Bundesebene wurde vom Regierenden Bürgermeister Berlins, Klaus Wowereit, ins Gespräch gebracht. Und auch die Möglichkeit einer sozialliberalen Koalition wurde – zumindest von den Medien – diskutiert.

Methodisch folgt diese Arbeit einer Analyse der Beweggründe für den Linksruck der FDP 1969 und den Rechtsruck der Liberalen 1982. Diese sollen dann als Schema über die aktuelle Situation gelegt werden, um zu analysieren, ob etwas Ähnliches von der FDP heute zu erwarten ist. Zudem soll mit Hilfe des Parteiprogramms der FDP untersucht werden, ob es mögliche Schnittmengen in zentralen Politikbereichen gibt.

2. Die Rolle der FDP im Parteiensystem

Die Freie Demokratische Partei hatte im Parteiensystem der Bundesrepublik Deutschland lange Zeit eine besondere Position inne. Bis mit der Bundestagswahl 1983 die Grünen und 1990 die PDS nahezu dauerhaft in den Bundestag einzogen, waren nur zweimal, 1949 und 1953, weitere Parteien außer der Union, SPD und FDP im Parlament vertreten. Die FDP konnte somit eine koalitionspolitische Funktion als Regierungspartei erfüllen, die ihr Bedeutung und Einfluss weit über die in den Wahlen zuerkannte Stärke hinaus gab. Nur in den Jahren 1956 bis 1961, 1966 bis 1969 und seit 1998 war bzw. ist die FDP nicht Regierungspartei. Eckhard Jesse bezeichnet sie deshalb als „Hegemonialpartei schlechthin“.[4] Anders formuliert: In den 58 Jahren, die die Bundesrepublik nun besteht, war die FDP lediglich 17 Jahre nicht in einer Regierungskoalition.

Das blieb nicht folgenlos: Die FDP war als Mehrheitsbeschafferin notwendig, wenn keine der großen Volksparteien die absolute Mehrheit gewann. Sie wurde zum Zünglein an der Waage. Dadurch entwickelte sie ein Selbstverständnis von sich als Regierungspartei. Es gab bei den Liberalen keinen Wunsch nach Opposition. Dies und die Rolle der Liberalen als Mehrheitsbeschafferin zeigten sich besonders deutlich bei den beiden durch die FDP herbeigeführten Machtwechseln: 1969, als die sozialliberale Koalition unter Willy Brandt und Walter Scheel die große Koalition von Kurt-Georg Kiesinger und Willy Brandt ablöste, und 1982, als die FDP sich wieder zur CDU orientierte, Helmut Schmidt durch ein konstruktives Misstrauensvotum gestürzt und Helmut Kohl neuer Bundeskanzler wurde. Seither behält die FDP-Führung den von Hans-Dietrich Genscher eingeschlagenen koalitionspolitischen Kurs bei, sie ist seit der Wende 1982 auf die CDU/CSU als Koalitionspartner festgelegt.[5] Auch bei der vorgezogenen Bundestagswahl 2005 gab der Vorsitzende Guido Westerwelle eine eindeutige Koalitionsaussage zugunsten der CDU. Wie gespalten das Verhältnis zwischen Liberalen und SPD ist zeigte sich auch am Wahlabend in der „Berliner Runde“ in der ARD, als Bundeskanzler Gerhard Schröder und Guido Westerwelle sich offen mit Hinweis auf die Geschichte der sozialliberalen Koalition anfeindeten.

Doch mit einem Selbstverständnis als Regierungspartei und Mehrheitsbeschafferin kann man nicht auf nur einen Koalitionspartner festgelegt sein. In ihrer Geschichte hat die FDP zudem schon mehrfach gezeigt, dass sie in der Wahl ihrer Partner sehr flexibel sein kann.[6]

3. Strömungen innerhalb der FDP

Die Geschichte der liberalen Parteien in Deutschland ist eine Geschichte der Spaltungen und inneren Zerreißproben, die immer wieder im Verstoß gegen die Grundsätze des Liberalismus endeten. Für die Entstehung und Zusammensetzung der FDP ist dies von großer Bedeutung, weswegen im Folgenden ein kurzer Blick auf die Geschichte des organisierten Liberalismus in Deutschland geworfen werden soll.

Die Parole des Liberalismus war seit jeher die Freiheit, vertreten wurde sie besonders vom Bürgertum. Es wollte „Freiheit von [den] klerikalen Bevormundungen und feudalen Begrenzungen“.[7] In Deutschland entwickelte sich der Liberalismus jedoch anders als in anderen Ländern Westeuropas: Hier gelang die „Synthese von Freiheit und Nation nicht“.[8] Zwar war die erste deutsche Partei mit der 1861 in Preußen gegründeten Deutschen Forschrittspartei eine liberale, die auch in ihrem Programm klassische liberale Standpunkte vertrat. Doch nur kurz nach ihrer Gründung spaltete sich die Partei auf Grund der unterschiedlichen Positionen zum preußischen Verfassungskonflikt im September 1866 in die zwei zentralen Flügel, die sich auch in der FDP wieder fanden: die Linksliberalen und die Nationalliberalen.[9]

So unterschied sich der deutsche Liberalismus schon in seiner Entstehung deutlich von den freiheitlichen Bestrebungen in anderen Ländern. Das geschwächte und polarisierte Bürgertum war nicht in der Lage, freiheitliche Forderungen ausreichend zu artikulieren oder politisch umzusetzen. Stattdessen flüchtete es sich in einen „romantischen, idealistisch überhöhten Nationalismus“[10], ohne dass die Umsetzung dieser Ideale konkret eingefordert wurde. Die deutsche Staatstheorie gliederte zudem die Parteien aus dem Staat aus, in dem sie nicht nur eine strikte Trennung von Staat und Gesellschaft proklamierte, sondern vielmehr den Staat in eine überhöhte Position brachte, ihn – wie Hegel – als Verwirklichung der sittlichen Idee betrachtete.[11] Außerdem setzte im Kaiserreich etwas ein, was als „Feudalisierung des Bürgertums“ bezeichnet wurde, nämlich eine Anpassung von ursprünglich liberalen Teilen des Bürgertums an die politische Kultur der Konservativen und Königstreuen. Dies fand seinen Ausdruck z.B. in der Adelung erfolgreicher Unternehmer oder dem gesellschaftlichen Leitbild des preußischen Reserveoffiziers.[12]

Das deutsche Bürgertum und der deutsche Liberalismus waren gespalten, geschwächt und in weiten Teilen opportunistisch. Dies sollte sich dann auf tragische Weise in der Zustimmung der mittlerweile nur noch fünf Abgeordneten der Deutschen Demokratischen Partei zu Hitlers Ermächtigungsgesetz manifestieren.

So lag nach 1945[13] das „Hauptaugenmerk der liberalen Gründungszirkel […] [auf] der Bündelung aller Kräfte sowie der Überwindung der traditionellen Spaltung“.[14] Die FDP wurde so mit dem Anspruch einer bürgerlichen Sammlungsbewegung ins Leben gerufen.

Das Anliegen gelang der Partei sogar, denn sie funktionierte lange Zeit als Sammelbecken verschiedener, teils gegensätzlicher gesellschaftlicher Strömungen. Auf Grund der Lizensierungspolitik der Alliierten entstanden die Parteien zunächst auf regionaler Ebene, bevor sie sich zu einer Gesamtpartei zusammenschlossen. Die einzelnen Landesverbände der späteren FDP bildeten so ein sehr eigenes ideologisches Korsett aus, das sich in Rechtspopulismus und Linksliberalismus einteilen lässt.[15] Die traditionellen Flügel – der linksliberale und der nationalliberale - traten wieder hervor.[16] Gemeinsam war den Landesverbänden jedoch das „prononcierte Bekenntnis zur Privatwirtschaft, verbunden mit der Ablehnung sozialistischer Tendenzen, sowie eine anti-klerikale Grundhaltung.“[17] Dass sich beide Strömungen der Liberalen später unter nur einem Dach vereinen sollten lag aber nicht nur an dem programmatischen Grundkonsens, sondern ebenso an der Lizensierungspolitik der Alliierten, die nur eine liberale Partei zuließen und an der starken Autonomie der Landesverbände, die ihre Eigenarten bewahren konnten.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die am 11. Dezember 1948 in Heppenheim gegründete FDP es geschafft hat, die traditionelle Spaltung der Liberalen in Deutschland zu überwinden, indem beide Flügel unter dem gemeinsamen Dach einer liberalen Partei vereint wurden. Das bedeutet aber nicht, dass es diese Strömungen nicht mehr gab. Vielmehr lebten sie in der FDP fort und übten unterschiedlich starken Einfluss auf die Partei aus. Zunächst dominierte der nationalliberale Flügel, sodass die FDP 1949 mit der CDU und mit anderen kleineren bürgerlichen Parteien koalierte.[18] Mehr noch: Bis in die fünfziger Jahre standen etliche Landesverbände der FDP „weit rechts von der CDU/CSU. Sie warben mit nationalistischen Parolen um die Wählerschaft der ehemaligen NSDAP-Mitglieder und waren selber stark von Nazis durchsetzt.“[19] Das Ende der nationalliberalen Dominanz begann sich dann aber bereits 1953 abzuzeichnen[20], auch wenn die sozialliberale Koalition erst 16 Jahre später entstehen sollte. Wie es dazu kam, soll im Folgenden näher untersucht werden.

4. Die sozialliberale Koalition 1969-1982

4.1 Entstehung

Bis die FDP 1969 zur Bildung einer Koalition mit der SPD in der Lage war, musste in der Gesellschaft und in der Partei ein großer Wandel vor sich gehen.

Die Wurzeln dieses Wandels reichten bis in die fünfziger Jahre zurück, markiert wurde die programmatische Öffnung der FDP durch den so genannten „Jungtürken-Aufstand“, dem Sturz der CDU/FDP Koalition in Nordrhein-Westfalen durch die FDP am 20.2.1956 und deren Zusammengehen mit der SPD.

Auch auf Bundesebene geriet die Partei zusehends in Konflikte mit der Union, „Kontroversen hatten sich vor allem an der dominierenden Person Adenauers und dessen Politik der Westintegration entzündet.“[21] Die Wahlrechtspläne der Union, die auf die Einführung eines Mehrheitswahlrechtes hinausliefen[22] und damit auf die totale Bedeutungslosigkeit der FDP, führten zusammen mit den anderen Faktoren zu einem Austritt der FDP aus der Bonner Koalition.

[...]


[1] Eine umfassende Auseinandersetzung mit dem Typus und Begriff Volksparteien kann auf Grund des gegebenen Rahmens nicht erfolgen, s. hierzu: Hofmann, Bernd: Annäherung an die Volkspartei. Eine typologische und parteiensoziologische Studie. Wiesbaden 2004

[2] So bei Peter Lösche: vgl. ebda., S. 76

[3] Korte, Karl-Rudolf / Fröhlich, Manuel: Politik und Regieren in Deutschland. Strukturen, Prozesse, Entscheidungen. Paderborn 2004, S. 139

[4] Jesse, Eckhard: Die Parteien im westlichen Deutschland von 1945 bis zur deutschen Einheit. In: Gabriel, Oscar W. / Niedemayer, Oskar / Stöss, Richard (Hrsg.): Parteiendemokratie in Deutschland, Bonn 1997, S. 70; zitiert nach: Handbuch zur Statistik der Parlamente und Parteien in den westlichen Besatzungszonen und in der Bundesrepublik Deutschland: Teilband III: FDP sowie kleinere bürgerliche und rechte Parteien. Mitgliedschaft und Sozialstruktur 1945-1990. Düsseldorf 2005, S. 43

[5] Vgl. Niclauß, Karlheinz: Das Parteiensystem der Bundesrepublik Deutschland. 2. überarbeitete und aktualisierte Auflage, Paderborn 2002, S. 125

[6] Vgl. dazu: Handbuch zur Statistik: S. 44-50

[7] Dittberner, Jürgen: Die FDP. Geschichte, Personen, Organisation, Perspektiven. Eine Einführung. Wiesbaden 2005, S. 15

[8] Lösche, Peter: Kleine Geschichte der deutschen Parteien. 2. verbesserte Auflage, Stuttgart 1994, S. 27

[9] Vgl. Ebda., S. 28ff; vgl. zum preußischen Verfassungskonflikt: Neugebauer, Wolfgang: Geschichte Preußens. Darmstadt 2004, S. 109-116

[10] Lösche: Kleine Geschichte, S. 27

[11] Vgl. Oberreuter, Heinrich: Politische Parteien: Stellung und Funktion im Verfassungssystem der Bundesrepublik. In: Mintzel, Alf / Oberreuter, Heinrich (Hrsg.): Parteien in der Bundesrepublik Deutschland. Opladen 1994, S. 17

[12] Vgl. Lösche: Kleine Geschichte, S. 40

[13] Die Entstehungsgeschichte der liberalen Partei in der SBZ und späteren DDR wird hier ausgeklammert, da sie für das Thema der Arbeit nicht von Bedeutung ist

[14] Vgl.: Handbuch zur Statistik, S. 43

[15] Vgl. Ebda., S. 46

[16] Vgl. Ebda., S. 43

[17] Leuschner, Udo: Die Geschichte der FDP. Metamorphosen einer Partei zwischen rechts, sozialliberal und neokonservativ. Münster 2005, S. 2

[18] Vgl. Lösche: Kleine Geschichte, S. 142

[19] Leuschner: FDP, S.4; die Durchsetzung der FDP mit Altnazis gipfelte in der so genannten Naumann-Affäre, als der Britische Hochkommissar Sir Ivone Kirkpatrick das Eindringen ehemaliger Nationalsozialisten in die FDP Nordrhein-Westfalens stoppen musste

[20] Vgl. Lösche: Kleine Geschichte, S. 142

[21] Handbuch zur Statistik, S. 47; die Westintegration Adenauers hatte schon immer zu Konflikten mit der FDP geführt, denen sehr an einer deutschen Einigung gelegen war

[22] Vgl. Lösche: Kleine Geschichte, S. 142f

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Details

Title
Die FDP - sozialliberale Vergangenheit und Zukunft?
College
University of Rostock  (Institut für Politik- und Verwaltungswissenschaften)
Course
Proseminar
Grade
1,3
Author
Year
2007
Pages
21
Catalog Number
V72245
ISBN (eBook)
9783638722582
ISBN (Book)
9783638844710
File size
464 KB
Language
German
Keywords
Vergangenheit, Zukunft, Proseminar
Quote paper
Michael Draeger (Author), 2007, Die FDP - sozialliberale Vergangenheit und Zukunft?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72245

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