Phraseologismen im Sprachvergleich


Seminararbeit, 2005

26 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Einführung in die Phraseologie
1.2 Kriterien und Merkmale von Phraseologismen
1.3 Funktionen von Phraseologismen

2. Der deutsche Gebrauchstext: Das doppelte Lottchen
2.1 Kontexteinbettung der zu untersuchenden Phraseologismen

3. Untersuchung der Phraseologismen im deutschen Text nach Funktionen und Merkmalen

4. Übersetzungsvergleich der Phraseologismen

5. Zusammenfassender Vergleich der Funktionen und der Übersetzung

6. Schlussfolgernde Überlegungen und Fazit

7. Literaturverzeichnis

8. Anhang:

Anhang 1: Kopie des Gebrauchstextes: Kästner, Erich (1949): Das doppelte Lottchen. Hamburg: Cecilie Dressler Verlag.

Anhang 2: Kopie des Gebrauchstextes: Kästner, Erich (1962): Lottie and Lisa. Harmondsworth, Middlesex: Penguin Books Ltd.

1. Einleitung

In der vorliegenden Arbeit werde ich Phraseologismen im Sprachvergleich untersuchen. Dazu habe ich den deutschen Originaltext „Das doppelte Lottchen“ ausgewählt und für den Sprachvergleich die englische Übersetzung „Lottie and Lisa“. Um einen Überblick über das weite Feld der Phraseologie zu schaffen, halte ich eine Einführung in die Begriffe, Merkmale und Funktionen der Phraseologismen für notwendig. Dabei ist es wichtig zu schauen, wie die Phraseologismen im deutschen Gebrauchstext verwendet werden, was sie für eine Funktion haben und wie sie in den inhaltlichen Zusammenhang eingebettet werden. Eine Untersuchung ihrer Merkmale ist ebenfalls nicht zu vernachlässigen.

Ziel der Arbeit ist es herauszufinden, wie Phraseologismen übersetzt werden und ob sie im englischen Text dieselbe Funktion und noch dieselbe Bedeutung haben wie im Deutschen.

1.1. Einführung in die Phraseologie

Die Phraseologie beschäftigt sich mit Ausdrücken, die aus mehr als einem Wort bestehen und in einer bestimmten Kombination von Wörtern vorkommen. Diese uns bekannten Ausdrücke wie „den Gürtel enger schnallen” (sparen), „Öl ins Feuer gießen” (einen Streit verschärfen, die Erregung verschärfen) oder „treulose Tomate” (untreu Gewordener) nennen sich Phraseologismen und sind in jedem beliebigen Text zu finden. Die Begriffe ‚feste Wortverbindung’ oder ‚phraseologische Wortverbindung’ werden in einem Atemzug genannt.

Die Teildisziplin der Linguistik und der Lexikologie, die sich mit Phraseologismen beschäftigt, ist die Phraseologie. „die Wissenschaft oder Lehre von den festen Wortverbindungen einer Sprache, die in System und Satz Funktion und Bedeutung einzelner Wörter (Lexeme) übernehmen können.“[1]

Phraseologismen benennen und verarbeiten, was Menschen täglich erleben und was in der Welt geschieht. Personen, Gegenstände, Emotionen, Einstellungen, Eindrücke, Erfahrungen, (negative) Verhaltensweisen, Urteile und Vorurteile werden durch sie auf prägnante Weise fixiert. Es gibt semantische und pragmatische Phraseologismen. Semantische Phraseologismen verfügen über eine denotative Bedeutung „sich auf seinen Lorbeeren ausruhen“. Pragmatische Phraseologismen besitzen eine funktionale Bedeutung, Abschieds- und Begrüßungsformeln gehören zu diesem Bereich. Phraseologismen zerstreuen die Kohärenz eines Textes, da keine anaphorische Wiederaufnahme durch Pronomen möglich ist.

Sie gehören zur Gruppe der phraseologischen Einheiten. Zu dieser Gruppe gehören auch Phraseme oder Idiome, die ich nun ebenfalls näher erläutern werde. Phraseme bestehen aus mindestens zwei Wörtern (Lexemen), diese sind regulär oder irregulär verknüpft. Viele Phraseme sind auch als freie Wortgruppen bekannt, zum Beispiel „alt aussehen“. Hier kann das Phrasem wörtlich oder im übertragenen Sinne (einen schwachen oder schlechten Eindruck machen) verstanden werden.

Idiome sind auch mehrgliedrig und verfügen über eine relative Festigkeit ihrer Verbindung, die Konstellation der Wörter innerhalb eines Idioms ist nicht veränderbar. Ihre Gesamtbedeutung ist nur übertragen und nicht ableitbar, d.h., die Bedeutung ergibt sich nicht aus der Bedeutung der einzelnen Wörter.[2] Dies nennt man auch das Kriterium der Idiomatizität. Ein Idiom besteht aus grammatisch geformten Syntagmen, die lexikalisiert und relativ stabil sind.

1.2 Kriterien und Merkmale von Phraseologismen

Anhand mehrerer Kriterien und Merkmale kann man Phraseologismen identifizieren. Wenn alle Kriterien vorhanden sind, kann man sicher sein, dass man es mit einem Phraseologismus zu tun hat.

- Ein Phraseologismus ist eine mehrgliedrige Einheit. Zwei oder mehr Lexeme gehen eine Verbindung ein. Diese Mehrgliedrigkeit ist das grundlegende Kriterium der Phraseologismen.
- Der so genannte Einheitsstatus[3] ergibt sich dadurch, daß sich die einzelnen Komponenten eines Phraseologismus insgesamt wie ein einziges Lexem verhalten und Phraseologismen „nicht im jeweiligen Sprechakt aus den einzelnen Wörtern mithilfe der Kombinationsregeln hergestellt, sondern als Ganze reproduziert”[4] werden. Muttersprachler setzen also die Wendung ‚keinen Bock haben’ nicht aus den Lexemen ‚keinen’, ‚Bock’ und ‚haben’ zusammen, sondern haben den Ausdruck als Einheit gespeichert. Der Einheitscharakter von Phraseologismen zeigt sich nicht nur auf der syntaktischen Ebene, sondern auch auf der semantischen. Das heißt, Phraseologismen bilden nicht nur strukturell einen Gesamtkomplex. Auch die Einzelbedeutungen ihrer Bestandteile treten zugunsten einer Gesamtbedeutung in den Hintergrund. Die Gesamtbedeutung eines Phraseologismus lässt sich, wie gesagt, nicht aus den Bedeutungen der einzelnen Komponenten erschließen.
- Jemand, der die deutsche Sprache lernt und mit der Semantik der Wörter ‚keinen’, ‚Bock’ und ‚haben’ vertraut ist, kann daraus trotzdem nicht die Gesamtbedeutung des Phraseologismus ‚keinen Bock haben’ ableiten, nämlich ‘überhaupt keine Lust haben’. Diese semantische Umdeutung, die die Einzelkomponenten erfahren, wenn sie Teil einer Wendung sind, wird auch als Idiomatizität bezeichnet. Sie besagt, dass mindestens ein Lexem der Wortverbindung eine übertragene oder idiomatische (oft auch: figurierte, metaphorische oder figürliche) Bedeutung besitzt. Diese Bedeutung geht verloren, wenn das Lexem von einem anderen Wort aus der gleichen Bedeutungsklasse ersetzt wird und die Bedeutung dann nicht mehr aus dem gegebenen sprachlichen Material erschlossen werden kann. So müsste es erneut als Ganzes gelernt und gespeichert werden. Ein weiterer Punkt ist, dass die Bedeutung eines komplexen Ausdrucks nicht gleichzusetzen ist mit der Summe der Einzelbedeutungen der jeweiligen Lexeme.
- Der Gegenbegriff zur Idiomatizität ist die Motiviertheit. Die Bedeutung eines Phraseologismus ist aus der freien Bedeutung der Wortverbindung oder aus den Bedeutungen der Komponenten verstehbar. Je stärker ein Phraseologismus motiviert ist, desto schwächer ist seine Idiomatizität. Teilidiomatische Phraseologismen sind daher auch motiviert, da sie eine semantische Basis haben. Die semantische Basis muss für jeden Muttersprachler verstehbar und nachvollziehbar sein. Diese trägt mit ihrer freien Bedeutung zur phraseologischen Bedeutung bei. „Nicht motiviert (oder unmotiviert) sind die Idiome mit zwei Lesarten, die homonyme Bedeutungen haben (jmdm. einen Korb geben).“[5]
- Alle Phraseologismen verfügen über eine Stabilität oder Fixiertheit ihrer Komponenten. Die Gesamtbedeutung ist an die Kombination einzelner lexikalischer Elemente gebunden. In diesem Fall spricht man von semantisch-lexikalischer Stabilität.
- Für das Verständnis von Phraseologismen ist vor allem die Reproduzierbarkeit der Phraseologismen notwendig. Die Speicherung fester Wortverbindungen als fertige komplexe Einheiten erleichtert das Verständnis. Die kognitiven Fähigkeiten der Sprachteilnehmer spielen dabei die entscheidende Rolle. In mündlicher und schriftlicher Sprachproduktion müssen die festen Wortverbindungen automatisch abrufbar sein.

1.3 Funktionen von Phraseologismen

Aufgrund ihres semantischen Mehrwerts und ihrer übergreifenden Bildlichkeit können Phraseologismen in bestimmten Textsorten spezielle Funktionen übernehmen. Phraseologismen lassen sich nach syntaktischen, semantischen und pragmatischen Funktionen untersuchen. Auf der syntaktischen Ebene wird die Funktion des Phraseologismus im Satz untersucht. Satzwertige Phraseologismen sind entweder vollständige Sätze oder formelhafte Wendungen, denen zwar häufig ein Prädikat fehlt, die aber trotzdem keiner Ergänzung bedürfen. Satzgliedwertige Phraseologismen entsprechen einer syntaktischen Einheit innerhalb eines Satzes, sie funktionieren als Satzglieder. Sie sind Syntagmen, die nicht für sich alleine stehen können. Sie werden in einen Satz integriert, in dem sie dann die Funktion einer bestimmten Wortart übernehmen.[6]

Nach Werner Koller lassen sich folgende Funktionen im Gebrauch von Phraseologismen unterscheiden:[7]

- Übertragungs- und Vereinfachungsfunktion

Phraseologismen können verwendet werden, um komplexe Zusammenhänge, die oft als undurchschaubar empfunden werden, in alltägliche Zusammenhänge der Hörer und Leser zu überführen, um sie einfach und einleuchtend darzustellen.

- Anbiederungsfunktion

Durch die Verwendung von Phraseologismen soll die Distanz zwischen der Erfahrungswelt der Produzenten und der der Zuhörer / Leserschaft verringert werden. So können Politiker eine gewisse Volksnähe und Bodenständigkeit für sich postulieren, indem sie signalisieren: “In der Politik geht es zu, wie bei dir und mir zu Hause.”

- Funktion der Argumentationsersparnis und Unschärfe

Da Phraseologismen eine gewisse Allgemeingültigkeit besitzen, wirken sie überzeugend und werden bei Argumentationen oft anstelle oder zur Unterstützung des Arguments eingesetzt. Außerdem erscheinen viele Phraseologismen auf den ersten Blick einleuchtend und logisch, entpuppen sich jedoch als sehr unklar und unscharf, wenn man sie im Kontext näher betrachtet und nach der eigentlichen Aussage fragt. Dadurch bieten sie die Möglichkeit, mangelndes Wissen zu verschleiern.

- Funktion des Autoritätsbezugs

Wer Redensarten verwendet, beruft sich auf die Autorität und Erfahrung der Gemeinschaft. Ein Einzelfall kann so auf allgemeine objektive Handlungsmuster bezogen werden.

- Anschaulichkeitsfunktion

Aufgrund ihrer Bildlichkeit eignen sich Phraseologismen dazu, komplexere Zusammenhänge - zum Beispiel in Karikaturen - anschaulich darzustellen und Aufmerksamkeit zu wecken.

Verstärkt wird diese Funktion der Aufmerksamkeitsförderung, wenn Phraseologismen nicht in ihrer Nennform, sondern modifiziert auftauchen, sodass man zuerst stutzt, weil einem die Wendung zwar irgendwie bekannt vorkommt, man aber erst nach kurzem Nachdenken die usuelle Form rekonstruieren kann.

Durch die Verwendung von Phraseologismen kann die jeweilige Modalität in einem Text angezeigt werden: So dienen Phraseologismen der Erzeugung von Ironie oder der Unterstützung von Pointen in humoristischen Texten. Andererseits können sie auch Indikatoren für ein höheres Maß an Formalität und Offizialität in institutionellen oder besonders in ernsten Gesprächen sein.

2. Der deutsche Gebrauchstext: Das doppelte Lottchen

Das Buch ,Das doppelte Lottchen’ wurde im Jahre 1949 von Erich Kästner geschrieben.

Es handelt von den beiden Mädchen Luise Palfy aus Wien und Lotte Körner aus München. Diese lernen sich in einem Ferienheim für Mädchen kennen und müssen zunächst zu Luises Ärger feststellen, dass sie aneinander gleichen, wie ein Ei dem anderen. Im Verlauf der Ferien raufen sie sich zusammen und finden heraus, dass sie Zwillinge sind, deren Eltern sich getrennt und die Kinder quasi aufgeteilt haben. So kam es, dass die liebe, fast hausmütterliche Lotte mit ihrer Mutter nach München ging und die selbstbewusste, wilde Luise mit ihrem Vater in Wien blieb. Nach dieser Entdeckung beschließen die beiden Mädchen, die Rollen zu tauschen, um den jeweils anderen Elternteil kennen zu lernen. So kommt es, dass Luise am Ende der Ferien nach München fährt und Lotte nach Wien. Dort müssen die beiden sich im Leben der anderen zurecht finden, halten Kontakt und haben das Ziel, die Eltern wieder zusammenzubringen. Dieses verfolgen sie nicht nur, sondern realisieren es am Ende auch.

[...]


[1] Christine Palm, Phraseologie, S. 1.

[2] Vgl. Eckhard Roos, Idiom und Idiomatik, S.9.

[3] Elke Donalies, Idiom, Phraseologismus oder Phrasem?, S.341

[4] Vgl. Harald Burger, Phraseologie, S.

[5] Vgl. Burger, S.68.

[6] Vgl. Burger, S. 37.

[7] Vgl. Werner Koller, Die einfachen Wahrheiten der Redensarten, S. 56-77.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Phraseologismen im Sprachvergleich
Hochschule
Universität Duisburg-Essen
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
26
Katalognummer
V72376
ISBN (eBook)
9783638732727
Dateigröße
462 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Phraseologismen, Sprachvergleich
Arbeit zitieren
M.A. Anamaria Preuss (Autor:in), 2005, Phraseologismen im Sprachvergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72376

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