Film und Mythos


Diploma Thesis, 1999

128 Pages, Grade: gut


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Mythentheorien
2.1.Geschichte der Mythenrezeption
2.2. Das Volksmärchen
2.3. Mythos versus Märchen - ein theoretischer Ansatz des Erziehungswissenschaftlers und Psychaters Bruno Bettelheim
2.4. Mythos und Märchen als Grundstruktur eines „Lebensskripts“ - die Sicht des Transaktionsanalytikers Eric Berne
2.4.1. Mythen und Märchen
2.4.2. Helden und Handlungen

3. Der „Monomythos“ von Joseph Campell
3.1. “Der Heros in tausend Gestalten“ - psychologische Betrachtungen nach ausgewählten Schwerpunkten
3.1.1. Ursprung und Bedeutung mythischer Symbole
3.1.2. Begegnung mit dem Unbewußten
3.1.3. Der Übergangsritus
3.1.4 Der Mythos als Heilungskraft
3.1.5. Die Figur des tyrannischen Ungeheuers
3.1.6. Der erlösende Held
3.1.7. Weiterentwicklung durch Ablösung oder Abkehr
3.1.8. Der Traum als verpersönlichter Mythos
3.2. Die Struktur des „Monomythos“ - Die mythische Abenteuerfahrt des Helden
3.2.1 Die Stationen des „Monomythos“
3.2.2. Der Heros in Märchen und Mythos

4.Die Identifikation mit dem „Helden“
und deren Einfluß auf die Psyche des Rezipienten
4.1. Der Begriff der Katharsis
4.1.1. Der Katharsisbegriff bei Freud
4.2. Aktuelle Reaktionen auf die Diskussion um die Wirkung gewaltorientierter Filme
4.3.Ein kurzer Exkurs in die Psychologie
4.3.1.Theorie1: Aggression als provozierte Bereitschaft
4.3.2.Theorie 2: Sozial gelernte Aggression
4.3.3.Theorie 3: Soziales Lernen
4.3.4.Beobachtungslernen und der Einfluß von Medien

5. Der Protagonist als Identifikationsfigur
5.1.Der Protagonist, der „Held“ im Filmdrehbuch
5.2.Dramaturgische Mittel zur Optimierung der
Identifikationsbereitschaft des Rezipienten
5.3. Die Motivation des Helden
5.3.1. Äußere und innere Motivation
5.3.2. Plot, Thema und Grundfrage des Filmes
5.3.3. Die physische und die emotionale Handlung
5.3.4.Der Konflikt des Helden

6. Ein Strukturvergleich von Mythos und Spielfilm
6.1. Das Paradigma - die klassische Dreiakteinteilung
6.2. Der Struktur des „Monomytos“ von Joseph Campell
6.3. Kombiniertes Modell
6.4. Das Abenteuer des Helden
6.4.1.“Station 1“ - Set up oder „Die Alltagswelt des Helden“
Exkurs: Die Titelsequenz
6.4.2. „Station2“ - Der Plot Beginn oder„Die Berufung“
Exkurs: Nebenfiguren und deren dramatische Funktion
6.4.3. „Station 3“ - Die Weigerung des Helden
6.4.4. „Station 4 - Übernatürliche Hilfe
6.4.5. „Station 5“ - Das Überschreiten der ersten Schwelle
6.4.6. „Station 6“ - Der Weg der Prüfungen beginnt
6.4.7. „Station 7“ - In der Höhle des Löwen
oder Die große Prüfung
6.4.8. „Station 8“ - Das Erlangen des Schatzes
6.4.10. „Station 10“ - Die magische Flucht
6.4.11. „Station 11“ - Der Höhepunkt
6.4.12. „Station 12“ - Die Rückkehr mit dem Elixier
6.4.13. Joseph Campell: Zusammenfassung des Monomythos

7. Eine Betrachtung des amerikanischen Spielfilmes Star Wars
(von George Lucas, 1977) nach den erarbeitenden Kriterien
7.1. Der Autor und Regisseur
7.2. Inspirationsquellen
7.3. Inhalt
7.4. Die „mythische Struktur“ von Star Wars
7.5. Stab, Besetzung, Auszeichnungen

8.Bibliographie

1. E I N F Ü H R U N G

Ohne Übertreibung läßt sich

sagen, daß der Mythos

der geheime Zufluß ist, durch den

die unerschöpflichen Energien des Kosmos

in die Erscheinungen der menschlichen Kultur einströmen.

Religionen, Philosophien, Künste, primitive und zivilisierte Gesellschaftsformen, die Urentdeckungen der Wissenschaft

und die Technik, selbst die Träume, die den Schlaf erfüllen,

all das gärt empor

aus dem magischen Grundklang des Mythos.

(Joseph Campell)

Es war einmal . . .

Wir haben uns in die mehr oder weniger bequemen Sitze eines Kinosaales fallen lassen, und schon werden wir mit dem Ausgehen der Kinobeleuchtung, dem Aufziehen des Vorhanges in den magischen Bann universeller Geschichten gezogen.

Waren es in vergangener Zeit die Seher und Schamanen, die ihre Visionen und Träume an die Menschen weitergaben, oder die großen Mythen, aus denen man durch Jahrtausende aus dem Urquell der Erfahrungen und des Wissens schöpfen konnte, so bleibt heute in einer Zeit in der für viele Menschen das „Zweitbuch“ schon zu einem Luxus geworden ist, einer Gesellschaft, die von den Medien dominiert ist, oft nur mehr das Medium Film, das der breiten Masse Inhalte kommuniziert.

Kaum ein Mensch, der sich nicht von der Faszination einer guten Geschichte in seinen Bann ziehen ließe. Was aber macht diese Faszination aus ?

Für Joseph Campell bedeutet der Beginn einer der uralten Geschichten „den Augenblick, indem wir in ein Niemandsland getragen werden, das uns doch irgendwie schon bekannt ist“[1]

Die Faszination solcher Geschichten liegt für ihn aber darin, daß sie ein Leben vor uns ausbreiten, welches sich von

R unserem grundlegend unterscheidet und dennoch etwas in uns anspricht, dem wir bisher vielleicht keine Beachtung geschenkt haben: die Phantasie und den Traum, die zu einer Vision und weiter zu einer Art von Offenbarung führen können - wenn nicht über die Welt, so doch zumindest über uns selbst.[2]

Denn jeder Mensch, gleich welcher Kultur er auch entstammen mag, durchlebt im Laufe seines Lebens doch immer wieder ähnliche Erfahrungen, die Entwicklung und Transformation implizieren. Sei es nun die Suche nach dem idealen Lebenspartner, der Wunsch nach Erfüllung, das Streben nach einem Ideal, das Erreichen eines beruflichen Zieles oder die „Jagd nach einem wertvollen Schatz“ etc.- all dies sind universelle „Abenteuer“, die die Basis für all unsere speziellen und persönlichen Geschichten bilden.

Die spezifische Ausprägung auf die - unterschiedlichen - Charaktere mag zwar von Kultur zu Kultur differieren, aber in ihrer Tiefe entspringen all diese Geschichten doch einem gemeinsamen Urquell der Erfahrungen.

Die meisten erfolgreichen Filme basieren genau auf diesen universellen Geschichten und durch die Identifikation mit den Helden dieser Geschichten erkennen wir unbewußt den tiefen Zusammenhang mit unserem eigenen Leben.

Sei es nun der Märchenheld, der den drei goldenen Haaren des Teufels nach jagt und als Belohnung die Prinzessin gewinnen kann oder der römische Sklave, der sich durch Geschick und Mut aus den Fesseln der Sklaverei befreien kann - dies alles sind letztlich unsere ureigenen Geschichten.

Manche dieser Geschichten bilden sich um eine „Suche“ und wenden sich dabei an unser innerstes Bedürfnis einen seltenen und wundervollen Schatz zu entdecken - sei der Schatz nun ein äußerer Wert, wie etwa ein guter Job, eine zwischenmenschliche Beziehung oder der Erfolg, oder ein innerer Wert wie Respekt, Sicherheit, Liebe, Selbstfindung oder Geborgenheit.

Andere Geschichten sind richtige „Heldengeschichten“ und spielen mit jenen Erfahrungen, die jeder von uns beispielsweise bei der Überwindung von Schwierigkeiten machen mußte bzw. mit dem uns immanenten Wunsch nach bedeutungsvollen Taten. Wir kämpfen und leiden mit dem Helden und feiern mit ihm seinen heißumkämpften Sieg mit der unbewußten Hoffnung, daß der Weg dieses Helden unserem eigenen zutiefst verwandt ist.[3]

Wir bezeichnen diese Geschichten, die sich in allen Kulturen und in jeder Literatur, sei es nun schon in der Antike oder noch früher, sei es in Märchen, Legenden oder Geschichten, die sich um die unterschiedlichen Religionen ranken, allgemein als „Mythen“

A myth is a story that is „more than true“. Many stories are true because one person, somwhere, at some time, lived it. It´s based on fact. But a myth is more then true because it is lived by all of us, at some level. It´s a story that connects and speaks to us all.

Some myths are true stories that attain mythic significance because the people involved seem larger than life, and seem to live their lifes more intensely than common folk. Martin Luther King, Ghandi, Sir Edmund Hillary, and Lord Mountbatten personify the types of journeys we identify with because we´ve taken similar journeys - even only in a very small way.[4]

Sein Leben lang hat Joseph Campell die Mythen aller Völker und Epochen gesammelt um das Gemeinsame zu ergründen, das die scheinbar unterschiedlichsten Geschichten miteinander verbindet. Tatsächlich ist Campell auf eine Struktur gestoßen, die den Geschichten all dieser verschiedenen Welten gemeinsam ist. Diese Struktur nennt er „The Monomyth“. (Kapitel 3.2. )

Der Monomythos zeigt, daß die Chinesen 2000 v.Chr., die Eskimos vor 300 Jahren, die Maya im 15.Jahrhundert und die Filmemacher von heute Geschichten erzählen, die letztlich demselben Erzählmuster folgen.

Es ist jenes grundsätzliche Muster, nach dem sich Erkenntnis und Selbsterfahrung vollziehen. Geschichten, die nach diesem Muster aufgebaut sind, entsprechen der Landkarte der menschlichen Psyche. Daher erscheinen sie uns psychologisch wahr und emotionell glaubhaft, selbst wenn sie phantastische, unmögliche oder unwirkliche Ereignisse darstellen oder Ereignisse aus uns vollkommen fremden Welten oder Kulturen.

Ich glaube daher, daß die Auseinandersetzung mit der universellen Struktur des Heldenmythos von unersetzlichem Wert sowohl für Drehbuchautoren, als auch für Regisseure sein kann.

Filme als Mythen zu interpretieren und zu analysieren galt bis vor nicht allzu langer Zeit noch als ein esoterisch anmutender Standpunkt von Außenseitern.

Dieser Standpunkt wurde von den Amerikanern Thomas Schlesinger, Keith Cunningham und Christopher Vogler entwickelt und ist heute ein wichtiger Bestandteil der Arbeit von Filmemachern auf der ganzen Welt.

Bei Betrachtung der Untersuchungen des Mythenforschers Joseph Campell zeigt sich in der Folge, daß die Strukturen von Mythos und Film einander sehr ähnlich sind.

Die Struktur des Mythos hilft zu verstehen, warum Filme einen ganz bestimmten Aufbau haben müssen. Damit ist die Struktur des Mythos ein wertvolles Werkzeug für die

Analyse, die Entwicklung und Erarbeitung von Filmstoffen.

Diese Arbeit wird sich im Wesentlichen mit einem Vergleich der Theorien Campells

und klassischer Drehbuchdramaturgietheorien, insbesondere mit dem klassischen Paradigma der Dreiaktstrukur von Filmen, das wiederum auf die in der Poetik von Aristotelisches dargelegten Theorien zurückzuführen ist, auseinandersetzen

(Kapitel 6).

Dazu werde ich primär die von Syd Field in dessen Werk „The Screenwriters Workbook“ dargelegte Strukturanalyse verwenden, da es sich hiebei um ein international anerkanntes Werk handelt, das sowohl auf Filmhochschulen als auch in anderen universitären Bereichen zur Standardlektüre gehört, des weiteren habe ich mich vor allem auf die Theorien von Peter Hant, Michael Hauge oder Linda Seger gestützt.

Der Mythos transformiert Psyche und Geist und wird damit zur Medizin.

Das psychisch-geistige Theater des Mythos heilt, indem es die Unklarheiten offenbart, die uns trennen von bewußtem Erkennen.

Was Psychotherapie und religiöse Rituale durch verschiedene

Methoden und Techniken erreichen, erreicht der Mythos durch das Anwenden

dramatischer Regeln und Strukturen.

(Peter Hant)[5]

Eine ungeahnt wertvolle Hilfe bot sich in dem Buch „The Writer´s Journey“ von Christopher Vogler, das mir während eines Rechercheaufenthaltes für ein Filmprojekt in den USA in die Hände fiel. Vogler, der sich intensiv mit dem Werk C.G.Jungs auseinandergesetzt haben dürfte, basiert seine Theorien ebenfalls auf der Arbeit von Joseph Campell und liefert mit der anschaulichen Darstellung der Archetypen ein ganz besonders brauchbares Werkzeug zum Verständnis der dramaturgischen wie auch psychologischen Funktion des Helden und der ihn umgebenden „Nebenfiguren“.

Natürlich sind nicht alle Filme Mythen oder enthalten mythische Aspekte.

Der Münchner Dramaturg und Autor Peter Hant stellt in seinem Buch „Das Drehbuch“ dem mythischen Film die Soap Opera entgegen:

Soap Operas funktionieren nach einem einfachen Prinzip:

sie stellen neurotische Verhaltensweisen in den Brennpunkt der Aufmerksamkeit der Zuschauer. Was sich im Alltag verdeckt abspielt,

wird von der Soap Opera ins grelle Licht der Scheinwerfer gezerrt. Die offene Darstellung dessen, worüber man normalerweise nicht spricht, macht ihre Faszination aus. Die Leiden und Versuchungen der Figuren werden ohne den Deckmantel der üblichen Konventionen dargestellt. In Peepshow- Manier zeigen uns Soap Operas so den „ungeschminkten“ Alltag. Die vordergründige Faszination der Zuschauer mit den psychischen Zwängen der Figuren, wird von den Soap Operas gezielt ausgebeutet. Das Interesse der Soap Operas ist das Interesse des Voyeurs, dem es ausschließlich darum geht, zu sehen, der nicht daran interessiert ist zu begreifen. Soap Operas verstärken entweder die gröbsten Aspekte menschlichen Verhaltens oder sie sentimentalisieren dessen liebenswertere Momente. An einem tieferen Ergründen

des Warum und Woher der dargestellten Verhaltensweisen hat die Soap Opera kein Interesse.[6]

Geschichten aber, die bewußt oder unbewußt auf der universalen Struktur der Mythen aufbauen, wurzeln im gemeinsamen Unterbewußten und behandeln die Fragen nach dem wahren Sein der Menschen. Wer bin ich? Woher komme ich ? Was wird nach meinem Tod passieren? Was ist gut und was böse? Gibt es auch außerhalb der Erde Leben? etc.

An der Oberfläche sind Mythen auch immer Soap Operas.

Sie scheuen sich nicht, den Alltag in den grellsten Farben zu malen.

Der Mythos nützt die oberflächliche Faszination der Soap Opera,

um damit das Interesse der Zuschauer zu wecken. So ist die Oberfläche des Mythos nicht weniger schillernd als die Soap Opera, im Gegenteil: die Figuren, derer sich der Mythos bedient, sind meist hemmungsloser, brutaler und besessener, sie sind begehrenswerter und verruchter. Obwohl sie so viel kräftiger gezeichnet sind, wirken sie dennoch nicht wie Karikaturen. Da uns der Mythos die Figuren durchschauen läßt, werden auch noch so drastische Handlungen verstehbar und glaubhaft.[7]

Auch der Mythos erzählt also von den Äußerlichkeiten des menschlichen Daseins, aber er legt die psychischen Probleme offen und macht sie durchschaubar und verständlich.

Der Mythos macht uns klar, daß das eigentliche Geheimnis des menschlichen Daseins nicht in den Verwirrungen

der Psyche liegt, sondern dahinter. Der Urgrund, auf dem sowohl neurotisches als auch „gesundes“ Verhalten beruht , wird so zum eigentlichen Thema des Mythos. Mit der Erinnerung an diesen Urgrund lehren uns Mythen, das Gemeinsame zu erkennen, das hinter den scheinbar getrennten psychologischen Aspekten verborgen ist.[8]

Mythen sind Tore zum Unbekannten.

Wir durchschreiten diese Tore nicht, um Informationen anzuhäufen, sondern um unser wahres Sein zu erkennen.Jeder wirkliche Mythos nimmt unser Bewußtsein auf eine Reise mit, auf dem es wachsen kann. Der Held eines Mythos wandelt sich im Lauf der Geschichte von einem Bewußtseinszustand in einen anderen, er verläßt seine wohlbekannte, alltägliche Umgebung und begibt sich in eine Welt voller Herausforderungen.

Ich kann mit ihm lachen, weinen, gelegentlich sogar beides gleichzeitig, lieben, hoffen, kämpfen und fürchten - und nach Verlassen des Kinos nehme ich von meiner Reise mit ihm etwas mit, das mich mein Leben mit einem veränderten Bewußtsein erleben läßt.

Selbstverständlich hängt die Intensität, mit der die transformierende Kraft des Mythos auf den Zuhörer oder Zuschauer wirken kann, davon ab, inwieweit er bereit ist, sich zu öffnen, sich selbst besser kennenzulernen !

Zwischen dem Bewußtseinzustand vor und nach der Erfahrung des Mythos liegt alsoein Bewußtseinssprung.

Jede Stufe des Heldenmythos läßt sich zudem noch, wie der Jung - Schüler

Joseph L. Henderson anmerkt, auf einen „bestimmten Punkt anwenden, den der einzelne bei der Entwicklung seines Ich-Bewußtseins erreicht hat, und auf das spezielle Problem, dem er sich in einem gegebenen Moment gegenübersieht. Das heißt, das Bild des Helden entwickelt sich in einer Weise, die jede Stufe der menschlichen Persönlichkeitsentwicklung wiederspiegelt.“[9]

Eine gut erzählte Geschichte wird uns immer das Gefühl geben, die ihr gewidmeten Stunden mit einem erfüllenden Erlebnis verbracht zu haben.

Die Magie des Filmes besteht ja, wie schon bemerkt, größtenteils darin, daß ich mich als Zuschauer mit dem „Helden“ der Geschichte identifizieren kann, einen Teil meines selbst in ihn hineinprojeziere und so mit ihm lebe und ihn er-lebe.

Und so beschäftigt sich diese Arbeit auch einerseits auf praktischer Ebene mit den dramaturgischen „Kniffen“, die eine möglichst intensive Identifikation beim Zuschauer hervorrufen sollen (Kapitel 5) und es versucht andererseits die psychologischen Grundlagen hiefür näher zu erforschen (Kapitel 4)

Einen weiteren interessanten Ansatz, der sich im weitesten Sinne auch mit der Identifikation mit dem Helden auseinandersetzt, bieten natürlich vor allem die Theorien C.G. Jungs oder aber auch Eric Burnes oder Bruno Bettelheims , die den konkreten Einfluß in der Rezeption von Mythen und Märchen auf die Entwicklung eines heranwachsenden Menschen befassen (Kapitel 2).

Diese Arbeit versucht sich des weiteren, sich mit der Beantwortung folgender Fragen zu beschäftigen: Was bedeutet eigentlich „Mythos“ und wie versuchen Forscher wie C.G.Jung dessen Ursprung zu erklären und zu deuten? Was bedeutet, auf psychologischer Ebene gesehen, der Mythos für das Kollektiv und das Individuum etc.

Als der Film „Star Wars“ 1977 in die amerikanischen Kinos kam, begann ein Phänomen, das bis heute nichts an Faszination verloren hat. Millionen von Menschen haben diesen Film und die darauffolgenden zwei Sequels „The Emperor Strikes Back“ und „Return of The Jedi“ seither gesehen.

In einer Zeit des Pessimismus traf der Film mit seiner Botschaft „May the Force with You

genau den Nerv der Kinozuschauer, oder, wie der Journalist Garry Jenkins in seiner Entstehungsgeschichte des Filmes „Empire building“ bemerkt:

„Star Wars celebrated a golden, bygone age, an era of good guys and bad guys, heroism and hope. Lucas has written a story for a generation growing up without fairytales. As the historian Les Keysler wrote, seeing the movie became a celebration, a social affair, a collective dream, and people came again and again, dragging their friends and families with them.“[10]

Für die Vorbereitung auf diesen Film hat sich George Lucas intensiv mit dem Werk Joseph Campells und zahlreichen Mythenstoffen befaßt.

Und so wird das Kapitel 7 versuchen, den Einfluß

Campells auf Lucas Film nachzuvollziehen und seine dramaturgische Struktur in Bezugnahme auf Campells „Monomythos“ darzulegen.

2. M Y T H E N T H E O R I E N

Schon Plato erkannte den persönlichkeitsbildenden Wert von Geschichten und empfahl den künftigen Bürgern seines Idealstaates, ihre literarische Erziehung mit der Erzählung von Mythen und nicht mit bloßen Tatsachen oder sogenannten rationalen Lehren zu beginnen.

Selbst , der Meister der reinen Vernunft, sagte: Der Freund der Weisheit ist auch der Freund des Mythos“

„Unabhängig von ihrem Ausgangspunkt kommen moderne Denker, die Mythen und Märchen aus philosophischem oder psychologischem Blickwinkel untersuchen, zum gleichen Schluß. Mircea Eliade nennt sie „Vorbilder des menschlichen Verhaltens, die gerade in dieser Eigenschaft dem Leben Sinn und Wert geben.“

Anthropologische Parallelen legen ihm und anderen die Vermutung nahe, daß Mythen und Märchen von Initiations- oder Übergangsriten abgeleitet wurden oder diesen symbolischen Ausdruck geben - gemeint ist zum Beispiel der metaphorische Tod eines alten, unzulänglichen Selbst, das auf einer höheren Daseinsebene wiedergeboren wird. Eliade ist überzeugt, daß Mythen und Märchen aus diesem Grund eine, starken Bedürfnis entgegenkommen und so Träger tiefen Sinnes sind.[11]

Tiefenpsychologisch orientierte Forscher betonen die Ähnlichkeit zwischen den phantastischen Ereignissen in Sagen und Märchen und den Träumen und Wachträumen von Erwachsenen“[12]

C.G. Jung schreibt unter anderem:

Wie man feststellen kann, zeigen viele Träume Bilder und Assoziationen, die primitiven Vorstellungen, Mythen und Riten analog sind.

Jung distanziert sich auch in dieser Frage von seinem ehemaligen Lehrer:

Solche Traumbilder nannte Freud „archaische Überreste“; diese Bezeichnung

impliziert, daß es sich dabei um psychische Elemente handelt, die historisch im menschlichen Geist überlebt haben. Eine derartige Auffassung ist aber nur für Menschen typisch, die das Unbewußte als Anhängsel des Bewußtseins betrachten.

Meine weiteren Untersuchungen zeigten mir, daß dieser Standpunkt unhaltbar ist. Ich fand heraus, daß Assoziationen und Bilder dieser Art ein wesentlicher Bestandteil des Unbewußten sind und überall beobachtet werden können, bei gebildeten und ungebildeten Träumern. Sie sind durchaus keine leblosen oder bedeutungslosen „Reste“, sondern immer noch wirksam und gerade wegen ihrer „historischen“ Natur besonders wertvoll. Sie bilden eine Brücke zwischen unserer bewußten, abstrakten und einer primitiveren, farbigeren, bildhafteren Ausdrucksweise. Diese „historischen“ Assoziationen sind das Bindeglied zwischen der rationalen Welt des Bewußtseins und der Welt des Instinktes.[13]

Für Jung besteht die allgemeine Funktion der Träume in dem Versuch, dem Menschen das psychische Gleichgewicht wiederzugeben, indem sie Traummaterial produzieren, das auf subtile Weise die gesammte psychische Balance wiederherstellt. Dies bezeichnet er als “kompensatorische Funktion“ der Träume.[14]

Für ihn gehen die Mythen „zurück auf den primitiven Geschichtenerzähler und seine Träume zurück zu Menschen, die von ihren erregenden Phantasien bewegt wurden. Diese Menschen unterscheiden sich

nicht sehr von jenen, die spätere Generationen als Dichter oder Philosophen bezeichnet haben.“[15]

Bruno Bettelheim kennzeichnet folgende Unterscheidungsmerkmale zwischen Traum und Märchen:

(...)So ist die Wunscherfüllung im Traum meist verhüllt, während sie im Märchen offen dargestellt wird. Träume sind in erheblichem Maß die Folge von inneren, nicht gelösten Spannungen, von bedückenden Schwierigkeiten, aus denen der Träumer keinen Ausweg weiß und der Traum keinen Ausweg findet. Das Märchen vollbringt das Gegenteil: Es projiziert die Entlastung von allen Spannungen und bietet nicht nur Wege der Problemlösung sondern verspricht sogar einen „glücklichen“ Ausgang.[16]

Allgeimein herrscht Übereinstimmung darin, daß Sag

en und Märchen in der Sprache von Symbolen, die für unbewußte Inhalte stehen, zu uns reden. Sie sprechen gleichzeitig unser Bewußtes und unser Unbewußtes in seinen drei Aspekten - Es, Ich und Über-Ich - wie auch unser Verlangen nach Ich-Idealen an. Aus diesem Grund sind sie sehr wirkungsvoll; im Inhalt des Märchens nehmen psychologische Phänomene Symbolgestalt an.

Zusammenfassend könnte man sagen, daß sich die Freudianer vor allem mit dem Nachweis des verdrängten und sonstigen unbewußten Materials, das Mythen und Märchen zugrunde liegt, und mit deren Beziehung zu Träumen und Wachträumen befassen.

Die Jungianer betonen darüber hinaus, daß die Gestalten und Ereignisse dieser Geschichten archetypischen[17] psychologischen Phänomenen entsprechen und sie deshalb repräsentieren, daß sie symbolisch das Streben nach einer höheren Persönlichkeitsstufe andeuten - nach einer inneren Erinnerung also, die vollzogen wird, wenn persönliche und rassegemäße unbewußte Kräfte für die Persönlichkeit verfügbar werden.[18]

Das griechische Wort mythos bedeutete ursprünglich einfach „Wort“, „Rede“ oder „Geschichte“. Erst mit Herodot (4.Jhdt.vor Christus) und seiner Geschichte des griechisch-persischen Kriegs fand die Vorstellung historischer Fakten Eingang ins antike griechische Denken.

Mythos erhielt nun die Bedeutung „Fiktion“, ja sogar „Lüge“ im Unterschied zu logos, dem „Wort der Wahrheit“. Von da an erkannte man auch, daß logos immer einen Urheber besitzt; in der jü

'dischen, christlichen und islamischen Tradition kann dies auch Gott sein; dagegen ist der mythos anonym und stammt aus einem unergründlich fernen Raum und aus einer fernen Zeit.

2.1.Geschichte der Mythenrezeption

Die Rezeption von Mythen ist also von jeher äußerst divergent verlaufen.

Der verächtlichen Zurückweisung des mythos durch Herodot schließt sich die Definition von Robert Graves von 1959 an:

Mythenforschung ist die Beschäftigung mit jenen religiösen und heroischen Legenden, die den Erfahrungen des Forschers so fremd sind, daß er nicht glauben kann, sie seien wahr. Daher auch der Begriff „mythisch“ für „unwahrscheinlich“; und folglich lassen wir auch die gängigen europäischen Mythologien und die biblischen Geschichten - trotz ihrer starken Parallelen zu persischen,babylonischen, ägyptischen und griechischen Mythen - sowie die Heiligenlegenden außer acht.[19]

Trotzdem solcher interpretatorischer Ansätze haben die Mythen seit Jahrtausenden die Phantasie - und nicht nur die Phantasie - der Menschen angeregt. Zahlreiche Wissenschaftler und Philosophen versuchten, das Geheimnis dieser Faszination zu ergründen.

Zu Beginn der Neuzeit, im Jahre 1725, behauptete Giambattista Vico in seiner Scienza Nuova Mythen seien keineswegs die verzerrte Wiedergabe der biblischen Geschichten, wie man zu jener Zeit in Europa glaubte; vielmehr seien sie phantasievolle Versuche, die Geheimnisse des Lebens und des Universums zu lösen, und deshalb - auf einer frühen Stufe der menschlichen Entwicklung - modernen wissenschaftlichen Theorien durchaus vergleichbar.

Später versuchte man, die Entstehung von Mythen auf eine einzige Ursache zurückzuführen.

Ein bekannter Vertreter dieser Richtung im 19.Jahrhundert war der Orientalist und Religionswissenschaftler Max Müller, demzufolge alle Mythen der indoeuropäischen Völker auf symbolische oder allegorische Erzählungen über Naturphänomene zurückzuführen sind: die Sonne, den Mond, den Himmel oder die Dämmerung, denen jeweils eine menschliche Gestalt zugeordnet wurde. Als Beispiel nennt er den griechischen Mythos von Persephone, die, von Hades, dem Herrscher der Unterwelt, entführt, zwei Drittel des Jahres in der oberen Welt leben darf und im Winter zu Hades zurückkehren muß. Müller vermutete (heute gilt dies als erwiesen), daß diese Geschichte ursprünglich auf den jahreszeitlichen Wechsel von Sommer und Winter anspielte.

Einflußreich waren auch die Untersuchungen des britischen Ethnologen J.G.Frazer, dessen 12-bändiges Werk The Golden Bough (Der goldene Zweig,1911-15) unter

anderem Mythen über das sakrale Königtum aus der ganzen Welt versammelte. In diesen Geschichten stand die Vorstellung im Mittelpunkt, das Wohl der Gemeinschaft hänge vom Wohl des Königs ab, der, sobald er zu alt oder zu schwach war in einem Ritual geopfert wurde, um einem stärkeren Nachfolger Platz zu machen.

Ähnlich argumentierte der deutsche Völkerkundler Walter Burkert, der im Jahre 1979 „Sündenbock“-Mythen als Zeugnisse der offenbar verbreiteten Erfahrung primitiver Völker deutete, man müsse ein schwaches Mitglied der Gemeinschaft opfern, um die übrigen vor der Verfolgung durch Raubtiere zu retten.

Mi den Theorien von Joseph Campell, C.G.Jung und Bruno Bettelheim befaßt sich die Arbeit an anderer Stelle eingehender.

Vor etwa 100 Jahren begannen die ersten Ethnologen mit Feldstudien in Stammesgesellschaften. damit kamen sie zum erstenmal mit „lebendigen“ Mythen und Mythenbildungen in Berührung, was zu einem besseren Vers

tändnis des vielgestaltigen Phänomens der Mythen führte.

Als einer der wichtigsten Feldforscher gilt Bronislav Malinowski, dem der Nachweis gelang, daß der Urspungsmythos der Trobriander Melanesiens exakt der bestehenden sozialen Beziehungen der vier Stämme entsprach.

Daß archaische Geschichten in einem direkten Zusammenhang mit der gegenwärtigen Sozialstruktur stehen können, bedeutet jedoch nicht, daß Mythen nicht auch noch andere Bedeutung haben können.

In der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts trat besonders der französische Ethnologe Claude Lévi-Strauss mit umfassenden Analysen der Mythen der eingeborenen Völker Nord- und Südamerikas hervor. Ihn interessierte vor allem die Frage, wie in den Erzählungen Widersprüche der menschlichen Erfahrung gelöst wurden. Diese Erfahrungen können unmittelbar sinnlich erfaßbar sein (wie Leben und Tod, Hunger und Sattsein), aber auch abstrakt (wie etwa das philosophische Problem des Einen und des Vielen).

Lévi -Strauss kam zu der Erkenntnis, daß die Mythen darauf abzielen, alle diese Wiedersprüche zu lösen, indem sie einen Aspekt des Lebens an sein Gegenteil binden; und zwar in einer Kette „binärer Oppositionen“, wie zum Beispiel Jugend und Alter, feuchte und trockene Jahreszeit, männlich und weiblich, Mensch und Tier, Kultur und Natur, Leben und Tod. In seinen Forschungen kommt Lévi-Strauss allerdings zu dem Schluß, daß die Ordnung solcher Episoden bedeutungslos sei.

Der russiche Märchenforscher Wladimir Propp und seine Schüler behaupten dagegen, daß die narrative Struktur für die Bedeutung jeder Geschichte von grundsätzlicher Relevanz sei.

Propp machte insgesamt einunddreißig Episoden oder „Funktionen“ aus, die das Ausgangsmaterial der russischen Volksmärchen bilden. Dazu gehören Verbot, Verletzung des Verbots, Betrug, Abreise, Erkundung, Dialog mit magischen Helfern, Auftauchen des Bösewichts, Flucht, Verfolgung und Rettung.

Obwohl nur wenige der von Propp analysierten etwa einhundert Volksmärchen alle einunddreißig Funktionen enthalten, tauchen die Episoden immer in der gleichen Reihenfolge auf.

Der amerikanische Forscher Alan Dundes fand bei der Untersuchung von Geschichten der nordamerikanischen Ureinwohner heraus, daß auch hier diese Grundepisoden in einer ganz bestimmten Reihenfolge auftreten.[20]

Eine vierstufige Entwicklung des Helden im Mythos beschreibt der Jung-Schüler Joseph L.Henderson, der sich bei seiner Anyalyse auf die Arbeit Dr.Paul Radins aus dem Jahre 1948 bezieht, welcher die Heldenzyklen eines kaum bekannten nordamerikanischen Stammes unter dem Titel „Hero Cycles of the Winnebago“ veröffentlicht hatte.

In diesen Geschichten findet Henderson das „entschiedene Fortschreiten vom primitivsten zum verfeinertsten Begriff des Helden“[21]

Da sich die folgende Arbeit vor allem mit den Theorien Joseph Campells aus

Eeinandersetzen wird, sei mir an dieser Stelle gestattet, aus dem Epilog seines Werkes, einen Teil des 1.Kapitels Die Vieldeutigkeit der Mythen zu zitieren, nämlich Campells persönliche Stellungnahme zur Mythenrezeption seiner Vorgänger:

„Der moderne Intellekt hat die Mythen interpretiert als einen primitiv-täppischen Versuch der Naturerklärung (Frazer); als Produkt der poetischen Phantasie prähistorischer Zeitalter, verzerrt von den folgenden (Müller); als Arsenal allergorischer Unteweisungen, die das Individuum der Gruppe gefügig machen sollen (Durkheim); als Gruppentraum, in dem die Tiefenschicht der Menschenseele ihre archetypischen Impulse ausdrückt (Jung); als das überlieferte Medium metaphysischer Einsicht (Coomaraswamy) und schließlich als die Offenbarung Gottes an seine Kinder (die Kirche).

In Wahrheit sind die Mythen das alles, nur zeigen sie jedem Interpreten, je nach dessen Standort, ein anderes Gesicht. Denn den Anliegen und Bedürfnissen der Individuen, Rassen und Zeitalter kommen sie so aufgeschlossen entgegen wie das Leben selbst, wenn die Fragen nicht auf ihr Wesen, sondern auf ihre Funktion

dringt, darauf, wie sie in der Vergangenheit der Menschheit gedient haben und wie sie es heute könnten.“[22]

2.2. Das Volksmärchen

Wie es scheint, tauchen Mythen vor allem in zwei sehr unterschiedlichen Typen der vorwissenschaftlichen Gesellschaft auf: einerseits in jenen einfachen und ungegliederten Gesellschaften von Jägern und Sammlern, d.h. in menschlichen Gemeinschaften, die stark von der Natur abhängig sind.

Andererseits finden sich umfangreiche Mythologien in jenen vorwissenschaftlichen Gesellschaften, die sich bereits weitgehend aus der Abhängigkeit von ihrer natürlichen Umgebung befreit und eine Hierarchie mit einer privilegierten intellektuellen Priesterschaft entwickelt haben - etwa im alten Indien und Griechenland, China und Japan, die Dogon, Banbara und Yoruba Westafrikas, die Inka Südamerikas, die Maya und Azteken Mesoamerikas sowie die Kelten und die germanischen Vöker Nordeuropas.

Das „Volksmärchen“ hingegen entsteht in einer Gesellschaft, die von der Landwirtschaft lebt und in ihrer Entwicklung zwischen einfachen Jäger - und Sammlergemeinschaften und dem in sozialen Schichten gegliederten Gemeinwesen angesiedelt ist.

Der Inhalt des Volksmärchen sind meist soziale Konflikte,

- weniger hingegen kosmologische Fragen, wie sie in Mythen behandelt werden.

Die anonymen und mündlich überlieferten „Volksmärchen“ müssen unbedingt vom „Kunstmärchen“, einer literarischen Schöpfung der Romantik des 19.Jahrhunderts, unterschieden werden.

Ein Volksmärchen enthält eine soziale Botschaft: es stellt zum Beispiel den Konflikt zwischen jugendlichem Überschwang und der Autorität des Alters dar. Häufig sind solche Geschichten jedoch auch ein „Echo“ früherer Phasen der sozialen Entwicklung.[23]

Roy Willis definiert schlußfolgernd, daß Volksmärchen abgeschliffene Mythen

sind: Geschichten, die aus mythischen Elementen bestehen und den doppelten Zweck der Unterhaltung und moralischen Belehrung über das Zusammenleben von Menschen verfolgen.

2.3. Mythos versus Märchen - ein theoretischer Ansatz des Erziehungswissenschaftlers und Psychaters Bruno Bettelheim

Der im folgenden behandelte theoretische Ansatz zur Unterscheidung von Märchen und Mythen bezieht sich auf Bruno Bettelheims 1975 verfaßtes Werk Kinder brauchen Märchen.

Obwohl sich im Mythos wie im Märchen die gleichen beispielhaften Gestalten und Situationen wie die gleichen wunderbaren Begebenheiten finden, werden sie doch auf ganz unterschiedliche Weise vermittelt. Vereinfacht ausgedrückt, weckt die Sage den vorherrschenden Eindruck: Das ist völlig einmalig; es könnte keinem anderen Menschen zustoßen und in keinem anderen Rahmen geschehen sein; diese Begebenheiten sind grandios und staunenerregend; ein gewöhnlicher Sterblicher könnte sie nicht erleben. Dieser Eindruck entsteht nicht so sehr deswegen, weil das, was geschieht, wund

Xerbar ist, sondern weil es als wunderbar beschrieben wird. Die Ereignisse im Märchen dagegen, die häufig ungewöhnlich und höchst unwahrscheinlich sind, werden stets als etwas dargestellt, das jeder bei einem Spaziergang draußen im Wald erleben könnte. Selbst die bemerkenswertesten Begegnungen werden im Märchen auf fast beiläufige, alltägliche Weise geschildert.

Während die Sage fast immer tragisch endet, geht das Märchen bis auf wenige Ausnahmen[24] immer gut aus. Bettelheim bezeichnet daher den Mythos als pessimistisch und das Märchen als optimistisch, wie tödlich ernst auch einzelne Züge sein mögen.

Der typische Mythos behandelt Über-Ich-Forderungen im Konflikt mit Es-motivierter Handlung und mit dem Selbsterhaltungstrieb des Ich. So sehr wir uns auch bemühen, niemals können wir den Forderungen des Über-Ich, wie es in den Mythen von den Göttern dargestellt wird, völlig entsprechen. Je mehr wir ihm zu gefallen suchen, um so unerbittlicher stellt es seine Ansprüche. Selbst wenn der Held nicht weiß, daß er den Impulsen seines Es nachgegeben hat, muß er entsetzlich dafür leiden.

Wenn ein Sterblicher den Unwillen eines Gottes auf sich zieht, ohne etwas Böses getan zu haben, wird er von diesen höchsten Über-Ich-Darstellungen vernichtet. Beispielhaft geschildert ist der Pessimismus des Mythos in jener paradigmatischen Sage der Psychoanalyse: Ödipus.

Die Ödipus-Tragödie löst - besonders in einer guten Bühnenaufführung - beim Erwachsenen starke intellektuelle und emotionale Reaktionen aus, die bis zu einem kathartischen Erlebnis reichen können, wie es Aristoteles jeder Tragödie zuschrieb[25]. Nach einer Ödipus-Auffhrung mag sich der Zuschauer fragen, warum er so tief bewegt sei; er mag seine emotionale Reaktion beobachten, über die mythischen Ereignisse und ihre Bedeutung für ihn selbst nachdenken und dabei zu einer Klärung seiner Gedanken und Gefühle gelangen. Dabei können sich gewisse innere Spannungen, Folgen längst vergangener Geschehnisse, lösen; vorher unbewußtes Material kann ins Bewußtsein treten und der bewußten Aufarbeitung zugänglich werden. Dies trifft ein, wenn die betreffende Person vom Mythos emotional tief berührt wird und zugleich intellektuell stark zum Verständnis motiviert ist. Wenn der Erwachsene stellvertretend erlebt, was Ödipus zustießwas er tat und litt, kann er mit gereiften Verständnis das erfassen, was bis dahin kindliche Angst, in infantiler Form im Unbewußten intakt bewahrt, gewesen war. Diese Möglichkeit besteht aber nur, weil sich der Mythos auf Ereignisse bezieht, die in sehr fernen Zeiten stattfanden, wie auch die ödipalen Sehnsüchte und Ängste des Erwachsenen seiner frühsten Lebenszeit angehören. Würde der tiefe Sinn eines Mythos als Begebenheit dargestellt und ausgebreitet, die sich im bewußten Erwachsenenleben ereignen könnte, so würden dadurch alte Ängste verstärkt und tiefer verdrängt.[26]

Bettelheim thematisiert in seinem Buch Kinder brauchen Märchen allerdings primär die Bedeutung des Märchens für die Entwicklung der Kinder.

Mythenstoffe sind für Kinder seiner Meinung nach nicht so geeignet, da „die Forderungen, die sie verkörpern, so streng sind, daß das Kind in seinem unerfah

renenStreben nach Persönlichkeitsintegration entmutigt wird.“[27]

Allerdings läßt der Aspekt, daß Helden offenkundig mit übermenschlichen Eigenschaften ausgestattet sind, die Erzählung auch für ein Kind wieder annehmbar werden; es wäre sonst überfordert von der implizierten Forderung, dem Helden in seinem eigenen Leben nachzueifern.

Einen weiteren äußerst interessanten Ansatz zur Rezeption von Mythen bietet der amerikanische Psychater Eric Berne.[28]

2.4. Mythos und Märchen als Grundstruktur eines „Lebensskripts“ - die Sicht des Transaktionsanalytikers Eric Berne.

Berne entwickelt in seinem Buch „Was sagen Sie, nachdem sie „Guten Tag“ gesagt haben?“[29]

die Theorie, daß jeder Mensch bis zu seinem sechsten Lebensjahr durch verschiedene Einflußfaktoren einen unbewußten Lebensplan entwickelt, das sogenannte „Skript“, ein fortlaufender „Lebensplan“, der sich unter starkem elterlichen Einfluß in der frühen Kindheit herausgebildet hat.

Mit Hilfe dieses Skripts strukturiert er längere Zeitperioden - Monate, Jahre, aber auch ein ganzes Leben und füllt sie mit rituellen Tätigkeiten, mit Zeitvertreib aller Art und mit Spielen aus, die nicht nur eine Förderung seines Skripts bedeuten, sondern ihm gleichzeitig auch noch eine unmittelbare Befriedigung gewähren.

Berne analysiert nun, daß Menschen immer wieder Mythen und Märchen als Grundstrukturen jener eigenen Skripts verwenden.

Dieses Skript stellt jene psychologische Kraft dar,

die den Menschen seinem Schicksal zutreibt

- mag er es nun bekämpfen, oder mag er behaupten,

es handle sich um seinen eigenen freien Willen.[30]

Die Transaktionsanalytiker haben beobachtet, daß ganz augenscheinlich nicht die von den Erwachsenen geschmiedeten Pläne, sondern die in de r Kindheit getroffenen Entscheidungen letztlich bestimmend für das Schicksal eines jeden Individuums seien. Was Leute auch immer sagen oder denken, was sie mit ihrem Leben anfangen wollen, scheint doch stets, so Berne, von irgendeinem inneren Zwang angetrieben, der sich häufig ganz erheblich von dem unterscheidet,was sie in ihren Autobiographien oder Resümees über ihr Arbeitsleben als eigentliches Lebensziel angeben. Manche Menschen, die angeblich nach wahrer Liebe suchten, fanden nur Haß - und das selbst bei denen, die sie liebten. Eltern, die erklärten, sie hätten alles getan, um ihre Kinder glücklich zu machen, waren am Ende bestürzt über ihre Kinder, die rauschgiftsüchtig wurden, im Gefängnis landeten oder Selbstmord begingen. Rechtschaffene Theologiestudenten begingen plötzlich Morde oder vergingen sich an kleinen Kindern.

Allmählich wurde klar, daß dies alles dem Erwachsenen-Ich sinnlos erscheinen mußte, daß es aber für den Kindheits-Ich-Bestandteil der Persönlichkeit durchaus Sinn haben konnte. Bei ihm handelt es sich ja um jenen Bestandteil der Persönlichkeit, der Mythen und Märchen liebte und der daran glaubte, daß die Welt einstmals so gewesen sei oder doch zumindest so gewesen hätte sei können. Es war für die Transaktionsanalytiker daher nicht überraschend, herauszufinden, daß Kinder, wenn sie ihre Pläne fürs Leben entwerfen, dabei häufig dem Handlungsgerüst ihres Lieblingsmärchens bzw. ihres Lieblingsmythos folgten. Die eigentliche Überraschung bestand darin, daß diese Pläne über einen Zeitraum von zwanzig, vierzig und gar achzig Jahren hindurch durchgehalten wurden und daß sie am Ende stets die Oberhand über den sogenannten „gesunden Menschenverstand“ behielten.

Als die Transaktionsanalytiker daran gingen, das Leben von einem Selbstmord, einem Delirium tremens, einer Gefängnisstrafe und einer Scheidung aus rückwärts zu verfolgen, und dabei die gestellte „Diagnose“ einfach ignorierten, um herauszufinden, was sich in Wirklichkeit abgespielt hatte, stellte sich bald heraus, daß diese Endresultate des Lebens nahezu ausnahmslos bereits fest eingeplant waren, bevor der Betreffende sechs Jahre alt gewesen war. Alle diese Pläne bzw. Skripts hatten gewisse gemeinsame Elemente, die den sogenannten Skript-Apparat bildeten.

Der gleiche Skript-Apparat schien jedoch auch bei guten Skripts wirksam zu sein: bei schöpferischen Menschen, bei Führerpersönlichkeiten, bei Helden, bei verehrungswürdigen Großvätern, sowie bei Menschen, die in ihrem Beruf überragende Leistungen vollbracht hatten. Dieser Skript-Apparat hing damit zusammen, wie die Lebenszeit strukturiert war. Man fand nun heraus, daß es sich dabei um die gleiche „Apparatur“ handelte, wie sie zu gleichen Zwecken auch in Märchen angewandt wurde.

In solchen Geschichten wird die Programmierung mit Hilfe von Riesen, Menschenfressern, Hexen, Zauberern, Feen, dankbaren wilden Tieren und von launischen Magiern beiderlei Geschlechts bewirkt.

Im wirklichen Leben werden diese Rollen, so Berne, von den Eltern selbst übernommen.

2.4.1. Mythen und Märchen

Die erste und älteste Version des Skripts, das sogenannte Urprotokoll, bildet sich in der geistig-seelischen Vorstellungswelt des Kindes, in einer Altersphase, in der ihm außerhalb seiner unmittelbaren Familienangehörigen nur wenige Mneschen wirklich bekannt sind, heraus. Berne geht hier von der Vorstellung aus, daß die Eltern des Kindes ihm als riesige Gestalten erscheinen, die mit magischen Kräften begabt sind, ähnlich wie die Riesen und die Gorgonen aus dem Reich der antiken Mythologie.

„Wird das Kind älter und erfahrener, dann wechselt es von diesem klassischen Universum in eine mehr romantische Welt über. Es entwirft zunächst das Palimpset, d.h. die Umarbeitung des Skripts, um es mit seiner neuen Umweltauffassung in Einklang zu bringen. Unter normalen Voraussetzungen helfen ihm dabei Märchen und Tiergeschichten, die ihm zunächst von der Mutter erzählt und vorgelesen werden und die es später in seinen Mußestunden - wenn seiner Phantasie keine Grenzen gesetzt sind - selbst liest. Ihnen wohnt ein gewisser Zauber inne. Sie bieten dem Kind eine ganze Reihe von Charakteren, die ihre Rolle in seiner Phanatsievorstellung spielen: alle jene Persönlichkeiten aus dem Tierreich, die ihm entweder als warmblütige Spielgefährten vertraut sind - oder aber als flüchtige Gestalten, die es nur aus der Ferne gesehen oder gehört hat und die ihm Angst einjagen oder es faszinieren, oder gar als halbimaginäre Kreaturen mit unbekannten Fähigkeiten, die es nur vom Lesen bzw. vom Hörensagen her kennt. Vielleicht kennt das Kind das alles aber auch nur vom Fernsehschirm her, denn

in diesem Alter besitzen selbst die Werbespots eine Art Glorienschein. Selbst wenn das Kind schlimmstenfalls ohne Buch und Fernsehschirm oder sogar ohne Mutter aufwächst, malt es sich in der Phantasie seine eigenen seltsamen Tiergestalten aus.

In der ersten Phase hat es das Kind mit magischen Leuten zu tun, die sich vielleicht gelegentlich selbst in ein Tier verwandeln können.

In der zweiten Phase mißt das Kind dann den Tieren einige menschliche Charaktermerkmale bei - eine Tendenz, die bis zu einem gewissen Grad auch im Erwachsenenleben anhält, insbesondere bei Leuten, die beruflich mit Tieren zu tun haben.

In der dritten Phase, in der Zeit des Heranwachsens, überprüft das Kind sein Skript noch einmal, um es den nunmehr gegebenen Realitäten anzupassen, so wie sie sich jetzt in seiner hoffnungsfrohen Auffassung darstellen. Sie erscheinen immer noch in einem romantischen und goldenen Schimmer, manchmal sind diese Realitäten aber auch nur mit Hilfe eingenommener Drogen künstlich „vergoldet“. Im Verlauf der Jahre nähert sich der junge Mensch nun mehr und mehr der realen Wirklichkeit, d.h. der vorhandenen Wahrscheinlichkeit, daß die Menschen und die Dinge rings um ihn auf die von ihm gewünschte Weise reagieren werden.

2.4.2. Helden und Handlungen

Die späte Kindheit - das Alter zwischen sechs und zehn Jahren - wird von den Psychoanalytikern als Latenzperiode bezeichnet. Es handelt sich bei ihr um eine lokomotorische Phase, in der das Kind seine Umgebung genau untersucht.

Bisher hat es nur eine vage Vorstellung - eine Art Protokoll - davon gehabt, wie es eine Skript-Ausrüstung dazu verwenden soll, selbst ein ganz bestimmtes Lebensziel zu schaffen. Jetzt ist das Kind auch dazu bereit, sich von den Tieren, die Menschen fressen oder die sich wie Menschen aufführen, abzuwenden und sich den Menschen selbst zuzuwenden.

Ein Kind, das damit beginnt, für immer leben oder lieben zu wollen, kann dazu gebracht werden, seine Einstellung im Verlauf von fünf oder sechs Jahren zu ändern, bis es sich schließlich - was angesichts seiner begrenzten Erlebnisse und Erfahrungen durchaus angemessen erscheint - dazu entscheidet, jung zu sterben oder etwa niemals wieder das Risiko einzugehen, jemanden zu lieben. Es kann aber auch von seinen Eltern lernen, daß das Leben und die Liebe die mit ihnen verbundenen Risiken durchaus wert sind. Ist die Entscheidung erst einmal gefallen, dann weiß das Kind, wer es ist, und beginnt, die Außenwelt unter dem Gesichtspunkt „Was kann einem Menschen wie mir passieren?“ zu betrachten.

Es weiß zwar jetzt welchen Spielgewinn[31] es am Ende geben soll, aber es weiß nicht genau, was das eigentlich bedeutet, was es dabei empfinden wird und wie es in den Genuß dieses Spielgewinns gelangen soll.

Das Kind muß ein Handlungsgerüst, eine Matrix finden, in die seine ganze Skriptausrüs

tung hineinpaßt, und auch einen Helden, der ihm den Weg zum Ziel zeigen kann. Er wirft auch einen sehnsüchtigen Blick auf den Helden mit einer ähnlichen Skript-Aussattung, die unterschiedliche und dabei möglicherweise glücklichere Wege gegangen sind und hofft zugleich, einen Ausweg bzw. einen Einstieg zu finden.

Die Matrix und der Held werden ihm nun in Geschichten angeboten, die das Kind entweder selbst liest oder die ihm von einer vertrauenwürdigen Person vorgelesen oder erzählt werden: von der Mutter, der Großmutter, Kindern auf der Straße oder auch von einer eigens dafür ausgebildeten Kindergärtnerin.

(Ich erlaube mir, an dieser Stelle das Kino und das Fernsehen als Orte intensiver Begegnungen mit mythsichen Helden einzufügen)

Nach Berne erhält nun jeder Heranwachsende durch die Auseinandersetzung mit diesen Geschichten folgendes:

a) einen Helden - jemand der er selbst gern sein möchte
b) einen Schurken - jemand, den er möglicherweise als Ausrede gebrauchen könnte
c) einen Typus, von dem er weiß, daß er ihn verkörpern muß
d) ein Handlungsgerüst - eine Matrix von Ereignissen, die ihn in die Lage versetzt, vom einen auf das andere umzuschalten
e) eine Rollenbesetzung - die anderen Menschen, die für sein Umschalten das Motiv abgeben sollen, und schließlich:
f) ein Ethos - eine Reihe von ethischen Standartmaßstäben, die ihm die Rechtfertigung dafür liefern sollen, Empfindungen des Zornes, des Verletztseins, der Schuld, der Rechtschaffenheit oder des Triumphs wahrzunehmen.

Wenn die äußeren Umstände es zulassen, wird auch der Ablauf des Lebens genau seinem Lebensplan entsprechen, den er auf Grundlage seiner Skript-Ausrüstung bzw. seiner Skript-Matrix aufgestellt hat.

Für den Psychotherapeuten Berne ist es nun wichtig die Lieblingsgeschichte oder das Lieblingsmärchen seiner Patienten zu kennen, denn diese enthalten sehr oft auch das Handlungsgerüst dessen Lebensskripts - mit all seinen unerreichbaren Illusionen und vermeidbaren Tragödien.

3.„Der Monomythos“ von Joseph Campell

Kaum einem anderen Schriftsteller und Forscher ist es gelungen die Analogien in den Geschichten und Strukturen der zahlreichen Mythologien so anschaulich darzustellen wie Joseph Campell in seinem 1949 erschienenen Werk Der Heros in tausend Gestalten (engl. orig. „The Hero with a Thousand Faces“)

Joseph Campell zeigt in seinem Werk den vielschichtigen Helden, den Protagonisten unzähliger Volksmärchen, Mythen und Legenden der immer wieder verschiedene Aspekte einer gemeinsamen Geschichte verkörpert.

Zum Ausgangspunkt seiner Interpretation wird der Zusammenhang ihrer zeitlosen Symbole mit denen, die die psychoanalytische Traumdeutung entdeckte.

Jene aus Mythen und den verschiedensten Geschichten der Menschheit extrahierten Analogien bezeichnte Campell als „Monomythos“.

Mittlerweile ist Campells Bedeutung für Drehbuchautoren auf der ganzen Welt unumstritten.

Die folgenden Kapitel werden u.a. den Einfluß auf weltweit erfolgreiche Regisseure und Autoren wie George Lucas oder Steven Spielberg untersuchen.

Im Vorwort zu seinem oben genannten Buch gibt Campell seiner Hoffnung Ausdruck,

. . . daß eine vergleichbare Durchdringung des Stoffes zu dem nicht ganz verzweifelten Anliegen der Kräfte beitragen könnte, die in der Welt von heute auf eine Einigung hinarbeiten - nicht im Namen irgendeines kirchlichen oder politischen Imperiums, sondern im Sinne gegenseitigen Verstehens der Menschen. So wird uns in den Veden gesagt:

„Die Wahrheit ist eine, die Weisen sprechen von ihr in vielen Namen.“[32]

3.1. “Der Heros in tausend Gestalten“ - psychologische Betrachtungen nach ausgewählten Schwerpunkten

3.1.1. Urprung und Bedeutung mythischer Symbole

In seinem 1949 erschienen Werk „Der Heros in tausend Gestalten“ beschreibt Campell auf poetische Weise, das charakteristische Vermögen, tiefliegende schöpferische Zentren zu berühren und zu wecken, das auch dem geringsten Kindermärchen eigen ist, nicht anders, als daß „der Geruch des Ozeans in einem winzigen Tropfen oder das ganze Geheimnis des Lebens in einem Fliegenei enthalten ist“[33]

Denn die mythischen Symbole seien weder gemacht worden noch könnten sie erfunden oder dauernd unterdrückt werden. Sie sind spontane Hervorbringungen der Psyche, und jedes trägt in sich, als unbeschädigten Keim, die Kraft seines Ursprungs.

Campell beruft sich in seiner Analyse immer wieder auf die Erkenntnisse der Psychopathologie, besonders auf die Schriften von Sigmund Freud und C.G.Jung.

Die Psychoanalyse habe zwingend dargetan, daß die Logik, die Helden und die Taten des Mythos im modernen Zeitalter noch lebendig fortbestehen.

Eine wirksame, gemeinschaftliche Mythologie fehlt, aber jeder von uns hat sein privates unerkanntes , verkümmertes und doch insgeheim machtvolles „Traumpantheon“.

Was nun sind für Campell die Wurzeln für diesen Zustand ?

Die dauerhaftesten Anlagen der menschlichen Seele seien die, die sich von der Tatsache herleiten, daß der Mensch von allen Tieren am längsten bei der Mutterbrust verweilt. Die Menschen werden zu früh geboren, sie sind noch nicht fertig und bereit, es mit der Welt aufzunehmmen. So ist die Mutter ihr einziger Schutz vor einem Universum von Gefahren, und dieser Schutz bedeutet eine Verlängerung des Embryonalstadiums.[34]

Deshalb bilden das hilflose Kind und die Mutter noch Monate nach der Geburtskatastrophe eine Doppeleinheit, nicht nur körperlich, sondern auch seelisch.[35]

Jede längere Abwesenheit der Mutter erzeugt im Kind eine Spannung, die zu aggressiven Impulsen führt, und ähnlich ist es, wenn sie ihm etwas verbieten muß.So ist das erste Objekt der Liebe identisch mit dem ersten Objekt des Hasses, und das erste Ideal, das auch in späteren Vorstellungen von Segen, Wahrheit, Schönheit und Vollkommenheit noch unbewußt zugrunde liegt.

Der erste radikale Einbruch einer anderen Realitätsordnung in diese Fortsetzung des glücklichen Zustandes im Mutterschoß geht von dem unglückseligen Vater aus, der deshalb vor allem als Feind erfahren wird.

Auf ihn wird die Aggressionsladung übertragen, die ursprünglich an der „schlechten“, der abwesenden Mutter haftete, während der Wunsch nach der „guten“, der gegenwärtigen, nährenden und schützenden Mutter bei dieser selbst, wenigstens im normalen Fall verbleibt.

Diese verhängnisvolle Verteilung der infantilen Todes- und Sexualtriebe bildet die Grundlage für den heute allgemein bekannten Ödipuskomplex.

3.1.2. Begegnung mit dem Unbewußten

Nicht nur in unseren Träumen begegnen wir unseren Ängsten in den unterschiedlichsten Gestalten wieder.

Das Unbewußte sendet alle möglichen Dünste, Fratzenwesen, Schrecken und beirrenden Bilder ins Bewußtsein, im Traum, am lichten Tag oder in den Geisteskrankheiten, denn der menschliche Bereich erstreckt sich unter dem Boden der vergleichsweise heimeligen kleinen Zuflucht, die wir unser Bewußtsein nennen, in unbekannt Schächte und Höhlen, wie Aladdin eine betrat.

Dort sind nicht nur Juwelen, sondern auch böse Geister verborgen, nämlich die unbequemen und verdrängten seelischen Impulse, die wir, sei´s aus Gedankenlosigkeit oder aus Furcht, von unserem Leben abgesperrt haben.

Sie bleiben uns unbekannt, wenn nicht ein Zufall - ein Wort, der Geruch einer Landschaft, der Geschmack einer Schale Tee, ein Augenaufschlag - eine magische Quelle aufspringen läßt, die bedrohliche Boten ins Gehirn entsendet.[36]

Bedrohlich sind sie für Campell vor allem deshalb, weil sie die Sekurität, in der wir uns und unsere Familie eingesponnen haben, ins Wanken bringen.

Zugleich aber üben sie aber auch eine Faszination aus, weil sie die Schlüssel bringen, die den Weg zum ersehnten und gefürchteten Weg der Selbstentdeckung öffnen können.

Zuerst kommt die Zerstörung der Welt, die wir

uns erbaut haben und in der wir leben und damit auch unseres „selbst“, dann aber ein wunderbares Wiedersehen in einem kühneren, reineren, weiteren und ganz menschlichen Leben.

„- das ist die Lockung, das Versprechen und die Drohung dieser verstörenden Boten aus dem nächtigen Reich des Mythologischen in uns.[37]

Campell sieht in der Psychoanalyse, der „zur Wissenschaft gewordenen Traumdeutung“ die Möglichkeit zur Bewältigung dieser unwirklichen Bilder.

Man läßt die gefährlichen Entwicklungskrisen unter dem schützenden Auge eines Führers, der im Reich der Träume und in ihrer Sprache bewandert ist, zum Vorschein kommen.

Der Analytiker übernimmt so die Rolle und den Charakter des alten Mystagogen, des Seelenführers. Seine Funktion ist genau die des weisen Alten der Mythen und Märchen, dessen Worte dem Helden in den Prüfungen und Schrecken seiner unheimlichen Fahrt beistehen.

3.1.3. Der Übergangsritus

Auch die Riten der primitiven Stämme und alten Hochkulturen haben den Zweck und die Wirkung, den Menschen über jene schwierigen Lebensschwellen hinwegzuhelfen, bei deren Passieren eine Strukturveränderung nicht nur des bewußten, sondern auch des unbewußten Lebens zu vollziehen ist.

Die Übergangsriten - die Zeremonien bei der Geburt, Namensgebung, Pubertät, Hochzeit, Bestattung -, die im Leben der primitiven Gruppen eine so wichtige Rolle spielen, zeichnen sich aus durch förmliche und meist sehr harte Trennungsexerzitien, die den Geist mit der Wurzel von den Attitüden, Bindungen und Lebensgewohnheiten des beendeten Stadiums losreißt.

Ihnen folgt eine kürzere oder längere Phase der Zurückgezogenheit, ausgefüllt mit Riten, die den Kandidaten in den Formen und Gefühlen einüben sollen, die seiner neuen Rolle angemessen sind, so daß er, wen

Un schließlich die Zeit zur Rückkehr ins profane Leben herangereift ist, so gut wie neugeboren in dieses eintritt, denn „immer hatten Mythen und Riten vor allem die Funktion, die Symbole zu liefern, die den Menschen vorwärtstragen, und den anderen, ebenso konstanten Phantasiebildern

entgegenzuwirken, die ihn an die Vergangenheit ketten wollen.[38]

3.1.4 Der Mythos als Heilungskraft

Campell vermutet, daß die große Häufigkeit der Neurosen in unserer Kultur ihren Grund im Verfall jener mythologischen Instanzen hat, die dem Individuum wirksam den Rücken stärkten.

Offenbar enthalten die Initiationsbilder der Seele so Notwendiges, daß sie in einer Welt, die sie nicht von außen durch Mythos und Ritual, heranträgt, wieder von innen, durch den Traum, bemerkbar gemacht werden müssen.

Wir bleiben sonst an den unbewältigten Fixierungen unserer Kindheit h

wängen und sträuben uns deshalb gegen die Verwandlungen, die das Heranwachsen notwendig macht.[39]

3.1.5. Die Figur des tyrannischen Ungeheuers

Die Figur des tyrannischen Ungeheuers ist allen Mythen, Sagen, Legenden und selbst Angstträumen der Welt geläufig, und im wesentlichen sind ihre Züge überall gleich.

Der Tyrann ist der, der den Reichtum des Ganzen an sich rafft, der gierig auf Besitzrechte aus ist.

Die Verheerung, die er anrichtet, ist nach den Mythen und Märchen absolut, soweit seine Macht reicht, handle es sich nun nur um seinen Haushalt, seine eigene gequälte Seele, oder um eine ganze Kultur.

Das aufgeblähte Ich des Tyrannen ist Fluch für ihn selbst und die Welt, gleichgültig, wie seine Geschäfte zu gedeihen scheinen..

Terrorisiert von sich selber, gehetzt von Furcht und immer auf dem Sprung, erwartete Aggressionen zurückzuschlagen, die doch nur Spiegelungen seine

ur eigenen unkontrollierbaren Raffsucht sind, ist der Gigant in seiner usurpierten Unabhängigkeit Sendbote des Weltunheils auch dann, wenn er glaubt nur humane Absichten zu verfolgen.

3.1.6. Der erlösende Held

Wohin der Tyrann auch seine Hand ausstreckt, schreit es auf,

wenn nicht in den Straßen, dann, schlimmer, in jedem Herzen,

und der Schrei gilt dem erlösenden Helden,

dem Träger des leuchtenden Schwertes, dessen Hieb,

Berührung oder Existenz das Land befreien soll.

Der Held ist der, der in Freiheit sich beugt.

Worunter aber, das ist gerade die Rätselfrage, die wir uns

heute zu stellen haben.[40]

Und Campell beantwortet diese Frage :

Nur Geburt könne den Tod überwinden - Geburt freilich nicht nochmals der alten Verhältnisse, sondern eines Neuen.

In der Seele so gut wie in der Gesellschaft kann nur eine

unaufhörliche Kette von Wiedergeburten des unablässig

wiederkehrenden Todes Herr werden.

Denn ohne Wiedergeburt sind es die Siege selber, durch welche

die Nemesis vollstreckt wird. Vernichtung kann gerade aus dem

sich ergeben, was unsere eigentliche Kraft ausmacht.

Gleicherweise zu Falle werden dann Frieden und Krieg,

Wechsel und Beharren.

Wenn unser Tag gekommen ist für den Sieg des Todes,

kehrt der Tod ein, und wir können nichts tun als uns kreuzigen

lassen, um wiederaufzuerstehen, uns zerstückeln zu lassen,

um wiedergeboren zu werden.[41]

Vielleicht ist es ein Held von Außen, wie etwa Theseus, der Held, der den Minotaurus erschlug. Er betrat Kreta als Symbol und Arm der aufsteigenden Zivilisation der Griechen, des Neuen und Lebendigen.

Aber das Prinzip der Regeneration kann auch innerhalb der Mauern des Tyrannenreiches gesucht und gefunden werden.

3.1.7. Weiterentwicklung durch Ablösung oder Abkehr von der äußeren Welt:

Der erste Schritt zu dieser „Transfiguration“, durch welche die höhe

re geistige Dimension erreicht werden stellt sich in eine Ablösung oder Abkehr dar.

Sie besteht :

- in einer vorbehaltlosen Verschiebung des Interesses

von der äußeren auf die innere Welt,

vom Makrokosmos zum Mikrokosmos,

in einem Rückzug aus den Verzweiflungen der Wüste draußen

in den inneren Bereich ewigen Friedens.

Aber dieser Bereich ist, wie wir aus der Psychoanalyse wissen, eben das infantile Unbewußte, der Bereich, in den wir im Schlaf eintauchen und den wir immer in uns tragen.

„Alle Ungeheuer und geheimen Helfer unserer Kindheit,

deren ganze Magie, sind darin zu Hause und außerdem,

was noch wichtiger ist, alle die Lebenskräfte, die wir nie zur Verwirklichung im erwachsenen Laben haben bringen können,

jene anderen Teile unseres Selbst;

Denn diese goldene Saat stirbt nicht ab.

Wenn nur ein Zipfel dieser verlorenen Totalität ans Licht

des Tages gehoben werden könnte, würden wir eine wunderbare Ausweitung unsere Kräfte und frische Erneuerung des Lebens erfahren, und unsere innere Statur würde riesenhaft.“[42]

Die erste Tat des Helden ist es nun, sich vom Schauplatz der Erscheinungen, der offen zutage liegenden Wirkungen zurückzuziehen und die ursächlichen Zonen der Seele aufzusuchen, wo die wahren Schwierigkeiten liegen, um dort die Hemmnisse aufzuklären und bei sich selbst, durch Bekäpfung der „Ammendämonen“ seiner lokalen Kultur, zu überwinden und schließlich zur unentstellten, direkten Erfahrung und Aneignung dessen durchzubrechen, was C.G.Jung die „Archetypen“ genannt hat.

Diese „Ewigen des Traums“ sind nicht zu verwechseln mit den je nach der Person modifizierten symbolischen Figuren, die dem Individuum, das noch nicht zu den Archetypen vorgedrungen ist, in Alpträumen oder im Wahnsinn erscheinen.

3.1.8. Der Traum als verpersönlichter Mythos

Der Traum ist verpersönlichter Mythos, der Mythos entpersönlichter Traum -

und beide sind auf gleiche Weise symbolisch für die Dynamik der Psyche.

Aber während im Traum die besonderen Konflikte und Schwierigkeiten des Träumenden die Formen verzerren, sind die Probleme und Lösungen, die der Mythos zeigt, für die ganze Menschheit unmittelbar gültig.

Der Held ist nun jener Mensch, Mann oder Frau, der fähig war, sich über seine persönlichen oder örtlich-historischen Grenzen zu den allgemeingültigen eigentlich menschlichen Formen hinauszukämpfen.Seine Visionen, Ideen und Eingebungen kommen unverdorben von den Urquellen menschlichen Lebens und Denkens.

Als Mensch der Gegenwart ist der Held gestorben, als Mensch des Ewigen, als vollkommen gewordener, nicht auf Partikularitäten festgelegter, universaler Mensch wird er wiedergeboren.

Seine zweite heilige Aufgabe ist deshalb verwandelt zu uns zurückzukehren und die Lehre vom erneuerten Leben, die er gelernt hat, weiterzugeben.

3.2. Die Struktur des „Monomythos“ -

Die mythische Abenteuerfahrt des Helden

Campell zeichnet eine Formel, die er als eigentlichen Kern des Monomythos bezeichnet:

Trennung - Initiation - Rückkehr

Der Heros verläßt die Welt des gemeinen Tages

und sucht einen Bereich übernatürlicher Wunder auf,

besteht dort fabelartige Mächte und erringt

einen entscheidenden Sieg,

dann kehrt er mit der Kraft, seine Mitmenschen

mit Segnungen zu versehen,

von seiner geheimniserfüllten Fahrt

zurück.[43]

Als mythologische Beispiele seien etwa die Geschichten von Prometheus, der den Himmel erstieg, bei den Göttern das Feuer stahl und wieder hinab stieg, genannt,

oder etwa Jason, der die Klippen, die über dem Eindringling zusammenschlugen, durchschiffte, in ein Meer voller Wunder geriet, den Drachen umschlich, der das goldene Vlies bewachte, und schließlich mit dem Vlies und der Kraft, den ihm rechtmäßig zustehenden Thron dem Usurpator abzunehmen, zurückkehrte.

Aeneas stieg hinab in die Unterwelt, überquerte den schrecklichen Totenfluß, warf dem dreiköpfigen Wachhund Zerberus einen Bissen hin, der ihn beschwichtigte, und sprach schließlich mit dem Schatten des toten Vaters. Alle Dinge wurden ihm offenbart: das Schicksal der Seelen, das Schicksal Roms „und auf welche Weise er jede Last vermeiden oder ertragen könne“[44]

Durch das Elfenbeintor kehrte er dann zu seiner Aufgabe in der Welt zurück.

Großartige Darstellungen der Schwierigkeiten, die der Heros zu bewältigen hat, und der hohen Bedeutung, die seine Aufgabe gewinnt, wenn sie tief genug begriffen und ernsthaft unternommen wird, bietet die Legende vom großen Kampf des Buddha oder finden wir im Alten Testament von den Taten des Moses.

Die Abenteuerfahrt des Helden - sei sie nun dargestellt in den weiten, fast ozeanischen Bildern des Ostens, in den kraftvollen sagen der Griechen oder in den majestätischen Legenden der Bibel - folgt dem Schema der oben beschriebenen Kerneinheit:

Trennung von der Welt - Durchkämpfen zu einer Quelle übernatürlicher Kräfte - und lebenbringende Rückkehr.

Das ganze Abendland ist gesegnet worden durch die Gnade die Gautama Buddha zurückbrachte, durch seine wunderbare Lehre vom gut

en Gesetz, und so ist das Abendland vom Dekalog des Moses.

Die Griechen schrieben die Wohltat des Feuers, der ersten Stütze menschlicher Kultur, der weltübersteigenden Tat ihres Prometheus zu, und die Römer die Gründung ihrer weltbestimmenden Stadt dem Aeneas, nachdem er das gefallene Troja verlassen und das unheimliche Totenreich besucht hatte.

Überall, gleich in welcher Sphäre, sei es die der Religion, der Politik oder persönlicher Interessen, erscheinen die wirklich schöpferischen Taten als Folge dessen, was man „der Welt absterben“ genannt hat.

[...]


[1] Campell, Joseph: Der Heros in tausend Gestalten,Suhrkamp Taschenbuch Verlag, New York1978

[2] a.a.O.

[3] nach Seger ,Linda: Making a Good Script Great, Samuel French Trade, Hollywood, CA1991

[4] Seger, Linda: Making a Good Script Great, Samuel French Trade, Hollywood, CA 1991,Seite 136

[5] Hant, Peter: Das Drehbuch, Felicitas Hübner Verlag, Waldeck1992, Seite 130

[6] ebd.

[7] Hant, Peter: Das Drehbuch, Felicitas Hübner Verlag, Waldeck, 1992, Seite 132

[8] ebd.

[9] Henderson ,Joseph L.: Der Mensch und seine Symbole, Walter Verlag, Solothurn und Düsseldorf1995,14. Sonderauflage, Seite112

[10] Jenkins, Gerry: Empire Building, Simon & Schuster, London1997

[11] Eliade schreibt dazu: „Es ist nicht zu leugnen, daß Prüfungen und Abenteuer der Helden und Heldinnen im Märchen fast immer in Initiationsbegriffe umgesetzt sind. Dies erscheint mir nun äußerst wichtig: Von der so schwer zubestimmenden Zeit an, in der die Märchen als solche Gestalt annahmen, haben die Menschen - primitive und zivilisierte gleichermaßen - ihnen mit unendlichem Vergnügen immer und immer wieder gelauscht. Dies bedeutet, daß Initiationsszenerien - auch wenn sie, wie im Märchen getarnt sind - Ausdruck jenes Seelendramas sind, das einem tiefen Bedürfnis des Menschen entgegenkommt. Jeder Mensch möchte gewisse gefährliche Situationen erleben, außergewöhnliche Prüfungen bestehen, den Weg in die andere Welt finden - das alles erfährt er auf der Ebene seines imaginativen Lebens beim Hören oder Lesen von Menschen.“

Mircea, Eliade: Birth and Rebirth, Harper and Brothers, New York1958

[12] nach Bettelheim, Bruno: Kinder brauchen Märchen, Deutscher Taschenbuch Verlag, München199)

[13] Jung, C.G. : Der Mensch und seine Symbole, , Walter Verlag, Solothurn und Düsseldorf1968,

Seite 48f

[14] Als Beispiel nennt Jung etwa die Träume von Menschen, die unrealistische Ideen oder eine zu hohe Meinung von sich haben oder allzugroße Pläne machen, die außerhalb ihrer Möglichkeiten liegen. Solche Menschen träumen oft vom Fallen oder Fliegen. Der Traum kompensiert die Mängel ihrer Persönlichkeit und warnt sie gleichzeitig vor den Gefahren ihres gegenwärtigen Kurses. Werden die Warnungen des Traumes nicht beachtet, könnten daraufhin wirkliche Unfälle die Folge sein.

nach: Jung C.G. Der Mensch und seine Symbole, Seite 50, Walter Verlag, Solothurn und Düsseldorf, 1968

[15] nach: Jung, C.G.: Der Mensch und seine Symbole, Walter Verlag, Solothurn und Düsseldorf1968,

Seite 89

[16] Bettelheim, Bruno: Kinder brauchen Märchen, Deutscher Taschenbuch Verlag, München1995,

Seite 45

[17] C.G.Jung bezeichnet als das „kollektive Unbewußte“ jenen Teil der Psyche, der von einem persönlichen Unbewußten dadurch negativ unterschieden werden kann, daß er seine Existenz nicht persönlicher Erfahrung verdankt und daher keine persönliche Erwerbung ist.

Während das persönliche Unbewußte wesentlich aus Inhalten besteht, die zu einer Zeit bewußt waren, aus dem Bewußtsein jedoch entschwunden sind, indem sie entweder vergessen oder verdrängt wurden, waren die Inhalte des kollektiven Unbewußten nie im Bewußtsein und wurden somit nie individuell erworben, sondern verdanken ihr Dasein ausschließlich der Vererbung.

Im Unterschied zur persönlichen Natur der bewußten Psyche gibt es also ein zweites psychisches System, von kollektivem, nicht-persönlichem Charakter, neben unserem Bewußtsein, das seinerseits durchaus persönlicher Natur ist und das wir - selbst wenn wir das persönliche Unbewußte als Anhängsel hinzufügen - für die ei

nzig erfahrbare Psyche halten.

Das kollektive Unbewußte entwickelt sich nicht individuell, sondern wird ererbt. Es besteht aus präexistenten Formen, Archetypen, die erst sekundär bewußt werden können und den Inhalten des festumrissene Form verleihen.

Das kollektive Unbewußte ist in allen Menschen sich selbst identisch und bildet damit eine in jedermann vorhandene, allgemeine seelische Grundlage überpersönlicher Natur.

Seelische Existenz wird nur erkannt am Vorhandensein bewußtseinsfähiger Inhalte. Wir können darum nur insofern von einem Unbewußten sprechen, als wir Inhalte desselben nachzuweisen vermögen. Die Inhalte des persönlichen Unbewußten sind in der Hauptsache die sogenannten gefühlsbetonten Komplexe, welche die persönliche Intimität des seelischen Lebens ausmachen.

Die Inhalte des kollektiven Unbewußten dagegen sind die sogenannten Archetypen. ( Jung C.G., „Über die Archtypen im kollektiven Unbewußten“, dtv., 1934

[18] nach: Bettelheim, Bruno: Kinder brauchen Märchen, Deutscher Taschenbuch Verlag, München1995, Seite 46

[19] Graves, Robert: New Larousse Encyclopedia of Mythologie, Hamlyn Publishing, London 1950

[20] Rezeptionsgeschichte nach WILLIS, Roy: Mythologie, Bertelsmann Lexikon Verlag,

Gütersloh / München1994

[21] Radin stellte vier Perioden in der Entwicklung des Heldenmythos fest. Er nannte sie die Trickster-, die Hasen-, die Rothorn- und die Zwillings-Periode. Er erkannte richtig die Psychologie dieser Entwicklung, als er sagte:“Sie zeigt unsere Anstrengung, mit dem Problem des Heranwachsens fertig zu werden, unterstützt von der Illusion einer großen Dichtung“

Die Trickster-Periode entspricht dem frühesten und am wenigsten entwickelten Lebensabschnitt. Der Trickster ist eine Figur, deren körperliche Begierden für sein Verhalten bestimmend sind; er hat die Mentalität eines Kindes. Er ist grausam, zynisch und gefühllos. (Unsere Geschichten von Brer Rabbit oder Reineke Fuchs enthalten noch Wesentliches vom Trickster-Mythos.) Diese

Figur, die anfangs die Gestalt eines Tieres hat, vollführt eine mutwillige Tat nach der anderen. Aber während sie das tut, verändert sie sich allmählich. Am Ende seines wüsten Teribens beginnt der Trickster das physische Äußere eines erwachsenen Mannes anzunehmen.

Die nächste Figur ist der Hase (...) Wie der Trickster erscheint auch er zunächst in Tiergestalt. Er hat noch nicht die reife menschliche Statur erreicht, aber trotzdem erscheint er als der Begründer der menschlchen Kultur - der Umformer. (...) Diese archetypische Figur zeigt einen deutlichen Fortschritt gegenüber dem Trickster: Man sieht, wie der Hase ein gesellschaftliches Wesen wird, das die instinktiven und infantilen Impulse, die sich beim Trickster finden, korrigiert.

Rothorn, der dritte in dieser Reihe von Heldenfiguren, ist angeblich der jüngste von zehn Brüdern. Er entspricht den Anforderungen, die man an einen Helden stellt, indem er gewisse Prüfungen besteht: Er gewinnt einen Wettlauf und bewährt sich im Kampf. Seine übermenschlcihe Kraf

t zeigt sich in der Fähigkeit, Riesen durch List zu bezwingen (bei einem Würfelspiel) oder durch Stärke (in einem Ringkampf). Er hat einen mächtigen Gefährten in Gestalt eines Vogels mit dem Namen „Stürmt-wenn-er-geht“, dessen Stärke jede von Rothorns etwaigen Schwächen ausgleicht. Mit Rothorn haben wir die Welt des Menschen, wenn auch noch eine archaische Welt erreicht, in der die Hilfe übermenschlicher Kräfte oder Schutzgötter benötigt werden, um den Sieg des Menschen über die ihn bedrängenden bösen Mächte zu sichern. Gegen Ende der Geschichte verschwindet der gottähnliche Held und läßt Rothorn mit seinen Söhnen auf der Erde zurück. Die Gefahr, die das Glück und die Sicherheit des Menschen bedroht, kommt jetzt von diesem selbst.

Dieses grundlegende Thema (das in der letzten Periode, der der Zwillinge wiederholt wird) wirft die Frage auf: Wie lange können Menschen glücklich sein, ohne dem eigenen Stolz oder, mythologisch gesprochen, der Eifersucht der Götter zum Opfer zu fallen?

Obgleich man die Zwillinge fü

r Söhne der Sonne hält, sind sie menschlicher Natur und bilden zusammen ein einziges Wesen. Ursprünglich im Mutterschoß vereinigt, wurden sie bei der Geburt getrennt. Doch sie gehören zusammen und es ist notwendig, wenn auch äußerst schwierig, sie wieder zu vereinen. In diesen zwei Kindern sehen wir die beiden Seiten der menschlichen Natur. Das eine, „Fleisch“, ist sanft, ergeben und ohne Initiative; das andere, „Stab“, ist dynamisch und rebellisch.

In manchen der Zwillingsheldengeschichten sind diese Verhalt

hensweisen so verfeinert, daß eine Figur den Introvertierten repäsentiert, der eine besondere Reflexionsfähigkeit hat, während der andere extravertiert ist, ein Tatmensch, der Grosses vollbringt.

Lange Zeit sind diese beiden Helden unbesieglich: Ob sie als getrennte Figuren oder als zwei Gestalten in einer dargestellt werden, die besiegen alle. Aber wie die Kriegsgötter in der Mythologie der Navaho-Indianer erkranken sie schließlich am Mißbrauch ihrer Macht. (...) Obwohl die Zwillinge gesündigte hatten und ihre Strafe der Tod sein sollte, bekamen sie selbst so große Angst vor ihrer Macht, daß sie sich gemeinsam entschlossen in einem dauernden Ruhezustand zu leben: Damit waren die widerstreitenden Seiten der menschlichen Natur wieder im Gleichgewicht.

( Henderson, Joseph L.: Der Mensch und seine Symbole, Walter Verlag, Solothurn und Düsseldor 1995, Seite112 )

[22] Campell, Joseph: Der Heros in tausend Gestalten, Suhrkamp Taschenbuch, Copyright S.Fischer verlag, Frankfurt am Main1953, Seite 36

[23] nachWillis, Roy: Mythologie, Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh / München1994

[24] etwa

Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern“ oder „Der standhafte Zinnsoldat“ von Hans Christian Andersen, die beide tragisch enden.

[25] siehe dazu auch Kapitel 4.1. Katharsis

[26] Bettelheim, Bruno: Kinder brauchen Märchen, Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart1977, Seite 49

[27] „Die psychosozialen Krisen des Heranwachsens sind zwar im Märchen phantasievoll ausgeschmückt und symbolisch dargestellt als Begegnungen mit Feen, Hexen, wilden Tieren oder Wesen von übermenschlicher Klugheit und Schlauheit, aber daß der Held trotz seiner seltsamen Erlebnisse ein Mensch ist und bleibt, wird durch den Hinweis darauf, daß er sterben muß wie wir alle, unterstrichen. Was ihm auch zustößt - es macht ihn nicht zum Übermenschen wie den mythischen Helden. Dieses reale Menschsein vermittelt dem Ki

nd die Überzeugung, daß Märchen, welches auch sein Inhalt sei, nichts anderes als die phantasievolle Ausschmückung und Übertreibung der vor ihm stehenden Aufgaben wie auch seiner Hoffnungen und Befürchtungen ist. Obwahl das Märchen phantastische Symbolbilder für die Lösung von Problemen bringt, sind die dargestellten Probleme selbst doch ganz gewöhnlich: Ein Kind leidet unter der Eigersucht und Mißgunst seiner Geschwister wie Aschenputtel; ein Kind wird von seinen Eltern als unfähig angesehen wie in so vielen Märchen. (...) Der Märchenheld erringt den Sieg über diese Probleme hier auf der Erde und nicht erst im Himmel.“ (Bettelheim, Bruno: Kinder brauchen Märchen, Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart1977, Seite 49f)

Eric Berne (1910-1970) ist als Begründer der Transaktionsanalyse, die er in seinem weltweiten Bestseller Games People Play (Spiele der Erwachsenen)darlegt, international bekannt geworden.

[28] Berne, Eric: Was sagen Sie, nachdem Sie“Guten Tag“ gesagt haben?, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main1983

[29] Berne, Eric: Was sagen Sie, nachdem Sie“Guten Tag“ gesagt haben?, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main1983

[30] Berne, Eric: Was sagen Sie, nachdem Sie“Guten Tag“ gesagt haben?, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main1983

[31] Spielgewinn (Lohn): Das entgültige Schicksal, das den Abschluß eines Lebensplanes bezeichnet.

[32] Canpell, Joseph: Der Heros in tausend Gestalten, Suhrkamp Taschenbuch 424, Baden-Baden1978

[33] ebd.

[34] Róheim, Géza: The Origin and Function of Culture, Nervous and Mental Disease Monographs,

New York1943

[35] D.T. Burlingham: Die Einfühlung des Kleinkindes in die Mutter

[36] Canpell, Joseph: Der Heros in tausend Gestalten, Suhrkamp Taschenbuch 424, Baden-Baden1978

[37] ebd.

[38] ebd.

[39] Anmerkung: Am Augescheinlichsten tritt diese Verkehrung wohl in dem Jugendkult zutage, der uns in allen Tempeln der Medien gepredigt wird.

Ein humorvolles Filmbeispiel für diesen Kult, des niemals Altern wollens, bietet die rabenschwarze Komödie Death becomes her (Der Tod steht ihr gut) von Robert Zemeckis, in der sich zwei Frauen dank eines Zaubertrankes ein Duell der ewigen Jugend und Schönheit bieten.

[40] Campell ,Joseph: Der Heros in tausend Gestalten, Suhrkamp Taschenbuch 424, Baden-Baden1978

[41] ebd.

[42] Campell, Joseph: Der Heros in tausend Gestalten, Suhrkamp Taschenbuch 424, Baden-Baden1978,

Seite 25

[43] Campell, Joseph: Der Heros in tausend Gestalten, Suhrkamp Taschenbuch 424, Baden-Baden1978

[44] Vergil, Aeneis VI, 892

Excerpt out of 128 pages

Details

Title
Film und Mythos
College
University of Vienna  (Theaterwissenschaft Wien)
Grade
gut
Author
Year
1999
Pages
128
Catalog Number
V727
ISBN (eBook)
9783638104784
ISBN (Book)
9783656759881
File size
964 KB
Language
German
Notes
Ein strukturanalytischer Vergleich zwischen Mythen und Spielfilmdrehbüchern (Joseph Campell Hero with a thousand faces , Syd Field, Christopher Vogler, Linda Seeger, Peter Hant etc. im Vergleich)
Keywords
Film, Drehbuch, Mythen, Spielfilm, Identifikationsmechanismen
Quote paper
Catharina Roland (Author), 1999, Film und Mythos, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/727

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Title: Film und Mythos



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