Vergleich des monetären Transmissionsmechanismus des Eurogebietes mit dem der USA sowie die Konsequenzen für die Geldpolitik


Diploma Thesis, 2002

79 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Grundlegung der Arbeit
1.1 Problemstellung
1.2 Aufbau der Arbeit

2 Strategien und Instrumente der Zentralbanken
2.1 Geldpolitik und der Transmissionsmechanismus
2.2 Geldpolitische Strategien der Zentralbanken
2.2.1 Zentralbanken auf der Suche nach einer optimalen Strategie
2.2.2 Geldpolitische Strategie der Europäischen Zentralbank
2.2.3 Geldpolitische Strategie des Federal Reserve Systems
2.3 Mechanische Geldpolitik
2.4 Instrumentarien und Geldmarktsteuerung der EZB
2.5 Instrumentarien und Geldmarktsteuerung des FED
2.6 Zinsen oder Geldmenge? Steuerungsgröße der Transmission

3 Transmissionskanäle
3.1 Grundlagen des Transmissionsmechanismus´
3.2 Interdependenzen auf den Finanzmärkten
3.2.1 Geldmarkt- und Kapitalmarktzinsen
3.2.2 Korrelation der Bankkredit- und Bankguthabenzinsen
3.2.3 Reaktion des Aktienmarktes
3.3 Wechselkurseffekt
3.4 Zinskanal
3.4.1 Monetaristisches Konzept
3.4.2 Portfoliotheoretisches Konzept
3.4.3 Kapitalkosteneffekte
3.4.4 Vermögenseffekte
3.4.5 Einkommenseffekte
3.5 Kreditkanal
3.5.1 Bankenkanal
3.5.2 Bilanzkanal
3.5.3 Empirische Relevanz des Kreditkanals
3.5.4 „Trade Credit Channel“

4 Realwirtschaftliche Auswirkungen und Reaktionen der Preise
4.1 Auswirkung auf das BIP
4.2 Beschäftigungswirkung
4.3 Inflationswirkung
4.4 Transmissionsmechanismus anhand von VAR-Modelle

5 Fazit

Anhang

Taylor Regel

Graphiken

Literaturverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Durchschnittliche Korrelationen der Bankzinsen mit Geldmarktzinsen innerhalb von drei Monaten

Tabelle 2: Schuldverschreibungen und Bankkredite

Tabelle 3: Finanzvermögen der privaten Haushalte und

Börsenkapitalisierung

Tabelle 4: Kurzfristige Anlagen und Kredite

Tabelle 5: Nachweise der Kreditkanaleffekte im Eurogebiet

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Reaktion der Kreditzinsen auf eine Zinsänderung von 100 Basispunkten

Abb. 2: Monetärer Transmissionsmechanismus - Darstellung der im Vergleich stärkeren Wirkungsintensitäten in den USA ($$) und im Eurogebiet (€€)

Abb. 3: Prozentuale Veränderung des realen BIP und der Arbeitslosenquote gegenüber dem Vorjahr im Eurogebiet und den USA

Abb. 4: Geldmengenwachstum von M3 um ein Jahr nach vorne versetzt und Preisentwicklung im Eurogebiet

Abb. 5: Geldmengenwachstum von M3 um ein Jahr nach vorne versetzt und Preisentwicklung in den USA

Abb. 6: Reaktion des realen BIP und der Verbraucherpreise nach einem geldpolitischen Schock im Eurogebiet

Abb. 7: Reaktion des realen BIP und der Verbraucherpreise nach einem geldpolitischen Schock in den USA

Abb. 8: CPI und Zinssatz der zehnjährigen Treasury Bills der USA

Abb. 9: Reaktion des realen BIP und der Verbraucherpreise nach einem geldpolitischen Schock in Frankreich

Abb. 10: Reaktion des realen BIP und der Verbraucherpreise nach einem geldpolitischen Schock in Deutschland

Abb. 11: Reaktion des realen BIP und der Verbraucherpreise nach einem geldpolitischen Schock in Italien

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Grundlegung der Arbeit

1.1 Problemstellung

In der vorliegenden Arbeit werden anhand des monetären Transmissionsmechanismus´ Unterschiede in der Transmission geldpolitischer Maßnahmen im Eurogebiet und den USA untersucht. Dabei findet eine Prüfung der Hypothese statt, inwieweit die Unterschiede der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank und des Federal Reserve Systems auf verschiedene monetäre Transmissionsmechanismen zurückzuführen sind. Wenn die Transmission geldpolitischer Effekte im Eurogebiet genauso verliefe wie in den USA, dann bestände theoretisch kein Bedarf an unterschiedlicher Zentralbankpolitik der EZB und der FED.

Verschiedene Wege sind für eine Übertragung monetärer Impulse auf die Volkswirtschaft verantwortlich. Als monetärer Transmissionsmechanismus wird die Kombination der einzelnen Kanäle bezeichnet, wobei das Wissen oder auch Unkenntnisse über deren Wirkung, die Strategien von Zentralbanken bilden sollten.

Es setzt sich zunehmend die Meinung durch, dass geldpolitische Maßnahmen langfristig keinen Einfluss auf reale Variablen haben, sondern lediglich das Preisniveau verändern. Andererseits sind sich weder die Politik noch die Volkswirte darüber einig, wie monetäre Impulse genau auf das Preisniveau übertragen werden oder wie sich kurz- bis mittelfristig reale Variablen verändern. Die Schwierigkeit besteht darin, die einzelnen Kanäle in ihrer Wirkungsweise der geldpolitischen Maßnahmen von Einflüssen externer Faktoren zu bereinigen. Solche externen Faktoren, wie Angebots- oder Nachfrageschocks, technischer Fortschritt oder struktureller Wandel können Zentralbankmaßnahmen überlagern, und es fällt schwer, diese herauszufiltern, um isoliert die Wirkung der Geldpolitik auf verschiedene Variablen zu analysieren. Erschwerend kommt hinzu, dass der reale Wirtschaftssektor erst mit Verzögerung auf monetäre Maßnahmen reagiert, was eine zukunftsgerichtete Geldpolitik unabdingbar macht.

Großbritannien wird in dieser Analyse nur am Rande betrachtet; die Arbeit legt den Fokus vor allem auf die aktuellen EWU Mitglieder, um das derzeitige Euro-Währungsgebiet mit den USA zu vergleichen. Der Eurobeitritt Großbritanniens unterliegt noch großen Unsicherheiten. Wichtiger Stichtag für Großbritannien ist der Juni 2003, dann möchte die Regierung festlegen, ob das Volk zu einem Referendum über den Eurobeitritt aufgerufen werden soll. Die regierende Labor Partei, unter Führung von Tony Blair, hofft damit, Großbritannien bis 2006 in den Euro geführt zu haben.[1]

1.2 Aufbau der Arbeit

Im Kapitel 2 findet eine historische Einordnung der aktuellen Strategie von EZB und FED statt sowie eine explizite Erläuterung dieser Strategien und der Anwendungen der ihnen zur Verfügung stehenden geldpolitischen Instrumente. Kapitel 3 ist vollständig den verschiedenen Transmissionskanälen gewidmet, wobei anhand realwirtschaftlicher Daten sowie mit Hilfe von Studien unterschiedliche Wirkungsintensitäten dieser Kanäle in beiden Währungsräumen herausgestellt werden. Eine Zusammenfassung dieser Ergebnisse erfolgt in Kapitel 4. Dort werden die realwirtschaftlichen Einflüsse der geldpolitischen Maßnahmen und Preisreaktionen der USA und des Eurogebiets gegenüber gestellt. Kapitel 5 vergleicht schließlich die gewonnenen Ergebnisse mit den Strategien der beiden Zentralbanken, und es werden Überlegungen angestellt, in wie weit die Effektivität der Geldpolitik gesteigert werden könnte.

2 Strategien und Instrumente der Zentralbanken

Im ersten Teil dieses Kapitels werden die Strategien der Zentralbanken sowie ihre Grundlagen vorgestellt. In einem zweiten Teil ab Kapitel 2.4 findet der Übergang von der Geldpolitik zu den Transmissionskanälen statt. Denn mit den ihr verfügbaren geldpolitischen Instrumenten wird eine Zentralbank am Geldmarkt aktiv und löst damit eine Kettenreaktion aus, die sich in den Transmissionseffekten von Kapitel 3 niederschlagen.

2.1 Geldpolitik und der Transmissionsmechanismus

Der Fiskalpolitik wird oft vorgeworfen, zu wenig direkten Einfluss auf die Konjunktur auszuüben, da sie einerseits meist durch Haushaltsdefizite - eine Ausnahme bildet hier die USA der Jahre 1999 und 2000 - blockiert ist und andererseits nur sehr träge und langsam reagieren könne. Geldpolitik ist ein machtvolles Instrument, aber ob sie z. B. verfehlter Wirtschaftspolitik entgegenwirken oder sogar zum Teil staatliche Wirtschaftspolitik ersetzen kann, ist sehr fraglich. Der Einfluss der Geldpolitik auf die Inflationsentwicklung wird jedoch nicht bestritten, obwohl Unsicherheiten bzgl. der genauen Wirkung monetärer Maßnahmen auf die Preise und bzgl. des richtigen Zeithorizonts der Geldpolitik vorherrschen. Das heißt, das Wissen über die zeitlichen Verzögerungen zwischen Einsatz des geldpolitischen Instruments und dessen Wirkung, also das Wissen über sogenannte „time lags“ und das Ausmaß der Wirkungen dieser Maßnahmen, ist für einen gezielten, erfolgversprechenden Einsatz geldpolitischer Instrumente unabdingbar. Heute ist allgemein die Meinung akzeptiert, dass Geldpolitik langfristig keine realen Faktoren beeinflussen kann; die Wirkung liegt vielmehr darin, kurz- bis mittelfristig reale Variablen zu beeinflussen. Langfristig werden meist nur nominale Variablen verändert, was auch der Auffassung des FED entspricht: “The view that, in the long run, monetary policy can affect only nominal variables is now widely held, both within the Federal Reserve and among economists generally.”[2] Die EZB geht gleichermaßen davon aus, dass Geldpolitik keine längerfristigen Wirkungen auf die Realwirtschaft haben kann, sondern nur das Preisniveau verändere:

„In the long run, monetary policy determines the nominal value of goods and services – that is the general price level (...). Related to this finding is the assertion – which is generally accepted in the economics profession – that inflation is ultimately a monetary phenomenon“[3]

Diese Stellungsnahmen der Zentralbanken sind ein eindeutiges Bekenntnis zur monetaristischen Quantitätstheorie. Die Quantitätsgleichung von Fisher zeigt, dass bei konstanter Umlaufgeschwindigkeit des Geldes (V) und nicht veränderten Handelsvolumina (T), das Geldangebot (M) nur die Preise (P) beeinflusst: M * V = P * T. Aber zumindest einen kurz- bis mittelfristigen Einfluss der Geldpolitik auf die reale Wirtschaftsentwicklung aufgrund von Preisrigiditäten möchte keine der Zentralbanken bestreiten.[4]

Für den Monetaristen Milton Friedman bestehen die kurzfristigen realwirtschaftlichen Effekte darin, dass Zinsen die Ausgaben sowohl von Unternehmen als auch von Haushalten ändern und schließlich veränderte Produktionszahlen und Lohnanstiege nach sich ziehen. Diese Effekte haben solange realwirtschaftliche Bedeutung bis die Wirtschaftssubjekte bemerken, dass diese Effekte von Preissteigerungen begleitet werden. Diese Preissteigerungen führen schließlich dazu, dass sich die realen Einnahmen und realen Zinsen wieder auf das Ausgangsniveau zu bewegen und schließlich auch dorthin wieder zurückfallen. Dies hat er bei einer expansiven Geldpolitik folgendermaßen beschrieben:

„Rising income will raise the liquidity preference (...) and the demand for loans; it may also raise prices, which will reduce the real quantity of money. These three effects will reverse the initial downward pressure on interest rates in something less than a year. Together they will tend, after (…) a year or two to return [real] interest rates, to the level they would otherwise have had.”[5]

Diese Liquiditätseffekte, die Friedman beschreibt, basieren darauf, dass Wirtschaftssubjekten Geldillusionen unterstellt werden. Diese Geldillusionen werden dadurch ermöglicht, dass Preise sehr träge reagieren und damit Variablen nicht nur nominal, sondern anfangs auch real beeinflusst werden.

2.2 Geldpolitische Strategien der Zentralbanken

2.2.1 Zentralbanken auf der Suche nach einer optimalen Strategie

Die Kombination hoher Arbeitslosigkeit und hohen Inflationsraten in den 70er Jahren gab Zentralbanken weltweit zu überlegen, wie eine effektivere Geldpolitik betrieben werden könnte. Von da an begannen viele Zentralbanken mit alternativen geldpolitischen Strategien zu experimentieren in der Hoffnung, bessere makroökonomische Ergebnisse zu erlangen. Ein weltweit großer Überzeugungsprozess gegenüber der kritischen Öffentlichkeit wurde begonnen. Man versuchte durch Transparenz, zum Teil verloren gegangene Glaubwürdigkeit wiederzuerlangen. Zentralbanken begannen erstmals, ihre Strategien zu veröffentlichen und Zielvereinbarungen zu verkünden. Glaubwürdigkeit erleichtert die Arbeit der Zentralbank in dem Sinne, dass sie dazu beiträgt, dass die strategische Unsicherheit sowohl der Wirtschaftssubjekte in Hinblick auf Zentralbankmaßnahmen, als auch die Unsicherheit der Zentralbank in Hinblick auf die Reaktionen der Wirtschaftssubjekte abgebaut werden.

Die Deutsche Bundesbank fokussierte von 1975 an ihre Geldpolitik auf Geldmengensteuerung. Auch andere Zentralbanken, wie u.a. die Federal Reserve Bank und die Bank of England, versuchten ihr Glück in einer Geldmengensteuerung. Dies bedeutete, dass die Zentralbank eine bestimmte Wachstumsrate des Geldes veröffentlichte, die sie versuchte, innerhalb eines Jahres bestmöglich zu erreichen. Diese angekündigte Wachstumsrate wurde so gewählt, dass sie mit einer gewünschten Inflationsrate, der geschätzten Umlaufgeschwindigkeit des Geldes sowie auch mit einem bestimmten realem Wirtschaftswachstum konform war. Die Bundesbank, welche bis 1987 Zentralbankgeld und ab 1987 bis zur Einführung des Eurosystems die Geldmenge M3[6] steuerte, konnte ihren Zielkorridor immer sehr genau einhalten.[7] Die Federal Reserve Bank begann 1975, Zielgrößen für M1, M2 und M3 zu veröffentlichen. Alle drei Aggregate gleichzeitig zu steuern, stellte sich jedoch für die amerikanische Zentralbank sehr bald als unmöglich heraus, als die öffentlich bekannt gegebenen Zielgrößen häufig verfehlt wurden.

Die Fokussierung auf ein niedriges und stabiles Geldmengenwachstum hatte für die meisten Länder, welche diese Strategie gewählt hatten, in den frühen 80er Jahren einen stetigen Abbau der Inflationsraten zur Folge. Jedoch waren das Wirtschaftswachstum und auch die Arbeitslosenquote relativ unstabil. Nachdem die USA, Deutschland und Großbritannien sehr hohe Arbeitslosigkeit verkraften mussten, schlossen die USA daraus, dass das Geldmengenwachstumsziel der Zentralbanken einen großen Teil der Schuld trage. Vor allem die USA erlebten zu dieser Zeit einen Disintermediationsprozess, was bedeutet, dass Finanzintermediäre wie Kreditinstitute zunehmend bei Finanzierungen übergangen wurden. Somit begannen immer mehr Firmen, sich über die Finanzmärkte mit Aktien oder Anleihen zu finanzieren. Die Halter dieser Papiere waren zunehmend Nicht-Banken, wie Investmentfonds, Versicherungen, Pensionsfonds und Kleinanleger. Dieser Verbriefungsprozess führte somit automatisch zu einer verminderten Nachfrage nach Bankeinlagen. Die kaufkraftrelevante Liquidität anhand der Geldmenge ließ sich damit immer schwerer für das FED erfassen.[8]

Ab 1982 beschloss die Federal Reserve Bank Geldmengensteuerung nur noch untergeordnet zu betreiben. Eine gänzliche Abschaffung dieser Strategie verkündete sie 1993. Nur noch wenige Länder, wie Deutschland und die Schweiz[9], verkündeten weiterhin ihre Geldmengenwachstumsziele, die sie auch erfolgreich erreichten. Der Grund, warum die meisten Zentralbanken wieder von dieser neuen Strategie abkamen, lag vor allem darin begründet, dass die Nachfrage nach Geld in einigen Währungsräumen zu unstabil war, als dass man sie zielkonform hätte steuern können.[10] Das heißt, die sehr volatile Umlaufgeschwindigkeit des Geldes führte zu einer schwankenden Nachfrage nach Geld. Das Federal Reserve System begann daraufhin die Zinsen zu steuern, um eine konstantere Nachfrage nach Geld zu erreichen. Die Erklärung für diese Strategie bildet das keynesianische IS-LM Modell. Eine volatile Umlaufgeschwindigkeit des Geldes zeigt sich in einer sich hin und her schiebenden LM Kurve und damit resultiert aus der unstabilen Geldnachfrage auch ein unstabiler Gleichgewichtszinssatz. Deshalb empfahlen viele Ökonomen, durch die Steuerung der kurzfristigen Zinsen, die LM Kurve und somit auch die Geldnachfrage zu stabilisieren.

1990 begann sich eine neue Strategie durchzusetzen; das direkte Steuern der Inflationsrate erfreute sich bei Zentralbanken zunehmender Beliebtheit. Neuseeland (1990), Kanada (1991), Großbritannien (1992), Schweden (1993) und Finnland (1993) begannen, explizite Inflationszielvorgaben zu veröffentlichen. Das Federal Reserve System versuchte sich jetzt ebenfalls mehr in diesem Gebiet und die Bedeutung von niedrigen und stabilen Inflationsraten wurde von dem FED immer mehr hervorgehoben, aber weder offiziell veröffentlichte Inflationsziele noch ein Bekenntnis zur Inflationssteuerung wurde verkündet. Die neue Europäische Zentralbank benutzt seit ihrer Gründung 1999 eine modifizierte Inflationssteuerung, die aber nach Vorbild der Deutschen Bundesbank ein Geldmengenwachstumsziel beinhaltet.

2.2.2 Geldpolitische Strategie der Europäischen Zentralbank

Nach Artikel 2 der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB)[11] und der Europäischen Zentralbank ist es das vorrangige Ziel des Eurosystems, Preisstabilität zu gewährleisten.[12] Eine Verschiebung in der Preisstruktur soll nicht verhindert werden, sondern dem Anstieg des Preisniveaus im gesamten Euroraum entgegen gewirkt werden.[13] Das ESZB darf die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft nur unterstützen, wenn dies ohne Beeinträchtigung des Zieles der Preisstabilität möglich ist:

„Das vorrangige Ziel des ESZB ist es, die Preisstabilität zu gewährleisten. Soweit dies ohne Beeinträchtigung des Zieles der Preisstabilität möglich ist, unterstützt das ESZB die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft, um zur Verwirklichung der in Artikel 2 festgelegten Ziele der Gemeinschaft beizutragen.“[14]

Eine Zentralbank könne, laut EZB, einer Volkswirtschaft den besten Verdienst erweisen und damit langfristiges Wachstum unterstützen, indem es für ein stabiles Preisniveau sorge.[15] Zusätzlich sei es wichtig, auf eine übermäßig aktive Geldpolitik vor allem noch in der Zeit der anfänglichen Unsicherheit bezüglich der Wirkungsintensität monetärer Maßnahmen im Euro-Währungsraum zu verzichten.[16] Die geldpolitische Strategie des Eurosystems, die zwei Säulenstrategie, ist ihrem Namen nach auf zwei Säulen aufgebaut, über welchen die Preisstabilität gesetzt ist, die es mit Hilfe der beiden Säulen zu erreichen gilt. Dieses Preisstabilitätsziel bezieht sich auf einen Anstieg des Harmonisierten Verbraucherpreisindexes (HVPI) in der EWU von unter 2% gegenüber dem Vorjahr. Hierbei handelt es sich aber bewusst nicht um eine direkte Inflationssteuerung der EZB, sondern um eine Integrierung der Geldmengensteuerung der früheren Bundesbank im Rahmen der ersten Säule in die Gesamtstrategie. Der EZB-Rat beschloss am 1. Dezember 1998, den ersten Referenzwert für das jährliche Wachstum des breiten Geldmengenaggregats M3 im Euro-Währungsgebiet auf 4½%[17] festzusetzen. Die monetären Entwicklungen werden in Bezug auf diesen Referenzwert auf der Grundlage des gleitenden Dreimonatsdurchschnitts der 12-Monatsraten der Geldmenge M3 beobachtet.[18] Jedoch soll dieser Referenzwert bewusst nicht als Zwischenziel fungieren, sondern als Orientierungsgröße für eventuelle inflationäre Tendenzen dienen. Innerhalb der ersten Säule werden ebenso die Geldmengenentwicklungen von M1 und M2 sowie die Entwicklung der Geldlücke[19] beobachtet.

Die zweite Säule beinhaltet Parameter für eine breit fundierte Beurteilung der Aussichten auf die künftige Preisentwicklung und die Risiken für die Preisstabilität im Euro-Währungsgebiet. Diese Beurteilung stützt sich auf eine Reihe von Konjunkturindikatoren. Diese Variablen beinhalten u.a. die Lohnentwicklungen, den Wechselkurs, die Anleihekurse, die Zinsstrukturkurve, verschiedene Messgrößen für die reale Wirtschaftstätigkeit, fiskalpolitische Indikatoren, Preis- und Kostenindizes, sowie Branchen- und Verbraucherumfragen. Innerhalb der zweiten Säule gibt die EZB Prognosen bzgl. der Entwicklung des HVPI und des Bruttoinlandsprodukts bekannt. Jedoch handelt es sich hierbei um sogenannte bedingte Prognosen, d.h. es wird von einer unveränderten Geldpolitik ausgegangen. Diese Prognosen werden nicht vom EZB-Rat, sondern von Experten der EZB und den nationalen Zentralbanken ausgegeben. Damit bieten diese Prognosen keine Hinweise auf zukünftige geldpolitische Maßnahmen.[20]

Somit findet eine Analyse der monetären Daten in Relation zum quantitativen Referenzwert für das Geldmengenwachstum (erste Säule) und eine Beurteilung der Wirtschaftsdaten aus der zweiten Säule statt, um so preisstabilitätsgefährdende Störungen feststellen zu können. Diese Analyse geht daraufhin in den Entscheidungsprozeß ein, wie geldpolitisch angemessen zu reagieren ist, um Preisstabilität mittelfristig zu gewährleisten.[21] Bei der Umsetzung der Beschlüsse ist die Europäische Zentralbank von allen sonstigen Institutionen aus Wirtschaft und Politik unabhängig. Diese Unabhängigkeit ist in der Satzung der ESZB und der Europäischen Zentralbank fixiert worden.[22] [23]

Die EZB will aus folgendem Grund besonderen Wert darauf legen, ihre Strategie und Arbeitsweise transparent darzulegen und Ziele zu operationalisieren: „Die EZB muss als neue Institution besonders transparent und berechenbar sein, damit nicht die Geldpolitik selbst zu einer Ursache für Unsicherheit wird.“[24]

2.2.3 Geldpolitische Strategie des Federal Reserve Systems

Im Gegensatz zur EZB hat das Federal Reserve System kein einzelnes Ziel operationalisiert, sondern hat sich mehrere Ziele zur Aufgabe gemacht, die gleichwertig nebeneinander stehen. Am besten umschreibt das Federal Reserve Act diese Strategie:

„The Board of Governors of the Federal Reserve System and the Federal Open Market Committee shall maintain long run growth of the monetary and credit aggregates commensurate with the country´s long run potential to increase production, so as to promote effectively the goals of maximum employment, stable prices and moderate long-term interest rates.”[25]

Somit ist keine Rangordnung dieser Ziele vorhanden, und das FED schenkt bei ihrem Multi-Indikatoren-Ansatz ohne explizites Zwischenziel besonders realen Makrodaten wie Realzinsen und der realen Zinsstruktur Beachtung. So werden unter anderem die prognostizierten Realzinsen in ein Multi-Indikator-Modell[26] eingebettet, um Aufschluss über die zukünftige Wirtschafts- und Preisentwicklung zu erlangen.[27] Geldmengenzahlen spielen in der heutigen Strategie des FED nur eine sehr untergeordnete Rolle, was darauf zurückzuführen ist, dass mit Geldmengensteuerung negative Erfahrungen gemacht wurden. Das FED hat seit der Abschaffung der Geldmengensteuerung keine quantifizierte langfristige Strategie mehr öffentlich dargelegt, womit ihr immer wieder kritisch unterstellt wird, sich nur auf die Entwicklung der nahen Zukunft zu konzentrieren und somit häufiger zu reagieren als vorausschauend zu agieren. Dies wird auch in der Kritik von Allan Meltzers deutlich: „The Federal Reserve gives lip service to longer-term goals but focuses most attention on short-term changes about which it can do little or nothing (…) The Federal Reserve´s recent decision to ignore money is a mistake.“[28] Alan Greenspan dagegen vertritt die Meinung, dass wegen der Unsicherheit der Wirkungsweise der Geldmenge auf das Ausgabeverhalten der Wirtschaftssubjekte, vor allem nichtmonetären Indikatoren zur Beurteilung der Wirtschaftslage eine wichtige Rolle zukommt:

„With considerable uncertainty persisting about the relationship of the monetary aggregates to spending, the behavior of the aggregates relative to their annual ranges will likely be of limited use in guiding policy (...) and the Federal Reserve will continue to utilize a broad range of financial and economic indicators in assessing its policy stance“[29]

Das Federal Reserve System weist somit sowohl in seiner Strategie als auch in seiner geldpolitischen Entscheidungsfindung relativ wenig Transparenz nach außen auf. Es ist für die verschiedenen Wirtschaftssubjekte äußerst schwierig, das System zu durchleuchten und damit Orientierungsgrößen für die Geldpolitik zu erkennen. Jedoch wird gerade der Erfolg des fast zehnjährigen Wirtschaftsaufschwungs der 90er Jahre mit niedrigen Inflationsraten zum großen Teil auch dem FED verdankt. Dem FED gelang es, dadurch hohe Glaubwürdigkeit zu gewinnen und damit die Transparenzkritiker zum Teil zu überzeugen, auch wenn die Glaubwürdigkeit stark mit dem hohen Ansehen des Vorsitzenden Alan Greenspan zusammenhängt.

Die gesetzliche Unabhängigkeit der EZB ist dem FED nicht gegeben, da es in ihren Entscheidungen in einem gewissen Maß immer vom Kongress abhängig ist, da dieser befugt ist, Beschlüsse des FED per Gesetz aufheben zu lassen.[30]

2.3 Mechanische Geldpolitik

Für viele Ökonomen bieten Zentralbankentscheidungen immer wieder Gelegenheit, sich kritisch mit der Strategie und den angewandten Instrumentarien der Zentralbanken auseinander zu setzen. Hierbei kommt oft der Ruf nach mehr Transparenz der geldpolitischen Entscheidungsgrundlagen auf. Manche unterstellen den Entscheidungsträgern sogar eine gewisse Portion an Willkür und Opportunismus, wenn geldpolitische Maßnahmen nicht allgemein nachvollziehbar sind. Somit gibt es viele Befürworter einer „mechanisch“ gelenkten Geldpolitik, welche auf Regeln wie z. B. der Taylor Regel beruht, die jeder nachvollziehen kann. Besonders Monetaristen favorisieren Regeln für die Geldpolitik, da Unsicherheiten und Fehlinterpretationen vermieden würden, was zu weniger Volatilität der Preise führe: „A preannounced rule would reduce uncertainty by eliminating an important source of the misperceptions and faulty anticipations that contribute to fluctuations of relative prices and wealth.“[31] Aber nur eine Regel, welche einer Volkswirtschaft und der dazu gehörigen Geldpolitikstrategie individuell angepasst ist, kann erfolgsversprechend sein, was jedoch in der Umsetzung nur schwer vorstellbar ist. Auf alle Fälle würde eine festgesetzte mechanische Geldpolitik zu mehr Transparenz und höherer Planungssicherheit der Wirtschaftssubjekte beitragen.[32]

2.4 Instrumentarien und Geldmarktsteuerung der EZB

Mit Hilfe der ihr zur Verfügung stehenden Instrumentarien steuert die EZB den Tagesgeldzinssatz EONIA, womit das Operationsfeld der EZB den Geldmarkt, der Markt für kurzfristige Zinspapiere, darstellt. Noch bis Ende 1998 waren die Geldmärkte der Euro-Mitgliedsländer sehr heterogen und viele bezweifelten, dass ein gemeinsamer Geldmarkt schnell implementiert werden könne. Jedoch schon ein paar Tage nach dem Eurostart 1999 war ein gemeinsamer Geldmarkt vorhanden, der sofort von allen Marktteilnehmern akzeptiert und genutzt wurde.

Als Instrumentarium kommt der Mindestreserve höchstens ordnungspolitischer Charakter zu Gute, da sie die Kreditinstitute an das Eurosystem bindet und so diese sich dem Einfluss der Geldpolitik nur schwer entziehen können. Somit bietet sie eine Rahmenbedingung dafür, dass geldpolitische Maßnahmen erfolgreich weitergegeben werden können. Als geldpolitisches Instrument, um Liquiditätsänderungen des Bankensystems vorzunehmen, wird die Mindestreserve im Eurosystem nicht verwendet. Damit im Euroraum die Mindestreserve nicht Wettbewerbsverzerrungen unter Kredit- und Finanzinstituten hervorruft, verständigte man sich darauf, diese zu verzinsen.[33]

Über die Notenbankzinsen und die Bankenliquidität steuert das Eurosystem mit Offenmarktgeschäften und Ständigen Fazilitäten den Tagesgeldzinssatz. Den größten Teil der Liquidität stellt das Eurosystem den Kreditinstituten im Rahmen von Offenmarktgeschäften in Form der Hauptrefinanzierungsgeschäfte zur Verfügung. Diese werden wöchentlich mit einer Laufzeit von zwei Wochen den Kreditinstituten als Kredite angeboten. Verpfändungen oder eine Eigentumsübertragung von Vermögenswerten im Rahmen von Rückkaufsvereinbarungen dienen den Krediten als Sicherheiten. Die längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte sind die zweite Geschäftsart der Offenmarktgeschäfte. Diese vom Volumen her kleinere Refinanzierungsmöglichkeit[34] wird monatlich angeboten und hat eine Laufzeit von drei Monaten.

Die Ständigen Fazilitäten stehen den Kreditinstituten jederzeit zur Verfügung und sollen vor allem den kurzfristigen Liquiditätsbedarf befriedigen. Hier ist besonders die Spitzenrefinanzierungsfazilität hervorzuheben. Diese ermöglicht den Kreditinstituten, sich Liquidität zu einem festgesetzten Zinssatz, der über dem Zinssatz für Hauptrefinanzierungsgeschäfte liegt, zu beschaffen. Die Inanspruchnahme ist bei ausreichenden Sicherheiten unbeschränkt möglich. Die Einlagefazilität bietet auf der anderen Seite den Kreditinstituten an, überschüssige Liquidität beim Eurosystem anzulegen. Auch dies ist zu einem festgesetzten Zinssatz möglich, der aber unter dem Zinssatz für Hauptrefinanzierungsgeschäfte liegt.

Seit Ende Juni 2000 schreibt das Eurosystem ihre Hauptrefinanzierungsgeschäfte als Zinstender im „amerikanischen Verfahren“ mit einem Mindestbietungssatz aus.[35] Beim Zinstender müssen die bietenden Kreditinstitute sowohl den Zinssatz als auch eine Betragshöhe angeben. Das „amerikanische“ Zuteilungsverfahren führt zu einer Zuteilung zu den individuellen Bietungssätzen. Dabei hat der Mindestbietungssatz eine geldpolitische Signalfunktion, und die Zuteilung der Beträge erfolgte durchschnittlich mit einem Zuteilungssatz von 0,08 Prozentpunkten über dem Mindestbietungssatz.[36] [37] Hierbei ist aber anzumerken, dass sich von den rund 7500 mindestreservepflichtigen Kreditinstituten im zweiten Halbjahr 2000 nur etwa 600 an den Hauptrefinanzierungsgeschäften beteiligt haben.[38] Kreditinstitute versorgen jedoch über den Interbankengeldmarkt diejenigen Banken mit Zentralbankgeld, welche nicht direkt mit dem Eurosystem Geschäfte abschließen.

Das Eurosystem betreibt somit keine Steuerung des Zentralbankgeldes, sondern der Zinssatz ist das geldpolitische Mittel und der Hebel der EZB. Damit wird das Geldangebot von der Nachfrage determiniert und diese Geldnachfrage wird wiederum nur zum Teil durch die Konditionen der Offenmarktgeschäfte bestimmt. Am Geldmarkt strebt das Eurosystem den EONIA Zinssatz[39] an, den es als zielkonform betrachtet und lenkt diesen kurzfristigen Zins durch die Festsetzung des Mindestbietungssatzes der Hauptrefinanzierungsgeschäfte, der als Leitzins fungiert. Die Erklärung dafür, dass das Eurosystem nicht ständig den Tagesgeldsatz genau bestimmen kann und dieser Schwankungen unterliegt, liegt darin begründet, dass das Eurosystem die Hauptrefinanzierungsgeschäfte nur wöchentlich anbietet.[40] Das Eurosystem erreicht somit einen gewollten Zinskorridor am Euro-Tagesgeldmarkt. Die Obergrenze bildet der Zinssatz für die Spitzenrefinanzierungsfazilitäten, denn damit ist den Banken (mit ausreichenden Sicherheiten) eine unbeschränkte Aufnahme von Zentralbankgeld möglich. Für die Untergrenze ist der Zinssatz der Einlagefazilitäten zuständig, der unbegrenzt Anlagen verzinst und in der Mitte bewegt sich der Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte.[41] Darüber hinaus ist es der Verdienst der Ausgestaltung der Mindestreservebestimmungen, dass die kurzfristigen Zinsen stabil sind. Die Mindestreserve erlaubt eine Verrechnung der Mindestreserveunterschreitungen und -überschreitungen. So können kurzfristige Engpässe mit Liquiditätsverflüssigungen ausgeglichen werden, ohne dass auf Tagesgeld zurückgegriffen werden muss.

2.5 Instrumentarien und Geldmarktsteuerung des FED

Das Federal Reserve System steuert, konform der EZB, den Tagesgeldsatz am Geldmarkt und nutzt dazu Offenmarktgeschäfte mit Banken. Auch die „Kunden“ des FED müssen Mindestreserve hinterlegen, jedoch haben sie den Nachteil, dass diese Einlagen unverzinst beim FED angelegt sind. Dies führt dazu, dass Kreditinstitute versuchen Geld auf mindestreservefreie Anlageformen, wie Sparkonten zu buchen. Von diesen Transaktionen merkt der Bankkunde, der sein Geld auf einem Girokonto hat, nichts, denn diese sogenannten Sparkonten (money market deposit accounts) bilden nur fiktive Zwischenkonten.[42] Somit wird von vielen Seiten immer wieder gefordert, die Mindestreserve zu verzinsen, um zu verhindern, dass Banken die Geldmenge M1 verzerren und ihre eigene Liquidität gefährden. In den USA unterliegen nur die Transaktionskonten (Girokonten) der Mindestreserve, wobei im Eurosystem nicht nur die täglich fälligen Einlagen, sondern auch Termin- und Spareinlagen sowie Schuldverschreibungen mit einer Laufzeit von unter zwei Jahren mindestreservepflichtig sind.[43]

Bei dem FED sind Offenmarktgeschäfte reine Käufe und Verkäufe von Wertpapieren des Staates, die entweder endgültige Geschäfte sind oder auch in Form von Geschäften mit Rückkaufsvereinbarung (Repos) vorkommen können. Die Kreditinstitute der USA werden hauptsächlich über den Ankauf von Wertpapieren mit Zentralbankgeld versorgt, während das Eurosystem den Kreditinstituten mit kurzlaufenden Krediten Liquidität ermöglicht.[44]

Ein Grund für die Gründung des FED im Jahr 1913 war, Banken in Notsituationen mit der notwendigen Liquidität versorgen zu können. Das FED sollte als „Lender of last resort“ Banken über das „discount window lending“ mit so viel Zentralbankgeld ausstatten, dass die Kundenforderungen und Mindestreserveverpflichtungen gesichert waren. Die Bedeutung des „discount window lending“ und auch des dazu gehörigen Diskontsatzes ist heutzutage als eher gering einzuschätzen, da Banken dieses Instrument zu meiden versuchen, um nicht in Misskredit bei anderen Banken bzgl. der eigenen Bonität zu geraten.[45]

Die Verbindung des FED zu den Kreditinstituten findet, wie bei dem Eurosystem, auf dem Geldmarkt für Tagesgeld statt. Das FED kontrolliert den Tagesgeldsatz, in dessen Fall ist es die Federal Funds Rate, indem es eine Zielrate, ein Federal Funds Rate Target, veröffentlicht, die sie anpeilt.[46] Käufe und Verkäufe von Offenmarktpapieren verändern die Liquiditätsausstattung des Finanzsystems, indem die Federal Funds Rate konform der Zielrate gesteuert wird.[47] Aufgrund der hohen Glaubwürdigkeit des FED stellt sich die Federal Funds Rate sehr schnell auf die ausgegebene Zielrate ein, ohne dass das FED den Markt in großem Ausmaß lenken müsste.[48]

2.6 Zinsen oder Geldmenge? Steuerungsgröße der Transmission

Im Eurosystem und im Federal Reserve System ist der Hebel der Geldpolitik, im kurzfristigen Tagesgeldzinssatz zu finden, der ein operatives Ziel beider Zentralbanken darstellt. Viele Lehrbücher, die den Einfluss der Zentralbanken auf den Geldmarkt erläutern, beginnen eine stabile Nachfrage nach Geld anzunehmen und diese Nachfrage in Abhängigkeit von der Höhe der Einkommen und dem kurzfristigen Zinssatz zu setzen.[49] Weiter wird angenommen, dass Zentralbanken den Zins durch Veränderung des Geldangebots beeinflussen und somit z. B. eine Erhöhung des Geldangebots der Zentralbank einen niedrigeren Zins nach sich ziehe.[50] Jedoch werden damit zwei grundsätzliche Annahmen zumindest ansatzweise verfälscht in der Theorie dargestellt. Erstens zeigen vor allem empirische Studien des amerikanischen Marktes, dass die Nachragefunktion des Geldes zu unstabil sei, um Folgen einer Veränderung des Geldangebots richtig einzuschätzen.[51] Zweitens ist die Grundannahme der direkten Steuerung des Geldangebots seitens der Zentralbanken nicht richtig. Es gilt festzuhalten, dass keine der beiden Zentralbanken die Geldmenge steuert, wie in der Geldtheorie zumeist angenommen, sondern den Zins. Somit wird ein festgelegter Zins, theoretisch unabhängig von der Geldnachfrage, durch die Marktmacht der Zentralbank determiniert. Damit hat die Geldnachfrage einen Einfluss auf die Geldmenge, welche die Zentralbank anbietet, um den gewünschten kurzfristigen Zins zu erreichen.

[...]


[1] Vgl. Jungclaussen, J. (2001).

[2] Melzer, T., President Federal Reserve Bank of St. Louis (1995), S. V.

[3] EZB (2001d), S.41.

[4] Vgl. EZB (2000), S.46; Vgl. Marco, A. (1998), S. 12.

[5] Friedman, M. (1968), S. 5 f.

[6] Geldmengenbegriffe des Eurosystems: Bargeldumlauf + Sichteinlagen (täglich fällig) =M1

Termineinlagen (bis zu zwei Jahren) + Spareinlagen (Kündigungsfrist bis zu drei Monate) + M1 = M2

Geldmarktpapiere/-fonds + Repogeschäfte + Schuldverschreibungen (bis zu zwei Jahren) + M2 = M3.

[7] Nur 1978 bildete eine Ausnahme, als der Zielwert stark überstiegen wurde, aufgrund internationaler Bemühungen, den US Dollar zu stützen.

[8] Vgl. Görgens, Rückriegel, Seitz (2001), S. 141.

[9] Im Dezember 1999 änderte auch die Schweizer Nationalbank ihre Strategie - weg von reinen Geldmengenwachstumszielen hin zu einem Inflationsziel als nominalen Anker ähnlich der EZB- Strategie.

[10] Theoretische Grundlage dieser Problematik ist die Poolesche Regel, die eine Zinssteuerung als überlegen bezeichnet, wenn Störungen bei der Geldnachfrage auftreten. Eine Geldmengensteuerung sei zu bevorzugen, wenn vorwiegend die Nachfrage auf dem Gütermarkt (z. B. nach Investitionsgütern) gestört ist (siehe Poole W. (1970), S. 197 ff.).

[11] Das ESZB setzt sich aus der EZB und den nationalen Zentralbanken aller 15 EU-Mitgliedstaaten zusammen, d. h. es umfasst neben den Mitgliedern des Eurosystems auch die nationalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten, die den Euro nicht mit Beginn der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion eingeführt haben.

[12] Vgl. EZB (2001c), S. 1.

[13] Vgl. Görgens, Rückriegel, Seitz (2001), S. 75.

[14] Artikel 2, Protocol on the Statute of the European System of Central Banks.

[15] Vgl. EZB (2001d), S. 42.

[16] Vgl. EZB (1999), S. 53.

[17] Die Ableitung des Referenzwertes stützte sich auf die folgenden mittelfristigen Annahmen:

Die Preissteigerungsrate des HVPI gegenüber dem Vorjahr sollte im Eurowährungsgebiet weniger als
2% betragen. Die Wachstumsrate des realen Bruttoinlandsprodukts liegt zwischen 2 - 2½ % pro Jahr. Mittelfristig verringert sich die Umlaufgeschwindigkeit von M3 um ca. ½ - 1% jährlich.

[18] Vgl. EZB (1999), S. 53.

[19] Die nominale Geldlücke beschreibt die Abweichung der tatsächlichen Geldmenge M3 von dem Referenzwert 4,5%.

[20] Vgl. EZB (2001d), S. 50 ff.

[21] Vgl. EZB (1999), S. 55.

[22] Artikel 7, Protocol on the Statute of the European System of Central Banks.

[23] Somit bedarf eine Änderung der vertraglichen Grundlage der EZB der Zustimmung aller Mitgliedsstaaten der EU.

[24] EZB (2001a), S. 57.

[25] Section 2A, Federal Reserve Act.

[26] FRB/US Modell.

[27] Vgl. Ruckriegel, Seitz (2001), S. 9.

[28] Meltzer, A. (2001), S. 29.

[29] Greenspan, A. (1993).

[30] “The FED is considered to be an independent central bank (…). The entire System is subject to oversight by the U.S. Congress because the Constitution gives to Congress the power to coin money and set its value.” Vgl. Board of Governors (1994), S. 3.

[31] Meltzer, A. (1995), S. 50.

[32] Eine detailliertere Darstellung der bekanntesten mechanischen Steuerungsregel der Geldpolitik, die Taylor Regel, befindet sich im Anhang.

[33] Die Mindestreserve wird mit einem gewichteten Durchschnittszinssatz der abgeschlossenen Hauptrefinanzierungsgeschäfte verzinst.

[34] Hauptrefinanzierungsgeschäfte nehmen etwa drei Viertel und die längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte etwas weniger als ein Viertel des gesamten Refinanzierungsvolumens ein.

[35] Von Anfang 1999 bis Juni 2000 begab die EZB Mengentender, bei denen der Zinssatz schon festgesetzt war, um dem Markt eindeutige Zinssignale zu geben.

[36] Vgl. Görgens, Rückriegel, Seitz (2001), S. 196.

[37] „Die marginalen Zuteilungssätze lagen meist dicht am Mindestbietungssatz, der damit seine geldpolitische Signalfunktion erfüllte und als Anker für die Zinsbildung am Geldmarkt diente“ Deutsche Bundesbank (2001), S. 34.

[38] Vgl. Görgens, Rückriegel, Seitz (2001), S. 196 f.

[39] EONIA: Euro Overnight Index Average, ist der durchschnittliche Tagesgeldzinssatz am Euro-Geldmarkt.

[40] Vgl. Görgens, Rückriegel, Seitz (2001), S. 217.

[41] Vgl. ebenda, S. 222, Schaubild II.4.4.

[42] Spezielle Computer Programme (Retail Sweep Programs) helfen den Banken, diese Transaktionen valuta-genau umzubuchen.

[43] Jedoch werden vom FED die Bargeldbestände der Kreditinstitute auf die Mindestreserve angerechnet.

[44] Vgl. Ruckriegel, Seitz (2001), S. 11 f.

[45] Vgl. Abel, Bernanke (2001), S. 536-538.

[46] Vor 1994 wurden Änderungen der Zielrate nicht am Tag der Änderungen bekannt gegeben, sondern der Markt realisierte diese Änderung meist durch die Offenmarktgeschäfte der FED am darauffolgenden Tag.

[47] Hierbei werden die Kurse dieser Papiere aufgrund der hohen Liquidität nicht beeinflusst.

[48] Thornton kam zu dem Ergebnis, dass es oft auch umgekehrt sei und die Federal Funds Rate das „Target“ vorbestimme, wobei das FED nur noch mit ihrem Zielzins nachziehe. Vgl. Thornton, D. (2000).

[49] Lehrbücher, die sich auf das keynesianische IS-LM Modell beziehen, sind hier gemeint.

[50] Dies entspräche bei dem IS-LM Modell einer Rechtsverschiebung der LM Kurve und damit einem niedrigeren Gleichgewichtszins.

[51] Vgl. Taylor, J. (1995), S. 14 f.

Excerpt out of 79 pages

Details

Title
Vergleich des monetären Transmissionsmechanismus des Eurogebietes mit dem der USA sowie die Konsequenzen für die Geldpolitik
College
Frankfurt School of Finance & Management
Grade
1,3
Author
Year
2002
Pages
79
Catalog Number
V7293
ISBN (eBook)
9783638146029
File size
602 KB
Language
German
Keywords
Transmissionsmechanismus, Geldpolitik, EZB, FED
Quote paper
Martin Schmid (Author), 2002, Vergleich des monetären Transmissionsmechanismus des Eurogebietes mit dem der USA sowie die Konsequenzen für die Geldpolitik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7293

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