Rhythmisch-musikalische-Erziehung in der Sprachbehindertenpädagogik


Term Paper, 2006

21 Pages, Grade: 1.0


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Zum Begriff Rhythmisch-musikalische Erziehung
2.1 Musik als Mittel zur Lebensbewältigung
2.2 Förderung der Wahrnehmung
2.3 Dem Bewegungsbedürfnis des Kindes entgegenkommen
2.4 Erwerb der kommunikativen Kompetenz
2.5 Aufbau von positivem Selbstwerterleben

3. Rhythmisch-musikalische Erziehung in der Sprachheilpädagogik
3.1 Rhythmisch-musikalische Erziehung als Unterrichtsfach
3.2 Rhythmisch-musikalische Erziehung als Unterrichtsprinzip

4. Grundelemente der rhythmisch- musikalischen Erziehung
4.1 Zeit
4.2 Raum
4.3 Kraft
4.4 Form

5. Systematisierung der rhythmisch-musikalischen Übungen
5.1 Ordnungsübungen (Ordnung im Raum, in den Dingen, in sich selbst)
5.2 Sozialübungen (Kontakt nehmen, akzeptieren, Ein-, Über- Unterordnen)
5.3 Konzentrationsübungen (Motorische, akustische, visuelle und taktile Konzentration)
5.4 Phantasieübungen
5.5 Begriffsbildungsübungen (räumliche, zeitliche, dynamische und motorische Begriffe)

6. Therapieansätze von sprachheilpädagogischer Rhythmik
6.1 Sprachheilpädagogische Rhythmik bei der Behandlung von Dyslalien
6.2 Sprachheilpädagogische Rhythmik speziell bei Schetismus

7. Persönliche Stellungnahme

Literatur

1. Einleitung

Zum Thema der Rhythmisch-musikalischen Erziehung finden sich viele Beiträge in der Literatur. Auch zur Anwendung bei sprachauffälligen Kindern gibt es eine Vielzahl an Literaturhinweisen. Deshalb werden im Folgenden nur Beiträge ausgewählter Autoren verwendet. Der Einsatz von Rhythmisch-musikalischer Erziehung (RME) an der Sonderschule ist ein spannendes Thema, lädt zum Selbststudium und eigenem Probieren ein.

Was ist RME auf den Punkt gebracht?

Rhythmisch-musikalische Erziehung versteht sich als ein Beitrag zur Gesamtpersönlichkeit des Kindes. Grundlegende Elemente sind Musik und Bewegung. „Die rhythmisch-musikalische Erziehung führt das Kind zur Selbsttätigkeit und Selbstständigkeit und weckt schöpferische Kräfte.“ (Bauer, 1986, 15)

Was spricht für den Einsatz von RME bei sprachbehinderten Kindern?

Kinder mit „Beeinträchtigungen verschiedener Art“ (vgl. Bauer, 1986, 15) profitieren in hohem Maße vom Einsatz der Rhythmik und der Musik. Neben der körperlichen und seelischen Entspannung werden geistige Fähigkeiten wie Gedächtnis und Aufmerksamkeit gestärkt, der Gemeinschaftssinn gefördert und die sprachliche Ausdrucksfähigkeit beeinflusst (vgl. Bauer, 1986, 15). Musik wird somit zu einem Ausdruckmittel, mit dem sich Kinder Mitschülern gegenüber auf einer persönlichen Kommunikationsebene mitteilen können (vgl. Mahns, 1996, 31). Rhythmisch-musikalische Spiele eignen sich demnach zur Unterstützung stimmlicher wie sprachlicher Entwicklungsprozesse.

Exkurs: Ein geschichtlicher Rückblick

Die Rhythmisch-musikalische Erziehung geht zurück auf Emil Jaques-Dalcroze (vgl. Elstner, 1975, 55). Dieser lebte von 1865-1950 und arbeitete als Musikpädagoge in Genf. Er erkannte, dass Musik und Bewegung in engem Kontakt zueinander stehen. Daher setzte er Bewegungen in der Musikerziehung ein und nannte dies „Rhythmische Gymnastik“. Zu seinem ersten Schülerkreis gehörten u.a. auch Feudel und Scheiblauer, zwei Musikpädagogen aus dem Raum Dresden durch deren Einsatz die Rhythmisch-musikalische Erziehung namentlich in der Heil-, Sonder- und Behindertenpädagogik Beachtung fand (vgl. Gerger, 1993, 24).

Durch Ausbruch des ersten Weltkrieges zersplitterte diese Arbeitsgemeinschaft und jeder übernahm aus Jaques-Dalcrozes Lehre das, was ihm wichtig erschien.

Mimi Scheiblauer (1891-1968) legte in Hellerau (bei Dresden) ihr Rhythmikexamen ab und ging 1912 an das Konservatorium in Zürich. Dort unterrichtete sie bewegungsunsichere, konzentrationsschwache und verhaltensauffällige Kinder. Nach und nach eröffnete sich ihr der Weg in die Heilpädagogik, wo sie sich zusehends mit behinderten Kindern beschäftigte. In Österreich, Deutschland und der Schweiz hielt Scheiblauer Lehrgänge ab und verdeutlichte die Wichtigkeit der Gesamtpersönlichkeitsförderung durch RME (vgl. Gerger, 1993, 24).

Dagegen behandelten seit den 30er Jahren Wlassowa und Griner in Moskau stotternde Kinder im Vorschulalter mit einem System, das sie „Logopädische Rhythmik“ oder „Logorhythmik“ nannten. Im Vordergrund standen Lehreinheiten nach einem bestimmten Aufbau: Begonnen wird mit Gesang, der die Atmung regelt. Es folgen Übungen zur Gliederung des Raumes und zur Regulierung des Muskeltonus. Danach schließen sich Sprech- und Aufmerksamkeitsübungen an. Den Abschluss bilden Übungen zur Beruhigung und zur Hörerziehung.

In der DDR wurde diese „Logopädische Rhythmik“ in den 60er Jahren von Gerger aufgenommen, weiterentwickelt und in das Konzept „Rehabilitative Bewegungserziehung“ integriert.

Nach heutigem Stand ist besonders der österreichischen sprachheilpädagogischen Rhythmik eine führende Rolle zuzuweisen (vgl. Röhner-Münch, In: Weigt, 1997, 326).

Nach diesem geschichtlichen Abriss wird nun auf den Begriff der Rhythmisch-musikalischen Erziehung eingegangen und anschließend für die Sprachheilpädagogik konkretisiert. Es folgt eine Darstellung der Grundelemente der RME und eine Systematisierung geeigneter Übungen. Ausführlich schließt sich ein Vorschlag einer Therapieeinheit im Bereich der Dyslalien an. Abschließen werde ich mit einem persönlichen Wort.

2. Zum Begriff Rhythmisch-musikalische Erziehung

Röhner-Münch und Elstner verwenden die Begriffe Rhythmisch-musikalische Erziehung, Pädagogische Rhythmik, Rhythmische Erziehung bzw. Rhythmik synonym (vgl. Röhner-Münch, In: Weigt, 1997, 326 sowie vgl. Elstner, 1975, 55).

Rhythmisch-musikalische Erziehung steht für ein Erziehungsprinzip zur ganzheitlichen Entwicklung des Kindes. Röhner-Münch definiert Rhythmik in Bezug zu Meixner (1994):

„Rhythmik dient dem Abbau hemmender Faktoren, (…) ist persönlichkeitsbildend und weckt ethische, ästhetische und soziale Kräfte. Ihre Wirkung bezieht sich auf Körper, Geist und Seele.“ (Röhner-Münch, In: Weigt, 1997, 326)

Wesentliches Merkmal, so Röhner-Münch, ist die Verbindung von Musik oder Sprache mit Bewegung über den ihnen gemeinsamen Rhythmus, der das Kind zu „spielerischem“ Tun führt. Das kann über reine körpereigene Mittel, oder unter Einbeziehung von Instrumenten, Geräten und Materialen geschehen.

Gerger definiert Rhythmus folgendermaßen:

„Rhythmus ist die Ordnung im Verlauf gegliederter Gestalten, die darauf gelegt sind, durch regelmäßige Wiederkehr wesentlicher Züge ein Schwingungsbestreben zu erwecken und zu befriedigen.“ ( Gerger, 1993, 26)

Rhythmus tritt also nicht nur in der Musik auf, sondern ist in sich gesehen ein Naturgesetz. Dass Rhythmus nun aber konkret im Zusammenhang zu Sprache steht, hebt Kegel hervor:

„Rhythmus hat mit Sprache zu tun, verkörpert sich in prosodischen Erscheinungen, die der Sinngabe und Sinnentnahme beim Sprechen und Hören dienen.“ (Kegel, 1991, 225)

Wie die Bewegungserziehung hat sich die Rhythmisch-musikalische Erziehung das Ziel gesetzt, das Kind über die Bewegung zu einem freien, selbstständigen, verantwortungsbewussten und harmonischen Menschen zu erziehen. In Abgrenzung zur Bewegungserziehung steht bei RME Musik im Vordergrund, bei der Bewegungserziehung dagegen die allmählich wachsende körperliche Leistung (vgl. Elstner, 1975, 55).

In der Pädagogik stellt RME auch ein nach allen Seiten offenes System dar, in dem sich verschiedenste Ansätze finden (vgl. Elstner, 1975, 55): Rhythmik macht den Körper zum Instrument, Rhythmik stellt Verbindung zwischen Bewegung und Sprache her, Rhythmik regt spontanes, kreatives Handeln an, Rhythmik als Gruppengeschehen (das Kind kann sein eigenes Verhalten und das anderer beobachten) usw.

Alle gerade genannten Ansätze zeigen folgende Gemeinsamkeiten auf: die Förderung sensomotorischer und kognitiver Fähigkeiten, kreativer Verhaltensweisen und der Kommunikation. Die Umsetzung dieser vier Zielbereiche liegt nach Röhner-Münch in dem pädagogischen Vorgehen Erfahren/Erleben – Erkennen – Benennen (vgl. Röhner-Münch, In: Weigt, 1997, 330). Zunächst wird in Handlungen erkannt und sinnlich erlebt, was danach verbalisiert wird.

Sie nennt folgende Aspekte, die RME unabdingbar werden lassen.

2.1 Musik als Mittel zur Lebensbewältigung

Musik berührt tief und beeinflusst nachhaltig. Je jünger Kinder sind, umso aufgeschlossener sind sie gegenüber musikalischem Angebot. An ihrem Verhalten erkennt man die emotionale Wirkung von Musik (vgl. Röhner-Münch, In: Weigt, 1997, 327f.).

2.2 Förderung der Wahrnehmung

Durch RME können Persönlichkeitsbereiche gefördert werden, die im Schulalltag zu wenig Beachtung finden. Neben der Motorik ist dies die Wahrnehmungsleistung (vorrangig auditives, taktiles und kinästhetisches Differenzieren).

2.3 Dem Bewegungsbedürfnis des Kindes entgegenkommen

Rhythmisch-musikalische Erziehung weckt Freude an der Bewegung. Den Kern Rhythmisch-musikalischer Arbeit bildet das Erlebnis, sich in den Gruppenrhythmus einzuschwingen.

„Rhythmus kann (…) über das Hören, Tasten und Sehen erlebt werden, weshalb jedes rhythmische Gestalten (…) die differenzierte Wahrnehmung fördert und damit letztendlich der Ausprägung rhythmischer Fähigkeiten dient.“ (Röhner-Münch, In: Weigt, 1997, 329)

2.4 Erwerb der kommunikativen Kompetenz

Berührt werden von RME die nonverbale Kommunikation, Gliederungsfähigkeit für sprachliche Einheiten und die Wortschatzerweiterung.

2.5 Aufbau von positivem Selbstwerterleben

Kinder fühlen sich beim musikalischen Tun in der Regel ausgesprochen wohl.

„Sie haben Freude daran, gestalten angstfrei mit und fühlen sich in der Gruppe aufgehoben, denn jedweder Leistungsdruck wird bewusst (sic!) vermieden. Fehler werden ignoriert, stattdessen wird wiederholt und gegebenenfalls auf Verbesserungswürdiges hingewiesen.“ (Röhner-Münch, In: Weigt, 1997, 330)

Wenn ein Kind sich nicht in den Gruppenrhythmus einfügen kann, spürt es dies, was zu Frustrationen führt. Das gemeinsame Tun baut über Kommunikation positives Selbstwerterleben auf.

3. Rhythmisch-musikalische Erziehung in der Sprachheilpädagogik

Sprachbehinderte sind in der Konversation oft peinlich berührt, sie erleben häufiger Frustration, die Gleichgewicht und Persönlichkeit ins Schwanken bringen kann (vgl. Gerger, 1993, 26). Es zeigt sich, dass Sprache von entscheidender Bedeutung ist, um in Familie, Schule und Gesellschaft hineinwachsen zu können. Ist die Sprache gestört, ist die Kommunikation gestört und damit auch der Zugang zum Mitmenschen.

„Eine Sprachbehandlung darf sich daher nicht nur auf die gestörten Sprachbereiche beziehen, sondern sie muss (sic!) auch auf die übrigen Bereiche, in denen sich Fehlverhalten zeigen, eingehen.“ (Gerger, 1993, 27)

Rhythmisch-musikalische Erziehung bringt alle Voraussetzungen für eine ganzheitliche Förderung mit (vgl. Gerger, 1993, 26).

[...]

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Details

Title
Rhythmisch-musikalische-Erziehung in der Sprachbehindertenpädagogik
College
University of Education Heidelberg
Course
Musik in der Förderung sprachbehinderter Kinder
Grade
1.0
Author
Year
2006
Pages
21
Catalog Number
V73010
ISBN (eBook)
9783638632706
File size
447 KB
Language
German
Notes
Es geht zunächst allgemein um den Begriff der rhythmisch-musikalischen Erziehung. Anschließend werden die Grundelemente von RME erläutert und auf die Sprachheilpädagogik bezogen. Es werden Systematisierungen von Übungen vorgeschlagen und schließlich Therapieansätze vorgestellt.
Keywords
Rhythmisch-musikalische-Erziehung, Sprachbehindertenpädagogik, Musik, Förderung, Kinder
Quote paper
Anne Baumann (Author), 2006, Rhythmisch-musikalische-Erziehung in der Sprachbehindertenpädagogik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/73010

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