Der Leser trägt einen hohen Anteil an der Bedeutungskonstitution von Texten. Dadurch, dass der direkten Kommunikation das Medium Text zwischengeschaltet ist, identifiziert sich der Leser mit Ideen und Handlungskonstruktionen, die der Autor über diesen transportiert. Nur, wenn ein solcher Prozess stattfindet, der Leser also Bezüge zu seiner aktuellen, individuellen und gesellschaftlichen Realität herstellt und diese dokumentiert, wird von produktiver Rezeption gesprochen. Als Analysegrundlage der vorliegenden Arbeit dienen verschiedene Ausdrucksformen der Identifikation des Lesers mit den Primärquellen, Das siebte Kreuz und Transit. Sekundärliteratur, Verfilmungen und auch ge- oder missglückte Theaterinszenierungen sind empirisch überprüfbar und bilden so in ihrer Vollständigkeit ein stabiles Gerüst, das Anna Seghers` Werkauszug in den Augen ihrer Leser spiegelt.
Ausgehend von meinen eigenen Erfahrungen mit der Wirkung der Romane und einer großen Bewunderung für eine starke Frau, möchte ich wissen, inwieweit Anna Seghers` Exilromane Einfluss auf die Welten anderer üben. So kann die nachfolgenden Untersuchungen als eine Art Fortsetzung des Leseerlebnisses verstanden werden, habe ich doch zumindest die publizierte produktive Rezeption bezüglich der Exilromane gelesen und durfte so durch verschiedene Augen auf die Welt der Romane schauen, die dadurch weiter geworden ist. Welche Realwelten sind verändert worden, welche Aspekte werden wann und zu welchen Zweck besonders hervorgehoben? Auf diese und andere Fragen soll die Rezeptionsgeschichte von Das siebte Kreuz und Transit Antwort geben. Folgende Schwerpunkte sind, auch hinsichtlich ihrer Angemessenheit überprüft, gesetzt: Auf der Grundlage theoretischer Überlegungen, werden die Primärquellen in ihre Entstehungszeit eingegliedert, um auf dieser Grundlage den methodisch rezeptionsgeschichtlichen Teil zu begründen. Die komplementäre Rezeption in Ost- und Westdeutschland bildet dessen Kern und ist heute noch politisch aktuell. Den Medien: Schulbuch und Bibliothekbestand wird ein besonderer Platz eingeräumt werden, da hier der breite Zugang zum Rezipienten vorbestimmt ist. Durch die chronologische Vorgehensweise gelingt das Bild des Perspektivenwandels auf Zentralmotive der Romane.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Theoretische Vorbemerkung
- Relationen von Rezeptionsprozessen
- Die epochalen Besonderheiten von Exilliteratur
- Die wechselseitige Verantwortung des Rezeptionsprozesses
- Kritische Entstehungs- und Druckgeschichte der Romane
- Das siebte Kreuz
- Entstehung - Flucht vor den Nationalsozialisten
- Druckgeschichte - vom Kriegskind zum Bestseller
- Transit
- Entstehung - Bleiben im dritten Raum
- Druckgeschichte - als Fortsetzung missverstanden
- Das siebte Kreuz
- Zusammenfassung – Rückschlüsse auf das Wirkungspotential
- Rezeption bis zum Zusammenbruch des Deutschen Reichs 1945
- Das siebte Kreuz
- Transit
- Probleme der Verbreitung von Exilliteratur nach 1945 in Deutschland
- Überblick – Reduktion in Ost- und Westdeutschland
- Die DDR zwischen Solidarität, Ästhetik und Ignoranz
- BRD-Der Feind des kommunistischen Gedanken
- Das siebte Kreuz
- Transit
- Analyse zu Bibliotheksbeständen
- Der Fall Walter Janka und dessen Auswirkung auf die Seghers - Rezeption
- Präsenz der Romane in Lesebüchern Ost- und Westdeutschlandes
- Analyse von Lesebüchern der sechziger Jahre
- Antipathie seitens der Literaturdidaktik in den siebziger Jahren
- Auffällige Starre der Präsenz in den achtziger und neunziger Jahren
- Resümee
- Rezeption nach 1968
- Mainz und seine ungeliebte Tochter
- Kreative Rezeption im Wiedervereinten Deutschland ab 1990
- Schwerpunkt: Mythen, Märchen- und Sagenmotive
- Religiös motivierte Elemente
- Schwerpunkt: Die Zentralmotive Imstichlassen versus Solidarität
- Die dialektische Wechselwirkung von Zufall und Notwendigkeit
- Warten auf das Bleiben – Identitätsfindung im Zwischenraum
- Schwerpunkt: Mythen, Märchen- und Sagenmotive
- Zu Anna Seghers' hundertsten Geburtstag
- Zwischenfazit
- Kommentar zur Werkausgabe des Romans Das siebte Kreuz
- Kommentar zur Werkausgabe von Transit 2001
- Faktisches und Fiktionalisierung in Das siebte Kreuz am Beispiel Westhofen
- Adaptionen der Romane
- Das siebte Kreuz im Kino
- Transit im Fernsehen
- Das siebte Kreuz als Hörspiel
- Das siebte Kreuz auf der Bühne
- Zum Schluss - Die Frage nach der Aktualität
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert die Rezeption der Exilromane von Anna Seghers, insbesondere „Das siebte Kreuz“ und „Transit“, und untersucht, wie diese Werke von verschiedenen Lesern und Rezensenten im Laufe der Zeit interpretiert und bewertet wurden. Die Arbeit beleuchtet dabei die wechselnden Relevanzen der Romane in unterschiedlichen historischen und gesellschaftlichen Kontexten.
- Die Bedeutung von Exilliteratur im Kontext der Zeitgeschichte
- Die Rolle des Lesers in der Bedeutungskonstitution von Texten
- Die Rezeption der Romane in Ost- und Westdeutschland nach 1945
- Die Auseinandersetzung mit den Romanen in der Literaturdidaktik
- Die Aktualität der Romane im heutigen Kontext
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik ein und stellt die Forschungsfrage nach der Rezeption der Exilromane von Anna Seghers. Kapitel 2 erläutert die theoretischen Grundlagen der Rezeptionsforschung. Kapitel 3 untersucht die besonderen Relevanzen von Exilliteratur in ihrer Entstehung und Rezeption. Kapitel 4 befasst sich mit der Entstehungs- und Druckgeschichte der Romane „Das siebte Kreuz“ und „Transit“, wobei die jeweiligen Entstehungsbedingungen und die Rezeption der Werke während der Entstehungsphase beleuchtet werden. Kapitel 5 analysiert die Rezeption der Romane bis zum Zusammenbruch des Deutschen Reichs 1945, wobei die unterschiedlichen Interpretationen der Werke in verschiedenen Publikationen und Rezensionen dargestellt werden. Kapitel 6 untersucht die Verbreitung von Exilliteratur in Deutschland nach 1945 und die besonderen Herausforderungen, die sich in Ost- und Westdeutschland stellten.
Schlüsselwörter
Die vorliegende Arbeit fokussiert auf die Rezeption der Exilromane „Das siebte Kreuz“ und „Transit“ von Anna Seghers. Dabei werden Themen wie Exilliteratur, Rezeptionsgeschichte, Leserezeption, Literaturdidaktik, historische Kontexte, Ost- und Westdeutschland sowie die Aktualität der Romane im heutigen Kontext beleuchtet.
- Citation du texte
- M.A. Baghira Karlos (Auteur), 2006, Wechselnde Relevanzen - Zur Rezeption der Exilromane von Anna Seghers, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/73216