Die Sathmarschwaben - Ein Abriss aus historischer und soziolinguistischer Sicht


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2006

19 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Geschichtlicher Überblick

2. Der Sprachwandel der sathmarschwäbischen Mundart
2.1. Die Entwicklung des Sathmarschwäbischen seit der Ansiedlung im Sathmarer
Gebiet
2.2. Die gegenwärtige Situation einer Mannheimer Sprechergruppe

3. Interview mit einem Dialektsprecher

Fazit

Literaturverzeichnis

Einleitung

Das historische Ungarn galt vor dem 1.Weltkrieg als Vielvölkerstaat. Neben Südslawen, Rumänen, Slowaken und anderen Völkern lebte auch eine große Zahl an Deutschen im Karpatenbecken.[1] Die Deutschen in Ungarn können auf eine lange Tradition zurückblicken, die schon seit der Staatsgründung im Jahre 1000 lebendig ist. Der Staatsgründer Ungarns, König Stephan der Heilige, besiegelte den ungarisch-deutschen Bund, indem er die bayrische Prinzessin Gisela zur Gemahlin nahm. Die sich ansiedelnden deutschen Ritter, Kaufleute und Geistliche spielten eine wesentliche Rolle bei der Christianisierung Ungarns und trugen zur kulturellen-wirtschaftlichen Entwicklung des Landes bei.

In den folgenden Jahrhunderten wanderten Deutsche in mehreren Siedlungswellen nach Ungarn ein. Immer wieder entvölkerten Kriege, Naturkatastrophen und Seuchen das Land; die jeweiligen Herrscher reagierten darauf mit der Anwerbung von Kolonisten. Die im 12-13. Jh. eingewanderten Deutschen, die zum Schutz gegen die einsetzenden Mongolenstürme, bzw. zur Wiederbesiedlung der durch die Mongolen verwüsteten und entvölkerten Landstriche angesiedelt wurden, verschmolzen nach und nach mit der Bevölkerung. Dagegen blieben die Siedlungsgebiete, die im 18. Jh. als Reaktion auf die 150- jährige Türkenherrschaft entstanden sind, teils bis heute erhalten.

Die deutschen Kolonisten erhielten zahlreiche Privilegien und genossen eine weitgehende Autonomie. Ihre Lage änderte sich jedoch nach dem Ausgleich Ungarns mit den Habsburgern. Die im Nationalitätengesetz verankerten Rechte, wie z.B. das Recht auf eigene Schulen, wurden nur schleppend umgesetzt. Die Ereignisse der jüngeren Vergangenheit – die beiden Weltkriege und der Kommunismus – führten zur starken Dezimierung und Assimilation der Ungarndeutschen. Erst mit dem Ende des Kalten Krieges verbesserte sich die Lage der deutschen Minderheit: im Gesetz vom 7. Juli 1993 über die Rechte der nationalen und ethnischen Minderheiten wird unter anderem das Recht auf Kennen lernen , Pflege, Mehrung und Weitergabe der Muttersprache, Geschichte, Kultur und Tradition gesichert. Inwieweit die neue, günstige Situation zur Erhaltung der Identität, der Sprache und Kultur beitragen wird, wird sich in Zukunft zeigen.

Im Rahmen einer Proseminararbeit ist es leider nicht möglich die Gesamtheit aller in Ungarn lebenden Deutschen differenziert zu untersuchen. Aus diesem Grunde muss eine Auswahl getroffen werden. Aufgrund persönlicher Kontakte zu Mitgliedern der sathmarschwäbischen Volksgruppe, bot es sich an diese Minderheit, bzw. ihre Mundart als Untersuchungsgegen-stand zu wählen. Auf diese Weise ließen sich direkte Informationen über die gegenwärtige sprachliche Situation einholen, die jedoch selbstverständlich nicht stellvertretend für die ganze Minderheit sein können. Dennoch lassen sich einige Gesetzmäßigkeiten ableiten, die auch bei anderen deutschen Minderheiten zu beobachten sind.

Die vorliegende Proseminararbeit gliedert sich in drei Kapitel.

Im ersten Kapitel wird die Volksgruppe der Sathmarschwaben vorgestellt, indem sie in einen historischen Kontext eingebettet wird. Dabei wird über die Herkunft der Sathmarschwaben berichtet und nach Beweggründen gesucht, die die Volksgruppe veranlasste, ihre Heimat zu verlassen und in den fernen Osten zu ziehen.

Im nächsten Kapitel wird der Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit, die Mundart der Sathmarschwaben fokussiert. Aus soziolinguistischer Perspektive werden die Faktoren untersucht, die den Erhalt, bzw. den Verlust der Sprache bedingen. Dabei wird zunächst die Lage im Sathmarer Land, dem Siedlungsgebiet der Sathmarschwaben erörtert, indem z.B. die beiden sich stark auf die Sprache auswirkenden Domänen „Schule“ und „Kirche“ durchleuchtet werden. Schließlich werden weitere Faktoren, nun aber in Bezug auf eine kleine, in Mannheim lebende Sprechergruppe, auf der Basis von Befragungen, erarbeitet.

Damit der Untersuchungsgegenstand der Proseminararbeit, die sathmarschwäbische Mundart, in der Fantasie der LeserInnen kein rein theoretisches Konstrukt bleibt, wird im dritten Kapitel ein Interview, das mit einem Mundartsprecher durchgeführt wurde, vorgestellt. Die LeserInnen können sich somit einen Eindruck von der sathmarschwäbischen Mundart verschaffen und inhaltliche Bezüge zu den vorausgehenden Teilen der Proseminararbeit entdecken.

Die Existenz der sathmarschwäbischen Minderheit ist in der Öffentlichkeit wenig bekannt. Diese Proseminararbeit verfolgt das Ziel, das Interesse und die Aufmerksamkeit der LeserInnen in Bezug auf die Sathmarschwaben zu wecken. Dabei sollten die LeserInnen das Verständnis erlangen, dass die sathmarschwäbische Mundart ein erhaltenswertes Erbe darstellt.

1. Geschichtlicher Überblick

Die Gesamtheit aller Deutschen in Ungarn wird oft mit dem Begriff „Schwaben“ bezeichnet, obwohl sie sich aus Kolonisten verschiedenster Herkunft zusammensetzt. Die Volksgruppe der Sathmarschwaben trägt diese Bezeichnung hingegen zu Recht. Sie stammt vor allem aus dem Gebiet nördlich des Bodensees, das durch die in Ulm aufeinander treffenden Flüsse Donau und Iller begrenzt wird (Oberschwaben).

Bei den Kolonisten handelte es sich überwiegend um Bauern und auch um Handwerker, die im feudalen System des 18. Jh. lebten.

Zu den Ursachen der Auswanderungen gehörten in erster Linie wirtschaftliche, soziale und kriegsbedingte Nöte:[2]

Die durch Witterungskatastrophen bedingten Missernten konnten wegen zollmäßigen Abschließungen nicht ausgeglichen werden und führten zu Hungersnöten.

Oft waren Bauerngüter zu klein, um ihre Besitzer zu ernähren. Die Erbteilung gab vor, dass jeweils nur ein Kind den Hof erben durfte. Geschwister mussten ausgezahlt werden; dies konnte oft nur durch den Verkauf von Vieh geregelt werden oder zog sich über Jahre hin, wenn der Erbe nur ratenweise zahlen konnte.

Die so genannten Beisitzer und Hintersassen, die selbst keine Felder besaßen, arbeiteten als Tagwerker bei den Bauern mit oder verdingten sich als Handwerker. Nicht selten kam es vor, dass sie im Winter oder in Notzeiten als Bettler umherziehen mussten.

Die Dreifelderwirtschaft konnte die steigende Anzahl der Bevölkerung nicht mehr ernähren, auch das Handwerk war überbesetzt.

Durch die Auswirkungen der Leibeigenschaft konnte nur mit Erlaubnis geheiratet werden. Die Erlaubnis wurde denjenigen, die aus einer Herrschaft hinausheiraten wollten, problemlos erteilt. Wer hingegen in eine Herrschaft hineinheiraten wollte, musste mit Schwierigkeiten rechnen. Auch hatte man einen Nachweis über eine Wohnung zu erbringen.

Zu den kriegsbedingten Ursachen gehörte unter anderem der Spanische Erbfolgekrieg zwischen Frankreich und Österreich.

Neben den oben genannten Push-Faktoren spielten auch Pull- Faktoren eine Rolle: seit 1712 sandte der ungarische Graf Sándor Károly Werber nach Oberschwaben aus, um „die fleißigsten und besten Bauern jener Zeit [zu] holen, und gleichzeitig in diesen Gebieten Ungarns [die von der Reformation stark betroffen waren] wieder den katholischen Glauben ein[zu]führen“[3] Der Graf hatte ausgedehnte Ländereien im Komitat Sathmar, das damals im Nordosten Ungarns lag. Die Türkenkriege, die Pest und Hungersnöte hatten die Bevölkerung hingerafft oder in die Flucht geschlagen; die Felder des Grafen lagen mangels Arbeitskräfte brach. Die schwäbischen Kolonisten, die in ihrer Heimat hohe Steuern zu zahlen hatten, wurden „für einige Jahre von den öffentlichen Lasten sowie von der Einquartierung der Soldaten und von den Musterungen […] [befreit].[4] Weiterhin bekamen sie Saatgut, landwirtschaftliche Geräte und Nutztiere.[5] Die neu gegründeten Gemeinden erhielten Privilegien: die Ämter der Gerichtsbarkeit[6], der Kirche und des Schulwesens wurden mit Schwaben besetzt. Somit war eine weitgehende Autonomie der Schwaben gewährleistet.

Weitere Auswanderungswellen fanden 1783 und 1786 durch die Aufrufe Josef II. statt. Durch sein Toleranzedikt hatten nun auch Menschen lutherischer Konfession die Möglichkeit auszuwandern.

Die Kolonisten ließen sich in etwa 30 Dörfern um die Stadt Großkarol, später auch im weiteren Umkreis der Stadt nieder. Zu den Dörfern gehörten unter anderen Fienen, Kappelau, Schamagosch, Maitingen und Petrifeld. Durch die Isolation vom geschlossen deutschen Sprachgebiet entstanden hier Sprachinseln inmitten der ungarischen Bevölkerung.

Das Leben in einem Vielvölkerstaat führt auf lange Sicht unabwendbar zur gegenseitigen Beeinflussung der Nationalitäten. Welche Entwicklung sich auf sprachlicher Ebene im Sathmarer Land vollzogen hat, soll im nächsten Kapitel untersucht werden.

2. Der Sprachwandel der sathmarschwäbischen Mundart

2.1. Die Entwicklung des Sathmarschwäbischen seit der Ansiedlung im Sathmarer Gebiet

Der Erhalt einer Sprache hängt von mehreren Faktoren ab: Grundvoraussetzung ist eine ausreichende Anzahl an Sprechern, die ihre Sprache recht gut beherrschen und zu Kommunikationszwecken verwenden. Ob eine Sprache verwendet und weitervererbt wird, hängt auch mit der Einstellung zu dieser zusammen: ergeben sich Nachteile aus dem Sprachgebrauch, wird die Sprache meist nur in einem kleinen Kreis von Gleichgesinnten verwendet oder ihr Gebrauch ganz eingestellt. Faktoren, die eine negative Spracheinstellung begünstigen, können z.B. Furcht oder Scham sein. Auch kann der Sprachgebrauch zugunsten eines wirtschaftlichen und/oder gesellschaftlichen Aufstiegs eingestellt werden. Die Spracheinstellung kann, muss aber nicht, mit dem Identitätsgefühl des Sprechers zusammenhängen.

Als weitere Faktoren sind die öffentlichen Einrichtungen, wie z.B. Kirche, Schule und Gericht zu nennen. Auch eigene Medien, wie Zeitungen, Radio oder Fernsehen spielen eine Rolle. Die Schule nimmt neben der Familie einen besonders hohen Stellenwert ein, da sie die Sprache an die nachfolgende Generation weitervererbt. Ein Bruch in der Vererbung der Sprache kann verheerende Folgen haben.

Weiterhin nimmt die Ausgebautheit der Basisvarietät Einfluss auf den Spracherhalt. Ein umfangreicher Wortschatz ist unabdingbar. In Sprachinselsituationen kommt es meist zu Interferenzen mit den Mehrheitssprachen. Dabei spielen auch Neuerungen in allen Lebensbereichen eine Rolle, da sie neue Wörter erfordern.

1712-1838 wanderten etwa 2072 schwäbische Familien ins Sathmarer Land ein[7], eine relativ kleine Zahl, um eine Sprache längerfristig zu erhalten. Doch trotz der dürftigen demographischen Situation und der völligen Isolation vom geschlossen deutschen Sprachgebiet, gelang es den Kolonisten ihre Mundart zu bewahren. Dies ist dem deutschen Sprachgebrauch in den öffentlichen Institutionen Kirche, Schule und Gericht zuzuschreiben.

Schon kurz nach der Ansiedlung wurden in zahlreichen schwäbischen Dörfern, wie auch in der Stadt Großkarol deutsche Schulen eingerichtet. Eine wichtige Rolle spielte auch die Kirche: die deutschen Pfarrer übten einen starken Einfluss auf ihre katholischen Gemeinden aus und trugen erheblich zur Erhaltung der deutschen Sprache bei.

[...]


[1] Knipf-Komlósi, Elisabeth. S.4

[2] Hacker, Werner (1977). S.36

[3] Koch, Stefan (1984) S.19

[4] Koch, Stefan/Vonház, Stefan (1987). S.5

[5] Koch, Stefan/Vonház, Stefan (1987). S.8

[6] Ebd.

[7] Koch, Stefan (1984), S.19

Fin de l'extrait de 19 pages

Résumé des informations

Titre
Die Sathmarschwaben - Ein Abriss aus historischer und soziolinguistischer Sicht
Université
Mannheim University of Applied Sciences  (Seminar für Deutsche Philologie)
Cours
Deutsche Sprachinseln
Note
1,3
Auteur
Année
2006
Pages
19
N° de catalogue
V73286
ISBN (ebook)
9783638737593
Taille d'un fichier
434 KB
Langue
allemand
Mots clés
Sathmarschwaben, Abriss, Sicht, Deutsche, Sprachinseln
Citation du texte
Nicole Gelencser (Auteur), 2006, Die Sathmarschwaben - Ein Abriss aus historischer und soziolinguistischer Sicht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/73286

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