Die Ästhetisierung des Bösen: Marquis de Sade


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2004

21 Pages, Note: 2,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung: D.A.F. Marquis de Sade

2 Fin de siècle und Décadence: Begrifflichkeiten
2.1 Die Décadence und Sade: der Mythos
2.2 Die Décadence und Sade: die Ästhetisierung des Bösen
2.3 Die Décadence und Sade: der Marquis als Bildgeber

3 Karl Rosenkranz: Ästhetik des Hässlichen
3.1 Das Hässliche als Negierung des Schönen
3.2 Formen des Hässlichen

4 Formen des Hässlichen bei Sade

5 Überwindung des Hässlichen durch die Komik

6 Sadismus oder Satanismus?
6.1 Marquis de Sade und Gilles de Rais
6.2 Diabolisch nach Karl Rosenkranz
6.3 Die „Religiosität“ Sades
6.4 Satanismus als höchste Form der Perversion

7 Schlussbemerkung

8 Literaturverzeichnis

1 Einleitung: D.A.F. Marquis de Sade

Der Marquis de Sade ist berühmt und berüchtigt. Er steht für die Glorifizierung der Immoralität, die Abkehr von der Tugend, eine Vielzahl von Texten, die selbst den abgebrühtesten Leser noch erröten lassen, und natürlich eine ganz eigene Spielart der Sexualität.

Auch heute noch, fast 200 Jahre nach seinem Tod, lässt diese Person die Menschen nicht unberührt und auch wenn seine Werke mittlerweile in die kulturgeschichtliche und literaturwissenschaftliche Forschung eingegangen sind, so polarisiert D.A.F Marquis de Sade immer noch wie kaum ein anderer.

Waren es seine Schriften, in denen jedes Tabu gebrochen wird oder war es die Person des Marquis selbst, er, der von untugendhaften Leidenschaften verzerrt war und insgesamt 31 Jahre seines Lebens eingekerkert oder in Irrenhäusern verbrachte? Und was genau ist es denn nun in seinen Texten, das von jeher die Menschen faszinierte und abstieß?

In dieser Arbeit werde ich im Folgenden untersuchen, was genau an D.A.F. Marquis de Sade schockiert und fasziniert, welchen Einfluss er und seine Literatur auf die Décadence hatten und inwieweit man von einer Ästhetisierung des Bösen sprechen kann.

Am Ende wird festzustellen bleiben, ob der Marquis einfach nur ein wahnsinniger Grenzüberschreiter war, oder ob in seinen Werken sogar satanistische Tendenzen zu finden sind.

2 Fin de siècle und Décadence: Begrifflichkeiten

Die Literatur über die Definitionen von Fin de siècle ist ebenso mannigfach wie divergierend und unterliegt der Vagheit, die ein leidliches Problem beim Festlegen von Epochen und Strömungen ist. Generell wird als Fin de Siècle ein Zeitraum beschrieben, der das ausgehende 19. Jahrhundert bezeichnet und über die Jahrhundertwende bis zum Beginn des zweiten Weltkrieges gerechnet wird. Der Begriff Décadence bezeichnet die kulturellen Strömungen und insbesondere die Literatur dieses Zeitraumes. Charakteristika der Dekadenz-Literatur waren eine bewusste Abkehrung vom Naturalismus und die Auflösung bis dahin geltender traditioneller Erzählverfahren. Darüber hinaus beinhaltete die Décadence meist eine hohe Künstlichkeit und besonders beliebt war die Niedergangsthematik.

Mit Niedergangsthematik ist insbesondere die Auflösung gesellschaftlicher Normen und eine Lust, die Grenzen des Schicklichen zu überschreiten gemeint. Im Verlauf dieser Arbeit wird noch einmal ausführlich hierauf eingegangen werden. Die Décadence war eine europäische Bewegung, die besonders Frankreich, England, Belgien, Deutschland, Italien, Österreich und Spanien beeinflusste.[1]

2.1 Die Décadence und Sade: der Mythos

Entgegen der weitläufigen Meinung, dass die Rezeption des Werkes de Sades erst im 20. Jahrhundert an Bedeutung gewann, erfreute sich der sogenannte „divin marquis“ bei den zeitgenössischen Autoren der Décadence großer Beliebtheit. Seine Werke – obwohl zumeist noch zensiert und verboten – waren aufgrund von Raubkopien und einer Verbreitung über das Ausland bekannte und begehrte Sammlerstücke. Schon immer erhöhte der Reiz des Verbotenen die Nachfrage nach illegaler Literatur, und speziell de Sades Werke, deren Buchcover zumeist mit plakativen Illustrationen von Folterinstrumenten verziert waren, umgab eine Aura des Verruchten. Es war folglich für jeden interessierten Leser kein Problem, sich mit der Literatur de Sades vertraut zu machen.

Auch das Leben des Marquis faszinierte die Menschen des 19. Jahrhunderts, und als Vorreiter einer Welle von biographischen Texten prägte besonders ein 1843 erschienener Aufsatz von Jules Janin das Bild de Sades.

Diese Schrift, die fast schon romanhaften Charakter hatte, beschäftigte sich intensiv mit der Familie de Sades und insbesondere mit Laura della Nova, die – und dies ist in der Forschung höchst umstritten – die von Petrarca Angebetete war. Der Biograph konstruierte in seiner Schrift eine vollkommen reine, nahezu heilige Laura, neben der der lasterhafte Charakter des Marquis de Sade noch düsterer und verdorbener erschien. Auch später erschienene Biographien änderten nichts mehr an diesem Bild, das die Gesellschaft sich vom Marquis de Sade gemacht hatte.[2]

2.2 Die Décadence und Sade: die Ästhetisierung des Bösen

Wie bereits erwähnt, zeichnete sich die Dekadenz-Literatur durch eine Niedergangsthematik aus, die besonders auf dem Überschreiten und Außerkraftsetzen gesellschaftlicher Werte und Normen beruhte. Nach dem Motto „l’art pour l’art“ wurde das Böse, Verbrecherische und Hässliche aufgewertet und ästhetisiert. Dies hatte eine Auflösung der traditionellen Gleichsetzung von „gut“ mit „normal“ und „böse“ mit „anormal“ zur Folge und führte somit zu einer allgemeinen literarischen Immoralität.

Was ergo als Verneinung der moralischen Konventionen und gesellschaftlichen Normen begann, gipfelte schließlich in einer regelrechten Suche nach Grenzüberschreitungen und einer Glorifizierung des Unmoralischen. Das Resultat dieser Entwicklung ist, das die Décadence zumeist als unnatürlich und pervers im Bezug auf Werte, Sexualität und auch Religion angesehen wurde und wird. Der Marquis de Sade erfüllte jedes Kriterium der Immoralität. Seine Literatur ist ein Tummelplatz der Abscheulichkeiten und Perversionen:

Es gibt Nonnen und Mönche, die nur auf ihr sexuelles Vergnügen bedacht sind, Staatsbedienstete, die willkürlich Haftbefehle ausschreiben und sich an der Staatskasse bereichern, Väter, die ihre Töchter entjungfern, Töchter, die ihre Väter nach dem Beischlaf umbringen und Söhne, die ihre Mütter vergewaltigen.

Es gibt Giftmorde, Lustmorde, Rachemorde und ein ganz allgemeines Vergnügen an Verbrechen jeglicher Art. Dazu kommen noch Kannibalismus, Homosexualität und Promiskuität und so ziemlich jede sexuelle Perversion, die man sich ausmalen kann (z.B. Nekrophilie).

Über seine Schriften hinaus faszinierte – wie bereits erwähnt – vor allem auch die Persönlichkeit des Marquis, denn er war wie seine Texte. Er schrieb während der Jahre seines Lebens, die er eingesperrt verbrachte und er schrieb, um seine Phantasien zu verwirklichen - wohlgemerkt Phantasien, die er in Freiheit auf seinem Schloss ausgelebt hatte (auch wenn er immer betonte, kein Mörder zu sein). Es war das Denken de Sades, das so entsetzte.

Ein Grundgedanke des 18. Jahrhunderts war, dass alle Menschen von Natur aus gleich sind. De Sade hat auf Basis dieses Gedankens gleich zwei Überzeugungen vertreten, die eigentlich widersprüchlich sind.

[...]


[1] Beilharz, Alexandra: Die Décadence und Sade. Untersuchungen zu erzählenden Texten des französischen Fin de Siècle. Stuttgart: M und P, Verlag für Wissenschaft und Forschung 1996.

[2] ebd.

Fin de l'extrait de 21 pages

Résumé des informations

Titre
Die Ästhetisierung des Bösen: Marquis de Sade
Université
University of Paderborn  (Neuere deutsche Literaturwissenschaft - Kulturwissenschaftliche Anthropologie)
Cours
Satanismus in der europäischen Dekadenz
Note
2,0
Auteur
Année
2004
Pages
21
N° de catalogue
V73330
ISBN (ebook)
9783638632829
ISBN (Livre)
9783638755191
Taille d'un fichier
458 KB
Langue
allemand
Mots clés
Bösen, Marquis, Sade, Satanismus, Dekadenz
Citation du texte
MA Annika Wakup (Auteur), 2004, Die Ästhetisierung des Bösen: Marquis de Sade, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/73330

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