Textanalytische Übung zu Ilse Aichinger: Seegeister

Die Gesellschaft - Instrument der individuellen Zerstörung?


Hausarbeit, 2007

12 Seiten, Note: 2,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Textelemente

3. Zeit
3.1 Erzählzeit - erzählte Zeit
3.2 Ordnung
3.3 Dauer
3.4 Frequenz

4. Modus
4.1 Distanz
4.2 Fokalisierung

5. Stimme
5.1 Zeitpunkt des Erzählens
5.2 Stellung des Erzählers
5.3 Ort des Erzählens
5.4 Subjekt und Adressat des Erzählens

6. Schlussbetrachtung

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die fiktionale Erzählung „Seegeister“ von Ilse Aichinger[1] aus dem Jahr 1952 ist dem Sammelband „Klassische deutsche Kurzgeschichten“, herausgegeben von Werner Bellmann im Jahr 2003, entnommen und ist dort auf den Seiten 111-118 abgedruckt.

Thema der Erzähltextanalyse ist „Die Gesellschaft – Instrument der individuellen Zerstörung?“.

Zunächst erfolgt eine Analyse des Aufbaus, der Zeit, des Modus und der Stimme. Ich beziehe mich dabei auf die „Einführung in die Erzähltheorie“ von Martinez/Scheffel[2], die als Grundlage für die verwendeten Fachbegriffe gilt.

In einer Schlussbetrachtung möchte ich die Ergebnisse der Analyse kurz zusammenfassen und anschließend mit Hilfe einer Diskussion des Sekundärtextes „Ilse Aichinger- Seegeister“ von Richard Reichensperger[3] die Fragestellung „Zerstört die Gesellschaft das Individuum?“ beantworten.

2. Textelemente

Die Kurzgeschichte umfasst siebeneinhalb Seiten und 226 Zeilen. Sie ist nicht fortlaufend gedruckt, sondern durch Leerzeilen in vier Abschnitte unterteilt.

Die Einleitung besteht aus den Zeilen 1-10. Sie bezieht sich auf die folgenden drei Abschnitte, in denen jeweils eine differenzierte Handlung beschrieben wird.

Während der erste Abschnitt aus 86 Zeilen besteht, umfassen der zweite und der dritte 65 Zeilen.

Der Titel „Seegeister“ bezieht sich auf die Figuren, deren Schicksal in den drei Abschnitten vorgestellt wird - der Mann, der sein Boot nicht mehr ausschalten konnte, die Frau, die ohne Sonnenbrille vergeht und die drei Mädchen, die einen Matrosen ausgelacht haben, sodass dieser, als er ihnen zeigen wollte wie mutig er ist, verunglückte. Diese Figuren stehen für die Geister, die im See spuken.

3. Zeit

3.1 Erzählzeit - erzählte Zeit

Die Erzählzeit - die Zeit, die für die Darstellung der Geschichte benötigt wird -

(vgl. Martinez/Scheffel, 31) beträgt siebeneinhalb Seiten. Die „[...] Dauer der erzählten Geschichte [...]“ (Martinez/Scheffel, 31) - die erzählte Zeit - lässt sich hingegen nicht genau definieren. In der Einleitung werden die Jahreszeiten Sommer und Herbst genannt, allerdings wird von ihnen in allgemeiner Art gesprochen, sodass nicht deutlich wird, wie lange der beschriebene Zeitraum ist. Auch in den folgenden drei Abschnitten lässt sich keine genaue Angabe über die erzählte Zeit machen, da alle Episoden ein offenes Ende haben.

Deutlich wird, dass die Erzählung zeitraffend erzählt wurde. Die erzählte Zeit ist viel größer als die Erzählzeit und steht in keinem Verhältnis zu ihr.

3.2 Ordnung

Es liegt eine analytische Erzählung vor. In der Einleitung wird der See zum ersten Mal erwähnt. Allerdings erscheinen die Ausführungen des Erzählers rätselhaft. Erst nachdem die drei Episoden analeptisch erzählt werden, lässt sich die rätselhafte Beschreibung erklären (vgl. Martinez/Scheffel, 38 f.).

In der Einleitung wird durch die zukunftsgewisse Prolepse „Wer später kommt oder länger bleibt, wer zuletzt selbst nicht mehr weiß, ob er noch zu den Gästen oder schon zu den Geistern gehört, wird sie unterscheiden.“ (Aichinger, 111) ein Ereignis, das noch in der Zukunft liegt, bereits vorwegnehmend erzählt (vgl. Martinez/Scheffel, 191).

Betrachtet man die folgenden drei Episoden, so stellt man fest, dass sie jeweils mit einer aufbauenden Analepse beginnen. Die aufbauende Analepse dient als Erklärung „[...] mit deren Hilfe die Hintergründe einer zunächst unvermittelt präsentierten Situation entwickelt werden. “ (Martinez/Scheffel, 36).

Die Analepse beginnt ab Zeile 11 und endet in Zeile 94. In der zweiten Episode beginnt die Analepse in Zeile 99 und endet in Zeile 149. Die Analepse in der dritten Episode umfasst die Zeilen 162 bis 222.

In den Episoden beginnt die Analepse nicht unmittelbar, stattdessen werden die Personen, von deren Schicksal in der Analepse berichtet wird, kurz erwähnt: „Da ist der Mann [...]“ (Aichinger, 111), „Oder die Frau, die vergeht [...]“ (Aichinger, 114), „Da waren auch noch drei Mädchen [...]“ (Aichinger, 116).

Stellt man sich die Frage, ob die Erzählung chronologisch ist, so muss man den Text differenziert betrachten.

Die Erzählung im ersten Abschnitt beginnt am „[...]Abend [...]“ (Aichinger, 111) und wird in chronologischer Abfolge „Am nächsten Morgen [...]“, „Und als sie am nächsten Morgen [...]“, „Am vierten Tag [...]“ (Aichinger, 113) weiter erzählt.

Auch der zweite und der dritte Abschnitt sind chronologisch. Es tauchen weder Analepsen noch Prolepsen innerhalb der Episoden auf.

Versucht man die drei Episoden sowie die Einleitung in einen chronologischen Zusammenhang zu bringen, so ist das nicht möglich. Zwischen den Ereignissen, die in der Erzählung geschildert werden, lässt sich keine chronologische Relation bestimmen. Es lässt sich nicht feststellen, welches der Ereignisse als erstes stattgefunden hat oder ob sie gleichzeitig stattgefunden haben. Berücksichtigt man diese Ergebnisse, so ergibt sich daraus, dass eine Achronie vorliegt.

[...]


[1] Aichinger, Ilse: Seegeister. In: Klassische deutsche Kurzgeschichten. Hrsg. von Werner Bellmann. Stuttgart 2003. S. 111-118.

[2] Martinez, Matias/ Scheffel, Michael: Einführung in die Erzähltheorie. 6. Auflage. München 2005.

[3] Reichensperger, Richard: Ilse Aichinger. Seegeister. In: Interpretationen. Klassische deutsche Kurzgeschichten. Hrsg. von Werner Bellmann. Stuttgart 2004. S. 126-134. Die Quellenangaben sind im Folgenden im Text zitiert mit Angabe der Seitenzahl.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Textanalytische Übung zu Ilse Aichinger: Seegeister
Untertitel
Die Gesellschaft - Instrument der individuellen Zerstörung?
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Note
2,5
Autor
Jahr
2007
Seiten
12
Katalognummer
V73362
ISBN (eBook)
9783638741248
Dateigröße
428 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Textanalytische, Ilse, Aichinger, Seegeister
Arbeit zitieren
Verena Büchel (Autor:in), 2007, Textanalytische Übung zu Ilse Aichinger: Seegeister, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/73362

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