Die Deposition Johannes XII im Zuge der kaiserlichen Synode Ottos I. 963. Anatomie eines Zerwürfnisses


Term Paper, 2000

22 Pages, Grade: 1.3


Excerpt


Inhalt

1. Vorbemerkungen

2. Die Wurzeln des Konfliktes
2.1 Die Chronologie des Zerwürfnisses
2.2 Exkurs: Die innere Lage Italiens nach dem Zerfall des karolingischen Reiches

3. Die Kaiserliche Synode Ottos I. des Jahres 963
3.1 Das Gegenkonzil des Johannes: Bewertung des Depositionsverfahrens aus kirchenrechtlicher Sicht
3.2 Kritik des Berichtes Liudprands von Cremona

4. Zusammenfassung der Ergebnisse

6. Bibliografie

1. Vorbemerkungen

Diese Arbeit befasst sich mit der durch Kaiser Otto initiierten und von ihm geführten Synode in den Monaten November und Dezember des Jahres 963 in Rom, die mit der Absetzung des amtierenden Papstes Johannes des XII. endete. Zwar war die Deposition eines Papstes im Mittelalter keineswegs ein ungewöhnlicher Vorgang,[1] doch kommt der hier behandelten durch die Schärfe des Konfliktes und die politischen Motivationen der Handelnden eine besondere Bedeutung zu.

Im Zentrum der Arbeit steht der in den Kapiteln 3 und 3.2 behandelte Bericht Liudprands von Cremona über Ablauf und Zustandekommen der kaiserlichen Synode des Jahres 963. Um die Qualität dieser Schilderung hinreichend zu würdigen, seien hier einige biografische Anmerkungen gemacht: Liudprand, 961 geboren, entstammte einer angesehenen Diplomatenfamilie; sein Vater ging 927 auf Geheiß des Königs Hugo als dessen Gesandter nach Konstantinopel.[2] Nach dem frühen Tod des Vaters erhielt Liudprand seine Erziehung am königlichen Hof zu Pavia, widmete sich dort theologischen Studien und erwarb umfangreiche Kenntnisse der „römischen profanen Literatur.“[3]

Seine Familie erkaufte Liudprand eine einflussreiche Stellung in der Kanzlei seines späteren Gegners König Berengar, welcher ihn in die Geheimnisse der Politik einführte. Um 949 ging Liudprand im Auftrag Berengars gleich seinem Vater als Gesandter nach Konstantinopel und erlernte dort die griechische Sprache. Die Ursachen des Bruchs zwischen Liudprand und Berengar bleiben im dunkeln,[4] 956 fand man ihn als erbitterten Gegner desselben im Gefolge König Ottos. 958 begann er mit der Arbeit an – einer später unvollendet gebliebenen – Chronik Europas seit dem Tode Karls des III., dem „Buch der Vergeltung“.

Mit der Neuordnung des Reiches durch König Otto I. fiel Liudprand das Bistum Cremona zu; fortan zählte er zu den zuverlässigsten Anhängern des Königs.

In der Folge der Ereignisse um den hier behandelten Italienzug Ottos war Liudprand für sein Bistum tätig, bahnte die spätere Heirat Ottos des II. mit Theophane an und blieb literarisch tätig, bis er 972 oder 973 starb. Die hier behandelte Chronik Liudprands entstammt der Feder eines hochrangigen Staatsdieners und außerordentlich gebildeten – wenngleich sicherlich parteilichen Mannes; diese wenigen Bemerkungen öffnen bereits das Spannungsfeld ihrer Bewertung. Diese ausführliche Schilderung ist die eines Augenzeugen und unmittelbar an den Vorgängen Beteiligten – Liudprand gehörte als Bischof der Gefolgschaft Ottos an, die ihn während dessen Italienzug begleitete. Darüber hinaus war Liudprand jedoch nicht nur Beobachter, sondern nahm als Dolmetscher Ottos und dessen Bote aktiv am Geschehen Teil. Diese Beobachtungen lassen bereits auf eine mögliche Parteilichkeit des Berichtenden schließen; sie und die sicherlich vorhandenen literarischen Ambitionen des Autors nötigen zu einer kritischen Betrachtung seiner Darstellung.

Die Vorgänge im Winter des Jahres 963 sind eingebettet in einen größeren historischen Zusammenhang, dessen Kenntnis für das Verständnis des Konfliktes zwischen Papst Johannes XII. und dem werdenden Kaiser Otto I. unerlässlich ist. So widmet sich Abschnitt zwei zunächst dem Versuch, Vorgeschichte und Ursachen der Auseinandersetzung offenzulegen. Abschnitt 2.1 beleuchtet dann die wichtigsten Stationen, die den Weg von dem im Februar 962 geschmiedeten Bündnis zwischen Kaiser Otto und Papst Johannes zum vollständigen Zerwürfnis der beiden Protagonisten im Jahre 964 markieren.

Wie Abschnitt 3 zeigen wird, zeichnet Liudprand recht eindrücklich ein äußerst vernichtendes Bild der Person Johannes´ und seines Pontifikats – wohl nicht zuletzt, um größtmögliche Legitimität des Depositionsverfahrens Ottos behaupten zu können. Einer genauen Prüfung hält diese Darstellung nicht stand; die unter Abschnitt 3.1 anhand des ausführlich dokumentierten Gegenkonzils Johannes zu Ottos Synode im Februar des Jahres 964 vorgenommenen kirchenrechtlichen Betrachtungen lassen die Absetzung Johannes zumindest fragwürdig erscheinen und werfen die Frage nach den politischen Motivationen der handelnden auf.

Diese Betrachtungen werden schließlich auch die, wie in Abschnitt 2.1 geschilderte und für den wechselhaften Fortgang des Konfliktes zentrale, auf den ersten Blick undurchschaubar scheinende Bündnispolitik der Römer als politisch durchaus sinnvolles Handeln erkennbar werden lassen.

2. Die Wurzeln des Konfliktes

Der 954 verstorbene Stadtherr von Rom, Alberich, hatte auf dem Sterbebett die Römer verpflichtet, nach dem Tode des amtierenden Papstes Agapits II. seinen Sohn Oktavian zum Papst zu erheben, der fortan weltliche und geistliche Macht in seiner Person vereinen sollte. Dieses Ansinnen widersprach kanonischen Vorschriften[5] und dem Papstwahldekret des Symmachus, welches Absprachen über die Nachfolge eines legitimen Papstes über seine Nachfolge zu dessen Lebzeiten untersagte. Der Plan gelang zwar aufgrund der großen Autorität Alberichs und seines Sohnes, barg jedoch ein beträchtliches Maß an Konfliktstoff. Johann suchte die neue Unabhängigkeit Roms zu wahren, verstrickte sich aber im Kampf gegen tatsächliche oder angenommene Bedrohung gegen den Fürsten von Capua im Süden des Landes und König Berengar, dessen Sohn Adalbert und seiner Gemahlin Milla im Norden in wechselnde Bündnisse. Schließlich schien die Existenz des Kirchenstaates bedroht; Johannes hatte sich in eine ausweglose Lage manövriert: 959 hatte er seine militärischen Kräfte in einem glücklosen Feldzug gegen Capua gebunden. König Berengar nutzte diese Schwäche zum Einfall in das zum Kirchenstaat gehörige Herzogtum Spoleto, gleichzeitig führte sein Sohn Adalbert einen Angriff gegen die westlich gelegenen Kirchengüter. Johannes, von mehreren Seiten militärisch bedroht und unter innenpolitischem Druck durch eine wachsende Gruppe römischer Intellektueller stehend, bat nun König Otto um militärische Unterstützung und sandte 960 eine Delegation mit der Bitte nach Regensburg, „...den Papst und die demselben anvertrauten heiligen römischen Kirche aus ihrem Rachen erretten und wieder zu ihrer alten Wohlfahrt und Freiheit..“ zu bringen.[6] Es scheint sicher, das Otto bereits von anderer Seite um Hilfe gegen den marodierenden Berengar gebeten wurde; Liudprand berichtete von Bitten des Erzbischofs der Mailänder Kirche und des Bischofs Waldo von Komo. Darüber hinaus hätten sich auch „viele Männer weltlichen Standes“[7] der päpstlichen Delegation angeschlossen, Marktgraf Otbert unter ihnen. Es bleibt jedoch fraglich, ob – wie Benedikt berichtet[8] – die Delegation eigentlich durch eine dem Papst feindlich gesinnte Gruppe gesandt wurde und sich Johannes ihrer wohl oder übel angeschlossen habe.[9] Aus mindestens zweierlei Gründen kam Otto jedoch diese Bitte sehr gelegen: Es war ihm nun möglich, endlich die Kaiserkrone zu erhalten, und es bot sich ihm die Möglichkeit, seiner seit 951 im Abschwung begriffenen Herrschaft über Italien neuen Glanz zu verleihen. Von Anbeginn war sich Otto der zu erwartenden Unwägbarkeiten des Unternehmens wohl bewusst: Die Kaiserkrone brächte Schwierigkeiten mit Berengar, Adalbert und Papst Johannes selbst: Diese stünden einer deutschen Herrschaft zumindest ablehnend gegenüber; der Papst nähme die Krönung notgedrungen vor. Im übrigen ständen Konflikte mit dem byzantinischen Kaiser zu erwarten, der keine Konkurrenz zu dulden bereit war und sich selbst als einzig legitimen römischen Kaiser betrachtete.

Otto bereitete seinen Italienzug sorgfältig vor und traf umfangreiche politische und diplomatische Vorbereitungen; er verkündete seinen Entschluss erst 961 vor dem Wormser Reichstag und ließ dort – um das Verbleiben der Krone in seiner Dynastie nach seinem Tod zu gewährleisten – seinen Sohn zum Mitkönig wählen. Im August 961 sammelte Otto bei Augsburg ein ansehnliches Heer, das durch verschiedene Bischöfe und die Gemahlin Ottos begleitet wurde. Bereits an der Veroner Klause stieß man auf ein großes Heer Berengars, der den Zutritt Ottos nach Italien zu verwehren trachtete. Durch innere Zwistigkeiten wurde Berengar allerdings zur Auflösung seiner Streitmacht gezwungen und Otto konnte passieren. In Pavia angekommen, wurde der König auf das freundlichste empfangen. Das Land litt unter der gewaltsamen und ungewollten Herrschaft Berengars und seiner Gemahlin Willa und erhoffte sich Befreiung. Umgehend unternahm Otto Maßnahmen zur Stärkung seiner Position, gliederte die Markt Verona wieder in das Herzogtum Bayern ein und ernannte den ihm loyalen Otbert zu seinem Pfalzgrafen. Er setzte außerdem auch andere durch Berengar entmachtete weltliche und geistliche Würdenträger wieder ein und baute die zerstörte Königspfalz von Pavia wieder auf.

[...]


[1] Eine ausführliche Darstellung der Papstabsetzungen im Mittelalter bietet: Zimmermann, Harald. Papstabsetzungen des Mittelalters . Graz, Verlag Böhlau 1968.

[2] Vgl.: Allgemeine Deutsche Biographie. Herausgegeben durch die historische Kommission bei der königliche Akademie der Wissenschaften. Verlag Duncker & Humbold, Leipzig 1884. Bd. 19

[3] Ebd.

[4] „Beide nämlich haben mich, mein Haus, meine Verwandtschaft und meine Angehörigen ohne alle Ursache mit giftigen Pfeilen der Lüge, mit so räuberischer Erpressung und so gottlosen Ränken verfolgt, das weder die Zunge es auszusprechen, noch die Feder es zu beschreiben vermag.“ Aus Liudbrands Werken. Nach der Ausgabe der Monumenta Germanica. Übersetzt von Freiherr Karl von der Osten – Sacken. Neu bearbeitet von W. Wattenbach. 5. unveränderte Auflage. Leipzig, Lorenz 1940. In: Die Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit. Nach den Texten der Monumenta Germanica Historica in deutscher Bearbeitung. Hrsg.: Perk, Grimme u.a. 2. Gesamtausgabe, Bd. 29. S. 47.

[5] Abgeleitet vom Begriff des „Kanon“. Nach Aristoteles Ausdruck für Exaktheit, auch Richtschnur, Norm, Tabelle. Biblischer Kanon: Sammlung jener Bücher, die als für den Glauben normgebend gelten. Hierzu: Lexikon für Theologie und Kirche. Zweite, neu bearbeitete Auflage. Hrsg.: Josef Höfer und Karl Rahner. Herder, Freiburg 1960. 5. Band, S. 1277. Der Terminus „kanonisches Recht“ markiert demnach unter Berufung auf biblische Grundsätze die „Richtschnur für Glauben und Leben der Christen.“ Vgl.: Ebd., S. 1284. Kirchenrecht ist das Recht einer „auf göttlicher Stiftung beruhenden übernatürlichen Gemeinschaft,...die sich durch Wort und Sakrament aufbaut und

dazu berufen ist, den Menschen das Heil zu bringen.“ (Ebd., Bd. 6, S. 245).

[6] Vgl.: Aus Liudprands Werken. S.105.

[7] Ebd., S.106.

[8] Zimmermann führt aus, Benedikts Bericht sei „chronologisch völlig falsch eingeordnet und daher wenig vertrauenserweckend“ Zimmermann, Harald. Papstabsetzungen des Mittelalters. Graz u.a., Böhlau 1968. S.80

[9] Dieses Moment macht den folgenden Konflikt erklärbar: Zum einen handelte Johann wohl nicht vollständig aus eigenem Antrieb, ihm konnte schließlich – wenngleich er Ottos Hilfe brauchte – an einer deutschen Hegemonie nichts gelegen sein. Zum anderen war Otto wohl bereits zu diesem Zeitpunkt über den ausgesprochen unchristlichen Lebenswandel des Papstes und dessen wankelmütige Bündnispolitik informiert und musste also die Bündnisfähigkeit des Papstes infrage stellen.

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Details

Title
Die Deposition Johannes XII im Zuge der kaiserlichen Synode Ottos I. 963. Anatomie eines Zerwürfnisses
College
University of Regensburg  (Geschichte)
Course
Die Kirchenpolitik der Ottonen
Grade
1.3
Author
Year
2000
Pages
22
Catalog Number
V7338
ISBN (eBook)
9783638146296
File size
566 KB
Language
German
Keywords
Papstabsetzung / italienische Geschichte / Kaiser Otto
Quote paper
Thorsten Mundi (Author), 2000, Die Deposition Johannes XII im Zuge der kaiserlichen Synode Ottos I. 963. Anatomie eines Zerwürfnisses, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7338

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