Marc Bloch und 'Die wundertätigen Könige'


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

27 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.0. Einleitung

2.0. Leben und Werk von Marc Bloch

3.0. Marc Blochs Geschichtsverständnis
3.1. „Für eine vergleichende Geschichte der europäischen Gesellschaften“
3.2. Die Schule der Annales

4.0. „Les rois thaumaturges: Etude sur le caractère surnaturel attribué à la puissance royale particulièrement en France et en Angleterre – Die wundertätigen Könige“
4.1. Einflüsse auf die Entstehung
4.2. Aufbau und Inhalt von „Die wundertätigen Könige“
4.3. Einschätzung des Werkes

5.0. Zusammenfassung

6.0. Bibliographie

1.0. Einleitung

Historiker, Vordenker, Patriot und Wissenschaftler: Marc Bloch.

Diese Arbeit soll einen Überblick über einen der prägnantesten Historiker der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts geben, der mit seinem ganz eigenen Geschichtsverständnis die Weichen in der historischen Forschungsweise neu gestellt hat.

Betrachtet werden das Leben und Wirken Blochs, sein besonderer Werdegang und die sich daraus entwickelnde Methodik seiner Arbeit. Den Einschnitten seiner Zeit patriotisch entgegentretend, bildete seine wissenschaftliche Arbeit den immer fortwährenden Mittelpunkt seines Lebens. Bereits im Alter von zwanzig Jahren legte er den Grundstein für eine vergleichende Geschichtsbetrachtung, eine für jene Zeit ungewöhnliche Herangehensweise.

Aus dem facettenreichen und umfassenden Werk ergeben sich für meine Arbeit verschiedene Ansatzmöglichkeiten. Die 1924 verfassten und erst in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts ins Deutsche übersetzten „Wundertätigen Könige“ sind das Erstlingswerk des jungen Historikers und bilden den Schwerpunkt meiner Ausführungen. Mein Ziel ist es zu zeigen, dass bereits in dieser ersten Studie die wesentlichen Grundzüge der von Marc Bloch entwickelten Geschichtstheorie nachzuweisen sind, die später die von ihm mitbegründete Schule der Annales aufnimmt und weiterentwickelt.

Auch heute noch ist Marc Bloch, vor allem in der deutschen Geschichtsforschung, präsenter denn je. Dank seines Sohnes Etienne Bloch, welcher der heutigen Wissenschaft durch Veröffentlichung diverser Briefwechsel und Schriften einen tiefen Einblick in das Leben des Privatmannes Bloch gibt, vervollständigt sich Stück für Stück das Bild eines außergewöhnlichen Menschen.

Ein großer Fundus an weiterführender Literatur hat sich in den Jahren der Forschung herausgebildet. Es scheint so, dass beim ‚Thema’ Marc Bloch die internationalen Forscher eine gemeinsame Sprache gefunden haben, dies zeigen zumindest die regelmäßig stattfindenden wissenschaftlichen Veranstaltungen und die daraus hervorgehenden Veröffentlichungen[1]. Die einzig wirkliche Biografie[2] ist jedoch bis heute nicht in deutscher Sprache erschienen.

2.0. Leben und Werk von Marc Bloch

Man könnte sich fragen, ob sein Weg nicht schon vor seiner Geburt vorbestimmt gewesen ist. Das Leben von Marc Léopold Bloch, so sein vollständiger Name, weist nämlich erstaunliche Parallelen mit dem seines Vaters Gustav Bloch auf.

Zwar ist über die Kindheit, des am 6. Juli 1886 in Lyon geborenen Marc Bloch nicht allzu viel bekannt, aber man weiß zumindest, dass der Vater seinen jüngsten Sohn bereits früh in Geschichte unterrichtet hat, genau wie es Gustavs Vater mit ihm getan hat. Durch den Umzug der Familie nach Paris eröffnete sich für den jungen Knaben ein umfangreiches Bildungsangebot. Im Juli des Jahres 1903 bestand er an dem Elite-Lycée Lois-le-Grand sein baccalauréat mit der Note ‚sehr gut’, nachdem er jedes Jahr unter den Besten seiner Klasse war und zahlreiche Preise in Geschichte, Französisch, Englisch, Latein und Geschichte gewonnen hatte.

Wie bereits sein Vater ,besuchte er nach seinem Abschluss des Lycées 1904 die Ecole Normale Supérieure in Paris, ein kleines, intellektuell hochkarätiges Institut, das pro Jahr nur maximal vierzig Schüler aufnahm. Schnell wird deutlich, dass Blochs Interesse vor allem dem Gebiet der Geschichte gilt. Vier Jahre später schließt er mit der agrégation im Fach Geschichte und Geographie ab. Das darauffolgende Jahr studiert er in Deutschland und nutzt seine Aufenthalte in Berlin und Leipzig, um sich mit der Arbeit und den Methoden der Schule der deutschen Historiker vertraut zu machen. Interessiert zeigt er sich hier hauptsächlich an dem Bereich der Wirtschaftsgeschichte. „Marc Bloch immatrikulierte sich (nämlich) nicht als Geschichtsstudent, sondern als Hörer der Kameralistik, also der Nationalökonomie.“[3] So hört er in Berlin Max Sering und Rudolf Erberstadt, in Leipzig Karl Lamprecht und Karl Bücher.

Nach seiner Rückkehr nach Paris wird er Stipendiat der Fondation Thiers und widmet sich, frei von finanziellen Sorgen und Ängsten, seiner Doktorarbeit. „Bloch’s doctoral thesis was to be a study of disappearence of serfdom in the rural regions around Paris in the twelfth and thirteenth centuries.”[4] Während der folgenden vier Jahre arbeitet Bloch an seinem diplôme, ohne es jedoch abzuschließen – zu weit sind die Forschungsfelder, die sich rechts und links des eigentlichen Themas auftun. So beschäftigt sich die erste größere Publikation des jungen Forschers[5] mit der regionalen Geschichte der Ile-de-France.

1912 nimmt Marc Bloch seine erste Stelle als Geschichts- und Geographielehrer in einem Lycée in Montpellier an. Das war das erste mal nach seinem Studienaufenthalt in Deutschland, dass der junge Mann die Hauptstadt Paris verließ und damit verbunden auch eine Trennung von der Familie und Freunden in Kauf nehmen musste.

Das Unterrichtspensum von über sechzehn Stunden die Woche und die damit einhergehende Vor- und Nachbereitungszeit ließen eine Arbeit an seiner Doktorthese nicht mehr zu. Trotz allem nahm er regen Anteil an den aktuellen Diskussionen und Forschungskontroversen innerhalb seines Fachgebietes. Nach Ablauf seiner auf ein Jahr befristeten Stelle in Montpellier fand er eine Anstellung in dem Lycée in Amiens.

Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges unterbrach ohne Erbarmen seine wissenschaftliche Karriere. Im August 1914 wurde Bloch als Sergeant des 272. Infanteriereserveregiments einberufen. Viermal ausgezeichnet, mehrmals verwundet, zum Hauptmann aufgestiegen und mit dem croix de guerre geehrt, wurde er erst im März 1919 wieder aus der Armee entlassen.

Unmittelbar nach seiner Entlassung erhielt er einen Lehrauftrag für mittelalterliche Geschichte an der Universität in Strasbourg.

Ein weiteres erfreuliches Ereignis fällt in das Jahr 1919: am 19. Juli heiratet er Simonne Vidal in Paris, die in den folgenden Jahren sechs Kindern das Leben schenkt.

1920 beendet er seine, bedingt durch den Ersten Weltkrieg stark verkürzte, Habilitationsschrift mit dem Titel „Rois et serfs: Un chapitre d’histoire capétienne“ und verteidigt am 4. Dezember seine Thesen mit durchschlagendem Erfolg. Nicht nur, dass er mit très honorable die höchste Bewertung erhielt, sondern die Veröffentlichung seines Werkes „established his credentials as a medievalist“.[6] Ein Jahr später wird er außerordentlicher, 1927 schließlich ordentlicher Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Straßburg. In die Zeit, die Bloch in der relativ kleinen Grenzstadt verbringt, fällt auch die Freundschaft mit Lucien Febvre. „Ihre Arbeitszimmer lagen nebeneinander, und die Türen standen immer offen. An ihren endlosen Diskussionen nahmen manchmal auch Kollegen wie der Sozialpsychologe Charles Brondel teil [...] und der Soziologe Maurice Halbwachs, dessen 1925 veröffentlichte Arbeit über die sozialen Erinnerungen auf Bloch einen tiefen Eindruck machte.“[7] Zusammen mit Febvre gründete Bloch 1925 dann auch die Zeitschrift „Annales d’histoire économique et sociale“. Nur ein Jahr vorher erschien Marc Blochs bedeutende Studie über den Glauben an die Heil- und Wunderkraft der französischen und englischen Könige „Les rois thaumaturges“. 1932 folgt sein zweites großes Werk mit dem Titel „Les caractères originaux de l’histoire rurale française“. „Der Mediävist ist zum Pionier der Agrar- und Technikgeschichte geworden.“[8]

Nicht nur weil die Nähe zu dem inzwischen nationalsozialistischem Deutschland für den Juden Bloch immer gefährlicher wurde, sondern auch, weil Paris für ihn persönlich das Ziel seiner beruflichen Karriere darstellte, bemühte er sich in den Dreißiger Jahren immer wieder um eine Stellung in der Hauptstadt. Seine Bewerbungen am Collège de France blieben jedoch erfolglos.

Erst im Jahr 1936 wird er als maître de conférences an die Sorbonne berufen. Am
1. November 1937 erhält er schließlich die ordentliche Professur für Wirtschaftsgeschichte an der Pariser Universität. Das wohl bemerkenswerteste Ergebnis dieser äußerst produktiven Zeit ist die Veröffentlichung des zweibändigen Werkes „La société féodale“.

Am 24. August 1939 meldet sich Marc Bloch zum Kriegsdienst: „1939 habe ich mich wieder zum aktiven Dienst einziehen lassen, trotz meines Alters und meiner sechs Kinder, die mir schon längst das Recht gegeben hätten, die Uniform an den Nagel zu hängen“.[9] Ihm gelingt es, sich der Gefangennahme durch die Deutschen zu entziehen und mit dem Schiff nach England über zu setzen. Als Zivilist „verkleidet“, kehrt er zu seiner Familie zurück. Seine Erfahrungen während dieses Krieges schreibt er in dem posthum veröffentlichten Buch „L’Etrange défaite“ nieder.

Inzwischen auch wieder aus Paris geflohen, unterrichtet Bloch weiter an der nach Clermont-Ferrand ausgelagerten Straßburger Universität. Schließlich siedelt er 1941 nach Montpellier um und lehrt an der dortigen Universität.

Bereits während der Zeit in Clermont-Ferrand hat Bloch Kontakt mit der lokalen Gruppe der Résistance aufgenommen und intensivierte diese Verbindung bis er sich 1943 letztendlich der aktiven Résistance in Lyon anschließt. Er wird schnell Mitglied des regionalen Direktorats und zu einer der führenden Persönlichkeiten innerhalb der Bewegung. Am 8. März 1944 wird er von der Gestapo verhaftet, gefoltert und drei Monate später, am 16. Juni 1944 in Saint-Didier-de-Formans erschossen.

[...]


[1] s. Bibliographie: 1. Atsma, Hartmut / Burguière, André (Hrsg.), 5. Schöttler, Peter (Hrsg.)

[2] s. Bibliographie: 8. Fink, Carol

[3] s. Bibliographie: 12. Schöttler, Peter (Hrsg.): S. 38

[4] s. Bibliographie: 8. Fink, Carol, S. 41

[5] Anmerkung: Fink macht deutlich, dass erst die Teilnahme an einen Kongress in Brüssel 1923 und die dortige Präsentation und Verteidigung seiner bisherigen Studienergebnisse Bloch zu einem Wissenschaftler machen: „This debut marked Bloch’s tranformation from the Parisian researcher to the Strasbourg savant.”
(ebenda S. 107)

[6] s. Bibliographie: 8. Fink, Carol: S. 92

[7] s. Bibliographie: 6. Burke, Peter: S.21

[8] s. Bibliographie: 11. Raulff, Ulrich: S. 461

[9] s. Bibliographie: 3. Bloch, Marc: S. 44

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Marc Bloch und 'Die wundertätigen Könige'
Hochschule
Universität Leipzig  (Historisches Seminar)
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
27
Katalognummer
V73496
ISBN (eBook)
9783638742573
Dateigröße
465 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Marc, Bloch, Könige
Arbeit zitieren
M.A. Katja Lindhorst (Autor:in), 2005, Marc Bloch und 'Die wundertätigen Könige', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/73496

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