Die Maskilim: Ein historischer und ideengeschichtlicher Abriss im Kontext von Aufklärung und Haskala


Hausarbeit, 2007

28 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriffsklärung
2.1 Die Haskala
2.2 Die Maskilim

3. Charakterisierung der Maskilim im historischen Kontextes der Aufklärung und Haskala
3.1 Medien der Maskilim
3.2 Die Maskilim und Sprache
3.3 Die Maskilim: Wissenschaftliche Rationalität und Erziehung

4. Die Maskilim im Horizont des Ostjudentums

5. Der Maskil Salomon Maimon
5.1 Salomon Maimons Lebensgeschichte im Kontext der jüdischen Aufklärung

6. Resümee

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Epoche der europäischen Aufklärung gilt neben der Reformation als epochale Zäsur in der europäischen Kultur und Geschichte. Die zeitliche Erstreckung der europäischen Aufklärung wird allgemein von der Mitte des 17. Jahrhunderts bis zum Ende des 18. Jahrhunderts definiert. Obwohl dieser gesetzten zeitlichen Einteilung Entwicklungen voraus- und hinausgingen, umreist man mit dieser Einteilung den Rahmen der Aufklärung. Die Aufklärung in ihrem Kern erfassen zu wollen, dürfte bezüglich ihrer Komplexität, weit weniger eindeutig ausfallen. Es verbietet sich die Aufklärung auf eine gemeinsame Formel, einen Begriff oder eine Identität vereinfachen zu wollen. Denn zu unterschiedlich und komplex waren die gesellschaftlichen, wissenschaftlich- kulturellen und politischen Umstände in den einzelnen Ländern, die es zu differenzieren gilt.

Dennoch galten überall die selben wesentlichen Leitideen, die in den jeweiligen soziokulturellen Kontexten neue Perspektiven eröffneten. Die Kritik auf allen Ebenen der Gesellschaft avancierte zum essentiellen Merkmal der Aufklärung. Religions-dogmatische und supranaturalistische Welterklärungen, traditionelle Gesellschaftsgestaltung und die Legitimation althergebrachter Autoritäten wurden in Frage gestellt. Unter dem Primat der Vernunft, sollte die Welt erklärt und erkannt werden, nicht mit traditionellen Selbstverständlichkeiten. Der starke Fortschrittsglaube der Aufklärung postulierte auch die allgemeine Lern- und Lehrfähigkeit des Einzelnen, und damit die Universalität der Vernunft. Eben deshalb sollte eine gute Bildung nicht mehr allein das Privileg der Oberschicht sein. Die Erziehung und Bildung des Menschen trat deshalb in den Mittelpunkt der Aufklärung.

Die jüdische Reformbewegung, die Haskala, ging aus den Entwicklungen der außerhalb des Judentums vollzogenen Aufklärung hervor. Die Universalität der proklamierten Werte der Aufklärung von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit stellten auch das Judentum vor eine neue Herausforderung, da dieses bis dato außerhalb der Rechts- und Sozialordnung der christlichen Mehrheitsgesellschaft eine Parallelexistenz lebte. Die Frage der Gleichstellung der Juden innerhalb der christlich-bürgerlichen Gesellschaft kollidierte mit der traditionellen Lebensweise des Judentums.

Wollte man die Gleichstellung der Juden in der Gesellschaft erreichen, so bedurfte es einer Reform, nicht Abschaffung, des Judentums. Die Frage der Assimilation und Emanzipation der Juden berührte die Identität des Judentums, das sich in seinem Selbstverständnis stets als besondere Gemeinschaft, als auserwähltes Volk Gottes betrachtet hatte. Die Protagonisten der inneren jüdischen Reform waren die so genannten Maskilim, die jüdischen Aufklärer. Ihnen gilt das Augenmerk der vorliegenden Arbeit.

Methodisch betrachtet werde ich zunächst die Begriffe Haskala und Maskilim erläutern, um anschließend den historischen und ideengeschichtlichen Kontext der Maskilim zu beleuchten. Ein gesondertes Kapitel befasst sich mit den Maskilim in Ostmitteleuropa. Abschließend werde ich einige signifikante Aspekte zu Salomon Maimon und seiner Lebensgeschichte ausführen, um somit exemplarisch den Weg eines osteuropäischen Maskils im Horizont der jüdischen Reformbewegung zu skizzieren.

2. Begriffsklärung

2.1 Die Haskala

Die Begriffe Haskala und Maskilim sind untrennbar mit dem Horizont der jüdischen Aufklärung verbunden. Die hebräische Bezeichnung Haskala steht für die jüdische Aufklärung an sich. Ähnlich dem deutschen Begriff der Aufklärung umfasst das hebräische Haskala mehrere Dimensionen. Haskala kennzeichnet demnach die jüdische Aufklärungsbewegung, deren Anhänger, deren Tätigkeit und deren Diskurse sowie deren Zeitalter. Dennoch sei darauf hingewiesen, dass der Begriff Haskala im Unterschied zum deutschen Aufklärung, bereits in früheren Kontexten jüdischer Gelehrsamkeit Verwendung fand. Der antike Midrasch [1] und die jüdischen Philosophen des Mittelalters operierten mit dem Begriff Haskala und verstanden ihm Sinne von Vernünftigkeit und Einsicht. Abgeleitet wurde Haskala vom hebräischen Wort Sechel, das soviel wie Vernunft oder Verstand bedeutet. Die frühen jüdischen Aufklärer wie Mendelssohn, Wessely und Satanow waren mit dem Begriff Haskala durch ihren Umgang mit der rabbinischen Literatur vertraut. Sie gebrauchten und verstanden Haskala in der Bedeutung von Philosophie. In ihren deutschen Schriften fand der Begriff Aufklärung seine Verwendung. Haskala als differenzierende Bezeichnung wurde hingegen erst später von den jüdischen Aufklärern als Kennzeichnung der spezifisch jüdischen Aufklärung verwendet. Juda Loeb Jeiteles fasst im Jahre 1831 in der Wiener hebräischen Zeitschrift Bikkurej HaIttim den Begriff Haskala mit Aufklärung zusammen.[2]

2.2 Die Maskilim

Der Begriff Maskilim (Singular Maskil) fungierte nachweislich bereits seit 1783 als programmatische Selbstbezeichnung der jüdischen Aufklärer. Die in Königsberg gedruckte programmatische hebräische Schrift Nachal HaBesor gibt Aufschluss wie die Selbstbezeichnung der Maskilim bereits zu dieser Zeit für die Existenz einer stabilen Gruppierung stand, die sich mit den Ideen der Aufklärung spezielle an die Juden wandte, um sie von ihren Ideen zu überzeugen.[3] Viele Maskilim stammten aus Osteuropa und wurden Bestandteil der jüdischen Reformbewegung in Deutschland. Bedeutende Maskilim seien im Folgenden benannt: Naftali Hartwig Wessely (1725-1805), Moses Mendelssohn (1729-1786), Isaak Satanow (1733-1805), Saul Ascher (1776-1822), Isaak Euchel (1756-1804), David Friedländer (1750-1834), Salomon Maimon (1754?-1800) , Leopold Zunz (1794-1886) u.a.

3. Charakterisierung der Maskilim im historischen Kontextes der Aufklärung und Haskala

Gegenüber der europäischen Aufklärung setzte die jüdische Aufklärungsbewegung zeitverzögert ein. Intellektuell, politisch, kulturell, sozial und religiös galt es, denn Vorsprung der europäischen Aufklärung zu kompensieren. Staatliche Maßnahmen, wie die Auflösung der Ghettosituation z. B. in Preußen und Österreich erhöhten den sozialen und zeitlichen Druck auf die jüdische Bevölkerung um ein Zusätzliches. Die teilweise Öffnung der Ghettos und die damit verbundene Forderung der Anpassung an die christliche Majoritätsgesellschaft zum allgemeinen Wohl des Staates, ließen die sozialen und kulturellen Gegensätze vollends zur Geltung kommen. Der Blick nach Amerika und Frankreich verdeutlichte, dass der Traum von der Emanzipation der Juden hin zu gleichberechtigten Staatsbürgern nunmehr nicht allein dem Traum und einem entfernten Bedürfnis verhaftet bleiben sollte, sondern zur realen Möglichkeit avancierte. Wollte die jüdische Bevölkerung den Anschluss an die allgemeine kulturelle Entwicklung nicht verpassen, so musste die Möglichkeit der Aufklärung und der gesellschaftlichen Emanzipation der Juden die unmittelbare Notwendigkeit selbiger nach sich ziehen, so zumindest die Auffassung der Maskilim.[4]

Berlin galt im Selbstverständnis der Maskilim als historischer Ausgangspunkt der jüdischen Aufklärung. Hier entstand sie zunächst als Selbstaufklärung, durch die autodidaktische Aneignung von säkularem Wissen und säkularer Wissenschaft Einzelner. Zum Mittelpunkt der aufklärerischen Berliner Juden avancierte Moses Mendelssohn[5].

Nach dem Siebenjährigen Krieg 1756- 1763 setzte sich die aufklärerischen Tendenzen vor allem bei wohlhabenden Juden durch und entwickelte sich zu einer eigenständigen Bewegung. Um Mendelssohn und die Mitglieder der berühmten Berliner Mittwochgesellschaft (z. B. Spalding, Gedicke, Teller, Suarez u.a.) entstand ein beachtlicher Kreis jüdischer Aufklärer. Das Neue bestand in der Tatsache, dass die jüdischen Gelehrten sich keineswegs, wie zu früheren Zeiten, damit begnügten, Selbstaufklärung zu betreiben, sondern das jüdische Volk im Ganzen als Gegenstand der Aufklärung betrachteten. Einzelne aufgeklärte Juden gab es bereits vor der Haskala. Exemplarisch verweise ich auf Uriel da Costa, Baruch Spinoza und Moses Chajim Luzzatto, die im 17. und frühen 18. Jahrhundert in den Niederlanden und Italien gewirkt hatten. Auch in Deutschland gab es in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts vereinzelte Juden, die aufklärerische Ideen transportierten. Namentlich waren das u.a. der Hebräisch- Grammatiker Salomo Hanau, der Kaufmann Isaak Wetzlar, der Mathematiker Raphael Levi oder der Arzt Aron Gumpertz.[6]

Eine explizit jüdische Aufklärungsbewegung bildete sich aber erst nach 1770 heraus. Neben Berlin gehörten Königsberg, später auch Breslau, Prag und Wien zu den Zentren der Haskala. Im Unterschied zu den vereinzelten aufgeklärten Juden besaß die Haskala den Charakter einer umfassenden Bewegung mit eigener Ideologie, eigenen Zeitschriften und Aufklärungsgesellschaften.[7]

Das mittelalterliche elitäre Vernunftmodell erfuhr mit der Haskala einen radikalen Bruch. Vernunft, als menschliches Spezifikum, wurde nun allen Menschen zugewiesen und nicht einer Elite überlassen. Auch für die Juden bedeutete dies, dass ihre mangelnde Aufklärung keineswegs auf den Mangel an Vernunft zurückzuführen sei, sondern an den schlechten äußeren Bedingungen, der Diskriminierung, der fehlenden profanen Bildung und Erziehung sowie an der starren religiösen Tradition festgemacht werden muss. Dementsprechend galt die jüdische Aufklärung allen Juden.[8]

[...]


[1] Midrasch meint den rabbinischen Auslegungstext zu einem Buch oder Teilabschnitt der Bibel.

[2] Vgl. Schulte, Christoph, Die jüdische Aufklärung- Philosophie, Religion, Geschichte, München, 2002, S. 17.

[3] Vgl. ebenda, S. 17-18.

[4] Vgl. Schulte, Christoph, Die jüdische Aufklärung- Philosophie, Religion, Geschichte, München, 2002, S. 18-19.

[5] Moses Mendelssohn (1729-1786) wird allgemein hin als einer der bedeutendsten jüdischen Aufklärer angesehen. Viele Maskilim bezogen sich auf die Arbeiten Mendelssohns. Dem breiteren Publikum dürfte er in seiner Beziehung zu Gotthold Ephraim Lessing im Bewusstsein geblieben sein, als dessen Freund und als Modelltyp für sein Stück „Nathan der Weise“, dessen Held Lessing ähnlich dem Freunde gestaltete. Um die Person von Mendelssohn bildete sich ein Kreis aufgeklärter Juden. Die Ideale der Aufklärung waren in Mendelssohns Augen, ohne weiteres mit den Lehren der Hebräischen Bibel, somit mit dem Judentum vereinbar. Jedoch war die Person Moses Mendelssohn und seine Ansichten, vor allem auch in jüdischen Kreisen, nicht ganz unumstritten. Man warf ihm die Preisgabe der jüdischen Identität vor, da dieser eine Öffnung hin zur christlich- bürgerlichen Gesellschaft intendierte. Wichtige Schriften Mendelssohns sind: Phädon oder über die Unsterblichkeit der Seele (1767 ), Jerusalem oder über religiöse Macht und Judentum (1783), die Übersetzung des Pentateuch und der Psalmen ins Deutsche (1783), Morgenstunden oder Vorlesungen über das Dasein Gottes (1785) und natürlich das bekannte Schreiben an den Herrn Diakonus Lavater (1770).

[6] Vgl. Schulte, Christoph, Die jüdische Aufklärung- Philosophie, Religion, Geschichte, München, 2002, S. 22.

[7] Schulte, Christoph, Die jüdische Aufklärung- Philosophie, Religion, Geschichte, München, 2002, S. 22.

[8] Vgl. ebenda, S. 23.

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Die Maskilim: Ein historischer und ideengeschichtlicher Abriss im Kontext von Aufklärung und Haskala
Hochschule
Universität Erfurt
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
28
Katalognummer
V73535
ISBN (eBook)
9783638883412
Dateigröße
412 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Arbeit umreißt den historischen und ideengeschichtlichen Kontext der Maskilim, den Vertretern der jüdischen Aufklärung (Haskala)des 17. und 18. Jahrhunderts in Mittel- und Osteuropa. Abschließend erfährt der Maskil Salomon Maimon und seine "Lebensgeschichte" (Memoiren) eine gesonderte Darstellung.
Schlagworte
Maskilim, Abriss, Kontext, Aufklärung, Haskala
Arbeit zitieren
Stephan Haas (Autor:in), 2007, Die Maskilim: Ein historischer und ideengeschichtlicher Abriss im Kontext von Aufklärung und Haskala, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/73535

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