Der Bildungsbegriff hat bekanntlich eine sehr wechselhafte Karriere; auf Phasen der Hochschätzung, folgten in den letzten Jahren diverse Angriffe vonseiten einer neoliberalistischen, marktwirtschaftlichen Ökonomie. Angesichts dieser Tendenzen hat sich auch die Pädagogik neu zu behaupten, wenn sie Bildung nicht als „Ware“ mit Marktwert versteht. Die Dominanz der Marktwirtschaft hat das Problem der Bestimmung von Zielen für Bildung und Ausbildung erneut betont und zum Gegenstand öffentlicher Diskussionen erhoben.
Bildung gerät aufgrund aktuell geführter Debatten und bildungspolitischer Diskurse mehr und mehr unter Legitimationsdruck. Nicht zuletzt durch die Ergebnisse der letzten Pisa-Studie tut sich in öffentlichen und privaten Kontexten verbreitet die Frage auf, was Bildung überhaupt beinhalten soll und kann.
Die klassische Idee der Bildung im Sinne einer Selbstentwicklung wird zunehmend diskreditiert durch den Vorwurf der Unbrauchbarkeit. Bildung in diesem Verständnis scheint obsolet und unerwünscht zu sein, da ökonomische und politische Interessen eine effiziente und marktkonforme Förderung der eigenen Kinder verlangt. Durch den Warencharakter der Bildung, und damit zusammenhängend durch deren Tausch- und Handelswert, wird die Polarität zwischen Bildung und Ausbildung abgeschwächt (vgl. Kampits 2006: 28).
Die augenscheinliche Aporie zeigt sich in den durch Reformbestrebungen ausgelösten Mechanismen von Privilegierung und Selektion, die sich angesichts der Privatisierung von Schulen und Hochschulen zu verstärken drohen. Bildung als selbstbestimmter Aneignungs- und Vermittlungsprozess wird als überholt erklärt, da diese Form von „Wissen“ scheinbar „nichts bringt“ (vgl. Müller-Funk 2006: 13).
Erwünscht ist hingegen ein standardisiertes Bildungssystem, wodurch Kompetenzen und Fertigkeiten vergleichbar gemacht werden können. Angesichts internationaler Wettbewerbsfähigkeit sollen Schüler für den Arbeitsmarkt befähigt werden, und gesellschaftliche Aufgaben übernehmen. Die Geisteswissenschaften erfahren im Zuge dessen eine erhebliche Diskreditierung, da hier der entscheidende „Marktwert“ erheblich geringer als der von Natur- und Ingenieurwissenschaften bewertet wird.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die „Krise der Bildung“
- Zielsetzung und Herangehensweise
- Der Bildungsbegriff
- Historische Entwicklung des Bildungsbegriffs
- Definitionsansätze und Bedeutungsebenen
- Erziehung und Bildung
- Dimensionen des Bildungsbegriffs
- Der Bildungsbegriff nach Humboldt
- Bildung als pädagogischer Auftrag
- Bildungstheorie: Selbstreflexion der Bildung
- Bildung als reale Notwendigkeit und notwendige Realität
- „Die Sorge für Bildung“
- Raumschaffung für Bildung
- Pädagogische Vermittlungen
- Bildung heute
- Das Subjekt der Bildung
- Das Bildungsideal der „Moralität“
- Selbstreflexivität und Selbstkritik
- Subjektive Vermittlungen
- Schlussbemerkungen
- Resümee
- Stellungnahme
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Studienarbeit befasst sich mit der Problematik von Bildung als gesellschaftlichem Auftrag und untersucht die Spannungen zwischen subjektiven und pädagogischen Vermittlungen. Der Text beleuchtet die Entwicklung des Bildungsbegriffs und die Herausforderungen, die sich aus aktuellen Debatten über Bildung ergeben.
- Die „Krise der Bildung“ im Kontext von neoliberalen und marktwirtschaftlichen Entwicklungen
- Die Spannung zwischen klassischer Bildungsidee und ökonomischen Interessen
- Die Rolle des Staates und der Pädagogik in der Gestaltung von Bildung
- Das Verhältnis von Bildung und Ausbildung in einem zunehmend marktorientierten Umfeld
- Die Herausforderung, subjektive Bildungsinteressen mit gesellschaftlichen Bildungserwartungen zu vermitteln
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beleuchtet die „Krise der Bildung“ vor dem Hintergrund neoliberaler Einflüsse und die damit verbundene Verschiebung des Bildungsbegriffs hin zu einem pragmatischen Verständnis, das stärker an wirtschaftlichen Bedürfnissen ausgerichtet ist. Der Autor zeigt die Diskrepanz zwischen klassischer Bildungsidee und aktueller ökonomischer Interessenlage auf und stellt die Frage nach der Verantwortung von Pädagogik und Individuum in diesem Kontext.
Das zweite Kapitel befasst sich mit der historischen Entwicklung des Bildungsbegriffs und der Abgrenzung zum Erziehungsbegriff. Es werden verschiedene Definitionsansätze und Bedeutungsebenen des Bildungsbegriffs beleuchtet, wobei der Fokus auf der Vielschichtigkeit und Komplexität des Phänomens Bildung liegt.
Das dritte Kapitel untersucht die „Notwendigkeit“ von Bildung und stellt die These auf, dass Bildung ein gesellschaftlicher und pädagogischer „Auftrag“ ist. Die Frage nach der Umsetzung dieses Auftrags und der konkreten Rolle von Gesellschaft und Pädagogik wird im Kontext der sich verändernden Bildungswelt diskutiert.
Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit dem Subjekt der Bildung und den Herausforderungen, die sich durch die beschriebenen Entwicklungen für den Einzelnen ergeben. Der Fokus liegt auf der Frage, wie sich das Individuum angesichts von ökonomischen und gesellschaftlichen Einflüssen seine eigenen Bildungsinteressen verwirklichen kann.
Schlüsselwörter
Bildung, Pädagogik, Gesellschaftlicher Auftrag, Subjektive Vermittlung, Historische Entwicklung des Bildungsbegriffs, Neoliberalismus, Marktwirtschaft, Bildungstheorie, Bildungsideal, Selbstreflexivität, Moralität.
- Quote paper
- Nicole Borchert (Author), 2007, Bildung als gesellschaftlicher Auftrag: Subjektive und pädagogische Vermittlungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/73623