Stil in der Antike


Seminararbeit, 2006

21 Seiten, Note: 1A


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Poetik
2.1. Poetik in der Antike
2.1.1. Aristoteles
2.1.2. Platon
2.1.3. Horaz
2.2. Poetik und Stil bei Aristoteles

3. Rhetorik
3.1. Entwicklung der antiken Rhetorik
3.2. Die Rhetorik über die Epoche der Antike hinaus
3.3. Produktionsstadien einer Rede in der antiken Rhetorik
3.3.1. Inventio
3.3.2. Dispositio
3.3.3. Elocutio
3.3.4. Memoria
3.3.5. Pronuntiatio / Actio
3.4. Die Stilqualitäten in der antiken Rhetorik
3.4.1. Sprachrichtigkeit („latinitas“)
3.4.2. Verständlichkeit („perspicuitas“)
3.4.3. Angemessenheit („aptum“)
3.4.4. Redeschmuck („ornatus“)
3.5. Die Unterscheidung der Stilarten
3.5.1. Genus humile bzw. genus subtile
3.5.2. Genus medium
3.5.3. Genus grande
3.6. Versuche der Differenzierung zwischen Rhetorik und Stilistik

4. Stilmittel und rhetorische Figuren
4.1. Klassifizierung rhetorischer Figuren
4.2. Einteilung in vier Änderungskategorien
4.2.1. Figurae per immutationem
4.2.2. Figurae per adiectionem
4.2.3. Figurae per detractionem
4.2.4. Figurae per transmutationem
4.3. Grundlegende Zweiteilung
4.3.1. Wortfiguren
4.3.2. Gedankenfiguren

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Stil“ ist eines der charakteristischen Merkmale der Literatur – und ein prägender Begriff für die Literatur. Doch, auch wenn ein Großteil der noch heute geläufigen (und manchmal auch gebräuchlichen) Stilfiguren aus der Antike stammt, so hat es die „Stilistik“ oder „Stillehre“ als eigenen Wissenschaftszweig in der Antike nicht gegeben. Ihre Wurzeln hat die „Stilistik“ trotzdem in der Antike – und zwar in den beiden Wissenschaftsdisziplinen der Rhetorik und Poetik.

Bis in das 18. Jahrhundert gilt noch die Einheit von Rhetorik und Poetik, die Stilistik gehört dabei zum Bereich der elocutio, die Seit der Antike das differenzierteste Gebiet im rhetorischen System und in den rhetorischen Lehrbüchern darstellt.[1]

Die Annäherung an den Stil in der Antike kann also nur über diese beiden verwandten Disziplinen erfolgen.

2. Poetik

Wenn man die Stillehre im Zusammenhang mit der Antike behandeln will, so kommt man an zwei maßgeblichen Werken nicht vorbei. Nämlich der „Poetik“ und der „Rhetorik“ von Aristoteles.

Der Terminus „Poetik“ ist aus dem Altgriechischen („poietikè“, vom Stammwort „poiein“: „machen, bilden hervorbringen“) über das Lateinische („poetice“, „ars poetica“), Italienische, Französische ins Deutsche eingegangen und bezeichnet generell die Dichtkunst im Sinne einer Theorie der Praxis.[2] Zu den zentralen Themen der Poetik gehören der Ursprung der Dichtung, deren Beziehung zu den anderen Künsten sowie ihr Verhältnis zur Lebenswirklichkeit, das System der Gattungen und deren ästhetische Gesetze, die Bestimmung unterschiedlicher Stillagen und ihre Eignung für die jeweiligen Gegenstände, die Verslehre sowie die Vorraussetzung für literarische Kritik und Hermeneutik.

Bei Aristoteles selbst umfasst die Poetik neben der Dichtung noch die anderen mimetischen Künste wie Musik und Tanz; sie ist generell noch mit allgemeiner Kunstphilosophie vermischt.

2.1. Poetik in der Antike

Ihren Ausgangspunkt hat die poetische Reflexion im 4. Jahrhundert v. Chr. bei der Frage nach dem sozialen Wert der Dichtung genommen.[3]

2.1.1. Aristoteles

Als erste Poetik im eigentlichen Sinn kann die um 335 v. Chr. entstandene „Poetik“ des Aristoteles („Peri poietikés“) gelten. Sie versucht alle Gattungen durch ihren speziellen gesellschaftlichen Nutzen zu legitimieren. Dichtung wird als „mimesis praxeos“ verstanden, also nicht vorrangig als kunstvolles Sprechen und Formulieren (in Versen), sondern als Nachahmung menschlichen Handelns.

Aristoteles ist mit seiner Katharsis-Theorie und der Kontrastierung von Tragödie und Epos seit der Wiederentdeckung seiner „Poetik“ im italienischen Humanismus bis ins späte 18. Jahrhundert ein zentraler Orientierungspunkt geblieben.

2.1.2. Platon

Im Gegensatz zu Aristoteles begreift Platon das Dichten als Folge einer göttlichen Inspiration, die nicht mehr der rationalen Kontrolle unterliegt und insofern primär sinnlich ist. Daraus war von ihm in seinem bekannten Werk „Politeia“ die Befürchtung abgeleitet worden, die Poesie verderbe die Charakterstärke und führe besonders bei der Jugend zu einer Verweichlichung und folglich zu einer Vernachlässigung der sozialen Pflichten. Für seinen Idealstaat schwebt ihm lediglich eine von der Obrigkeit kontrollierte Zweckpoesie zur Steigerung des Kampfesmutes vor.

2.1.3. Horaz

Die dritte antike Autorität zum Thema Poetik neben Platon und Aristoteles ist Horaz mit seiner 14 v. Chr. veröffentlichten Versepistel „De arte poetica“. Im Gegensatz zu seinen beiden Vorgängern setzt er sich primär mit der Sprachgestaltung eines poetischen Werkes auseinander – und legt damit einen Grundstein für das, was heute unter Stilistik verstanden wird. Er prägt die poetischen Ideale von Einheit („unum“), Schlichtheit („simplex“) und Angemessenheit („decorum“ bzw. „aptum“). Darüber hinaus betont er den doppelten Wirkungszweck der Poesie in Verbindung von Lehrhaftigkeit und sinnlichem Vergnügen.

2.2. Poetik und Stil bei Aristoteles

Demzufolge enthält jede Tragödie notwendigerweise sechs Teile, die sie so oder so beschaffen sein lassen. Diese Teile sind: Mythos, Charaktere, Sprache, Erkenntnisfähigkeit, Inszenierung und Melodik. Die Mittel, mit denen nachgeahmt wird, sind zwei, die Art, wie nachgeahmt wird, ist eine; die Gegenstände, die nachgeahmt werden, sind drei; darüber hinaus gibt es nichts.[4]

Mit den drei Gegenständen, die nachgeahmt werden, bezieht sich Aristoteles auf den Inhalt der Tragödie – hierzu zählt er den Mythos, die Charaktere und die Erkenntnisfähigkeit. Die Art der Nachahmung ist für Aristoteles die Inszenierung des Schauspiels. Und schließlich erwähnt Aristoteles noch die zwei Mittel der Nachahmung: Sprache und Melodik. Diese beiden Parameter sind es auch, die im Zusammenhang mit Stil vordergründig interessant sind.

Die Sprache ist dabei für Aristoteles die Verständigung durch Worte. Die Melodik hingegen trägt über die Verständigung hinaus zur anziehenden Form der Tragödie bei. Während die Sprache zusammenfügte Wörter mit einer bestimmten Bedeutung sind, entfaltet sich die Melodik ganz und gar im Sinnlichen. Wie dabei die vollkommene Sprache des Drama beschaffen sein muss, führt Aristoteles später in seinem Werk aus:

Die vollkommene sprachliche Form ist klar und zugleich nicht banal. Die sprachliche Form ist am klarsten, wenn sie aus lauter üblichen Wörtern besteht; aber dann ist sie banal. … Die sprachliche Form ist erhaben und vermeidet das Gewöhnliche, wenn sie fremdartige Ausdrücke verwendet. Als fremdartig bezeichne ich die Glosse, die Metapher, die Erweiterung und überhaupt alles, was nicht üblicher Ausdruck ist. Doch wenn jemand nur derartige Wörter verwenden wollte, dann wäre das Ergebnis entweder ein Rätsel oder ein Barbarismus. … Man muss also die verschiedenen Arten irgendwie mischen.[5]

Eines der wichtigsten Kennzeichen der Tragödie – beziehungsweise der Literatur im Allgemeinen ist eine der gängigsten rhetorischen Figuren: die Metapher. „ Es ist aber bei weitem das Wichtigste, dass man Metaphern zu finden weiß. Denn dies ist das Einzige, das man nicht von einem anderen erlernen kann, und ein Zeichen von Begabung. Denn gute Metaphern zu bilden bedeutet, dass man Ähnlichkeiten zu erkennen vermag.“[6]

Aber auch über die Ebene der Sprache hinaus, definiert Aristoteles in der Poetik stilistische Forderungen, die maßgeblich bleiben werden für viele Epochen. Eine seiner wichtigsten Forderungen an die Tragödie ist, dass sie die Nachahmung einer „ in sich geschlossenen und ganzen Handlung ist, die eine bestimmte Größe hat.[7] Ein Ganzes definiert sich für Aristoteles dadurch, dass es Anfang, Mitte und Ende hat – wobei ein Anfang etwas ist, dass nicht zwingend eine Vorgeschichte benötigt, auf das aber notwendigerweise etwas anderes folgt. Ein Ende hingegen zeichnet sich dadurch aus, dass es notwendigerweise auf etwas anderes folgt – aber nach ihm nichts mehr eintritt. Eine Mitte schließlich ist, was sowohl selbst auf etwas anderes folgt als auch etwas anderes nach sich zieht. Die Handlung der Tragödie darf demzufolge nicht an beliebiger Stelle einsetzen und auch nicht an beliebiger Stelle enden. Darüber hinaus muss die Handlung der Tragödie eine bestimmte Ausdehnung haben – und zwar eine Ausdehnung, die sich dem Gedächtnis einprägt.

Die Zusammensetzung der Dichtung, egal ob Fabel oder Tragödie, muss sich darüber hinaus dadurch auszeichnen, dass sie sich auf eine einzige Handlung beschränkt. Hier grenzt Aristoteles die Literatur klar von anderem Schrifttum ab – er setzt sie beispielsweise in Gegensatz zur Geschichtsschreibung, die notwendigerweise nicht eine einzige Handlung, sondern einen bestimmten Zeitabschnitt darstellt, „ d. h. alle Ereignisse, die sich in dieser Zeit mit einer oder mehreren Personen zugetragen haben und die zueinander in einem rein zufälligen Verhältnis stehen.[8]

Aus diesen Forderungen an die Tragödie leitet sich schließlich das Kriterium der Einheit von Zeit, Ort und Handlung ab – dass die Literatur von nun an Jahrhunderte lang maßgeblich bestimmen und beeinflussen sollte. Ein Einfluss, der erst in der Romantik aufzubrechen beginnt, in der Kunstformen wie Fragmente massiv gegen diese aristotelische Forderung der Geschlossenheit verstoßen.

Was an dieser Stelle zu Aristoteles Poetik noch zu vermerken ist, ist die Tatsache, dass dieses Werk lange Zeit als eine normative Poetik rezipiert wurde. Viele andere normativen Poetiken bauten auf Aristoteles auf und beriefen sich auf dessen Inhalte. (So orientierte sich Gottsched in seinen Werken „Versuch einer critischen Dichtkunst vor die Deutschen“ und „Ausführliche Redekunst“ an den Regeln von Aristoteles, Quintilian und Cicero). Verfasst hat Aristoteles sein Werk allerdings nicht als normative Poetik – es beschreibt vielmehr den Stand und die Entwicklung der antiken Dichtung zu Aristoteles Lebezeiten (und ist somit unter den deskriptiven Poetiken einzuordnen).

[...]


[1] Vgl.: Gert Ueding und Bernd Steinbrink: „Grundriß der Rhetorik. Geschichte - Technik - Methode.“ 3. überarb. und erw. Aufl.; 1994, Metzler; Seite 214

[2] Vgl. Albert Meier: „Poetik“ in Heinz L. Arnold und Heinrich Detering (Hg.) „Grundzüge der Literaturwissenschaft“; 1996, dtv; Seite 205

[3] Vgl. Albert Meier: „Poetik“ in Heinz L. Arnold und Heinrich Detering (Hg.) „Grundzüge der Literaturwissenschaft“; 1996, dtv; Seite 207

[4] Aristoteles: „Poetik“, übers. und hg. von Manfred Fuhrmann, 1999, Reclam, Seite 21

[5] Aristoteles: „Poetik“, übers. und hg. von Manfred Fuhrmann, 1999, Reclam, Seite 73

[6] Aristoteles: „Poetik“, übers. und hg. von Manfred Fuhrmann, 1999, Reclam, Seite 77

[7] Aristoteles: „Poetik“, übers. und hg. von Manfred Fuhrmann, 1999, Reclam, Seite 25

[8] Aristoteles: „Poetik“, übers. und hg. von Manfred Fuhrmann, 1999, Reclam, Seite 79

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Stil in der Antike
Hochschule
Alpen-Adria-Universität Klagenfurt  (Institut für Germanistik)
Veranstaltung
Seminar „Grammatik und Stil. Stilkundliche Untersuchungen an Gebrauchsprosa“
Note
1A
Autor
Jahr
2006
Seiten
21
Katalognummer
V73757
ISBN (eBook)
9783638867085
ISBN (Buch)
9783638867146
Dateigröße
448 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Über die Entwicklung des Stilbegriffes in der Antike aus den Bereichen Poetik und Rhetorik heraus
Schlagworte
Stil, Antike, Seminar, Stil, Stilkundliche, Untersuchungen, Gebrauchsprosa“
Arbeit zitieren
Mag. phil Simone Krainer (Autor:in), 2006, Stil in der Antike, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/73757

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