Das Fernsehen wird oft und von vielen Seiten für die Verursachung oder Verstärkung sozialer Probleme verantwortlich gemacht. Oft wird bei derartigen Zuschreibungen Faktenwissen und leidlich gesicherte Erkenntnis mit Spekulation und Vermutungen vermischt. Während das z.B. im Alltag, in der politischen Rethorik und auch in den Medien wahrscheinlich unvermeidlich ist, kann die Wissenschaft helfen, detailliertere und besser abgesicherte Erkenntnisse zu verwenden. Indem sie höhere methodische Maßstäbe anlegt, als es in anderen Sphären getan wird, kann sie helfen, die anderen Sphären mit Erkenntnis zu bereichern. Um das zu erreichen, muss die wissenschaftliche Forschung methodischen Mindestanforderungen genügen. Unter anderem müssen Theorien widerlegbar sein. Wenn sie das sind und trotzdem den Widerlegungsversuchen standhalten, werden sie vorläufig akzeptiert.
In dieser Arbeit werde ich eine Hypothese daraufhin untersuchen, ob sie als widerlegt oder als vorläufig akzeptiert zu betrachten ist. Die Hypothese, um die es sich handelt, ist die Kultivierungshypothese, aufgestellt von der Annenberg-Gruppe um George Gerbner. Ich werde diese Hypothese jedoch nicht unter allen Gesichtspunkten bearbeiten, sondern nur dahingehend, ob die in ihr behauptete kausale Beziehung (vorläufig) anzunehmen ist. Die Frage, der ich nachgehe, lautet also: Ist die in der Kultivierungshypothese postulierte kausale Beziehung zwischen Fernsehkonsum und Einstellungen der Konsumenten anzunehmen oder zurückzuweisen?
Um die Frage zu beantworten, werde ich zuerst die Begriffe Kausalität und Korrelation umreißen. Dann werde ich die Kultivierungshypothese kurz vorstellen, um anschließend zu diskutieren, ob Kausalität in ihr vorausgesetzt wird. Als nächstes werde ich die Standpunkte zweier Forscher wiedergeben, die untersucht haben, ob die beschriebene kausale Beziehung in der Kultivierungshypothese widerlegt oder vorläufig nachgewiesen werden kann. Dann werde ich zu einer abschließenden Bewertung kommen, in der ich die gleiche Frage aufgrund der vorangegangenen Erkenntnis für diese Arbeit selbst beantworte. Das Schlusswort beendet die Arbeit.
Gliederung
1. Einleitung
2. Kausalität und Korrelation
3. Die Kultivierungshypothese: Vermutung, Methodik, Befunde
3.1 Kausalität in der Kultivierungshypothese
4. Die Kultivierungshypothese und das Kausalitätsproblem in der Diskussion
4.1 Die Befunde von Doob und Macdonald
4.2 Paul Hirschs Kritik
5. Abschließende Bewertung: War Gerbner erfolgreich im Feststellen von Kausalität?
6. Schlussbemerkung
Anhang: Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Das Fernsehen wird für die Verursachung oder Verstärkung sozialer Probleme verantwortlich gemacht. Oft wird bei derartigen Zuschreibungen Faktenwissen und leidlich gesicherte Erkenntnis mit Spekulation und Vermutungen vermischt. Während das z.B. im Alltag, in der politischen Rethorik und auch in den Medien wahrscheinlich unvermeidlich ist, kann die Wissenschaft helfen, detailliertere und besser abgesicherte Erkenntnisse zu verwenden. Indem sie höhere methodische Maßstäbe anlegt, als es in anderen Sphären getan wird, kann sie helfen, die anderen Sphären mit Erkenntnis zu bereichern. Um das zu erreichen, muss die wissenschaftliche Forschung methodischen Mindestanforderungen genügen. Unter anderem müssen Theorien widerlegbar sein. Wenn sie das sind und trotzdem den Widerlegungsversuchen standhalten, werden sie vorläufig akzeptiert.
In dieser Arbeit werde ich eine Hypothese daraufhin untersuchen, ob sie als widerlegt oder als vorläufig akzeptiert zu betrachten ist. Die Hypothese, um die es sich handelt, ist die Kultivierungshypothese, aufgestellt von der Annenberg-Gruppe um George Gerbner. Ich werde diese Hypothese jedoch nicht unter allen Gesichtspunkten bearbeiten, sondern nur dahingehend, ob die in ihr behauptete kausale Beziehung (vorläufig) anzunehmen ist. Die Frage, der ich nachgehe, lautet also:
Ist die in der Kultivierungshypothese postulierte kausale Beziehung zwischen Fernsehkonsum und Einstellungen der Konsumenten anzunehmen oder zurückzuweisen?
Was mit Kultivierungshypothese gemeint ist, werde ich in Punkt 3, was mit kausaler Beziehung gemeint ist in Punkt 2 beschreiben. Einstellungen werde ich als abkürzenden Begriff für die in Punkt 3 genauer beschriebenen Konstrukte verwenden.
Um die Frage zu beantworten, werde ich zuerst die Begriffe Kausalität und Korrelation umreißen. Dann werde ich die Kultivierungshypothese kurz vorstellen, um anschließend zu diskutieren, ob Kausalität in ihr vorausgesetzt wird. Als nächstes werde ich die Standpunkte zweier Forscher wiedergeben, die untersucht haben, ob die beschriebene kausale Beziehung in der Kultivierungshypothese widerlegt oder vorläufig nachgewiesen werden kann. Dann werde ich zu einer abschließenden Bewertung kommen, in der ich die gleiche Frage aufgrund der vorangegangenen Erkenntnis für diese Arbeit selbst beantworte. Das Schlusswort beendet die Arbeit.
2. Kausalität und Korrelation
Eine Kausalaussage ist eine Aussage über Ursache und Wirkung, darin unterscheidet sich die Kausalität von der Korrelation, letztere bedeutet nur Zusammenhang. Zwischen Kausalität und Korrelation muss streng unterschieden werden, oft werden Korrelationen als Kausalitäten interpretiert, das reine Zusammenwirken von Variablen wird also fälschlicherweise zu einem ursächlichen Zusammenhang umgedeutet, was zu falschen Schlüssen führen kann. Kausalität geht über Korrelation hinaus, weil für Kausalität zwei Variable nicht nur miteinander zusammenhängen müssen, sondern die Veränderungen der einen Variablen nachweislich der Grund für die Veränderungen der anderen sein müssen.
Für den Nachweis von Kausalität gibt es drei Bedingungen[1], die alle erfüllt sein müssen:
1. Zwei Variable A und B hängen statistisch miteinander zusammen (Korrelation).
2. A liegt zeitlich vor B.
3. Der Zusammenhang zwischen A und B wird nicht aufgehoben, wenn andere Variablen, die A und B zeitlich vorausgehen, kontrolliert werden, das heißt wenn ihre Effekte eliminiert werden.
Im Experiment können Drittvariablen durch Randomisierung aufgeschlossen werden. Bei nichtexperimentellen Untersuchungen ist es oft nicht möglich, alle Variablen zu kontrollieren, weil in den Statistiken nicht immer alle möglicherweise einflussreichen Drittvariablen erhoben worden sind.[2] Soweit möglich, kontrolliert man in diesem Falle die Drittvariablen durch die Verfahren der multivariaten Analyse: Man quantifiziert durch statistische Kontrolle der jeweils anderen Variablen (multiple Kontrollvariablen) den Einfluss einer beliebigen unabhängigen Variablen auf die abhängige Variable. „Werden bei experimentellen Designs Drittvariablen durch Randomisierung zwischen den Versuchsgruppen kontrolliert, so versucht man in der multivariaten Analyse, Drittvariablen nachträglich durch statistische Techniken unter Kontrolle zu bringen“[3].
Dafür benötigt man erstens eine Hypothese über den Effekt einer Drittvariablen und das Wissen, welche Variable es sein könnte, die das Ergebnis verzerrt, und zweitens müssen die Drittvariablen, die kontrolliert werden sollen, in der Studie erhoben worden sein. Es werden dann die Zusammenhänge zwischen zwei Variablen (A und B) bei einer vermuteten Drittvariablen (C) errechnet. Nach dieser Drittvariablen C wird die Tabelle für die Beziehung zwischen A und B aufgespalten, so dass man die Daten über die Beziehung zwischen A und B bei dem jeweils gleichen Wert von C bekommt. Dadurch kann von C kein Einfluss mehr ausgeübt werden.[4]
Wenn der Forscher Peter Müller beispielsweise[5] nachweisen will, dass die unabhängige Variable Körpergröße (A) einen kausalen Einfluss auf die abhängige Variable Wahl des Studienfachs (B) hat, könnte er unter anderem die Drittvariable Geschlechterzugehörigkeit (C) konstant halten, um sicherzugehen, dass nicht die Geschlechterzugehörigkeit den vermeintlichen Zusammenhang zwischen Körpergröße und Studienfach erklärt: Mit anderen Worten, dass es nicht die Geschlechterzugehörigkeit ist, die sowohl die Körpergröße als auch die Wahl des Studienfachs beeinflusst. Wenn die Geschlechterzugehörigkeit und andere Variablen, die die Beziehung zwischen A und B beeinflussen könnten, kontrolliert werden und der Zusammenhang trotzdem bestehen bleibt, kann man (analog zur Prüfung und vorläufigen Akzeptierung von Theorien nach dem Prinzip des Kritischen Rationalismus[6] ) vorsichtig folgern, dass A ---> B zu verursachen scheint. Diese Erkenntnis ist allerdings nur vorläufig, sie kann widerlegt werden, wenn eine neue Drittvariable, die die Beziehungen erklärt, gefunden wird.[7] Wenn sich aber herausstellt, dass zwischen A und B bei konstanten C-Werten kein Zusammenhang mehr besteht, dann kann die Erklärung der Scheinkorrelation zwischen A und B durch die Drittvariable C angenommen werden. C wäre dann die Variable, die den kausalen Zusammenhang tatsächlich hervorruft.
3. Die Kultivierungshypothese: Vermutung, Methodik, Befunde
„Wir haben festgestellt, dass Menschen, die sehr viel fernsehen, die reale Welt für gefährlicher und schrecklicher halten als diejenigen, die sehr wenig fernsehen. Vielseher haben weniger Vertrauen zu ihren Mitbürgern und mehr Angst vor der Wirklichkeit.“[8] Angst und Entfremdung (d.h. eine negative Grundhaltung den Mitmenschen) sind die Einstellungen, die Gerbner kausal auf den hohen Fernsehkonsum zurückführt. Das ist der Kern der Hypothese über die „Angsterregende Welt des Vielsehers“, auch als Kultivierungshypothese bezeichnet, die die Forschungsgruppe um George Gerbner aufgestellt und untersucht hat. Um diese Befunde ist Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre eine leidenschaftliche und teilweise harsch geführte wissenschaftliche Diskussion entstanden, weil andere Forscher, vor allem Paul Hirsch, die Methoden Gerbners in Frage stellten und in Reanalysen zu dem Schluss kamen, dass sich die verwendeten statistischen Befunde nicht mit den Schlussfolgerungen deckten bzw. sich auch anders interpretieren ließen.
[...]
[1] Rost (2005), S.120.
[2] Diekmann (1995), S.604.
[3] Ebd.
[4] Ebd.
[5] Eigenes Beispiel
[6] Vgl. Popper (1993), S.106.
[7] Rost (2005), S.120.
[8] Gerbner et al.(1981b), S.17.
- Arbeit zitieren
- Florian Bamberg (Autor:in), 2005, Das Problem der Kausalität in George Gerbners Kultivierungshypothese, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/74173
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