Die Rolle der Regierungen im Gesetzgebungsprozess am Beispiel der Umweltpolitik von Deutschland und Großbritannien


Hausarbeit, 2006

24 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Umweltpolitik in Deutschland und Großbritannien

3. Die Rolle der Regierungen in einer parlamentarischen Demokratie
3.1. Das Wahlrecht und seine Auswirkungen auf das politische System
3.2 Das Spannungsfeld zwischen Regierung und Parlament

4. Äußere und innere Einflüsse auf die Regierungstätigkeit
4.1. Föderalismus contra Devolution
4.2. Parteien
4.3. Interessenverbände
4.4. Die Europäische Union als supranationaler Akteur

5. Der Gesetzgebungsprozess
5.1. Deutschland
5.2. England

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Achtung Weltuntergang – Wie gefährlich ist die globale Erwärmung wirklich?“ titelte kürzlich der Spiegel vom 6. September 2006 und berichtete ausführlich über die aktuellen sowie zukünftigen Auswirkungen der globalen Erderwärmung. Noch wird Umweltpolitik in Deutschland stiefmütterlich behandelt, trotz seiner bisherigen Vorreiterrolle Deutschlands im Bezug auf Umweltschutz und eines ausgeprägten Umweltbewusstseins. So waren 2004 92 % der Bevölkerung überzeugt, dass Umweltschutz eine wichtige politische Aufgabe sei (Kuckartz 2005: 4). Dies mag zum einen am noch jungen Politikfeld Umwelt liegen, zum anderen scheint in Zeiten zunehmender geistiger Verarmung durch die Massenmedien und Arbeitslosigkeit das Problembewusstsein verzerrt. Anlässlich einer Warnung des Ökonom Nicholas Stern, der, sollte die Politik den Kurs nicht ändern, den Schaden der Umweltverschmutzung auf 20 Prozent der Weltwirtschaft bezifferte, erklärte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel: „Dabei gilt auch für uns was Stern sagt: Wir müssen mittelfristig ein Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts für Klimaschutz ausgeben. Das wären gut 22 Milliarden Euro. Nichts zu tun wird mindestens fünfmal so teuer“ (Spiegel 06.11.06: 92). Dabei sorgen der Bund, die Industrie, private und öffentlicher Verbände, sowie Kommunen und Länder derzeit mit jährlich 29,49 Milliarden Euro für ihre Umwelt. Dem Umweltministerium kommt dabei eine wichtige Rolle als Steuerungs- und Verteilungszentrale zu. In England nimmt das Umweltministerium eine ähnlich herausragende Stellung ein und verwaltet 2007 einen Jahresetat von 14,25 Milliarden Euro, jedoch ohne Einbeziehung privater und öffentlicher Träger sowie ohne Industrie.

In Deutschland wie in Großbritannien ist Umweltschutz nicht bloß Sache der Regierungen. Auch der Naturschutz- und Industrieverbände, die nach Implementierung ihrer Interessen streben, Parteien, die um den korrekten Kurs ringen, sowie eine breite Kompetenzverteilung in der Umweltpolitik auf Bundesland, Nationalstaat und Europäische Union (EU) definieren die Inhalte zum Umweltschutz mit. Nachfolgend soll die Rolle der deutschen und der britischen Regierung im Gesetzgebungsprozess in Abgrenzung zum Parlament untersucht werden. Der Vergleich wird anhand des Politikfeldes Umwelt vollzogen, wobei es immanent ist, auf weitere Einflussfaktoren wie Interessengruppen, Parteien oder die EU, als Institution supranationalen Charakters mit Gesetzgebungskompetenzen einzugehen. Als Grundlage der Arbeit dient folgende Arbeitshypothese: Im Gegensatz zur zentralistisch agierenden britischen Regierung arbeitet die deutsche Regierung durch das Wahlsystem, den Föderalismus und die Mehrheitsverhältnisse im Parlament im Gesetzgebungsprozess konsensorientiert.

2. Umweltpolitik in Deutschland und Großbritannien

Es ist bezeichnend für moderne Gesellschaften, dass statt universeller, individuelle Antworten auf bestehende Probleme gefunden werden müssen. Dies spiegelt sich unter anderem in der differierenden politikfeldspezifischen Aufteilung der Ministerien wider. Dabei variiert die Bedeutung der einzelnen Politikfelder, wobei die transnationale Umweltpolitik vor den gleichen Fragen und Problemen steht und sich zudem durch seine schwer zu fassende Eingrenzung mit anderen Politikfeldern (z.B. Verkehrspolitik, Agrarpolitik) vernetzt sieht.

In Deutschland entwickelte sich das Politikfeld Umwelt durch internationale Tendenzen und gewann mit dem Wachsen globaler Umweltprobleme rasch an Einfluss. Dies gipfelte nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl 1986 zunächst in der Gründung eines eigenen Ministeriums. Eine stark wachsende Institutionalisierung der umweltpolitischen Akteure ist seitdem bezeichnend. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU), das Umweltbundesamt (UBA) und das Bundesamt für Naturschutz interagieren mit den Landes- und Kommunalinstitutionen und bedingt durch den vertiefenden Europäisierungsprozess mit übergeordneten EU-Einrichtungen. Eine zusätzliche Rolle spielen unterschiedliche Interessengruppen, auf die in Kapitel 4.3 näher eingegangen wird (Jänicke/Kunig/Stitzel 2000: 30-39).

Im Gegensatz zu Deutschland, verlief die grüne Entwicklung in Großbritannien wesentlich intensiver und rapider. Bereits 1970 wurde ein Umweltministerium gegründet und 1973 gründete sich die erste nationale grüne Partei. Das vormals vorbildmäßige Bewusstsein hat jedoch stark nachgelassen und Umweltthemen werden zunehmend zur Nebensache degradiert. Jedoch gibt es in Großbritannien eine Reihe mitgliedstarker und einflussreicher Umweltgruppen. Zusätzlich übt die EU mit ihrer Gesetzgebungskompetenz in bestimmten Bereichen der Umweltpolitik Druck auch auf die britische Regierung aus (Rüdig 1998: 588-604). In Großbritannien zeigt sich eine Kompetenzvielfalt, die, ausgehend von der Kommune, über den Minister für Umwelt bis hin zur EU reicht. Umweltpolitik ist in großem Maße Kommunalpolitik, die jedoch administrativen Vorgaben der Zentralregierung zu folgen hat (Sturm 1998: 197-204).

3. Die Rolle der Regierungen in einem parlamentarischen Regierungssystem

Die Rolle der Regierungen wird durch das politische System determiniert. In Deutschland wie in Großbritannien ergibt sich der Handlungsauftrag der Regierung aus dem Parlament – sie ist von diesem abhängig und interagiert mit selbigen. In beiden Systemen stellt die Mehrheitsfraktion die Regierung. Das Wahlrecht ist mit eine Wurzel eines politischen Systems sein. Je nach Verfahren wird eine variantenreiche Parteienlandschaft geformt. Durch das Verhältniswahlrecht (Deutschland) ist die Möglichkeit gegeben, ein Mehrparteiensystem zu etablieren, während ein Mehrheitswahlrecht (Großbritannien) in der Regel für ein zwei Parteiensystem sorgt. Damit ist das Fundament für theoretisch ähnliche Systeme gelegt, die jedoch praktisch in beiden Ländern divergieren.

3.1 Das Wahlrecht und seine Auswirkungen auf das politische System

Durch das einfache Mehrheitswahlrecht in Großbritannien gewinnt in einem Wahlkreis nur ein Abgeordneter. Die Stimmen für Gegenkandidaten finden im Wahlergebnis keine Berücksichtigung (Hartmann 2004: 94-102). Dieses Wahlsystem führt in Großbritannien zu einem stabilen Zweiparteiensystem, in dem eine Partei mit absoluter Mehrheit die Regierungsgeschäfte übernimmt (Sturm 1998: 208-211), während in Deutschland ein Parteienpluralismus herrscht, der, will man stabile Regierungsverhältnisse schaffen, zu Koalitionen zwingt (Hartmann 2004: 31-39). Diese Eigenarten unterscheiden die Rolle der Regierungen in Großbritannien und Deutschland und wirken sich direkt auf deren Handlungsspielraum aus.

In Großbritannien werden Abgeordnete in 659 Wahlkreisen gewählt, die im Unterhaus, einem Teil des britischen Parlaments, sitzen, während Abgeordnete im Oberhaus ernannt werden. Die Abgeordneten üben strikte Fraktionsdisziplin. Aufgrund des Wahlsystems werden Koalitionen bedeutungslos und unnötig, wodurch die Regierungsgeschäfte kaum durch etwaige Kompromisse, eingeschränkt sind (Hartmann 2004: 94-102).

In Deutschland führt das personalisierte Verhältniswahlrecht zu einer fast exakten Abbildung der Wählerstimmen. Jeder Wahlberechtigte verfügt über zwei Stimmen, Erst- und Zweitstimme. Mit der Erststimme wird ein Direktkandidat nach dem relativen Mehrheitswahlrecht und mit der Zweistimme wird die Partei nach dem Verhältniswahlrecht gewählt, die je nach Stimmenanteil Mandate durch Listen vergibt. In Deutschland wird führendem Spitzenpersonal, in der Regel durch aussichtsreiche Listenplätze, ein Mandat gesichert, während in Großbritannien hingegen diese Absicherung nicht besteht und dies durchaus bedeuten kann, dass dieses kein Mandat bekommen (Hartmann 2004: 94-95). Durch diese Form des Wahlsystems kommt es in Deutschland zu einem Mehrparteiensystem mit zurzeit fünf Parteien, wobei in der Regel keine Partei eine absolute Mehrheit erringen kann. Dies zwingt zur Koalitionsbildung, die sich erheblich auf die Regierungsgeschäfte auswirkt. Eine Regierung muss Gesetzesinitiativen nicht nur im Parlament verteidigen, sondern zudem einen Konsens innerhalb der Koalition gewährleisten (Patzelt 2005: 235-248).

3.2 Das Spannungsfeld zwischen Regierung und Parlament

Wie bereits im vorgehenden Kapitel ausgeführt, rekrutiert sich in Deutschland die Regierung aus der Parlamentsmehrheit. Demzufolge ergibt sich eine Abhängigkeit der Regierung von der Mehrheitsfraktion. Eine Einschränkung der Regierungstätigkeit in Deutschland entsteht durch die Meinungs- und Willensbildung innerhalb der Fraktionen, die durch die Teilnahme an Fachausschüssen Einflussmöglichkeiten auf den Regierungsprozess haben (Patzelt 2005:184-189). Tatsächlich versucht die Regierung zunehmend, sich von den Fraktionen abzukoppeln, um einen größeren Handlungsspielraum zu erringen. Dies versucht sie durch eine zunehmende Verschränkung von Regierung und Regierungsfraktionen zu erreichen. Die Fraktionsvorsitzenden werden mehr und mehr in die Regierungsarbeit eingebunden, indem sie regelmäßig an Kabinettssitzungen teilnehmen. Ein Hinweis darauf liefert die starke mediale Präsenz der Fraktionsvorsitzenden. Hintergrund ist die Wahrung der Vernetzung zwischen Fraktion und Regierung (Kropp 2005: 137). Die Regierung muss parteipolitische Wünsche beachten. Kann sie keine geschlossene Haltung der eigenen Fraktionen gewährleisten, muss zusätzlich noch auf die oppositionellen Fraktionen eingegangen werden. Dies ist ein wesentliches Kriterium für eine Konsensdemokratie und bedeutet eine nicht unerhebliche Einschränkung der Regierungsarbeit. Die parteipolitischen Einflussmöglichkeiten der Fraktionen sind durch die Fraktionsvollversammlung gegeben, die der Kontrolle der eigenen Regierung dienen. Auf diesen Versammlungen haben Regierungsmitglieder, so auch der Umweltminister, Rede und Antwort zu stehen, oder die Möglichkeit für die eigen politische Richtung zu werben (Patzelt 2005: 187).

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Details

Titel
Die Rolle der Regierungen im Gesetzgebungsprozess am Beispiel der Umweltpolitik von Deutschland und Großbritannien
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
24
Katalognummer
V74214
ISBN (eBook)
9783638686259
ISBN (Buch)
9783638689403
Dateigröße
449 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit "Die Rolle der Regierungen im Gesetzgebungsprozess am Beispiel der Umweltpolitik von Deutschland und Großbritannien" wurde im Rahmen einer Hausklausur angefertigt.
Schlagworte
Rolle, Regierungen, Gesetzgebungsprozess, Beispiel, Umweltpolitik, Deutschland, Großbritannien
Arbeit zitieren
Alexander Boettcher (Autor:in), 2006, Die Rolle der Regierungen im Gesetzgebungsprozess am Beispiel der Umweltpolitik von Deutschland und Großbritannien , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/74214

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