1995 entschied der Konzern Shell, unter Beachtung internationalen Vorschriften und mit Genehmigung der britischen Regierung und der Nordsee-Anrainer-Staaten, die Ölplattform Brent Spar in einem 2.375 m tiefen Atlantikgraben zu versenken (vgl. Retzmann 1996).
Der Fall Brent Spar/Shell stieß in nationalen und internationalen Informationsmedien auf großer Resonanz. Nicht Regierungsorganisationen (NROs), politische Parteien, Unternehmen und Konsumenten verschiedenen Nationalitäten protestierten gegen diese Entscheidung und boikotierten die Firma Shell. Auch wenn die Versenkung der Plattform sich als die beste praktikable Umweltoption erwiesen hatte, sah sich der Konzern gezwungen, eine andere Lösung für die Entsorgung der Plattform vorzuziehen. Der Fall Brent Spar brachte den Konzern in ernsthaften wirtschaftlichen Schwierigkeiten.
Seit 2001 beteiligt sich die West LB, durch Kreditvergabe an lokalen Ölfirmen, an die Finanzierung von Ölförderprojekte in Ecuador und Sibirien. Die Baupläne einer von West LB finanzierten Ölpipeline in Ecuador erwiesen sich als bedrohlich für Umwelt und Gesellschaft. Ebenso erschienen Berichte über nachgewiesene erhebliche Umweltschäden, die auf den mangelhaften Öleinrichtungen zurückzuführen sind, in der Presse. Trotz Protestaktionen gegen den Bau der Ölpipeline in Ecuador wurde das Projekt vollendet. West LB trug keine Konsequenzen. Trotz Berichten über negativen Auswirkungen auf die Umwelt, ist die Bank weiterhin an Ölgeschäften in Sibirien beteiligt.
Warum bei zwei scheinbar vergleichbar schädlichen Handlungen, die betriebswirtschaftlichen Folgen so unterschiedlich ausfallen, wird anhand der sozioökonomischen Rationalität in den folgenden Zeilen erläutert.
Inhaltsverzeichnis
- Öffentliche Aufmerksamkeit und Unternehmensführung am Beispiel der Ölförderung
- Einleitung: Der Fall Brent Spar/Shell
- Der Fall West LB: Ölförderung in Ecuador und Sibirien
- Sozioökonomische Rationalität
- Der Fall Brent Spar/Shell aus der Sicht der sozioökonomischen Rationalität
- Der Fall West LB aus der Sicht der sozioökonomischen Rationalität
- Die Strategie der „neuen“ West LB
- Nachhaltigkeitsprobleme und transdisziplinäre Forschungsprozesse
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit dem Einfluss öffentlicher Aufmerksamkeit auf die Unternehmensführung, dargestellt anhand der Beispiele der Ölplattform Brent Spar/Shell und der Ölförderung in Ecuador und Sibirien durch die West LB. Ziel ist es, die unterschiedlichen betriebswirtschaftlichen Folgen scheinbar vergleichbar schädlicher Handlungen unter Berücksichtigung der sozioökonomischen Rationalität zu analysieren und die Herausforderungen für nachhaltige Geschäftspraktiken in der Finanzdienstleistungsbranche zu beleuchten.
- Öffentliche Aufmerksamkeit und Unternehmensimage
- Sozioökonomische Rationalität und Unternehmensethik
- Nachhaltigkeitsprobleme in der Finanzdienstleistungsbranche
- Transdisziplinäre Forschungsprozesse in der Nachhaltigkeitsforschung
- Risikodiversifikation und Renditenmaximierung im Kontext nachhaltiger Anlagen
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Der Fall Brent Spar/Shell
Der Fall Brent Spar/Shell zeigt die Auswirkungen öffentlicher Kritik auf die Unternehmensführung. Shell entschied sich, die Ölplattform Brent Spar im Atlantik zu versenken, was zu heftigen Protesten von NGOs, Politikern und Konsumenten führte. Trotz einer vermeintlich umweltfreundlichen Entsorgung sah sich Shell gezwungen, seine Entscheidung zurückzunehmen, da die öffentliche Meinung und politische Interventionen den Handlungsspielraum des Unternehmens stark einschränkten.
Der Fall West LB: Ölförderung in Ecuador und Sibirien
Im Gegensatz zu Shell reagierte die West LB auf Kritik an ihrer Finanzierung von Ölförderprojekten in Ecuador und Sibirien mit strategischen Anpassungen. Die Bank engagierte sich in der Entwicklung der Äquator-Prinzipien, die jedoch nicht von allen als effektiv erachtet werden. Weiterhin wurden Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit angepasst, und Personalwechsel in Führungspositionen erfolgten. Trotz dieser Maßnahmen blieb die West LB von ernsthaften ökonomischen Folgen der öffentlichen Kritik verschont, allerdings wird ihre Glaubwürdigkeit durch die selektive Berücksichtigung der Unternehmensumfelder in Frage gestellt.
Sozioökonomische Rationalität
Die Arbeit analysiert die Entscheidungen von Shell und West LB im Hinblick auf die sozioökonomische Rationalität, die die Berücksichtigung der verschiedenen Anspruchsgruppen eines Unternehmens erfordert. Der Fall Brent Spar/Shell verdeutlicht, wie öffentliche Kritik und politische Interventionen den Handlungsspielraum eines Unternehmens stark beeinflussen können, selbst wenn die Entscheidung aus technischer, ökonomischer und juristischer Sicht gerechtfertigt erscheint. Die West LB hingegen versucht durch strategische Anpassungen, ihre Handlungen zu „legitimieren“ und Kritik abzuwenden.
Schlüsselwörter
Öffentliche Aufmerksamkeit, Unternehmensführung, Nachhaltigkeitsmanagement, Sozioökonomische Rationalität, Brent Spar, Shell, West LB, Ölförderung, Ecuador, Sibirien, Umwelt- und Sozialstandards, Äquator-Prinzipien, Stakeholder-Engagement, Risikodiversifikation, Transdisziplinäre Forschung.
- Citation du texte
- Elena Rueda (Auteur), 2005, Öffentliche Aufmerksamkeit und Unternehmensführung am Beispiel der Ölförderung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/74356