Der Parzival, das Erstlingswerk Wolframs von Eschenbach, das um die Jahre 1200 und 1210 verfasst wurde, besticht vor allem durch seine Motiv- und Stoffvielfalt. Der Autor, der im Gegensatz zu seinen dichtenden Zeitgenossen nicht die unter ihnen übliche geistliche Bildung genossen hat, hat in selbständiger Arbeit Wissensstoffe aus den verschiedensten Bereichen zusammengetragen. Er vereint Themen wie Religion, Astrologie, Literatur, Wissenschaft oder Magie in einer Fülle in diesem einen Werk, dem Parzival, die manchem Leser übertrieben erscheinen mag, lässt es dabei jedoch nicht an der nötigen ironischen Distanz fehlen, die das angeberische Auftrumpfen anderer Autoren mit Buchwissen auf hintergründige Weise entlarvt.
Wolfram von Eschenbach lebte und wirkte in einer Zeit, die von Krisen politischer und religiöser Art geprägt war. Eine sich fortschreitend entwickelnde Laienbewegung, die die Abkehr von Priestern und Kirchenorganisationen als Vermittler zwischen Gott und Menschen forderte, führte dazu, dass die bestehenden Kirchenlehren zunehmend in Frage gestellt wurden. Als Folge dieser Entwicklung wurde die Haltung vieler abendländischer Feudalherren zu ihren orientalischen Standesgenossen sehr liberal und bildete die Gegenperspektive zu der kirchlichen Ansicht des verdammten Heiden. Es hatte sich nämlich vor allem während der Kreuzzüge gezeigt, dass die Bewohner des Morgenlandes keineswegs unkultivierte Ungläubige waren, sondern mächtige kulturreiche Menschen, die in ihrer Lebensweise der abendländischen weit überlegen war, die mit ihrem vorbildlichen Dasein das Bild vom „edlen Heiden“ entstehen ließen.
An diesem Punkt soll die vorliegende Hausarbeit anknüpfen. Die Themen Heidentum und Christentum werden von Wolfram im ersten Buch des Parzival aufgegriffen, vor allem aber das gängige, von Kirchenvätern entworfene Heidenbild des Mittelalters in Frage gestellt. Denn das Werk vertritt nicht, wie in der mittelalterlichen Literatur bis dahin üblich, das Ziel religiöser Bildung oder klerikale Interessen; vielmehr repräsentiert es den in der Zeit der feudalhöfischen Klassik zunehmenden Anspruch des weltlichen Feudaladels, sich der Welt und anderen Religionen zu öffnen. Es liegt nahe, dass Wolfram sich der These vom „edlen Heiden“ nicht verschlossen hat. Wie er die Thematik verarbeitet und welches Heidenbild er selbst im Parzival entworfen hat, soll nun analysiert werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Historischer Hintergrund
- Morgenland und Abendland
- Zu Autor und Geschichte
- Heiden und Christen
- Parzival, I. Buch - Gachmuret im Heidenland
- Mittelalterliche Toleranz gegenüber Heiden
- Zum Toleranzbegriff
- Der mittelalterliche Toleranzbegriff
- Toleranz gegenüber Heiden
- Schlussfolgerung über die Darstellung der Heiden im ,Parzival'
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit untersucht die Darstellung des Heidentums im ersten Buch von Wolframs ,Parzival'. Der Fokus liegt dabei auf der Frage, wie Wolfram das gängige, von Kirchenvätern entworfene Heidenbild des Mittelalters in Frage stellt und welches eigene Heidenbild er im Parzival entwirft.
- Wolframs Darstellung des Heidentums im Kontext der mittelalterlichen Toleranz gegenüber Heiden.
- Die Rolle des „edlen Heiden“ in Wolframs Werk.
- Die Einflüsse des Morgenlandes auf die mittelalterliche Kultur und Literatur.
- Die Bedeutung von religiösen und politischen Krisen im 12. und 13. Jahrhundert für die Darstellung des Heidentums.
- Die Analyse von Wolframs ,Parzival' im Hinblick auf seine Darstellung des Heidentums und die Frage der kulturellen Begegnung.
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung stellt den ,Parzival' als Erstlingswerk Wolframs von Eschenbach vor und beleuchtet dessen besondere Motiv- und Stoffvielfalt. Sie führt den Leser in Wolframs Zeit ein, die von politischen und religiösen Krisen geprägt war, und zeigt, wie sich diese auf die Sichtweise auf Heiden und das Verhältnis von Abendland und Morgenland auswirkten.
Historischer Hintergrund
Morgenland und Abendland
Dieser Abschnitt beleuchtet die historischen Verbindungen zwischen Morgenland und Abendland im Mittelalter, insbesondere die Einflüsse des Morgenlandes auf die europäische Kultur. Er betont die Bedeutung des Handels und der Kreuzzüge für den Austausch kultureller Ideen und die Entstehung des „edlen Heiden“-Bildes.
Zu Autor und Geschichte
Dieser Abschnitt beleuchtet die Rolle von Wolframs eigener Bildung und seinen Quellen in der Darstellung des Heidentums im ,Parzival'. Es wird argumentiert, dass Wolfram, obwohl er den Orient möglicherweise nie selbst besucht hat, sich durch Berichte von Reisenden und historischen Quellen mit dem Heidentum auseinandersetzte.
Heiden und Christen
Parzival, I. Buch - Gachmuret im Heidenland
Dieser Abschnitt untersucht die Darstellung von Gachmuret, einem Heidenkönig, im ersten Buch des ,Parzival'. Hier wird der Begriff des „edlen Heiden“ eingeführt und seine Bedeutung für Wolframs Werk analysiert.
Mittelalterliche Toleranz gegenüber Heiden
Dieser Abschnitt beleuchtet den mittelalterlichen Toleranzbegriff und seine Anwendung auf Heiden. Er untersucht die verschiedenen Ansichten von Kirchenvätern und Feudalherren gegenüber dem Heidentum.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselwörter und Themen dieser Hausarbeit sind: Heidentum, Christentum, Morgenland, Abendland, ,Parzival', Wolfram von Eschenbach, „edler Heide“, mittelalterliche Toleranz, kulturelle Begegnung, Kreuzzüge, historische Quellen.
- Citar trabajo
- Caroline Deckert (Autor), 2007, Der "edle Heide" - Über die Darstellung der Heiden im ersten Buch von Wolframs "Parzival", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/74418