Diese Arbeit beschäftigt sich hauptsächlich mit der Frage, ob eine Primärstellung der Neurowissenschaften (bzw. Neurophilosophie) in der Debatte um das psychophysische Problem gerechtfertigt ist, oder ob die Philosophie nicht auch einen wichtigen Beitrag zur Lösung des Problems liefern kann und soll. Demzufolge muss zuerst geklärt werden was unter einer reduktionistischen Forschungsstrategie beziehungsweise dem eliminativen Materialismus zu verstehen ist und welche Auswirkungen sie auf die Philosophie des Geistes hat. Des Weiteren werde ich versuchen darzustellen, in wieweit die neurowissenschaftliche Forschung diesen Anspruch erfüllt und was Neurophilosophie ist und leisten kann. Abschließend bleibt die Frage zu klären, welche Rolle die Philosophie in der aktuellen Debatte einnehmen kann und sollte.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Das reduktionistische Forschungsziel bzw. Der eliminative Materialismus
3 Der Anspruch der neurowissenschaftlichen Forschung
4 Was kann die Philosophie leisten – Kritikpunkte und Auswege
4.1 Kritik am eliminativen Materialismus
4.2 Was die Neurophilosophie leisten sollte
4.3 Was die Philosophie leisten kann
5 Fazit und Ausblick
6 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Eines der Hauptprobleme in der Philosophie des Geistes betrifft die Bestimmung des Verhältnisses von Psychischem (Mentalem) und Physischem. Während in der antiken und mittelalterlichen Philosophie noch vom „Leib-Seele-Problem“ gesprochen wurde hat sich mittlerweile der Begriff des „psychophysischen Problems“ durchgesetzt.[1] Es handelt sich also um die Frage, welche Beziehungen zwischen mentalen Ereignissen und physischen (körperlichen) Ereignissen bestehen. Diese Frage kann auf drei Wegen beantwortet werden. Entweder mentale und physische Ereignisse werden als grundsätzlich verschieden betrachtet – die sogenannte Differenzthese – oder man betrachtet mentale Ereignisse lediglich als Konsequenz physikalischer Ereignisse – die sogenannte Geschlossenheitsthese. Der Versuch einer Vermittlung zwischen diesen beiden gegenläufigen Thesen würde in der sogenannten Wechselwirkungsthese enden, die besagt, dass psychische und physische Zustände miteinander in Interaktion treten.[2]
In der aktuellen Debatte um das psychophysische Problem treten die Neurowissenschaften immer mehr in den Vordergrund. Wobei sich unter dem Sammelbegriff der Neurowissenschaften eine Vielzahl von Disziplinen subsumiert – explizit zu nennen wären Neuroanatomie, -biologie, -physiologie. Die Gemeinsamkeit all dieser Teildisziplinen besteht jedoch darin, dass sie einen reduktionistischen Materialismus vertreten und somit der Geschlossenheitsthese und dem Monismus folgen. Das Ziel der Neurowissenschaften ist eine Transformation des Bewusstseins ins Neuronale, also eine Reduktion der psychischen Ereignisse auf physische Ereignisse.[3]
Die Neurowissenschaften erheben den Anspruch das psychophysische Problem lösen zu können und billigen der Philosophie nur noch eine untergeordnete Rolle zu.[4]
„Auch wenn wir die genauen Details noch nicht kennen, können wir davon ausgehen, dass all diese Prozesse grundsätzlich durch physikochemische Vorgänge beschreibbar sind. Diese näher zu erforschen ist die Aufgabe der Hirnforschung in den kommenden Jahren und Jahrzehnten.“[5]
Auch in der Philosophie wird die Forderung nach einem Primat der Neurowissenschaften bei der Erforschung des menschlichen Bewusstseins immer lauter. Diese Ansätze versammeln sich unter dem Titel „Neurophilosophie“[6]und verfolgen die von Patricia S. Churchland geforderte reduktionistische Forschungsstrategie.[7]
Diese Arbeit beschäftigt sich hauptsächlich mit der Frage, ob eine Primärstellung der Neurowissenschaften (bzw. Neurophilosophie) in der Debatte um das psychophysische Problem gerechtfertigt ist, oder ob die Philosophie nicht auch einen wichtigen Beitrag zur Lösung des Problems liefern kann und soll. Demzufolge muss zuerst geklärt werden was unter einer reduktionistischen Forschungsstrategie beziehungsweise dem eliminativen Materialismus zu verstehen ist und welche Auswirkungen sie auf die Philosophie des Geistes hat. Des Weiteren werde ich versuchen darzustellen, in wieweit die neurowissenschaftliche Forschung diesen Anspruch erfüllt und was Neurophilosophie ist und leisten kann. Abschließend bleibt die Frage zu klären, welche Rolle die Philosophie in der aktuellen Debatte einnehmen kann und sollte.
2 Das reduktionistische Forschungsziel bzw. Der eliminative Materialismus
Der eliminative Materialismus ist die radikalste Form des physikalischen Monismus, die momentan hauptsächlich von Patricia und Paul Churchland vertreten wird. Betrachtet man bisherige Entwicklungen im Verlauf der Wissenschaftsgeschichte, stellt man fest, dass Theorien immer wieder zugunsten von neuen genaueren Theorien verworfen worden sind und somit ihre Gültigkeit verloren haben. Dasselbe wird, Churchland zufolge, auch für den Aspekt des Bewusstseins eintreten. Ihr zufolge ist eine Revision zugunsten neurowissenschaftlicher Theorien wahrscheinlich.
Grundlage des eliminativen Materialismus ist die Annahme, „dass es Bewußtseinszustände in Wirklichkeit gar nicht gebe. Was wir so bezeichnen, sind lediglich die Erfindungen einer sogenannten Volkspsychologie.“[8] Demnach stellen mentale Zustände Beschreibungen in der Theorie der Alltagssprache dar und sind an und für sich „(…) Postulate eines in unserer Kultur verwurzelten Alltagswissens (…)“.[9] Die Theorie der Volkspsychologie ist erschaffen, worden um das Verhalten Dritter und die vorhandenen Dinge besser erklären zu können.[10] Wenn die Annahme der Theorie der Volkspsychologie der Wahrheit entspricht, dann kann sie auch jederzeit durch eine bessere oder differenziertere Theorie ersetzt beziehungsweise eliminiert werden. Die Konsequenz aus dieser Betrachtungsweise ist, dass das psychologische Vokabular der Alltagserfahrung sukzessive durch die Errungenschaften des wissenschaftlichen Fortschritts eliminiert wird. Churchland zufolge kann dies nur durch die neurowissenschaftliche Forschung erfolgen. Es wird sich zeigen, dass „die Fähigkeiten des menschlichen Geistes tatsächlich Fähigkeiten des menschlichen Gehirns sind.“[11] Demnach werden mentale Zustände als das erkannt, was sie sind - neuronale Zustände – und das Vokabular der Alltagspsychologie wird durch die differenzierte Terminologie der Neurowissenschaften abgelöst werden.[12]
„More generally, as the explanatory exoskeleton emerges – that is, as the basic principles are discovered and put into the theoretical framework – quite radical changes can occur. For this is the period when folk ideas are gradually replaced by scientific, and in turn, early scientific ideas are replaced by more mature hypotheses. This is the period when the ostensibly obvious gets wrecked on the shoals of scientific discovery.”[13]
Um zu einem wirklichen Verständnis psychologischer Fähigkeiten zu gelangen, eignet sich Churchland zufolge die reduktionistische Forschungsstrategie am besten. Gemeint ist damit „(…) den Versuch zu unternehmen, die Phänomene der Makroebene (psychologische Eigenschaften) durch die der Mikroebene (neuronale Netzwerkeigenschaften) zu erklären.“[14] Jedoch bedeutet dies nicht, dass man zuerst die kleinsten Teile (molekulare Grundlagen) untersuchen muss um sich in Form einer „bottom-up-strategy“ den psychologischen Prozessen zu nähern. Stattdessen empfiehlt Churchland die Forschung auf vielen Ebenen voranzutreiben und miteinander zu verbinden. Des Weiteren müssen Eigenschaften auf höherer Ebene auch auf einer höheren Ebene beschrieben werden. So ist Emergenz – also das Phänomen, dass sich bestimmte Eigenschaften eines Ganzen nicht aus seinen Teilen erklären lassen - für Churchland durchaus wissenschaftlich und in erster Annäherung, neurobiologisch betrachtet, eine Netzwerkeigenschaft – „(…)Netzwerkeigenschaften [sind] niemals einfach eine „Summe der Teile“. Sie sind eine Funktion, (…), der Eigenschaften der Bestandteile.“[15]
[...]
[1]Vgl. hierzu Sturma (2006), S.8 ; Sturma (2005), S. 9.
[2]Vgl. hierzu Sturma (2005), S. 18 f.
[3]Vgl. hierzu Sturma (2006), S. 9.
[4]Vgl. hierzu Bennet/Hacker (2006), S. 22.
[5]Das Manifest (2004), S. 33.
[6]Siehe Churchland (1986).
[7]Vgl. hierzu Churchland (2005).
[8]Pauen (1999), S. 5.
[9]Pauen (1996), S. 77.
[10]Vgl. hierzu Pauen ( 1996), S. 78; Pauen (1999), S. 6 und Sturma (2005), S.31.
[11]Churchland (2005).
[12]Vgl. hierzu Pauen (1999) S. 6; Pauen (1996), S.78; Sturma (2005), S. 31 und Churchland (2005), S. 467.
[13]Churchland (2005), S. 286.
[14]Churchland (2005), S. 464.
[15]Churchland (2005), S. 464 ff.
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