Studiengebühren und ihre sozioökonomischen Auswirkungen


Forschungsarbeit, 2007

72 Seiten


Leseprobe


Inhalt

Vorwort

Zusammenfassung

1. Problemstellung

2. Inhaltliches Konzept
2.1 Begründungs- und Verwertungszusammenhang

3. Methodisches Konzept
3.1 Der Fragebogen

4. Auswertung
4.1 Allgemeine Daten

5. Erwartungen der Studierenden
5.1 Einleitung
5.2 Erwartungen der Befragten

6. Die ökonomische Situation der Studierenden
6.1 Einführung
6.2 Einkommen der Studierenden
6.2.1 Höhe des Einkommens
6.2.2 Einkommen aus Jobs
6.3 Ausgaben der Studierenden
6.3.1 Einführung
6.3.2 Gesamtausgaben
6.4 Einkommen und Ausgaben

7. Andere Variablen
7.1 Timemanagement
7.2 Alternativen zum Studium
7.3 Familienpolitische Folgen
7.4 Akzeptanz von Studiengebühren
7.5 Statements

Literatur

Herausgeber: Rudolf Kutz

Unter Mitarbeit der Studenten des Forschungspraktikums:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Vorwort

Im Sommersemester 2005 habe ich an der Universität Regensburg – Lehrstuhl für So­ziologie – als Lehrbeauftragter ein Forschungsseminar im Rahmen der Methoden der empirischen Sozialforschung angeboten. Aufgrund der Brisanz des Themas „Einführung von Studiengebühren“ stimmten die Seminarteilnehmer einem Projekt zu, dass eine Be­fragung der Studenten der Universität Regensburg zu den sozioökonomischen Auswir­kungen der Studiengebühren zum Gegenstand hatte. Insbesondere sollten die Einstel­lungen der Studenten zur Einführung der Studiengebühren eruiert werden sowie ihre sozioökonomische Lebenssituation, die anscheinend von den politischen Entschei­dungsträgern nicht objektiv eingeschätzt wird.

Aufgrund des Zeithorizontes von einem Semester, möchte ich an dieser Stelle das En­gagement der Studenten herausheben, die nicht nur innerhalb von 4 Wochen fast 1000 Befragungen (sowie einen Pretest des Fragebogens) durchgeführt, sondern auch ent­sprechende edv-verwertbare Daten eingegeben haben, ganz zu schweigen von der in­tensiven und engagierten Diskussion bei der Erstellung der Konzeption und des Frage­bogens. Gleichwohl ist herauszuheben, dass - allen gegenteiligen Meinungen zum Trotz - Studierende, sofern sie gefordert werden, eine sehr pragmatische und leistungs­orientierte Einstellung zeigen. Allein diese Einstellung hat letztendlich zu den vorliegen­den Ergebnissen geführt, wobei erschwerend hinzukommt, dass weder finanzielle noch andere personelle Mittel zur Verfügung standen. Vor diesem Hintergrund möchte ich mich nochmals bei allen Beteiligten für ihre besonders engagierte Mitarbeit und ihre Mo­tivation bedanken.

Ebenfalls danke ich Herrn Dr. Klaus Füller vom Landesinstitut für Schulentwicklung in Stuttgart für seine kritischen Anregungen und für die Durchsicht der Arbeit.

Studiengebühren und ihre sozioökonomischen Auswirkungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zusammenfassung

Die Erhebung von Studiengebühren ist historisch betrachtet erst Gegenstand einer breiten Diskussion geworden, als sich abzeichnete, dass die Finanzen der öffentlichen Hand kaum noch einen Spielraum für kreative Forschungsprojekte zuließen. Seitdem wird die permanente Debatte über Staatsverschuldung und Verteilung der finanziellen Ressourcen der öffentlichen Hand immer dann zum unmittelbaren Argument, wenn es um sogenannte Reformen geht, die für Teile der Bevölkerung finanzielle Einbußen be­deuten, d.h. eine Verantwortungsver­lagerung von staatli­chen Aufgaben in den privaten Bereich. Die Tendenz zur Privatisie­rung aller Gesellschafts­bereiche folgt dabei schein­bar – so die Argumentation – dem Prinzip der ökonomischen Ra­tionalität, die sich be­reits seit längerer Zeit durch eine Um­verteilung von „unten“ nach „oben“ kennzeichnen lässt (vgl. Armutsbericht 2006). Diese Tendenz schließt Bildung natürlich mit ein, und zwar auf allen Ebenen – Schulgeld, Bü­chergeld, Studiengebühren für Zweitstudien und längere Studienzeiten usw. -. Internationalen Studien wie beispielsweise „Education at a Glance“ zufolge sind jedoch die Ausga­ben für Bildung in Deutschland – gemessen am BIP - wesentlich geringer als in anderen Ländern Eu­ropas (OECD-Studie 2005).

Vor diesem Hintergrund liegt die Vermutung nahe, dass eine strategische Argumentation die wahren Hin­ter­gründe der Einführung von Studiengebühren ver­schleiert. Da ist zu­nächst der Pau­schalbe­trag von Euro 500,- zu nennen, also der Maximalbetrag, den das BVerfG (2005) noch als sozialverträglich bezeichnet hat, der argumentativ aber kaum zu rechtfertigen ist. Es sind keine vom Sozialstatus der Eltern abhängige Staffelungen von Studiengebühren vorge­se­hen, viel weniger noch Alternativen wie Stipendien- oder För­dersysteme für sozial Schwächere. Die Erhebung einer pauschalen Studienge­bühr lässt vielmehr vermuten, den Finanzministern der Länder ein flexibel ein­setzbares finanztech­nisches Instrument an die Hand zu geben, das je nach Haushalts­lage genutzt werden kann, um Defizite zu kompensie­ren. Nicht die Verbesserung von Studienbedin­gungen ist das Hauptziel – diese Argumenta­tion wird instru­mentalisiert -, sondern eine flexibel ein­setzbare Finanzmasse, die bilanztechnisch ge­rechnet werden kann. Direkt verweigern die Länder damit gegenüber der Gesellschaft ihre Verpflichtung, Bildung für alle gesell­schaftlichen Gruppen gleichermaßen zur Verfü­gung zu stellen (Chancen­gleichheit in der Bildung) und indirekt werden Zugangs­chancen zur Hochschule kanali­siert (Sektionskrite­rium) und Finanzmittel, die der Bund mög­licherweise verweigert, quasi hinterrücks ein­gefordert. Familien werden mittels Kinder- und Er­zie­hungsgeld geför­dert, um sie dann, wenn die Kinder alt genug sind, finanziell abzustra­fen, indem ihnen die staatlichen Zu­wendungen mittels Studiengebühren wieder entzogen wer­den, d.h. die Studienge­bühren konterkarieren nicht nur die Familienpolitik, sondern sozio­ökonomisch De­privierten wird der Zugang zum Studium erheblich erschwert. Wenn Bil­dungspolitike­rin­nen – wie Frau Schavan – vermitteln, es gäbe doch genügend Kreditmög­lichkeiten, dann scheint sie die sozioökonomische Lebenslage von Studenten sehr selektiv wahr­zuneh­men. Gerade die sozioökonomisch Deprivierten müssen bereits den BAföG-Kredit zu­rückzahlen und wer­den zusätzlich gezwungen, sich durch verzinsbare Darlehen noch hö­her zu verschulden und darüber hinaus, da BAföG zum Leben nicht ausreicht, müs­sen sie nebenbei jobben, um studieren zu können. Dies konterkariert nicht nur die Sozi­alver­träglich­keit und die Bildungsgerechtigkeit, sondern zeigt eine selektiv privilegienori­en­tierte Bildungs­politik. Es scheint so, als hätten Entscheidungsträger den Sinn für reale Le­bens­verhältnisse verlo­ren. Für Finanzminister der Länder hingegen ist ein Pauschalbe­trag als flexibel ein­setzbare Fi­nanzmasse selbstverständlich ein ausgezeichnetes In­strument, ihre Haus­halte zu kon­soli­die­ren und dies mittels einer Argumentation von ‚so­zialer Gerechtigkeit’ auch noch zu legiti­mie­ren.

Die Befragung beruht auf einer repräsentativen Stichprobe von 914 Studentinnen und Stu­denten, die nach Fakultäts- und Geschlechtskriterien differenziert wurden. Es wurde eine mündliche Befragung mit einem standardisierten Fragebogen durchgeführt. Der Fragebogen enthält Fragen zur Einstellung zu Studiengebühren, zur sozioökono­mischen Lebenssituation der Studentinnen und Studenten (Einkommen und Ausgaben, familiärer Hintergrund usw.) sowie zu Nebenjobs und zum Timemanagement während des Studi­ums.

Den Daten zufolge assoziieren die Studierenden mit der Einführung von Studiengebüh­ren eher Befürchtungen als positive Erwartungen, was der Anforderung des Bundesver­fas­sungsgerichts – Sozialverträglichkeit - widerspricht. Wenn nur 25% der Befragten mei­nen, dass die Einführung von Studiengebühren mit einer Verbesserung der Stu­dien­bedin­gungen verbunden ist, dann sollte das den Politikern, die von Eigenverant­wortung, Eigen­beteiligung und Studienverbesserungen sprechen, insofern zu denken geben, als Studenten die reale universitäre Realität erleben und sehr wohl einschät­zen können, welche Folgen mit der Einführung von Studiengebühren verfolgt werden. Latent steckt hinter diesen Daten eine erhebliche Kritik an den derzeitigen Studienbe­dingun­gen. Real haben die Studenten Be­fürchtungen im Hinblick auf die Verletzung der Chan­cengleich­heit in der Bildung (ca.80%), Erhöhung der physischen und psychischen Be­lastung (ca. 70%), die einerseits auf die Stu­dienanforderungen – in Be­zug auf kurze Studienzeiten - und andererseits auf die Beschaffung der finanziellen Mittel durch zusätzli­che Jobs zu­rückzuführen sind. Darüber hinaus befürchten sie eine über ökonomische Kriterien ein­geleitete Se­lektion des Zu­gangs zum Universitätsstudium. Diese Befürchtungen sind deshalb nicht von der Hand zu weisen, weil ein Pauschalbetrag eingeführt wird, adä­quate Unterstützungssys­teme nicht zur Verfügung gestellt werden und die zusätzliche Mittelbeschaffung entwe­der eine gegenwärtig höhere physische und psychische Belas­tung (kurzes Studium, mehr Jobs) zur Folge hat oder zukünftig in die Schuldenfalle führt (vgl Kap 5).

65% der Studierenden erwarten eine zukünftige Verschul­dung, ca. 60% eine Ent­wick­lung in Richtung Elite-Universitäten, etwa 57 % der Befragten sind der Auffassung, dass eine Be­gabtenselek­tion bei den sozial Depri­vierten eingeführt wird, was durch die Ver­teilung eines spezifischen Kontingents im Hinblick auf Selektion von Stu­denten durch die Universi­täten bereits einge­leitet worden ist, insofern ist die Erwar­tung durch die Realität bereits über­holt. Diese Be­fürchtungen sind deshalb nicht von der Hand zu weisen, weil die zusätzliche Mittel­beschaf­fung entweder eine höhere Belastung (kurzes Studium, mehr Jobs) zur Folge hat oder eine zukünftige Verschul­dung. 55% der Studenten rech­nen damit, dass sie einen Kredit aufneh­men müssen. Diese Gruppe steht vor der Ent­schei­dung, sich zu verschulden oder Alternativen zum Studium zu suchen, was selbstver­ständlich von den subjektiven Präferenzen abhän­gen wird (vgl. Kap 5).

Realistische Basis für die Beurteilung einer finanziellen Mehrbelastung können nicht die neo­liberalen Argumente sein, sondern nur die derzeitige soziökonomische Basis der Studieren­den. Wie gezeigt wird, studieren immer noch vorwiegend Akademi­kerkinder an den Univer­sitäten. Es konnte beobachtet werden, dass nur noch etwa ¼ der Studenten über­haupt BA­FöG beziehen und auch nur in Form einer Teilfi­nanzierung oder als Voll­darlehen. Dies bedeutet für sozial Schwächere bereits eine zu­künftige hohe Verschul­dung. Vor diesem Hintergrund sind Studiengebühren eine zu­sätz­liche finanzielle Belas­tung, die besonders so­zial Schwache trifft. Neben den Studiengebühren werden weiter­hin die Studentenbei­träge von über Euro 100,- anfallen, was einer finanziellen Semester­belastung von über Euro 600,- entspricht (Uni Regensburg voraussichtlich Euro 625,- ), und zwar ohne Berück­sichti­gung der finanziellen Mittel, die für das Studium ohnehin benötigt werden (Fahrkosten, Bücher, Computer, Schreibutensilien usw.).

Von den 914 befragten Studierenden geben 554 an, dass sie neben der Finanzierung durch BAFöG, Vollfinanzierung durch die Eltern, Teilfinanzie­rung durch die Eltern einen Job aus­üben. Das sind etwa 60%, die mehr oder weni­ger mit Hilfe eines Jobs zusätzlich Mittel be­schaffen müssen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Generell bekommen 11% der Studenten nur BAFöG, 29% werden von ihren Eltern vollfi­nan­ziert. Die meisten Studenten erhalten jedoch eine Teilfinanzierung durch ihre Eltern (40%) und 20% erhalten sowohl BAFöG als auch eine Teilfinanzierung durch ihre Eltern. Von den BAFöG-Empfängern arbeiten etwa 1/3 das ganze Jahr hindurch, knapp 20% arbeiten nur in den Semesterferien und ca. 4% nur im Semester. Aber auch von denje­nigen, die durch ihre Eltern vollfinanziert werden, arbeiten ca. 13% das ganze Jahr, ca. 20% in den Semes­terferien und ca. 8% im Semester (vgl. Kap. 6.2).

Das durchschnittliche Monatseinkommen (BAFöG; Vollfinanzierung durch die Eltern, Teilfi­nanzierung durch die Eltern, Teilfinanzierung durch die Eltern plus BAFöG, Jobs) der Studierenden insgesamt liegt im Rahmen der Berechnung des arithmetischen Mit­tels bei Euro 672,-, unterstellt man den Median, so beträgt das durchschnittliche monat­liche Budget der Stu­denten Euro 600,- (vgl. Grafik 10).

Knapp 50% der Studenten verfügen über finanzielle Mittel, die Euro 600,- nicht überstei­gen, etwas mehr als 30 % der Studenten verfügen über ein Einkommen zwischen Euro 600 - 1000,- und nur ca. 10% der Studentinnen und Studenten bestreiten ihren Lebens­unter­halt aus Mit­teln, die Euro 1000,- übersteigen. Diese Zahlen zeigen, dass die über­wiegende Zahl der Stu­dentinnen und Studenten gezwungen ist, mit den ihnen zur Ver­fügung ste­henden Mitteln sehr ökonomisch zu kalkulieren.

Die finanzielle Situation der Studenten kann den vorliegenden Daten zu Folge nicht als Grundlage für eine Begründung zur Einführung von Studiengebühren genutzt werden. Der ökonomische Rahmen, in dem sich Studierende bewegen, liegt im Mittel zwi­schen Euro 600,- und 700,-. Zieht man von diesem Gesamteinkommen eine Miete von etwa Euro 250,- ab, dann bleiben den Studenten durchschnittlich finan­zielle Mittel zur Le­benshal­tung ein­schließ­lich Studentenbeiträge von Euro 350,- bis 450, -. Nach Abzug der Studiengebühren und Se­mesterbeiträge bleiben den Studierenden Finanzmittel für die Le­benshaltung, die unterhalb bzw. knapp über der Ebene des landesüblichen Sozi­alsatzes liegen. Diese Fi­nanzaus­stat­tung wird wiederum primär von den Eltern begli­chen und durch Jobs erworben (vgl. Kap.6).

Die Differenzierung nach variablen und fixen Kosten zeigt, dass die durchschnittlichen fixen Kosten monatlich mit ca. Euro 500,- angesetzt werden und die variablen Kosten im Mittel zwi­schen 170,- und 195,- Euro zu Buche schlagen. Eine hohe Anzahl von Studie­renden muss diese Ausgaben neben der Unterstützung durch die Eltern mit Hilfe von Jobs in den Se­mes­terferien, im Semester oder im ganzen Jahr finanzieren. Der durch­schnittliche Zeitauf­wand zur Mittelbeschaffung beträgt ca. 20 h in der Woche. Ver­gleicht man die durchschnittli­chen Einkünfte mit den durchschnittlichen Ausgaben (siehe Grafik 21), dann leben Studen­ten der­zeit bereits im Mittel über ihren Verhältnissen. Wie vor die­sem Hintergrund die Einfüh­rung von Studiengebühren gerechtfertigt und in der Höhe von Euro 500,- festgelegt werden kann, muss wohl auf einer totalen Fehleinschätzung der politisch Verantwortlichen über der Realität der finanziellen Ver­hältnisse der Studie­ren­den zurückgeführt werden. Es wird damit ganz be­wusst eine zu­sätzliche Verschul­dung bzw. eine der sozialen Gerechtigkeit wider­sprechende Belastung vieler Studenten und ihrer Familien in Kauf genommen. Mithin widerspricht die sozioökonomi­sche Realität der Studie­renden den meisten Argumente pro Stu­diengebühr und rational – aus so­zio­öko­nomi­scher Sicht - ist die Einführung von Studienge­bühren nicht zu begründen (vgl. Kap. 6.3).

Wenn 60% der Studierenden ihren Lebensunterhalte durch zusätzliche Jobs finanzieren müssen und im Mittel die Hälfte der Lebenshaltungskosten durch Jobs erwerben, dann deuten diese Tendenzen darauf hin, dass die Ansätze der der­zeitigen finanziel­len Unter­stüt­zungssysteme nicht mehr die gegenwärtigen Lebenshal­tungskosten decken und allein dadurch Einschränkungen der Studienmöglich­keiten bestehen (Kap 6.2.2). Entwe­der müssen die finanziellen Mittel durch zusätzliche Jobs aufgebracht werden oder die Eltern füllen die Finanzierungslücken aus. Damit zeigt sich eine Verteilung der finanziel­len Belastung für das Studium zu Ungunsten der Familien. Die Studierenden und ihre Familien leisten bereits einen sehr hohen Beitrag zur Finan­zierung des Studi­ums, so dass die Argumente von mehr ‚Eigen­verantwortung’ und ‚ge­rechter Selbstbeteili­gung’, die immer wieder in der Diskussion pro Einführung von Studiengebühren angeführt wer­den, in die­ser simp­lifizierenden Form widerlegt werden können.

Die Studie zeigt, dass Studenten einer Einführung von Studiengebühren – sofern sie denn notwen­dig wäre – gar nicht so negativ gegenüberstehen. Auf die Frage, in welcher Höhe Stu­diengebühren denn noch akzeptiert werden, antworten nur ca. 27% mit einer völli­gen Ablehnung, während ca. 45% eine Studiengebühr zwischen Euro 50,- bis Euro 200,- und knapp ein Fünftel sogar eine Studiengebühr zwischen Euro 250,- und 500,- akzeptieren wür­den (Vgl. Grafik 26).

Darüber hinaus ist ein Zukunftsaspekt zu beachten, nämlich die Verdoppelung der Abitu­rienten im Jahre 2012, die wahrscheinlich eine Verschärfung der Zulas­sungsmodalitäten an den Hochschulen nach sich zieht. Die Universitäten und Fach­hochschulen werden diesen Zulauf von Studierenden kaum auffangen können, es sei denn, die Studienge­bühren werden dazu verwendet, dem Zustrom von Abiturienten ent­sprechende finan­zielle, personelle und technische Ausstattungen entgegenzusetzen. Dabei ist wiederum zu berücksichtigen, dass dieser Zustrom von Abiturienten für die Universitäten mit etwa 3-5 Jahren zu Buche schlägt. Danach normalisieren sich die Zahlen der Studierenden wieder, so dass dieses temporäre Problem auch durch zeitlich befristete Maßnahmen gelöst werden muss. Die Planungen für die Verdoppelung der Studentenzahlen müssen derzeit aufgrund realistischer Kapazitätsprognosen entspre­chende Anpassungen und möglicherweise finanzielle Rückstellungen vorsehen, um fle­xibel reagieren zu können. Dabei sind dann auch die finanziellen Mehreinnahmen und deren Verwendungszweck zu kalkulieren. Dass die Hochschulen bzw. die Bildungsex­perten diese Daten berück­sichtigen müssen, liegt schon deshalb auf der Hand, weil diesbezügliche Inaktivität zu einem erheblichen Verdrängungswettbewerb von Jugend­lichen auf dem Arbeitsmarkt führen wird und Abgänger von Haupt- und Realschulen zur Chancenlosigkeit im Hinblick auf eine Lehrstelle verurteilen, d.h. die beruflichen Zu­kunftsperspektiven von Realschü­lern und insbesondere Hauptschülern sinken auf ein Minimum. Hier wäre ein Ansatz für eine vernünftige Verwendung von Studiengebühren, obwohl auch dieses Dilemma von Bildungsexperten und insbesondere Bildungspolitikern – ohne groß Not – bewusst verur­sacht wurde.

Trotz der vehementen internationalen Kritik an der Bildungsungerechtig­keit, wird nicht nur der status quo einer privilegienorientierten Bildungspolitik aufrecht­erhalten, sondern in naher Zukunft enorm ausgebaut. Möglicherweise liegt auch hier ein Grund für die Einführung von Studiengebühren, da die zukünftig benötigt finanziellen Mittel für Hoch­schulen von den Ländern nicht mehr aufgebracht werden können bzw. die bereits hohe Verschuldung der Länder eine notwendige kontinuierliche Anhebung der Finanzmittel für Hochschulen konterkariert.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Studierenden eine sehr differenzierte Auf­fas­sung zur Einführung von Studiengebühren deutlich machen und zwischen realen Forderun­gen und Scheinargumenten sehr wohl unterscheiden können. Die Lebenssitua­tion der meisten Studenten zeigt dabei finanzielle Verhältnisse, die eine zusätzliche Be­lastung durch Studiengebühren kaum zulassen. Im Mittel leben sie bereits über ihren Verhältnissen und viele müssen derzeit etwa die Hälfte ihrer Lebenshaltungekosten über Jobs finanzieren. Da­bei zeigen sie jedoch eine erhebliche Bereitschaft, zusätzliche Be­lastungen dann in Kauf zu­nehmen, wenn die Studiengebühren zweckgebunden zur Ver­besserung der Studienbedin­gungen eingesetzt werden und eine sozialverträgliche Höhe von Euro 250,- nicht über­steigen.

1. Problemstellung

Die Diskussion um Studiengebühren gewinnt im Rahmen von Bildungsreformen und leerer öffentlicher Kassen zunehmend an Bedeutung, beschränkt sich jedoch häufig auf offensichtlich politische, ökonomische und ideologische Aspekte.

Besondere Brisanz erhielt die Thematik im Zuge der Aufhebung des Studiengebühren­verbots durch das Bundesverfassungsgericht, das den Ländern die Bildungshoheit zu­erkennt und damit das Recht zur Erhebung von Studiengebühren festschreibt, allerdings mit der Einschränkung, eine ‚sozialverträgliche’ Studiengebühr bis zu einer Obergrenze von Euro 500,- umzusetzen (vgl. BVG, -2BvF 1/03– 29. Jan. 2005). Damit ist für die Län­der der verfas­sungsrechtliche Weg zur Einführung von Studienge­bühren grundsätz­lich geöffnet wor­den, was aber nicht heißt, dass die Bundesländer Studiengebühren einfüh­ren müssen.

Studiengebühren – in welcher Höhe auch immer - belasten aber das Budget von Fami­lien und Studenten zusätzlich, deshalb ist anzunehmen, dass Studierfähige bzw. Stu­dierwil­lige aufgrund der Kosten kein Studium mehr aufnehmen bzw. aufnehmen können.

Aus wissenschaftlicher Sicht lag die Vermutung nahe, dass die Diskussion rational, auf der Basis von Fakten und harten Daten, geführt wird. Aufgrund vorliegender Studien (Forsa-Stu­die, Nagel, BM) muss konstatiert werden, dass über Stu­diengebühren-Mo­delle, globale Studiengebühren-Vergleiche und Sozialverträglichkeit von Studiengebüh­ren diskutiert wird, aber nicht die gegenwärtige Lebenssituation oder die ökonomischen Reserven von Studierenden und ihren Familien rekurriert wird. Über struk­turelle, fachli­che und öko­nomische Fehlentwicklung an den Univer­sitäten wird nicht dis­kutiert. Die hierarchischen Verwaltungsstrukturen und eine Lehre, deren Veränderungen sich in den letzten Jahren nur durch eine weitere Verschulung des Hochschulstudiums auszeich­nen, kann die Ansprüche von Seiten des Ar­beitsmarktes im Hinblick auf Flexibi­lität und Mobili­tät kaum noch erfüllen. Die Evaluation der Lehre wird seit Jahren disku­tiert, ohne Ver­bindlichkeit beanspruchen zu können, das QM und Modifikationen des Lehrange­bots, die Betreuung der Studenten und die Adap­tation der Universitäten an Bildungszie­len moderner Informations-, Wissens- und – im weitesten Sinn - Dienstleis­tungsgesell­schaften (etwa coporate identity der Uni’s, Praxis­orientierte Lehrangebote, flexible Di­daktik, eventuelle Trennung von Lehre und For­schung, Spezifikationen des Lehrerfol­ges, Kontrolle der Lehre, Qualitätsstandards für Lehre und Forschung, Einfüh­rung des Prin­zips der ökonomischen Rationalität an Uni­versitäten, Fallbesprechungen und Stu­den­tenbefragungen usw.) ist bis heute nicht an­nähernd ausgereizt. Die durch struktu­relle und inhaltliche Modifikationen eruierbaren fachlichen und ökonomischen Reserven in­nerhalb des Systems unterliegen anscheinend immer noch spezifisch aka­demischen Ta­bus.

Jedes Unternehmen, das eine Veränderung initiiert oder ein neues Produkt auf den Markt bringt, lässt eine Marktanalyse durchführen, um auf diese Weise harte Daten als Basis für ihre Planungen zu erhalten. Eine realistische Prognose ist nur dann mög­lich, wenn auf harte Daten rekurriert werden kann. Dies trifft anscheinend für politische Ent­scheidungen nicht zu, obwohl die Eruierung der ökonomischen Verhältnisse von Stu­denten und ihren Familien die Grundvoraussetzung wäre, um einschätzen zu können

1. ob überhaupt ökonomische Reserven verfügbar sind und
2. wenn ja, wie hoch die Belastungen sein dürfen, um Studierwillige und insbesondere –fähige nicht aus ökonomischen Gründen vom Studium abzuschrecken.

Vor diesem Hintergrund ist die Studie zu den sozioökonomischen Auswirkungen der Studiengebühr initiiert worden. Dabei geht es primär um die Eruierung der ökonomi­schen Lebenssitua­tion von Studenten, um auf dieser Basis aufzuzeigen, was eine zu­sätzliche Belastung durch Studiengebühren bewirkt und ob überhaupt finanzielle Spiel­räume beobachtet werden, die eine Einführung von Studiengebühren rechtfertigen kön­nen.

Da Studiengebühren ökonomische, aber auch fachliche Konsequenzen implizieren und die Entscheidung für oder gegen die Auf­nahme eines Studiums auf der Grundlage pri­mär subjektiver Erwartungen und Befürch­tungen getroffen wird, sind diesbe­zügliche As­pekte in die Studie einbezogen worden.

2. Inhaltliches Konzept

Um die Diskussion und die unterschiedlichen Argumenten über die Einführung von Stu­diengebühren nachzuzeichnen, werden folgende Aspekte in die konzeptionellen Überle­gungen integriert, damit die entscheidenden Dimensionen der Studie eruiert werden können.

- Föderalismus (BverfG, (29. Jan. 2005)
- Soziale Gerechtigkeit bzw. Sozialverträglichkeit (BVerfG, Mendorf, Pabst, Pella­rin 2000)
- Qualität des Studiums (HIS-Dokumentation-Studiengebühren und -beiträge 2005, Na­gel 2003)
- Eigeninteresse der Studierenden (FDP)
- Ausstattung der Universitäten (www.studiengebühren.de)
- Autonomie und Profilierung der Universitäten
- Internationaler Standard der Studiengebühren (forsa-Studie 2003, vgl. Kol­land, Kahri, Frick 2002, Nagel 2003)

Es wird zwar argumentiert, dass Akademiker auf dem Arbeitsmarkt wesentlich höhere Verwertungschancen haben, aber Fakt ist, dass auch die Zahlen ar­beitsloser Akademi­ker ansteigen, die Einstiegsgehälter kontinuierlich sinken (s. z.B. die Auswüchse im Rahmen von Praktikantenstellen und zeitlich befristeten Verträgen) und so­mit eine Zu­kunftsprognose oder langfristige Planungen im Hinblick auf eine zukünftige lukrative Tä­tigkeit kaum möglich ist.

Vor diesem Hintergrund erscheint es höchst fraglich, dass Abiturienten aus ökonomisch schwächeren Familien weiterhin ein Studium präferieren – sie sind an Universitäten oh­ne­hin unterrepräsentiert -, sondern eher ist zu vermuten, dass sie Alternativen zum Stu­dium auf dem Arbeits­markt, FH-Markt oder Lehrstellenmarkt vermehrt in An­spruch neh­men.

Probleme des Föderalismus

Das BVG hat mit seinem Urteil die föderale Subsidiarität der Bildung nochmals eindeu­tig herausgestellt und den Ländern die diesbezügliche Entscheidungshoheit zuerkannt. Damit ist ein bundesweit einheitliches Verfahren zur Einführung von Studiengebühren nicht oder nicht mehr durchsetzbar, was aber möglicherweise spezifische Auswirkungen auf Studenten haben könnte, die während ihres Studiums das Bundesland wechseln, insbe­sondere – was kaum von der Hand zu weisen ist -, wenn unterschiedlich hohe Stu­dien­gebühren erhoben werden.

Das föderale System der Bundesrepublik könnte sich in Bezug auf die Einführung von Studiengebühren dann als hinderlich erweisen, wenn beispielsweise die CDU/CSU/FDP regierten Länder eine Studiengebühr einführen wollen, hingegen die SPD/Grünen/PDS regierten Länder die Einführung von Studiengebühren ablehnen bzw. diese nicht einfüh­ren können, weil – wie z. B. im Falle von Hessen – die Landesverfassung ein ausdrückli­ches Studiengebührenverbot enthält. (vgl. Nagel 2003)

Dabei wären unterschiedliche Szenarien vorstellbar: Einerseits könnte ein Wechsel von einem in das andere Bundesland zu höheren oder zu niedrigeren Kosten führen oder aber Studenten wählen Universitäten in einem Bundesland, in dem keine Gebühren er­hoben werden andererseits. Dann stellt sich die Frage, wie Studenten behandelt wer­den, die von einem ins andere Bundesland wechseln. Inwieweit dabei wiederum der Gleichbehandlungsgrundsatz Validität beanspruchen kann, ist bislang nicht beantwortet worden, dürfte aber erhebliche Probleme bereiten. Ob eventuell der Grundsatz der freien Wahl des Arbeitsplatzes, der diesbezüglich auch für die Wahl der Universität gilt, verletzt ist, müsste erst einmal geprüft werden?

Problem der sozialen Gerechtigkeit

Das Bundesverfassungsgericht hat gleichwohl argumentiert, dass die Studiengebühren (SG) sozial­verträglich sein müssen und eine Höhe von 500 Euro pro Se­mester nicht überschreiten dürfen. (vgl. BVerfG 2005)

Der Begriff der ‚Sozialverträglichkeit‘ wird dabei anscheinend als Schlüsselkonstrukt un­terstellt, um die Einführung von Studiengebühren zu legitimieren. Damit ist angespro­chen, dass sich die sozialstrukturelle Zusammensetzung (nach Bevölkerungsgruppen) der Studierenden nach Einführung der SG nicht verändern darf und bestimmte sozial unter­privilegierte Gruppen nicht vom Studium ausgeschlossen werden dürfen, was wie­derum den logi­schen Kontext zum Konstrukt der Chancengleichheit in der Bildung her­stellt. Das be­sagt, dass sich die Verteilung von Lebenschancen, und damit auch die Verteilung von Bil­dungschancen, ausschließlich an der individuellen Leistung zu bemes­sen haben. Lei­s­tungsfremde Merkmale, die verschiedene soziale Gruppen voneinander differenzieren, wie z.B. Geschlecht, beruflicher oder ökonomischer Status der Eltern, Migrationshintergrund usw. dürfen keinen messbaren Einfluss auf die Bildungsergeb­nisse haben. Diesem gesell­schaftlichen Anspruch liegt die Annahme zugrunde, dass in jeder sozialen Gruppe vergleichbare Leistungspotentiale vor­handen sind, und jeder die Chance erhalten soll, seinem individuellen Leistungspotenzial entsprechende Bildungs­einrichtungen in An­spruch zu nehmen. Chancengleichheit im Bil­dungswesen liegt dem­zufolge dann vor, wenn die Anteile aller gesellschaftlichen Grup­pen relativ gleichmäßig verteilt sind – ge­mäß dem Bevölkerungsanteil - z.B. einen Hoch­schulabschluss erlan­gen. Die Realisie­rung von Bildungschancen ist ein gesellschaftspo­litisches Grundziel moderner demokra­tischer Gesellschaften.

Der Chancengleichheit in der Bildung kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Der Erwerb von Bildungsabschlüssen ist der primäre Zuteilungsmechanismus sozialer Chancen, da er einen entscheidenden Einfluss auf weitere Variablen sozialer Ungleich­heit wie Beruf, sozioökonomischer Status und Einkommen hat. Im Zuge der Bildungsex­pansion – seit den 60iger Jahren - wurden die Zugangschancen zu höheren Bildungsin­stitutionen kontinuierlich ausgebaut, um auch Kindern bildungsferner Gruppen einen höheren Bildungsabschluss zu ermöglichen. Tatsächlich ist seitdem ein ständiger Zu­wachs an Studierenden zu verzeichnen. Allerdings gelang es nicht, den bildungspoliti­schen Anspruch nach Chancengleichheit zu realisieren. Das deutsche Schulsystem ge­hört noch immer zu den selektivsten der Welt (PISA 2003).

Dies unterstreicht auch der Bericht der 17. Sozialerhebung des Studentenwerkes, indem hervorgehoben wird, dass die Ressource Bildung in der deutschen Gesellschaft nach wie vor noch ungleich verteilt ist. Entscheidende Variablen für den Erfolg von Kindern sind noch immer das Bildungsniveau, der berufliche Abschluss und die berufliche Stel­lung der Eltern. Von 100 Kindern der sozialen Herkunftsgruppe `niedrig` nehmen nur 11, von 100 der so­zialen Herkunftsgruppe `hoch` jedoch 81 Kinder ein Studium auf (vgl. 17. So­zialerhebung).

Mit dem Konstrukt der Chancengleichheit wird auf die Analyse vertikaler Un­gleichheiten innerhalb der Studierenden abgehoben. Es ist davon auszugehen, dass Studiengebüh­ren Studierende aus unteren Schichten in besonderem Maße deprivieren, da sie erheb­lich geringere finanzielle Reserven aufweisen und vorwiegend von BAföG und Er­werbs­tätigkeit abhängig sind. In diesem Zusammenhang zeigen die Befunde der PISA-Studien ein ähnliches Bild, der Einfluss des elterlichen So­zial­status auf den Bildungserfolg von Kindern ist in Deutschland wesentlich größer als in anderen Ländern. (vgl. PISA-Studie 2003, vgl. auch Nationalen Bildungsbericht 2006) Insofern ist die Wahrscheinlichkeit relativ hoch, dass mit Einführung der Studiengebühren ein weiterer Sektionsmechanis­mus implementiert wird. Es ist zu vermuten, dass Studiengebühren generell auf Studie­rende niedriger sozialer Herkunftsgruppen (niedriger sozialökonomischer Status von Studenten und ihrer Eltern) in einem höheren Maße abschreckend (keine Auf­nahme des Studiums) wirken und damit die Chancengerechtigkeit weiter konterkarieren.

Problem des Qualitätsmanagements an Universitäten

Nicht nur Politiker fordern ein ‚Umdenken‘ im Zuge der allgemein gesellschaftlichen Tendenz zur Privatisierung und ‚Eigenverantwortlichkeit‘, sondern auch Vertreter der Wirtschaft und Universitäten selbst. Die Befürworter loben die angebliche ‚Soziale Ge­rechtigkeit‘, sie interpretieren Studiengebühren als sinnvolle, die Eigenständigkeit der Unis verbes­sernde Intention, die Qualität des Studiums würde sich entscheidend ver-bessern, die Einstellung der Studenten als Kunden hätte Kontrollwirkungen und die For­schungsmittel sowie die Ausstattung der Bibliotheken könnten effektiver und effi­zienter eingesetzt und genutzt werden. Die Mitwirkung der Studenten würde verstärkt, die Stu­dienbetreu­ung könnte intensiviert und effektiver ausgestaltet werden und schließlich würden Studenten aufgrund erhöhter Lernmotivation effekti­ver studieren, weil sie für eine Dienstleistung bezahlen müssten.

Damit sind primär Aspekte der Qualität des Studiums bzw. der Qualität von Universitäten angesprochen, aber welche Indikatoren lassen sich benennen, die die Qualität einer Universität rechtfertigen.

Ein gewichtiger Erfolgsparameter ist die Verwertbarkeit des Studiums auf dem Ar­beitsmarkt, und zwar insofern als die Ausbildung Inhalte vermittelt, die auf dem Ar­beits­markt nachgefragt werden.

Ein zweiter Indikator kann mit dem wis­senschaftlichen Image der Universitäten ge­kennzeichnet werden. Das Image einer Uni­versität zeichnet sich einerseits durch die wissenschaftliche Produktivität im Hinblick auf neue wissenschaftli­che Erkenntnisse (die aber nicht durch Quantität der Veröffentlichun­gen gemessen wer­den, sondern durch Qualität der Erkenntnisse) aus, andererseits durch eine ausgewo­gene Lehre aus theo­retischem Grundlagenwissen und praxisorien­tierten Spezialwissen, was so­viel heißt, wie intensive Auseinandersetzung mit realen Problemen sowie deren Lö­sungsmustern.

Darüber hinaus zeichnen sich moderne Uni­versitäten dadurch aus, dass ihre Orga­nisation Flexibilität, Transparenz, vertikale und horizontale Vernetzung, Effizienz und Effektivität nachweisen und sich verändernden Lehr- und Nachfragebedin­gungen relativ rasch anpassen.

Gleichwohl ist Lehre und For­schung immer in Entwicklung begriffen, so dass die Krite­rien einer lernen­den Organisa­tion auf sie ange­wendet werden müssen, was auch bedeutet, dass die Entschei­dungs- und Informations­wege kurz und effektiv ausgestaltet sein müssen.

Die Verteilung der Mittel und Ressourcen unterliegt dabei dem Prinzip der ökonomi­schen Rationa­lität und verbindlicher kriterienbezogener Verteilung. Basis eines QM an Universitäten sind aber eindeutige Qualitätsstandards der Forschung und Lehre, und eben diese sind bis heute von keiner deutschen Universität realisiert. Die Diskussion wird seit 3 Jahr­zehnten geführt, ohne dass eindeutige Regelungen getroffen sind. Die Bürokratisierung geht so­weit, dass Studenten sich immer noch persönlich zurückmelden müssen, obwohl die Nutzung der EDV die Wartezeiten beseitigen könnte. Die Präferenz der Freiheit von Lehre und Forschung wird eindeutigen und klaren, d.h. verbindlichen Lehrinhalten ge­opfert und Messkriterien bzw. Kontrollen von Lehre und Forschung sind derzeit – wenn überhaupt – nur durch oberflächliche Evaluationen, die zudem keine Konsequenzen nach sich ziehen, realisiert. Die einzige Veränderung, die Schlagzeilen macht, ist eine konti­nuierliche Verschulung des Universitätsstudiums (s. Bachelor- und Mastersformalien, deren Sinn kaum nachvollziehbar ist).

Die Argumente von fehlenden finanziellen Mitteln bzw. zusätzlichem Finanzbedarf von Universitäten müssten zunächst einmal durch entsprechende strukturelle, fachliche und ökonomische Analysen (Bestandsaufnahmen, Ist-Analysen) und der damit verbundenen Eruierung von fachlichen und ökonomischen Reserven begründet werden. Die derzeit pro­gnostizierten Bedarfe und Forderungen müssen auf der Basis harter Daten erfolgen und nicht auf der Basis subjektiver Meinungen oder Annahmen von Politikern und Uni­versi­tätsverwaltungen. Die Einführung von Studiengebühren ist nur dann diskutabel, wenn entsprechende Analysen der Hochschulen vorliegen. Bislang ist der von einigen Befürwortern vermittelte Zusammenhang zwischen Einfüh­rung von Studiengebühren und Verbesserung der Lehr- bzw. Forschungsqualität nicht nachgewiesen worden.

Problem der Schuldenfalle

Die Gegner der Studiengebühren argumentieren auch mit dem Konstrukt der ‚sozialen Gerechtigkeit‘, aber im Hinblick auf die finanziellen Lasten, die auf Studierende bzw. ihre Eltern zukommen. Die Bildungschancen (Recht auf Bildung) spezifischer gesellschaftli­cher Gruppen werden sich weiter verschlechtern und viele könnten nicht mehr studieren, die Schuldenlast erhöht sich, so dass – aufgrund des prekären Arbeitsmarktes – eine zu­künftige Schuldenfalle nicht auszuschließen ist. Schuldenfalle heißt in diesem Kontext aber nicht nur, sich zu verschulden, sondern die Schulden aufgrund einer feh­lenden bzw. zu geringen existentiellen Basis nicht mehr abtragen zu können, so dass die Schuldenspirale aufgrund der Zinsen nicht mehr aufzuhalten ist und eine kontinuier­liche Höherverschuldung zur Folge hat.

Der diesbezüglichen Argumentation ist ein erheblicher Realismus nicht abzusprechen, da durch die Einführung von Studiengebühren eine zusätzliche Belastung auf Studie­rende und ihre Familien zukommt, was das ökonomische Ungleichgewicht – sprich die sozi­ale Ungerechtigkeit - verstärkt. Die BAFöG-Empfänger investieren aufgrund des Darle­hens oder Teildarlehens derzeit bereits eine relativ hohe Summe als Zukunftsin­vestition, die auch – trotz des zinslosen Darlehens (ca. 10 000,- Euro) – zurückgezahlt werden muss. In­sofern existiert bereits eine soziale Ungerechtigkeit gegenüber denen, die von ihren El­tern finanziert werden (wobei immer noch zu berücksichtigen ist, dass lange Ausbil­dungszeiten besonders Familien mit mittlerem und geringem Einkommen erheb­lich be­lasten). Zu die­sen BAFöG-Schulden ist bei unterstellten 9 Sem. Regelstu­dien­zeit und einer Studiengebühr von 500,- Euro pro Semester ein Betrag von Euro 4500,- zuzurechnen (bei unterstellen 2-4 Zusatzsemestern erhöht sich der Betrag ent­sprechend), der auf dem freien Finanz­markt aufgenommen werden muss, d.h. verzinst wird. Sofern BAFöG- oder Teil-BAFöG-Empfänger angesprochen sind, verschärft sich die finanzielle Proble­matik nach Ende des Studiums beträchtlich. Bei denen, die von ihren Eltern oder aus Eigen­kapitalmitteln finanziert werden, stellen Studiengebühren ebenfalls eine erhöhte finan­zielle Belastung dar. Entweder können einkommensstarke Eltern auch weiterhin die Stu­diengebühren finanzieren oder auch ein Teil dieser Stu­denten ist gezwungen, ein Darle­hen aufzunehmen. Gleich wie man es betrachtet, Stu­diengebühren bedeuten eine zusätzliche Belastung für Studenten und ins­besondere deren Familien.

In diesem Kontext werden z. T. zwei Konstrukte miteinander verwechselt, einerseits die ‚Sozialverträglichkeit‘ und anderseits die ‚Soziale Gerechtigkeit‘. Die Sozialverträg­lichkeit impliziert in diesem Kontext, dass eine zusätzliche Belastung nicht dazu führen darf, die Studienchancen von ökonomisch Schwächeren zu konterkarieren, während die soziale Gerechtigkeit die generelle gesellschaftliche Verteilung von Bildungschancen und die Verteilung diesbezüglicher ökonomischer Ressourcen impliziert. Diese beiden Kon­strukte müssen differenziert werden; denn die soziale Gerechtigkeit ist bereits durch die Darlehensform des BAFöG tangiert, weshalb die Diskussion um Studiengebühren so­wohl den status quo der sozialen (Un-)Gerechtigkeit – wenn keine Studien­gebühren ein­geführt werden – als auch die Sozialverträglichkeit zusätzlicher Studiengebüh­ren ins Kalkül ziehen muss–. Gemäß dem Urteil des BVerfG soll bei Einführung von Studienge­bühren aber die Sozialverträglichkeit gewährleistet werden, was angesichts der vom BVerG als Höchstbelastung festgesetzten Euro 500,- zu be­zweifeln ist.

Problem: Eigeninteresse

Das Argument, Studierende müssten ein Eigeninteresse an einer sinnvollen – mittels Stu­dien­gebühren – Zukunftsinvestition haben, wird damit begründet, dass die Verwer­tungschancen von Hochschulabgängern auf dem Arbeitsmarkt wesentlich günstiger seien als für Ab­sol­venten anderer Bildungsinstitutionen. Gleichwohl wird verdeutlicht – gemäß ‚Education at a Glance’ (OECD 2002) -, dass das Einkommen von Hochschulab­solven­ten um 63% höher liegt und damit auch das Lebenseinkommen als bei anderen. (vgl. www.studiengebühren.de) Daneben spräche vieles dafür, dass Hochschulabsol­venten auch in den Zeiten hoher Arbeitslosigkeit die relativ besseren Berufschancen hätten, nicht zuletzt, weil sie im Verdrängungswettbewerb die Überlegenen seien.

Die Validität dieser Argumentation scheint so einleuchtend, dass die damit zusammhän­genden Probleme allzuleicht übersehen werden. Eine – wie derzeit beobachtbar – Ar­beitslosigkeit von knapp 5 Mill. und eine kontinuierliche Verringerung der Einkommen sowie die permanente Senkung der Lohnnebenkosten für Unternehmen – was nichts anderes heißt als eine Umverteilung der Sozialabgaben auf die Arbeitnehmer -, die auch Akademiker mit beruflichen und ökonomi­schen Zukunftsängsten konfrontiert, lässt sich nicht mit unwägbaren Zukunftsprognosen beseitigen, viel weniger noch mit Chancenab­wägungen im Hinblick auf einen lukrativen Job, der die Rückzahlung eines Darlehens erleichtert. Basis einer Zukunftsprognose sind auch oder gerade für Akademiker die fak­tischen Zahlen, d.h. fixe berechenbare Schulden – 10000 -15000 Euro - lassen ver­schiedene Kalkulationen zu:

- ein lukrativer Job führt wahrscheinlich zu einer unproblematischen Perspektive
- ein weniger lukrativer Job bzw. Zeitverträge und Praktikantenstellen, mit dem Hintergedanken, eine Familie zu gründen, schränkt bereits die Zukunftserwartun­gen erheblich ein,
- und die Aussicht einen geringer bezahlten Job zu bekommen bzw. arbeitslos zu werden schließlich, lässt die Zukunftsängste und Verschuldungsdiskussion ra­pide ansteigen und führt offensichtlich zu Überlegungen, sich anderweitig zu ori­entie­ren.

Anderweitige Orientierung heißt aber nichts anderes, als dass Gymnasiasten auf den FH-Markt und den Lehrstellenmarkt abwandern und so die Ausbildungschancen für Real- und Hauptschüler weiter verschlechtern. Dies wäre angesichts der bereits beste­henden hohen Jugendarbeitslo­sigkeit als fatale Entwicklung einzuschätzen, weil die Prob­leme nur von einem sozialen Be­reich in andere Bereiche verlagert werden.

Diese ‚zukunftsträchtige‘ Investition könnte sich aber auch in ihr Gegenteil verkehren. In der derzeitigen Lage, die eine realistische Prognose über die beruflichen und finanziel­len Erwartungen der Zukunft überhaupt nicht mehr zulässt, wäre ein Schuldenberg von 10 000-15 000,- Euro kaum noch als „zukunftsträchtige“ Investition einzuschätzen. Die Rück­zahlung dieser Investition könnte eine Anzahl von Studienabgängern in eine Schul­den­falle treiben. Verzinsbare Darlehen haben die unangenehme Nebenwirkung, dass die Schulden weiter ansteigen und zu einer aufgezwungenen Konsumzurückhal­tung führen, die dann wiederum volkswirtschaftliche Auswirkungen haben könnte. (vgl. Ceder­baum, Brösamle ohne Jahresangabe)

Problem Studiengebühren sind internationaler Standard

Es wird immer wieder behauptet, dass Studiengebühren in den meisten Ländern erho­ben werden, obwohl bekannt sein dürfte, dass gerade die skandinavischen Länder, nicht nur höhere Bildungsausgaben aufweisen, keine Studiengebühren erheben und in der PISA-Studie besonders gut abschneiden.

„Weltweit und auch in Europa ist die Beteiligung von Studierenden an den Kosten ihrer Ausbildung weit verbreitet. Die Gebührenhöhe schwankt zwischen 280 (Schweiz) und 4.040 Euro (Japan) pro Semester.“ (studiengebühren.de)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eine allgemeine Verbreitung von Studiengebühren ist – gemäß der Tabelle - höchst zweifelhaft, insbesondere vor dem Hintergrund der länderimmanenten Bildungstraditio­nen und spezifischer Bildungsintention, die offensichtlich nicht vergleichbar sind. Gerade Großbritannien und die USA mit ihren liberalen bzw. neoliberalen Bildungsinten­tionen von ‚freier Entfaltung der Persönlichkeit’ (Individualismus) und ‚Eigenverantwortung’ sind sicherlich keine Bildungsideale, die der westeuropäischen, insbesondere der bundes­deutschen Bil­dungstradition entsprechen. Bildung in der Bundesrepublik Deutschland wurde in der Vergan­genheit immer als gesellschaftliche Aufgabe interpretiert und dem­zufolge sollten auch weiterhin wenigstens die Zugangschancen für alle gesichert sein.

Problem: Hochschulmarkt

„Das gegenwärtige System einer anonymen Staatsfinanzierung ist eine der Ursa­chen für die insbesondere an Universitäten geringer ausgeprägte Lehrorientierung und Betreu­ungsmen­talität. Die Professoren bieten etwas an, was sie nicht „verkau­fen“, die Studie­renden fragen etwas nach, was sie nicht bezahlen und die Steuer­zahler finanzieren et­was, auf das sie kei­nen Einfluss haben. Studiengebühren da­gegen schaffen eine un­mittelbare Anbieter-Nach­frage-Situation, die das teilweise Desinteresse zwischen Leh­renden und Lernenden von bei­den Seiten her überwin­det: Die Bezahlung von Lehre als hochwertige Leistung erhöht die Motivation der Lehrenden als Dienstleister, und die Ler­nenden können als zahlende „Kun­den“ ganz anders eine adäquate Leistungserbringung einfordern. Studierende werden dann nicht als „Lehrbelastung“ beklagt, sondern als Mit­finanzierer der Hochschulen um­worben.“ (vgl.studiengebühren.de, FDP)

Gemäß dieser Argumentation ist Bildung kein gesellschaftliches Gut, sondern ein Pro­dukt, das den allgemeinen Marktmechanismen unterworfen werden muss. Eine Hoch-schule sei ein Dienstleistungsunternehmen und Bildung keine gesellschaftliche Aufgabe, sondern eine Privatsache. Die Finanzierung der Bildung durch den Staat verhindere eine qualitativ gute Lehre und Betreuung von Studenten. Dies widerspricht allen bislang kon­sensfähigen Bildungsintentionen. Vielmehr scheint damit gemeint zu sein, dass Bildung, insbesondere Hochschulbildung nicht aus Steuermitteln, sondern aus privaten Haus-haltsmitteln finanziert werden sollte.

Gleichwohl wird unterstellt, dass mit der Höhe der finanziellen ‚Eigenbeteiligung’ die Lernmotivation steige. Mit anderen Worten wird die Auffassung vertreten, je mehr man investiert, desto höher sei die Lern-Motivation. Dabei wird nur verschwiegen, dass ein Grund für die Diskussion um Hochschulreformen mit den überfüllten Hörsälen und Se­minaren begründet wird. Vor diesem Hintergrund hätten wir zu viele Studierende an den Universitäten, so dass nicht die Lehrmotivation und die Betreuungsmentalität, sondern allein die Lernmotivation tangiert wäre. Studiengebühren schaffen danach eben keine unmittelbare Anbieter-Nachfrager-Situation, sondern dienen vielmehr als Selektions- und Steuerungsinstrument für den Zugang zur Universität. Latent wird damit übrigens eine ganze Generation diskreditiert: Heißt das, diejenigen, die bislang nichts zahlen sind leis­tungsunwillig und motivationslos? Das derartige Auffassungen ausgerechnet von denen in die Welt gesetzt werden, die weder mit Schulgeld noch mit Studiengebühren konfron­tiert wurden, ist besonders fatal, oder heißt das, dass sie motivationslos studiert haben, weil sie keine Studiengebüh­ren zahlen mussten, sind sie deshalb in die Politik gegan­gen??)

Die Diskussion um Lehr- und Lernmotivation, die durch Studiengebühren beeinflusst werden soll, vernachlässigt aber die Kehrseite der Medaille. Die direkte Angebots-Nach­frage-Situation unterstellt – sofern Marktmechnismen in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt werden -, dass ein Kunde ein Produkt oder eine Dienstleistung kauft, über die er unmittelbar verfügen kann, die Lei­stung der Nachfrager ist die Geldleistung, sonst nichts. Mit anderen Worten, durch die Einführung von Studiengebühren könnte gleichwohl eine neue Anspruchsmenta­lität initiiert werden - wenn ich für etwas bezahle, erwarte ich auch eine entsprechende Gegenleistung -, d.h. die Lernmotivation geht zurück, weil der An­spruch an die Lehren­den sich im Hinblick auf Erwartungen erheblich verändern könnte. Die Erwartung besteht dann nämlich darin, kaum noch lernen zu müssen, sondern vom Lehrenden alles zur Verfügung gestellt zu bekommen, was für den Abschluss benötigt wird und sofern die Erwartung eines Masters oder Bachelors usw. nicht eingelöst wird, muss eine Vertragsverlet­zung unterstellt werden, die eventuell sogar Schadensersatz­ansprüche begründet.

Darüber hinaus unterstellt diese Argumentation, dass die Studierenden und ihre Fami­lien bislang keinen finanziellen Beitrag für das Studium leisten. Es wird unterstellt, dass es keine Semesterbeiträge gibt und dass Studenten anscheinend keine anderen Ausga­ben haben. Danach leben Studenten anscheinend von ‚Luft und Liebe’ und das Studium ist frei von jeglichen Kosten. Dabei stellt sich nur die Frage, warum ein Unterstützungs­system wie BAFöG in Anspruch genommen wird, wa­rum Familien teilweise hohe Be­träge aufbringen, um ihre Kinder studieren zu lassen, warum Studenten Jobs anneh­men, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten? Die Argu­mentation von ‚Eigenverantwor­tung’ und ‚Selbstbeteiligung’ in der Bildung unter Berücksichtigung der Marktmechanis­men, kann nur von denen in die Welt gesetzt werden, denen eine soziale Öffnung der Universitäten suspekt ist. Sie verschleiern hinter dieser Argumentation ihre Intentionen einer sozialen Selektion des Universitätszugangs; denn wer nicht über ausreichende finanzielle Ressourcen verfügt, der kann auch nicht studieren oder er muss a priori in Kauf nehmen, dass er nach seinem Studium enorm verschuldet ist. Diese Aussichten verhindern eine Öffnung der Universitäten für sozioökonomisch Schwächere und konter­ka­rieren die von der OECD eingeforderte Bildungsgerechtigkeit in Deutschland. Der An­spruch auf eine universitäre Bildung soll nach neoliberaler Auffassung den sozi­alökono­misch Privilegierten vorbehalten bleiben.

Problem: Stärkung der Autonomie und Profilschärfe der Hochschulen

„Die Hochschulen haben mit Studiengebühren eigene Einnahmen, die durch eigene Leistung erzielt wird. Die Abhängigkeit der Hochschulen von staatlicher Finanzierung wird dadurch gerin­ger. Das Ausrichten an Marktmechanismen führt zu einem professio­nelleren und führungsstärke­ren Hochschulmanagement und damit zu einer höheren Selbststeuerungsfähigkeit der Hoch­schulen.“ (studiengebühren.de, vgl. FDP, CDU)

Weltweit werden Globalisierungstendenzen beobachtet, die verschiedene Probleme wie Anonymität, fehlenden Pragmatismus, Realitätsferne, Intransparenz der Entscheidun­gen, Informationsverluste usw. zur Folge haben. Föderalismus hingegen sucht diese Nachteile zu verhindern, bis hin zur relativen Autonomie spezifischer Orga­nisationen, um Probleme und Verteilung von Ressourcen vor Ort ausgewogen zu gewährleis­ten. Vor diesem Hintergrund ist selbstverständlich im Rahmen von Hochschulreformen eine Dis­kussion um mehr Autonomie der Universitäten gerechtfertigt. Dass eigene Mittel und selbständige Mittelverwaltung mit höherer Effektivität und Effizienz assoziiert sind, müsste erst noch nachgewiesen werden. Fraglich ist aber vielmehr, warum diese Argu­mente im engen Kontext mit der Einführung von Studiengebühren diskutiert werden, obwohl – bei unterstellter Rationalität - kein unmittelbarer Zusammenhang be­steht, son­dern vielmehr die Länderregierungen in der Verantwortung stehen. Wenn die Länder den Hochschulen keine relative Autonomie gewähren, dann ist ein unmittelbarer Kontext zwischen Einfüh­rung von Studiengebühren und relativer Autonomie von Hochschulen rational nicht er­kennbar. Eher scheint es darum zu gehen, mit Hilfe des Instrumentes Studiengebühren eine relative Autonomie der Hochschulen durchzusetzen, was aber nur dann als realis­tisch betrachtet werden kann, wenn die Studiengebühren auch unmittel­bar den Hoch­schulen zufließen. Diese Prognose scheint aber angesichts der leeren Kassen der Län­derhaushalte und internationaler Erfahrungen (s. z.B. Österreich) nicht zwangsläufig realistisch. Eher ist zu vermuten, dass die Länder ihre Haushalte mit Hilfe von Studien­gebühren konsolidieren wollen oder die Intention verfolgen, sich mittel- bis langfristig aus der Finanzierung der Hochschulen zurückzuziehen (vgl. Nagel 2003).

Ginge es den Entscheidungsträgern nur um das Problem von Eigenmitteln der Hoch­schulen, dann wäre die Lösung sehr einfach, nämlich dann, wenn private Unternehmen als Vorbild die­nen, und zwar im Hinblick auf die Ergebnisse, die innerhalb einer Organi­sa­tion von an­gestellten Forschern erbracht werden. In der Wirtschaft wird eine Erkennt­nis, die von einem Angestellten erbracht wird, als Patent des Unternehmens angemeldet und vom Unternehmen ökonomisch verwertet. An unseren Hochschulen dürfen ange­stellte For­scher Erkenntnisse als ihre privaten Patente anmelden und demzufolge auch den öko­nomischen Nutzen (teilweise auch Drittmittel) privat verbuchen. Forscher an Hoch­schu­len werden vom Land bezahlt, sie sind Angestellte des Landes und insofern ist der öko­nomische Nutzen einer inneruniversitären Erkenntnis auch dem Arbeitgeber zuzu­schrei­ben. Danach wäre ein großer Teil der Finanzierungsmisere überhaupt kein Problem und die Hochschulen hätten ausreichende Mittel verfügbar. Danach wäre eine Konkur­renz der Hochschulen im Hinblick auf Wissenschaftlichkeit eingeleitet, denn die Hochschulen, die sich durch wissenschaftliche Ergebnisse auszeichnen, hätten auch entsprechende Mittel zur Verfü­gung oder es könnte landesweit ein Wissenschaftsfond etabliert werden, wobei die Ver­teilung der Mittel durch ein neutrales Gremium nach ver­bindlichen Kriterien vor­ge­nommen wird.

Problem: Studiengebühren erhöhen die soziale Gerechtigkeit in der Bildungsfinan­zie­rung

„Sozial ausgestaltete Studiengebühren verhindern die gegenwärtige Verteilung von un­ten nach oben in der Bildungsfinanzierung. Im Moment bezahlt der weit überwie­gende Bevölkerungsanteil von Nichtakademikern, die im Durchschnitt weniger ver­dienen, das Studium der Akademiker mit dem dann entsprechend höheren Gehalt; gleichzeitig finan­zieren einkommensschwache Familien, aus denen unterproportio­nal viele Kinder studie­ren, das Studium der Kinder aus einkommensstärkeren Fami­lien. Kann es richtig sein, dass die Meisterausbildung im Handwerk mit teilweise er­heblichen Eigeninvestitionen verbunden ist, während das Studium vollständig von der Allgemeinheit finanziert wird? Kann es richtig sein, dass der Kindergarten – auch für Kinder aus einkommensschwa­chen Elternhäusern – Geld kostet, während das Studium – auch für Kinder aus einkom­mensstarken Elternhäusern – kostenfrei ist?“ (studiengebühren.de)

Diese Argumentation ist irreführend, da rigide Selektionsmechanismen in der Grund­schule bereits den sozioökonomisch Schwächeren bzw. Bildungsdeprivierten bessere Bildungsmöglichkeiten verwehren. Entweder muss den Grundschullehrern die Empfeh­lungsgewalt für eine hö­here Bildungseinrichtung entzogen werden, oder sie müssen so ausgebildet werden, dass eine vorurteilsfreie Empfehlung möglich wird. Die Schwächen dieses Selektionssystems sind in der unpro­fessionellen und subjektiven Kriterienaus­wahl der Grundschullehrer zu suchen und nicht in der Tatsache, dass der Großteil der Bevölkerung unsere aka­demische Elite finanziert. Das System der finanziellen und so­zioökonomischen Selektion, ist nicht den Akademikern vorzuwerfen, sondern eher den Entscheidungsträgern, die auch in Bezug auf vorschuli­sche Bildung und berufliche Wei­terbildung finanzielle Selektionskriterien eingeführt ha­ben, um Aufnahmekapazitäten steuern zu können. Die vorschulische Bildung im Kindergarten, sofern für Kindergärten Bildungsziele überhaupt formuliert sind, unterstellt eine andere Art der Professionalisie­rung von Erzieher/innen. Dafür müsste zunächst einmal ein entsprechender Ausbil­dungsgang an Hochschulen etabliert werden und dann müsste gerade der Zugang zur vorschulischen Bildung für soziökonomisch Schwächere kostenfrei sein. Meisterschulen werden primär von den IHK’s angeboten, die natürlich daran interessiert sind, mittels entsprechender Selektionskriterien Akkreditierungsrestriktionen durchzusetzen, um den Markt kontrollieren zu können. Danach müssten Bildungs- und Finanzierungsmöglich­keiten diskutiert werden, die eine Gleichbehandlung aller gesellschaftlichen Gruppen gewähr­leisten. Die oben dargestellte Argumentation zäumt quasi das Pferd von hinten auf: Nicht die soziökonomischen Selektionsmechanismen in den verschiedenen Bil­dungsbereichen werden kritisiert, sondern die unterstellte ‚Kostenfreiheit’ der akademi­schen Ausbildung. Nicht die Beseitigung sozioökonomischer Barriere für den Zugang zu spezifischen Bildungseinrichtungen steht im Mittelpunkt der Diskussion, sondern die Einführung einer weiteren Barriere, der Zugang zum Hochschulstudium. Dadurch wer­den die Selektionsmechanismen verstärkt, obwohl - internationalen Studien zufolge – Selektionsbarrieren abgebaut werden müssten.

2.1 Begründungs- und Verwertungszusammenhang

Die Erhebung von Studiengebühren ist historisch betrachtet erst Gegenstand einer öff­entlichen Diskussion geworden, als sich abzeichnete, dass die öffentlichen Kassen kaum noch einen Spielraum für kreative Forschungsprojekte zuließen. Seit diesem Zeit­punkt erleben wir eine kontinuierliche Debatte über Staatsverschuldung und Verteilung der finanziellen Ressourcen der öffentlichen Hand, wir erleben eine Verantwortungsver­lagerung von staatlichen Aufgaben in den privaten Bereich. Die Tendenz zur Privatisie­rung aller Gesellschaftsbereiche folgt dabei scheinbar – so die Argumentation – dem Prinzip der ökonomischen Rationalität, die sich bereits seit längerer Zeit durch eine Um­verteilung von „unten“ nach „oben“ kennzeichnen lässt (vgl. Armutsbericht 2006). Diese Tendenz schließt Bildung natürlich mit ein, und zwar auf allen Ebenen – Schulgeld, Bü­chergeld, Kopiergeld, Studiengebühren für Zweitstudien usw. -. Eine Stu­die der OECD (Education at a Glance), der zufolge die Ausga­ben für Bildung in Deutschland – gemes­sen am BIP - wesentlich geringer sind als in anderen Ländern Eu­ropas (OECD-Studie 2005), zeigt eher in eine gegenläufige Richtung.

Dabei liegt die Vermutung nahe, dass eine strategische Argumentation die wahren Hin­ter­gründe der Einführung von Studiengebühren ver­schleiert. Es wird schlicht verschwie­gen, dass eine Re­duzierung der Studienab­schlüsse und eine Stärkung der Universi­tätsführungen intendiert ist. Um diese These zu belegen, rekurrieren wir zusammenfas­send auf die derzeit rele­vanten – oben angeführ­ten - Diskussionsaspekte:

Die Einführung von Studiengebühren ist keine Bundesangelegenheit – so das Bundes­verfassungsgericht. Das Bundesverfassungsgericht hat seine Linie zur Bildungspolitik als Länderaufgabe nicht verlassen, sondern vertritt logisch konsequent diese Linie seit Jahrzehnten. Dieses Urteil zu nutzen, um eine Studiengebühr in der maximal – vom Bundesverfassungsge­richt – festgelegten Höhe zu erheben, entbehrt wiederum jeder realen Grundlage, zeigt aber die Intention der Politik, Studiengebühren zur Konsolidie­rung der überproportional ver­schul­deten Landeshaushalte zu verwenden. Damit aber wird Bildung zum Spiel­ball einer Politik, die seit einem Jahrzehnt die Privatisierung aller Gesellschaftsbereiche for­ciert, die gleichwohl alle Gesellschaftsbereiche den ökonomi­schen Marktmechanis­men unterordnet und gesellschaftliche Solidarität und gerechte Verteilung der gesell­schaftli­chen Ressourcen aus der Diskussion ausgrenzt.

Es scheint so, als dürfe jeder - egal ob aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Gewerk­schaf­ten, Studierende usw. – seine subjektive, private, ideologische und politische Mei­nung in der Diskussion um Studiengebühren äußern, ohne auf eine rationale und an harten Da­ten orientierte Grundlage rekurrieren zu müssen. Dabei wird eine entschei­dende Be­fürchtung vernachlässigt, dass nämlich die gesamte bundesdeutsche Bil­dungslandschaft modifiziert werden könnte. Nicht nur eine Umverteilung der Mittel in Richtung Hoch­schulleitung, sondern auch eine Umverteilung der Bildungsfinanzierung in Richtung Pri­vatisierung von Schulen und Hochschulen könnte intendiert sein. Die Stu­diengebühren werden je nach politischer Richtung genutzt, um neoliberales Gedanken­gut zu verbreiten und gesellschaftliche Solidarität und gerechte Verteilung gesellschaftli­cher Ressourcen zu konterkarieren. Dabei schlägt auch die Wissenschaft eine Richtung ein, die nicht nur eine Erhaltung der Privilegien der Hoch­schulführung inten­diert, son­dern einen enormen Ausbau; denn wer die finanziellen Mittel kontrolliert, kon­trolliert For­schung und Lehre und bestimmt letztendlich die Zukunfts­chancen der derzei­tigen und nächsten Generationen. Wer sagt uns denn, dass die Mittel nicht missbraucht werden oder nur für lukrative und ökonomisch verwertbare Projekte verwendet werden? Wer kontrolliert die Verteilung der Mittel? Wer bestimmt, welche Fakultä­ten wie viele Mittel zur Verfügung gestellt bekommen? Dies kann nicht den Hoch­schulen allein überlassen werden. Hier dürfte die Vermutung gerechtfertigt sein, dass Hoch­schulen eine Unab­hängigkeit von staatlichem Einfluss und insbesondere staatlicher Kon­trolle anstreben. Der erste Schritt ist bereits mit der Excellenz-Bewegung in Richtung Verteilung von For­schungsmitteln – 80% in die Naturwissenschaften und 20% in die Geisteswissenschaf­ten – eingeleitet, wobei die zertifizierten Hochschulen den größten Anteil der Finanzmit­tel erhalten. Damit wird Bildung einer reinen Eliteorientierung und Ökonomisierung ge­opfert.

Die andere Frage, die sich stellt – eher ein subjektiver Aspekt -, was geschieht, wenn die Darlehen über Banken finanziert werden, dann fallen Zinsen und Zinseszinsen an, dann ist zu erwarten, dass Studierenden der Darlehensvertrag gekündigt wird, dass Zinsen willkürlich heraufgesetzt werden, dass am Ende eines Studiums 10000-15000 Euro oder mehr Schulden abgetragen werden müssen, dann wäre ebenso denkbar, dass Banken den Schuldnern den Gerichtsvollzieher schicken, dass eine Kündigung von Verträgen zu höheren Zinsen führt, dass Darlehensverträge an andere Banken verkauft werden und die Schuldenfalle zur Existenzgefährdung führt - oder handhabt man es so wie jahrelang bei der BAFöG-Rückzahlung, dass nach Beendigung des Studiums die Hälfte des Dar­lehens dann erlassen wird, wenn die andere Hälfte in einem Betrag überwiesen wird und diejenigen, die das finanziell aus Gründen der Familienplanung oder weil sie keinen bzw. keinen lukrativen Job bekommen nicht leisten kön­nen, den gesamten Betrag ab­zahlen müssen -. Soziale Ungerechtigkeiten schafft man nicht dadurch aus der Welt, indem man neue kreiert.

Es ist vielmehr zu erwarten, dass die Einführung von Studiengebühren Selektionsme­chanismen begünstigt, die nur noch den (Hoch-) Begabten aus finanzschwächeren Gruppen (niedriger sozialer Status) eine Zugangschance zur Universität bzw. zum Mastersstudiengang gewähren sol­len.

Studiengebühren mit Argumenten einer Verbesserung der Studienqualität, einer Verbes­serung der Betreuung von Studenten, einer quasi Kundenorientierung von Universitäten mit ausgeprägten Studienprofilen usw. zu rechtfertigen, kann nur als Instrumentalisie­rung bezeichnet werden, denn zur Etablierung eines QM hatten die Hochschulen wenig­sten 20 Jahre Zeit und dazu bedarf es keiner zusätzlichen Mittel, sondern des guten Willens der Hochschullehrer und Hochschulführungen. Über die Evaluation von Bil­dungsinstituten wird seit 20 Jahren diskutiert und es ist wenig genug geschehen. Es ist eher zu vermuten, dass die Hochschulen eine stärkere Autonomie ohne staatliche Kon­trolle anstreben, insbesondere eine ökonomische Autonomie, denn wer die ökonomi­schen Mittel kontrolliert, der kontrolliert auch die Verteilung der Mittel für Lehre und For­schung. (vgl. Nagel 2005, www.fr-aktu­ell.de/ressorts/ nachrichten und_ poli­tik/ thema_des_tages/?cnt=622687)

Warum Studierende ein Eigeninteresse an Studiengebühren haben sollten, erscheint vor dem Hintergrund der studentischen Proteste wenig glaubhaft, insbesondere aber wird diese Dis­kussion ohne Berücksichtigung der Privilegierten geführt, die sich aufgrund ihres sozioökonomischen Status weiterhin sowohl ein langes, ein Zweit- und generelles jedes Stu­dium leisten können. Eine Diskussion um Studiengebühren ohne Rückgriff auf die diffe­renzierte faktische Lebenssituation der Studierenden, sondern mit Hilfe quasi-rationaler Begrün­dungen, kann nur als Ideologie bezeichnet werden. Es spricht vieles dafür, dass Studierenden ein ‚schlechtes Ge­wis­sen‘ suggeriert werden soll, weil sie an­geblich auf Kosten der Steuerzahler studieren, nach neoliberaler Auffassung aber eine ‚Eigenverantwortung’ haben.

Vor diesem Hintergrund ist die Studie zu den Auswirkungen der Studiengebühren initiiert worden. Dabei geht es grundsätzlich um die Eruierung harter Daten im Hinblick auf das ver­fügbare Einkommen (kontinuierliches gleichmäßiges Einkommen) und um die Aus­gaben der Studierenden (Semesterbeitrag, Miete, Kopien, Bücher usw.). Die finanzielle Lage der Studierenden ist die rationale Basis einer Diskussion über die Einführung von Studi­engebühren und deren Höhe, nicht die subjektiven Auffassungen von Politikern und Öko­nomen. Die zweite rationale Basis sind Modellrechnungen über zu erwartende Ein­nahmen der Hochschulen (eine Universität z.B. Regensburg mit ca.17 000 Stu­die­renden und einem Semestersatz von 500 Euro erzielt eine Einnahme von 17 Mill. Euro pro Jahr und diese Ein­nahmen durch die Hochschule verwalten zu lassen – ohne Kon­trolle und ver­bindliche Verteilungskriterien -, kann nur als ökonomisch naiv bezeichnet wer­den). Sind es zusätzli­che Mittel, die den Hoch­schulen für Verbesserungen der Ausstattung von Lehre und For­schung zur Verfügung stehen oder sind es Mittel, die den Beitrag der Länder an der Hochschulfi­nanzie­rung verringern, also zur Konsolidierung von Landes­haushalten ver­wendet wer­den?

Dass die Einfüh­rung von Studiengebühren zu Lasten von Familien mit mehreren Kindern geht, dürfte auch den Befürwortern klar sein und trotzdem wird nicht darüber diskutiert, sozial Schwächeren ein Studium ohne Studiengebühren zu garantieren. Gleichwohl wird – obwohl immer wieder die USA als Beispiel dargestellt wird – nicht darüber nachge­dacht, möglicher­weise ein adäquates Stipendiensystem aufzubauen, um zumindest ein Äquivalent für sozial Schwächere zu etablieren (vgl. Nagel 2003)

Erst die Bestandsaufnahme im Hinblick auf die ökonomische Lebenssituation von Stu­denten, kann die Fakten eruieren, die zu einer rationalen und realistischen Einschätzung darüber führen, ob Studiengebühren überhaupt eingeführt werden können, in welcher Höhe Studiengebühren als ‚sozialverträglich‘ bezeichnet und wie die Zugangschancen für finanziell Schwächere gewährleistet werden können, d.h. inwiefern die Chancen­ge­rechtigkeit in der Bildung durchgesetzt wird bzw. Bildungsdeprivationen vermieden wer­den können. Dabei wäre immer noch zu diskutieren, welche faktischen Ziele mit der Einfüh­rung von Studiengebühren intendiert sind. Dies wird leider von allen Beteiligten immer noch verschwiegen oder nur latent vermittelt.

Zusammenfassend ist den folgenden Aspekten ein erheblicher Realismus nicht abzu­sprechen. Vieles spricht dafür, dass nicht bildungspolitische Ziele mit der Einführung von Studiengebühren verfolgt werden und dass es ebenfalls nicht um soziale Gerechtigkeit geht, sondern eine Konsolidie­rung der öffentlichen Haushalte erreicht werden soll. Ein Finanzierungsrückzug der ‚öf­fentlichen Hand‘ aus dem Hochschulbereich führt auf Dauer zu einer Priva­tisierung oder Teilprivatisierung der Universitäten und die Universitäten selbst streben eine ökonomische Autonomie – unabhängig von staatli­cher Kontrolle - an. Es ist zu vermuten, dass Sponsoren (Drittmit­telgeber) – wahr­scheinlich die Indu­strie und private Finanziers - zukünftig die Hoch­schulpolitik bestim­men bzw. mitbestim­men, was wiederum eine Reduzierung der Mittel für Geistes- und Sozialwissen­schaften nach sich zieht, da ihre ökonomische Verwertbarkeit als sehr ge­ring eingeschätzt wird. Aus diesen Gründen werden Erwartungen und Befürch­tungen der Studierenden erhoben, um auch hier an­satzweise die Betroffenen zu Wort kommen zu lassen.

Als fatale Konsequenz wäre zu nennen, dass Studierwillige und beson­ders Stu­dierfä­hige aus finanziellen Gründen oder aus Angst vor zukünftigen Schulden bzw. noch hö­herer Verschuldung und sozialem Abstieg kein Studium mehr aufnehmen und auf den Lehrstellen- bzw. in Fachhochschulmarkt oder ins Ausland abwandern. Das hätte erheb­lich Auswirkungen auf die Fachhoch­schulen (hier würde das Problem der hohen Stu­dentenzahlen die gleiche Wir­kung erzeugen wie derzeit an den Universitäten) und den Lehrstellenmarkt. Die Konkurrenz könnte dazu führen, dass Haupt- und Realschüler weiter verdrängt werden und die Ju­gendarbeitslo­sigkeit erheblich ansteigt; denn jede Intervention bzw. Modifikation in einem gesellschaftlichen Segment zieht Folgewirkun­gen in anderen Segmenten nach sich und gerade die Modifikationen der Bildungsstruk­turen sollten zunächst hinreichend analysiert und diskutiert werden, bevor ‚blinder Aktio­nismus‘ Realitäten etabliert, die nicht mehr rückgängig zu machen sind.

[...]

Ende der Leseprobe aus 72 Seiten

Details

Titel
Studiengebühren und ihre sozioökonomischen Auswirkungen
Autor
Jahr
2007
Seiten
72
Katalognummer
V74849
ISBN (eBook)
9783638635707
ISBN (Buch)
9783638676038
Dateigröße
738 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Studiengebühren, Auswirkungen
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Dr. phil. Rudolf Kutz (Autor:in), 2007, Studiengebühren und ihre sozioökonomischen Auswirkungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/74849

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Titel: Studiengebühren und ihre sozioökonomischen Auswirkungen



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