Einleitung
"Hu! Da fing sie an zu heulen, ganz grauselich; aber Gretel lief fort,
und die böse Hexe musste elendiglich verbrennen."
Aus: Grimmmärchen ‚Hänsel und Gretel′
Unsere erste Begegnung mit dargestellter Gewalt
Jeder, dem früher des öfteren Märchen erzählt wurden, wird sich wohl an diese bekannte Szene erinnern, stammt sie doch aus einem der populärsten Märchen der Brüder Grimm. Und genau diese und ähnliche Szenen, die in irgendeiner Form Gewalt beinhalten oder darstellen, sollen im folgenden den Kern dieser Arbeit bilden. Als eine Art Leitwerk sei hier zunächst der Band ‚Die Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm′ erwähnt, denn die dort enthaltenen Erzählungen bieten ausreichend Nährboden für Interpretationsansätze bezogen auf ihre Gewaltdarstellungen, und sie sind fast jedem, zumindest aus jungen Jahren, bekannt.
Mögliche Vorgehensweisen
Jene Interpretationsansätze wurden jedoch bis heute selten von Vertretern einer Geisteswissenschaft aufgegriffen und vertieft. Doch existieren bereits diverse herausgegebene Interpretationen zu dem Inhalt der Märchen selbst; wissenschaftliche Veröffentlichungen bezüglich der inhaltlichen Thematik werden vorwiegend von einer Disziplin der Psychologie, nämlich der Psychoanalyse, getätigt. Diese klammert zwar das Phänomen der Gewalt im Märchen nicht gänzlich aus, aber es wird häufig ‚nur′ als eine Ursache unter vielen im Rahmen der psychologischen Prozesse und Entwicklungen beim Kind erwähnt.
Ebenso bietet das textbezogene und vergleichende Vorgehen der Geschichtswissenschaft wenige Ansatzmöglichkeiten, denn hier wird das Märchen ‚nur′ als eine Art Quelle zur Beschreibung jeweiliger historischer Hintergründe herangezogen.
Beides, das psychologische und das geschichtswissenschaftliche Vorgehen, soll in dieser Arbeit nicht angewandt werden. Trotzdem wird es im folgenden zu Ergebnissen kommen, die einerseits deutlich im psychologischen, andererseits mehr im historischen Zusammenhang verstanden werden müssen. Es sei also noch einmal erwähnt, dass die Ergebnisse dieser Arbeit, welche im Schlussteil zusammengefasst sind, durchaus psychologische oder geschichtliche Züge tragen, der Weg zu ihnen aber nur durch ein Verfahren begangen wurde: der hermeneutischen Analyse.
Inhaltsverzeichnis
- Kapitel 1: Einleitung
- 1.1. Unsere erste Begegnung mit dargestellter Gewalt
- 1.2. Mögliche Vorgehensweisen
- 1.3. Angewandte Vorgehensweise
- 1.4. Das Vorverständnis
- Kapitel 2: Die hermeneutische Interpretation
- 2.1. Inhaltliche und formale Charakteristika des Märchens
- 2.1.1. Zensur durch die Brüder Grimm?
- 2.2. Das Phänomen der menschlichen Gewalt
- 2.3. Gewalt im Märchen als hermeneutische Analyse
- 2.3.1. Spaß an Gewalt
- 2.3.2. Manifeste Gewalt
- 2.3.3. Subtile Gewalt
- 2.3.4. Gewalt gegen die Obrigkeit
- Kapitel 3: Schluss
- 3.1. Faszinierende Gewalt, auch im Märchen
- 3.2. Märchen: ein Nebenprodukt der Realität
- 3.3. Der klassische Weg der subtilen Gewalt: Propaganda
- 3.4. Befriedigung geheimer Wunschträume
- 3.5. Neue Hypothese
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht das Gewaltphänomen in Märchen, speziell in den "Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm", mithilfe der hermeneutischen Methode. Ziel ist es, die Gewaltdarstellungen in den Märchen zu analysieren und ihre Bedeutung im Kontext der hermeneutischen Interpretation zu verstehen.
- Die hermeneutische Analyse des Gewaltphänomens in Märchen
- Die Rolle der Gewalt in Märchen als Mittel der Unterhaltung und Bildung
- Die psychologische Bedeutung von Gewaltdarstellungen in Märchen
- Die historische Perspektive auf die Gewalt im Märchen
- Die Verwendung des hermeneutischen Zirkels zur Interpretation von Märchen
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1: Einleitung führt den Leser in die Thematik der Gewalt in Märchen ein, beleuchtet die Bedeutung der Märchen für die frühkindliche Entwicklung und skizziert die angewandte Vorgehensweise der hermeneutischen Analyse.
Kapitel 2: Die hermeneutische Interpretation befasst sich mit der inhaltlichen und formalen Struktur von Märchen, analysiert das Phänomen der menschlichen Gewalt im Allgemeinen und im Speziellen im Kontext von Märchen, und untersucht verschiedene Arten von Gewalt in Märchen, die durch hermeneutische Analyse zugänglich werden. Hierzu zählen Spaß an Gewalt, manifeste Gewalt, subtile Gewalt und Gewalt gegen die Obrigkeit.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Schlüsselbegriffen Gewalt, Märchen, Hermeneutik, Interpretation, Brüder Grimm, Kinder- und Hausmärchen, Psychoanalyse, Psychologie, Geschichtswissenschaft, hermeneutischer Zirkel, Vorverständnis, Faszination, Realität, Propaganda, Wunschträume.
- Arbeit zitieren
- Oliver Bock (Autor:in), 2001, Hermeneutische Analyse des Gewaltphänomens im Märchen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7523