Gründung einer ausländischen Betriebsstätte oder Tochtergesellschaft in Russland.


Diplomarbeit, 2007

79 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Symbolverzeichnis (Auswahl)

Einführung

1 Grundlagen der internationalen Besteuerung
1.1 Unbeschränkte Steuerpflicht
1.1.1 Natürliche Personen
1.1.2 Juristische Personen
1.2 Der Begriff Betriebsstätte i. S. v. § 12 AO und OECD-MA
1.3 Die Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Minderung der Doppelbesteuerung
1.3.1 Anrechnung
1.3.2 Abzug
1.3.3 Erlass und Pauschalierung
1.3.4 Freistellung
1.3.5 Verhältnis zwischen unilateralen und DBA-Entlastungsmaßnahmen

2 Gründung einer ausländischen Betriebsstätte bzw. Tochtergesellschaft
2.1 Allgemeine Rechtsformwirkungen
2.2 Wichtige Gründungsaspekte
2.3 Laufende Besteuerung
2.3.1 Betriebsstätte
2.3.2 Tochtergesellschaft
2.3.3 Steuerbelastungsvergleich

3 Gründung einer Betriebsstätte bzw. Tochtergesellschaft in Russland
3.1 Grundsätze des russischen Steuerrechts und des DBA-Rus
3.1.1 Vorschriften über beschränkte und unbeschränkte Steuerpflicht
3.1.2 Ertragsbesteuerung natürlicher und juristischer Personen
3.1.3 Relevante Aspekte des DBA-Rus
3.2 Gründung und Besteuerung einer Betriebsstätte
3.3 Gründung und Besteuerung einer Tochtergesellschaft
3.4 Steuerbelastungsvergleich
3.4.1 Laufende Besteuerung im Gewinnfall
3.4.2 Steuerliche Behandlung von Verlusten
3.4.3 Besteuerung von Veräußerungsgewinnen

Zusammenfassung

Anhang

Literaturverzeichnis

Rechtsprechungsverzeichnis und Verwaltungsanweisungen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Symbolverzeichnis (Auswahl)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einführung

- Problemstellung

In den letzten Jahren haben die deutschen Unternehmen ihre ausländischen Aktivitäten mit einer positiven Auswirkung sowohl auf Umsätze als auch auf Gewinne ausgeweitet.[1] Viele Großkonzerne und mittelständische Unternehmen versuchen sich von der unbeständigen deutschen Binnenkonjunktur abzulösen und ihre Umsatzquellen international breit zu diversifizieren.[2] Aufgrund von teilweise besseren Standortbedingungen (zu den wichtigsten zählen nach Unternehmensangaben Steuern und Arbeitskosten) werden außerdem zunehmend Produktionsstätten ins Ausland verlagert.[3]

Sofern die Unternehmensleitung eine Entscheidung hinsichtlich der internationalen Expansion fällt, sind, abhängig von den konkreten Plänen des Unternehmens, diverse Organisationsformen für die Durchführung des ausländischen Engagements möglich. Wenn es sich z. B. um Vertrieb handelt, kann sich das Management zwischen dem Direktvertrieb, der aus Deutschland erfolgt, und Unternehmenspräsenz vor Ort entscheiden. Die erste Variante ist besonders am Anfang interessant, zu dem Zeitpunkt, wenn die Unsicherheit über künftige Geschäftsentwicklung noch relativ hoch erscheint. Sofern allerdings das Unternehmen im ausländischen Staat Fuß gefasst hat, wird eine Niederlassung vor Ort besonders im Hinblick auf die Konkurrenz i. d. R. unerlässlich;[4] sie ist auch nötig, wenn die Errichtung einer Produktionsstätte im ausländischen Staat vorgesehen ist.

Die zwei wichtigsten Rechtsformen, die ein Unternehmen für sein ausländisches Engagement nutzen kann, sind Betriebsstätte und Tochtergesellschaft, die aufgrund von nationalen Bestimmungen ausländischer Staaten unterschiedliche Vor- und Nachteile aufweisen.[5] Die Differenzen bestehen nicht nur hinsichtlich gesellschaftsrechtlicher Fragestellungen, sondern auch im Hinblick auf die steuerlichen Konsequenzen, die sich sowohl im nationalen als auch im internationalen Kontext ergeben.

- Gang der Untersuchung

Der Zweck dieser Arbeit besteht darin, aufzuzeigen, welche Rechtsform sich bei der Tätigung des ausländischen Geschäfts in bestimmten Situationen aus steuerlicher Perspektive als vorteilhaft aufweist.

Im ersten Kapitel werden die Grundbegriffe der Besteuerung ausländischer Sachverhalte wie unbeschränkte Steuerpflicht, die Betriebsstättendefinition sowie verschiedene, die Doppelbesteuerung mildernde Entlastungsmaßnahmen dargestellt und erläutert.

Im zweiten Kapitel werden zunächst die allgemeinen, nichtsteuerrechtlichen Vor- und Nachteile der Rechtsformen bei dem ausländischen Engagement diskutiert. Danach werden einige für die Besteuerung relevante Gründungsaspekte geschildert und hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Höhe der potenziellen Steuerbelastung untersucht. Der wichtigste Teil des zweiten Kapitels befasst sich mit der Analyse der laufenden Besteuerung beider Rechtsformen. Dabei wird ein Steuerbelastungsvergleich mit Hilfe von Teilsteuersätzen[6] durchgeführt und die kritischen Steuersätze, bei deren Über- bzw. Unterschreitung eine Rechtsform gegenüber der anderen Vorteile bei der Besteuerung erlangt, ermittelt.

Das dritte Kapitel ist der Untersuchung der Steuerbelastung hinsichtlich der Direktinvestitionen im russischen Staat gewidmet. Das Thema ist gegenwärtig besonders aktuell, weil Russland nicht nur ein wichtiger Handelspartner für Deutschland ist[7], sondern auch ein geeigneter Ort für Direktinvestitionen[8].

Am Anfang des Kapitels werden die für den Steuerbelastungsvergleich relevanten Grundsätze des russischen Steuerrechts und des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Deutschland und Russland aufgezeigt. Danach werden die Gründungsmöglichkeiten beider Rechtsformen und die damit verbundenen steuerrechtlichen Folgen hinsichtlich der laufenden Besteuerung für deutsche Investoren geschildert. Im letzten Teil des Kapitels werden die rechtsformabhängigen Steuerbelastungsunterschiede im Hinblick auf laufende Erträge, mögliche Verluste und Veräußerungsgewinne untersucht.

- Die für die Untersuchung getroffenen Annahmen

Es wird angenommen, dass es zwei Investorentypen gibt (beide in Deutschland ansässig und unbeschränkt steuerpflichtig): ein Einzelunternehmen und eine Kapitalgesellschaft, die eine Niederlassung im ausländischen Staat gründen möchten und eine steuerliche Belastung bei ihren Überlegungen eine nicht unerhebliche Rolle spielt[9]. Aufgrund der zukunftsbezogenen Untersuchung werden die sich aus dem am 14.03.2007 verabschiedeten Entwurf des Unternehmenssteuerreformgesetzes 2008 ergebenden Neuerungen berücksichtigt.

Zusätzlich wird davon ausgegangen, dass

- die steuerlichen Freibeträge bereits durch andere Gewinne der Investoren verbraucht werden,
- die Einkünfte des Anteilseigners sowohl aus der zu untersuchenden unternehmerischen Tätigkeit als auch aus sonstigen Quellen in Deutschland sowie in Russland sehr hoch sind,
- der Investor an der ausländischen Kapitalgesellschaft (Tochtergesellschaft) zu 100 Prozent beteiligt ist,
- die Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage im Ausland grundsätzlich nach ähnlichen Vorschriften wie in Deutschland erfolgt,
- sofern nicht anders angegeben, werden im ausländischen Staat aktive Einkünfte i. S. d. § 8 Abs. 1 AstG erzielt.

1 Grundlagen der internationalen Besteuerung

1.1 Unbeschränkte Steuerpflicht

1.1.1 Natürliche Personen

Eine natürliche Person, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, gilt in Deutschland mit ihrem gesamten Welteinkommen als unbeschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 S. 1 EStG). Eine unbeschränkte Steuerpflicht liegt weiterhin vor, wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 EStG erfüllt sind oder wenn der Steuerpflichtige nach § 1 Abs. 3 EStG unter dort aufgeführten Bedingungen einen Antrag stellt. Diese beiden Fälle werden in dieser Arbeit allerdings nicht weiter vertieft.

- Wohnsitz

Der steuerrechtliche Begriff „Wohnsitz“ wird im § 8 AO definiert. Demnach hat eine natürliche Person einen Wohnsitz dort, wo sie eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass sie die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Somit ist das Innehaben eines Wohnsitzes an drei Voraussetzungen gebunden, die kumulativ erfüllt werden müssen. Es muss eine Wohnung vorliegen, die Person muss sie innehaben und schließlich müssen die Umstände gegeben sein, die auf Beibehaltung und Benutzung schließen lassen.[10]

Eine Wohnung i. S. d. § 8 AO liegt vor, wenn die Wohnräume objektiv zum Wohnen geeignet sind. Eine abgeschlossene Wohnung mit Küche und separater Waschgelegenheit ist dabei nicht erforderlich (zu § 8 - Wohnsitz AEAO). Zu den Wohnungen können somit u. U. möblierte Zimmer, dauerhaft angemietete Hotelzimmer, Wohnwagen und Wochenendhäuser gezählt werden. Durch eine gelegentlich benutzte Schlafstelle auf einem Betriebsgelände wird dagegen kein Wohnsitz begründet. Auch eine Gartenlaube, die vorübergehend, z. B. zu Erholungszwecken genutzt wird und nicht winterfest ist, erfüllt die Voraussetzungen der Wohnung i. S. d. § 8 AO nicht. Eine Person kann grundsätzlich einige Wohnungen und dementsprechend mehrere Wohnsitze haben.[11]

Eine weitere Voraussetzung besteht darin, dass der Steuerpflichtige eine Wohnung innehat. Er muss über sie tatsächlich verfügen können und zu eigenen Wohnzwecken nicht nur vorübergehend nutzen. Ein Hinweis darauf besteht in der Regel dann, wenn der Nutzungsanspruch durch Miet- oder Eigentumsverhältnis gestützt wird.[12] Bei einem Ehegatten wird vermutet, dass er dort seinen Wohnsitz innehat, wo seine Familienwohnung sich befindet.[13] Eine langfristige Vermietung an eine dritte Person schließt das Innehaben der Wohnung i. d. R. aus.[14]

Damit eine Person einen Wohnsitz hat, müssen bestimmte Umstände vorliegen, die darauf hinweisen, dass die Person die Wohnung beibehalten möchte und sie auch künftig nutzen wird. Die Wohnung muss regelmäßig benutzt werden, dabei existieren keine starren Regeln. So kann auch eine gelegentliche Nutzung, z. B. zwei Mal im Jahr, für eine Benutzung sprechen. Weiterhin ist erforderlich, dass ein Wille besteht, die Wohnung zu behalten.[15]

Ein Wohnsitz i. S. d. § 8 AO besteht dann nicht mehr, wenn die inländische Wohnung abgegeben wird. Eine langfristige Vermietung an einen Dritten beim gleichzeitigen Wegzug ins Ausland spricht für Wohnsitzaufgabe.[16] Dabei führen kurze Besuche, die der Beaufsichtigung und Verwaltung der Wohnung dienen, nicht dazu, dass diese Wohnung erneut zum inländischen Wohnsitz wird (zu § 8 - Wohnsitz AEAO).

- Gewöhnlicher Aufenthalt

Ein gewöhnlicher Aufenthalt i. S. d. § 9 AO liegt vor, wenn:[17]

- Eine Person sich an einem Ort oder in einem Gebiet unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass sie dort nicht nur vorübergehend verweilt (§ 9 S. 1 AO). Somit hat sich der Steuerpflichtige im Inland tatsächlich aufzuhalten, dabei ist eine bestimmte Mindestdauer des Aufenthalts nicht erforderlich.[18] Es ist vielmehr der Wille der Person wichtig, sich nicht nur vorübergehend im Inland aufzuhalten.
- Eine Person sich mehr als sechs Monate im Inland aufhält und es sich nicht um einen Aufenthalt i. S. d. § 9 S. 3 AO handelt. Dabei sind kurzfristige Unterbrechungen wie Familienheimfahrt, Jahresurlaub oder geschäftliche Reisen unschädlich.
- Bei einer Aufenthaltsdauer an einem Ort oder in einem Gebiet von mehr als zwölf Monaten eine unwiderlegbare Vermutung vorliegt, dass der Steuerpflichtige dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Der gewöhnliche Aufenthalt wird i. d. R. dann geprüft, wenn bekannt ist, dass der Steuerpflichtige keinen Wohnsitz im Inland innehat. Die Frist beginnt grundsätzlich mit dem Einreise- und endet mit dem Ausreisetag. Eine natürliche Person kann u. U. innerhalb eines Jahres einen gewöhnlichen Aufenthalt in mehreren Staaten haben, was nach deren gesetzlichen Bestimmungen dazu führen kann, dass sie in diesen Staaten mit ihren gesamten Welteinkünften steuerpflichtig wird.[19]

1.1.2 Juristische Personen

Juristische Personen sind gem. § 1 Abs. 1 KStG in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig, wenn sie ihre Geschäftsleitung oder Sitz im Inland haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht umfasst ihre sämtlichen Einkünfte (§ 1 Abs. 2 KStG).

- Ort der Geschäftsleitung

Der Begriff „Geschäftsleitung“ wird im § 10 AO als „Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung“ definiert. Unter geschäftlicher Oberleitung wird eine Person oder eine Personengruppe verstanden, die die Gesellschaft leitet; dabei handelt es sich i. d. R. um ihren Vorstand[20], allerdings kann u. U. auch ein Gesellschafter, der ins Tagesgeschäft regelmäßig eingreift, oder ein bevollmächtigt handelnder Partner ein Oberleiter sein.[21]

Es muss sich weiterhin um den Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung handeln. Dabei kommt es grundsätzlich darauf an, an welchem Ort die im Zusammenhang mit der laufenden Geschäftsführung stehenden Entscheidungen getroffen werden. Die allgemeine Festlegung der Unternehmenspolitik sowie Kontrollmaßnahmen der Unternehmenstätigkeit begründen i. d. R. keinen Ort der Geschäftsleitung.[22] Wenn z. B. der Geschäftsführer einer lokalen Gesellschaft im internationalen Konzern über die Abwicklung des Tagesgeschäfts entscheidet, befindet sich der Ort der Geschäftsleitung am Tätigkeitsort des Geschäftsführers und nicht am Sitz der Konzernzentrale.[23]

Sofern eine Gesellschaft mehrere Orte der Geschäftsleitung hat, ist ausgehend von den gesamten ökonomischen und gesellschaftlichen Verhältnissen festzustellen, an welchem Ort die wichtigste Stelle sich befindet[24], was allerdings unter Umständen sehr kompliziert sein kann.[25] Wenn die Unternehmensleitung aus kaufmännischen und technischen Teilen besteht, die an verschiedenen Orten ansässig sind, dann befindet sich der Ort der Oberleitung an dem Ort des kaufmännischen Büros.[26] Nach DBA-Recht kann eine Kapitalgesellschaft nur einen Ort der Geschäftsleitung haben und der wird nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften bestimmt.[27]

- Sitz

Der Sitz einer Kapitalgesellschaft wird im § 11 AO definiert. Demnach hat eine Körperschaft ihren Sitz an dem Ort, der durch Gesetz, Satzung, Gesellschaftsvertrag oder ähnliches bestimmt ist. Bei der Feststellung des Ortes des Gesellschaftssitzes ist zunächst zu untersuchen, ob eine Körperschaft nach dem deutschen Recht vorliegt. Es muss sich um eine juristische Person handeln, allerdings können auch ausländische Rechtsgebilde Körperschaften i. S. v. § 11 AO sein.

Sonderfall – ausländische Gesellschaft

Sofern es sich um eine ausländische Gesellschaft handelt, ist zunächst zu prüfen, ob sie grundsätzlich körperschaftsteuerpflichtig ist. Zu diesem Zweck wird ein sog. „Typenvergleich“ durchgeführt, mit dessen Hilfe festgestellt werden soll, inwieweit die rechtliche und wirtschaftliche Struktur des Unternehmens der einer inländischen Körperschaft entspricht.[28] Dabei werden insbesondere folgende Merkmale untersucht:[29]

- Existenz eines rechtsfähigen und wirtschaftlich selbstständigen Gebildes, das eine Trennung des Vermögens und Einkommens von den Gesellschaftern vorsieht;
- eine Haftungsbeschränkung sowie bestimmte Vorschriften über die Mindestkapitalausstattung;
- freie Übertragbarkeit der Anteile;
- eine Trennung zwischen der Unternehmensführung und den Eigentümern.

Weiterhin muss die Gesellschaft in Deutschland rechtsfähig sein, damit sie gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG im Inland unbeschränkt steuerpflichtig ist. Bei einer im Ausland gegründeten Gesellschaft wird nach den internationalen Rechtsvorschriften ermittelt, ob sie im Inland rechtsfähig ist. Nach der sog. Sitztheorie, die in Deutschland praktiziert wird, führt die Verlegung eines tatsächlichen Verwaltungssitzes aus dem Ausland nach Deutschland zum Rechtsfähigkeitsverlust der ausländischen Gesellschaft.[30]

Nach einer Reihe von EuGH-Entscheidungen, hat allerdings Deutschland als der Zuzugsstaat die Rechtsfähigkeit der Gesellschaften, die nach dem Recht der anderen EU-Staaten gegründet worden sind, anzuerkennen. Die Anwendung von dieser sog. Gründungstheorie führt mithin dazu, dass die in den anderen EU-Staaten gegründeten Gesellschaften ihre Rechtsfähigkeit behalten, wenn sie den Ort der Geschäftsleitung bzw. den tatsächlichen Verwaltungssitz nach Deutschland verlegen. Sie werden gem. § 1 Abs. 1 KStG im Inland unbeschränkt steuerpflichtig, sofern sie mit den in Deutschland gegründeten Kapitalgesellschaften vergleichbar sind.[31]

Für die Gesellschaften aus den Drittstaaten bringt die neue Rechtslage in der EU keine Konsequenzen. Sie werden weiterhin unter § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG subsumiert, wenn sie der Rechtsform einer Körperschaft entsprechen und sonstige Voraussetzungen für eine unbeschränkte Steuerpflicht erfüllt sind.[32]

1.2 Der Begriff Betriebsstätte i. S. v. § 12 AO und OECD-MA

In der Literatur wird Betriebsstätte als eine feste Geschäftseinrichtung, die einer unternehmerischen Tätigkeit dient, ohne dabei eine rechtliche Selbständigkeit zu besitzen, bezeichnet.[33] Wenn sich ein Unternehmen im ausländischen Staat dauerhaft gewerblich engagiert, wird es mit seinen dort erzielten Einkünften i. d. R. beschränkt steuerpflichtig, sofern seine in dem Staat begründete Niederlassung der im nationalen Steuerrecht des ausländischen Staates verankerten Betriebsstättendefinition entspricht.[34]

In den Fällen, wenn Deutschland mit einem ausländischen Staat kein DBA unterhält, gilt für die inländische Einkünfteermittlung die Betriebsstättendefinition des § 12 AO. Daran sind sowohl die inländischen unilateralen Entlastungsmaßnahmen hinsichtlich der Doppelbesteuerung (§ 34c i. V. m. § 34d Nr. 2 Buchst. a) EStG) als auch die gewerbesteuerlichen Regelungen geknüpft.[35]

Der Betriebsstättenbegriff, der in den zwischen Deutschland und verschiedenen ausländischen Staaten bestehenden DBA zur Anwendung kommt, kann von der Definition i. S. v. § 12 AO abweichen. Solche Abweichungen und die daraus resultierenden Folgen für den Steuerpflichtigen werden unten kurz dargestellt.

Nach § 12 AO ist jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient, als Betriebsstätte anzusehen. Aus dieser Definition folgt, dass bestimmte Bedingungen erfüllt werden müssen, damit es sich um eine Betriebsstätte handelt:

- Es muss eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage vorliegen, wie z. B. Büro, Wohnung; allerdings können auch Einrichtungen, die ohne menschliches Tätigwerden funktionieren, wie z. B. Internet-Server[36], Plakatsäule oder Erdöl-Pipeline eine Betriebsstätte begründen.[37] Dabei sind keine besonderen baulichen oder räumlichen Voraussetzungen erforderlich.[38] Diese Geschäftseinrichtung oder Anlage muss feste Beziehung zur Erdoberfläche aufweisen. Dies ist im weiten Sinne zu verstehen, d. h. dass auch eine regelmäßige örtliche Fixierung in Zusammenhang mit einer räumlichen Begrenzung (z. B. Standplatz auf einem Markt) genügt, um eine Betriebsstätte zu begründen.[39]
- Weiterhin muss in dieser Einrichtung eine Unternehmenstätigkeit ausgeübt werden. Dies setzt voraus, dass der Unternehmer über die Einrichtung verfügen kann (rechtlich und faktisch)[40] und dass er darin seine Geschäftstätigkeit ausübt.[41] Dazu zählen sowohl Haupt- als auch Nebentätigkeiten; die Sozialeinrichtungen können dagegen keine Betriebsstätte bilden.[42] Die Tätigkeit muss dauerhaft sein, somit reicht eine vorübergehende unternehmerische Betätigung nicht aus.

Einige konkrete Beispiele von Einrichtungen, die als Betriebsstätten gelten, sind im § 12 S. 2 AO aufgelistet. Es ist allerdings zu beachten, dass die Aufzählung einerseits nicht abschließend ist und im konkreten Fall bei der Bestimmung des Vorliegens einer Betriebsstätte die Kriterien des § 12 S. 1 AO heranzuziehen sind, andererseits werden die im Katalog (§ 12 S. 2 AO) aufgeführten Einrichtungen auch dann zu Betriebsstätten, wenn sie keine festen Geschäftseinrichtungen oder Anlagen sind.[43]

Die nationale Definition einer Betriebsstätte i. S. v. § 12 AO gilt nur insofern, als mit dem ausländischen Staat kein DBA besteht. Beim Vorliegen eines DBA wird die nationale Definition durch die dort enthaltene verdrängt.[44]

Die OECD-MA Betriebsstättendefinition entspricht weitgehend der deutschen Definition. Sie knüpft auch an ein solches Merkmal wie feste Geschäftseinrichtung an, die der Geschäftstätigkeit eines Unternehmens dient (Art. 5 Abs. 1 OECD-MA).

Allerdings bestehen zwischen den Definitionen auch einige Unterschiede:[45]

- Bei Montagen und Bauausführungen wird nach dem nationalen Recht eine Betriebsstätte begründet, wenn die Dauer von sechs Monaten überschritten wird (§ 12 S. 1 Nr. 8 AO), dagegen liegt sie nach dem OECD-MA erst nach zwölf Monaten vor (Art. 5 Abs. 3 OECD-MA).

[...]


[1] Vgl. Lau (2005), S. 9; Yearsley (2006).

[2] Vgl. Felsner (2005).

[3] Vgl. Kinkel / Lay / Maloca (2004), S. 10 ff.; Nitschke / Wimmers / Schoder (2003) S. 1 ff.

[4] Vgl. Fanger (2002), S. 9 ff.

[5] Vgl. Abschnitt 2.1.

[6] Zu den Vor- und Nachteilen der Methode vgl. Freyer (2004), S. 16 ff.

[7] Handelsumsatz im Jahr 2006 betrug 53,6 Mrd. Euro, http://www.destatis.de/presse/deutsch/pm2007/p0840181.htm (Stand 12.04.2007).

[8] Umfang der deutschen Direktinvestitionen - ca. 2,7 Mrd. USD im Jahr 2006, vgl. hierzu Ost-Ausschuss (Positionspapier 2006), S. 4.

[9] Vgl. Kinkel / Lay / Maloca (2004), S. 15 ff.; Nitschke / Wimmers / Schoder (2003) S. 6.

[10] Vgl. Schmidt / Sigloch / Henselmann (2005), S. 66 ff.

[11] Gersch (2006), § 8 AO, Rz. 2; Heinicke (2006), § 1 EStG, Rz. 20.

[12] Vgl. Ax / Große / Melchior (2007), S. 45, Rn. 111; Schmidt / Sigloch / Henselmann (2005), S. 68.

[13] Gersch (2006), § 8 AO, Rz. 3.

[14] Heinicke (2006), § 1 EStG, Rz. 24.

[15] Gersch (2006), § 8 AO, Rz. 4.

[16] Vgl. Ax / Große / Melchior (2007), S. 44, Rn. 109.

[17] Gersch (2006), § 9 AO, Rz. 1 ff.

[18] Vgl. Frotscher (2005), Rz. 98.

[19] Vgl. Schmidt / Sigloch / Henselmann (2005), S. 70.

[20] Vgl. Ax / Große / Melchior (2007), S. 47, Rn. 115.

[21] Gersch (2006), § 10 AO, Rz. 2.

[22] Vgl. Kessler / Müller (2003), S. 363.

[23] Vgl. Frotscher (2005), Rz. 99.

[24] Gersch (2006), § 10 AO, Rz. 3; Kessler / Müller (2003), S. 365.

[25] Vgl. Seibold (2003), S. 48 f.

[26] Gersch (2006), § 10 AO, Rz. 2.

[27] Vgl. Kessler / Müller (2003), S. 367.

[28] Vgl. Hey (2005), Rz 27.

[29] Vgl. Frotscher (2005), Rz. 384; Jacobs (2002), S. 502 f.

[30] Vgl. Birk (2003), S. 470.

[31] Vgl. Birk (2003), S. 471 ff.; Deininger (2003), S. 214 f.; Seibold (2003), S. 46 f.

[32] Vgl. Frotscher (2005), Rz. 385; Seibold (2003), S. 47.

[33] Vgl. Jacobs (2002), S. 479.

[34] Vgl. Haiß (2003), S. 32.

[35] Vgl. Grotherr (2003), S. 200 f.; Jacobs (2002), S. 480.

[36] Vgl. Kessler / Peter: (2001), S. 239.

[37] Vgl. Haiß (2003), S. 33 f.

[38] Kruse (2003), § 12 AO, Tz. 5.

[39] Vgl. Haiß (2003), S. 34.

[40] Vgl. Ax / Große / Melchior (2007), S. 48, Rn. 118; Kruse (2003), § 12 AO, Tz. 12.

[41] Vgl. Haiß (2003), S. 34.

[42] Vgl. Schmidt / Sigloch / Henselmann (2005), S. 77.

[43] Vgl. Haiß (2003), S. 36.

[44] Vgl. Frotscher (2005), Rz. 262.

[45] Vgl. Frotscher (2005), Rz. 264 ff.; Haiß (2003), S. 37 f.; Jacobs (2002), S. 479 ff.; Schmidt / Sigloch / Henselmann (2005), S. 284.

Ende der Leseprobe aus 79 Seiten

Details

Titel
Gründung einer ausländischen Betriebsstätte oder Tochtergesellschaft in Russland.
Hochschule
Freie Universität Berlin
Note
2,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
79
Katalognummer
V75247
ISBN (eBook)
9783638696166
ISBN (Buch)
9783638712279
Dateigröße
685 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gründung, Betriebsstätte, Tochtergesellschaft, Beispiel, Russland
Arbeit zitieren
Dmitri Astrinski (Autor:in), 2007, Gründung einer ausländischen Betriebsstätte oder Tochtergesellschaft in Russland., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/75247

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