Die Anfänge der Familienpolitik in der Bundesrepublik Deutschland 1949-1969


Seminar Paper, 2006

26 Pages, Grade: 1,0


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Gliederung

1 Einleitung: Geschichte der Familienpolitik in Deutschland

2 Die Anfänge der Familienpolitik in Deutschland
2.1 Das Familienbild in den 50er Jahren
2.2 Institutionalisierung von Familienpolitik
2.3 Familienpolitik unter Franz-Josef Wuermeling
2.4 Bilanz der Amtszeit Wuermelings

3 Allmählicher Wandel in Familienbild- und -politik
3.1 Das Familienbild in den 60er Jahren
3.2 Familienpolitik unter Bruno Heck
3.3 Bilanz der Amtszeit Hecks
3.4 Familienpolitik unter Aenne Brauksiepe

4 Abschließendes Fazit

5 Literatur

„Wir kämpfen für die Rechte der Familie und den freien Lebensbereich des einzelnen, in dem sittlich-verantwortliche Entscheidungen möglich sind.“[1]

Hamburger Programm der CDU 1953

1 Einleitung: Geschichte der Familienpolitik in Deutschland

Familienpolitische Maßnahmen haben in Deutschland bereits Tradition. So können etwa Beratungshilfen oder Familienpflegedienste auf eine lange Geschichte zurück blicken. Allerdings ohne, dass diese als Familienpolitik im expliziten Sinne galten. Die Integration in eine umfassende Familienpolitik erfolgte erst in jüngerer Zeit. Dennoch wurde dem Schutz und der sozialen Förderung der Familie als Staatsaufgabe schon in der Weimarer Verfassung in Artikel 119 ein Platz eingeräumt. Dort heißt es unter anderem: „Kinderreiche Familien haben Anspruch auf ausgleichende Fürsorge. Die Mutterschaft hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge des Staates.“[2] Doch was schriftlich bereits fixiert war, wurde noch lange nicht in eine praktische Familienpolitik umgesetzt. Die Entwicklung in diesem Bereich wurde durch historische Einschnitte – wie den ideologischen Missbrauch durch die Nationalsozialisten – immer wieder unterbrochen. Vor allem die Thematisierung bevölkerungspolitischer Aspekte wurden dadurch bis heute belastet.[3]

Der Begriff „Familienpolitik“ wurde erst nach dem zweiten Weltkrieg fest eingebürgert und bezeichnet „das bewußte und planvoll-ordnende öffentliche Einwirken auf die äußeren, insbesondere wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen derjenigen Gemeinschaften, die dem jeweils maßgeblichen Verständnis von Familie entsprechen“[4]. In der Nachkriegszeit standen vor allem die wirtschaftlich-sozialen Verhältnisse kinderreicher Familien im Fokus der politischen Maßnahmen – es handelte sich vorwiegend um lohnergänzende familien- und kinderbezogene Einkommenshilfen. Derartige Leistungen waren in Deutschland schon vor dem ersten Weltkrieg durch Initiativen einzelner Unternehmer eingeführt worden. Nach 1918 wurden in einigen Wirtschaftszweigen Familienausgleichskassen gegründet, die allerdings im Zuge der Inflation weitgehend untergingen. Durch die fast völlige Abschottung Deutschlands von internationalen Entwicklungen während des NS-Regimes, konnte sich die Gesetzgebung für Familienzulagen erst nach dem zweiten Weltkrieg weiter entwickeln.[5] Hinzu kam auch, dass Maßnahmen, die vor 1945 entwickelt wurden, vom Alliierten Kontrollrat aufgehoben wurden, da sie von „eugenischen, rassenpolitischen und bevölkerungspo­litischen Motiven stark geprägt waren“[6]. Sowohl das Kindergeld als auch familienbezogene Steuerbegünstigungen wurden deshalb abgeschafft.

Ab 1946 wurde dann wieder ein Kinderfreibetrag gewährt, um der geringeren steuerlichen Leistungsfähigkeit von Ehepaaren mit Kindern Rechnung zu tragen. Daran knüpfte die Bundesrepublik 1949 an und erhöhte als erste familienpolitische Maßnahme den Kinderfreibetrag von 400 auf 600 DM für alle Kinder. Zu einer institutionalisierten und systematischen Familienpolitik kam es jedoch zunächst nicht. Familienfragen wurden in den ersten Jahren der Bundesrepublik lediglich als Teil der Sozialpolitik behandelt, eine institutionelle Vertretung gab es weder auf legislativer noch auf exekutiver Ebene.[7] Erst mit der Gründung des Familienministeriums im Jahre 1953 erfolgte ein Neubeginn der deutschen Familienpolitik. Dadurch wäre es auch möglich gewesen, das Familienbild zu modernisieren. Allerdings knüpfte die Politik an das bürgerliche Modell der Hausfrauenehe an, das sich bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts „etabliert“ hatte. Dadurch blieb die Vorstellung der patriarchalischen Familie bestehen, wenn auch im Laufe der Zeit mit „tendenziell angelegter Partnerschaftsideologie“[8]. Nicht erwerbstätig zu sein wurde für Frauen als Ausdruck von Wohlstand gedeutet und auch die Familienpolitik verstärkte dies durch zahlreiche gesetzliche Absicherungen.[9]

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich im Folgenden daher mit der Institutionalisierung und den ersten Phasen der Familienpolitik von 1949 bis 1969, also bis zur Regierungsübernahme durch die Sozialliberale Koalition. Es werden Einstellung und Arbeit der Familienminister Franz-Josef Wuermeling, Bruno Heck und der ersten weiblichen Familienministerin Aenne Brauksiepe vorgestellt sowie das Familienleitbild der 50er und 60er Jahre, das die Politik nachhaltig prägte.

„Das Familienbild in den 50ern beschwört eine Idylle – beschränkt auf die Zwei-Generationen-Kleinfamilie, im eigenen Häuschen.

Der Vater ist Oberhaupt und Ernährer, die Mutter erzieht die Kinder und führt den Haushalt.“[10]

2 Die Anfänge der Familienpolitik in Deutschland

2.1 Das Familienbild in den 50er Jahren

„Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung“, so wurde es 1949 in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland geschrieben. Ehe und Familie wurden als Institution gesehen und Familienpolitik von 1949 bis 1969, also bis zur Übernahme der Regierung durch die Sozialiberale Koalition, wurde daher hauptsächlich als Institutionenpolitik betrieben. Wie Ehe und Familie auszusehen haben, dafür gab es konkrete Leitbilder. Die Politik orientierte sich am bürgerlichen Familienbild, stand jedoch vor allem unter dem Einfluss der katholischen Kirche, der auch Adenauer nah stand. „Der Mann ist [dabei] Oberhaupt und der Ernährer der Familie, die Frau sorgt für den Haushalt und die Kinder und ist möglichst nicht erwerbstätig.“[11] Diese Vorstellung prägte die Familienpolitik der CDU. Als Grundlage für diese konservative Familienideologie diente die katholische Naturrechts- und Soziallehre, die jedem in der Schöpferordnung Gottes einen festen Platz zuweist. Dabei kommt der Frau wie gerade zitiert, die Rolle der „treusorgenden Gattin und Mutter“[12] zu.

Da die Ehe als natürliche Ordnung galt, wurde beispielsweise Ehescheidung abgelehnt oder erschwert und im allgemeinen wurde „die Ehe- und Familiengesetzgebung recht restriktiv“[13] gehalten.

Angesichts des Einflusses der katholischen Kirche auf Familienbild und -politik, ist es auch nicht verwunderlich, dass mit Franz-Josef Wuermeling ein „strenger Katholik zum Chef des neuen Ministeriums gemacht“[14] wurde – Konrad Adenauer tat damit den kirchlichen Kräften in der BRD einen Gefallen. Wuermeling war verheiratet, fünffacher Vater und strenger Katholik – also genau der richtige Repräsentant für das patriarchalische Geschlechtermodell der Adenauer-Ära. Da dadurch auch viele Forderungen der katholischen Kirche realisiert wurden, stand sie voll und ganz hinter der Familienpolitik der Regierung. Ein Zitat aus dem Jahr 1962 bringt die Einstellung des ersten Familienministers zum Ausdruck: „Eine Mutter daheim ersetzt vielfach Autos, Musiktruhen und Auslandsreisen, die doch allzu oft mit ihrer Kinder gestohlener Zeit bezahlt wurden.“[15] Wuermeling ging selbstverständlich davon aus, dass die Frau ihre von Natur aus gegebene Mutter- und Hausfrauenrolle erfüllt. Ein weiteres Indiz dafür ist, dass Kindergärten und Hortplätze nicht vorhanden waren und auch lange Zeit nicht gefördert wurden. So war die Mutter für ihre Kinder unentbehrlich. Die Idealvorstellung Wuermelings von der Mehrkinderfamilie fördert die Familienstabilität durch die Bindung der Frau an den Haushalt noch zusätzlich. „Deshalb ist für ihn Frauenerwerbstätigkeit aus familienstabilisierenden Gründen etwas Abzulehnendes und Kinderreichtum besonders förderungswürdig.“[16]

Die Realität der Nachkriegsjahre gestaltete sich dennoch ein wenig anders. Denn die deutsche Wirtschaft konnte schon damals Frauen als Arbeitskräfte gut gebrauchen. Viele Städte waren durch Bomben fast völlig zerstört worden, die Menschen hatten Besitz und Wohnung verloren und der Strom an Flüchtlingen war groß. Aufgrund der vielen gefallenen Männer sowie derer, die vermisst oder in Kriegsgefangenschaft waren, waren viele Frauen dazu gezwungen, schwerste Arbeit auf sich zu nehmen.

Der Verlust der Familienwärme ließ „eine gefährliche Tendenz zur Verwilderung und Kriminalität der Jugend“[17] befürchten. Als Konsequenz dieser Phase der Frauenerwerbstätigkeit zeigte sich ein kurzfristiger Autoritätsschwund des Mannes. Allerdings wandelt sich dies schon 1948 wieder. Parallel zum Wiederaufbau der Wirtschaft zeigt sich eine Rückbesinnung auf die Familie, eine Stabilisierung ihrer Funktion im sozialen Zusammenhalt.[18] Dennoch musste auch die Familienpolitik der Nachkriegszeit die Notwendigkeit der Frauenerwerbstätigkeit anerkennen. Mit dem Grundgesetz trat 1949 auch die rechtliche Gleichstellung von Mann und Frau in Kraft, das Bundesverfassungsgericht erklärte den betreffenden Artikel 3 zur echten Rechtnorm. Doch Franz-Josef Wuermeling hat eine eher statische und konservative Auffassung von der Funktion der Familie. Er sieht in ihr „die natürliche Urzelle und Kraftquelle“[19] der Gesellschaft, er sieht in ihr also eine staatserhaltende Kraft. Bei dieser Funktionsbeschreibung ist davon auszugehen, dass er die radikale Gleichberechtigung ablehnte. Zwar wurde mit dem genannten Artikel 3 formal die Gleichberechtigung der Frau auf dem Arbeitsmarkt geschaffen, doch kann die Frau weiterhin nur so weit am Erwerbleben teilhaben, wie sie ihre ehelichen und familiären Pflichten weiterhin erfüllen kann. Denn das Prinzip der „Hausfrauenehe“ im Bürgerlichen Gesetzbuch bis 1977 gültig, stand einer uneingeschränkten Teilnahme der Frau am Erwerbsleben entgegen. „Die Rechtsprechung geht vom Normalfall der Hausfrauentätigkeit als „Natur-Beruf“ der Frau aus.“[20] Dass 1957 die Hausfrauentätigkeit als gleichwertig anerkannt wurde, ist nur eine rein ideologische Maßnahme von geringer praktischer Relevanz. Es lässt vermuten, dass damit eine stärkere positive Bindung der Frau an ihre Tätigkeit im „Reproduktionsbereich“[21] das Ziel war.

Als familienpolitische Aufgabe gilt daher auch, die Auswirkungen von Frauen- und Müttererwerbstätigkeit auf Familie und Kinder darzustellen. „So finden sich (...) radikal-konservative(...) Äußerungen zur Funktion und „Natur“ der Frauen und Mütter, ebenso wie Untersuchungen, die eindeutig die Schädlichkeit der Müttererwerbstätigkeit zu beweisen behaupten.“[22] Mit großem Aufwand der Öffentlichkeitsarbeit des Familienministeriums wurde berufstätigen Frauen „Wohlstandsfieber“ und „Geltungsstreben“ vorgeworfen.[23] Eine Reihe von politischen Maßnahmen sollten das Familienbild zementieren und materielle Zuwendungen und Vergünstigungen sollen verhindern, dass Frauen dazu gezwungen sind, zum Familieneinkommen beitragen zu müssen. Allerdings konnte Familienminister Wuermeling außer dieser finanziellen Unterstützung und Propaganda seines idealen Familienbildes nicht viel mehr tun, da er sich sonst zu sehr in Gegensatz zur Situation auf dem Arbeitsmarkt und der vorherrschenden Arbeitsmarktpolitik gesetzt hätte.[24] Die inhaltliche Ausgestaltung seiner Familienpolitik soll in einem späteren Teil der Arbeit näher beschrieben werden. Davor ist es notwendig, den Weg zur Institutionalisierung der Familienpolitik nachzuzeichnen.

[...]


[1] Kohl, Helmut: 40 Jahre Familienpolitik. In: Bundesministerium für Familie und Senioren: 40 Jahre Familienpolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Rückblick – Ausblick. Berlin/Bonn 1993. S. 7.

[2] Ehrmann, Sandra: Familienpolitik in Frankreich und Deutschland. Ein Vergleich. Frankfurt am Main 1999. S. 11.

[3] Vgl. Ebd., S. 11.

[4] Kuller, Christiane: Familienpolitik im föderativen Sozialstaat. Die Formierung eines Politikfeldes in der Bundesrepublik 1949-1975. Oldenburg 2004. S. 13.

[5] Vgl. Wingen, Max: Familienpolitik. Stuttgart 1997. S. 20ff.

[6] Ehrmann 1999, a.a.O., S. 11.

[7] Vgl. Gerlach, Irene: Familienpolitik. Lehrbuch. Wiesbaden 2004, S. 151.

[8] Jurczyk, Karin: Frauenarbeit und Frauenrolle. Zum Zusammenhang von Familienpolitik und Frauenerwerbstätigkeit in Deutschland von 1918-1975. Frankfurt/München 1976, S. 69.

[9] Vgl. Opielka, Michael: Familie und Beruf. Eine deutsche Geschichte. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 22-23/2002, S. 22f.

[10] Kriwet, Hildegard: Familiengeschichte, Planet-Wissen, http://www.planet-wissen.de/pw/Artikel,,,,,,,D4A4FA6FF9B68C95E030DB95FBC335D5,,,,,,,,,,,,,,,.html, Zugriff am 12.03,2006

[11] Kriwet, Hildegard: Familienpolitik, Planet-Wissen, http://www.planet-wissen.de/pw/Artikel,,,,,,,D4A5E3095C70ED6FE030DB95FBC33FBE,,,,,,,,,,,,,,,.html, Zugriff am 12.03.2006

[12] Köpcke, Monika: Vor 50 Jahren. Deutschlandradio, http://www.dradio.de/dlr/sendungen/kalender/329544/, Zugriff am 25. November 2005.

[13] Textor, Martin: Familienpolitik – Probleme – Maßnahmen – Forderungen. München 1991. S. 35.

[14] Gerlach 2004, a.a.O., S. 152.

[15] Gerlach 2004, a.a.O., S. 153.

[16] Jurczyk 1976, a.a.O., S. 97.

[17] Ebd., S. 77.

[18] Vgl. Ebd., S. 78f.

[19] Ebd. S. 91.

[20] Ebd. S. 93.

[21] Ebd. S. 93.

[22] Ebd. S. 96.

[23] Vgl. Gerlach 2004, a.a.O., S. 153.

[24] Vgl. Jurczyk 1976, a.a.O., S. 98.

Excerpt out of 26 pages

Details

Title
Die Anfänge der Familienpolitik in der Bundesrepublik Deutschland 1949-1969
College
Catholic University Eichstätt-Ingolstadt
Course
HS Familienpolitik im Vergleich
Grade
1,0
Author
Year
2006
Pages
26
Catalog Number
V75571
ISBN (eBook)
9783638800600
ISBN (Book)
9783640319589
File size
471 KB
Language
German
Keywords
Anfänge, Familienpolitik, Bundesrepublik, Deutschland, Familienpolitik, Vergleich, Franz-Josef Wuermeling, Bruno Heck, Aenne Brauksiepe, Familienbild
Quote paper
Cornelia Wolf (Author), 2006, Die Anfänge der Familienpolitik in der Bundesrepublik Deutschland 1949-1969 , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/75571

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