Die Entwicklung der prozessorientierten Kostenrechnungssysteme in den USA und in Deutschland


Bachelor Thesis, 2006

59 Pages, Grade: 1,5


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit

2 Veränderte Situation für Unternehmen
2.1 Umweltbedingungen
2.2 Wettbewerbsbedingungen
2.3 Nachfragebedingungen
2.4 Produktionsbedingungen
2.5 Auswirkung auf die Kosten und das Management

3 Mängel der traditionellen Kostenrechnungssysteme
3.1 Mängel der traditionellen Vollkostenrechnung
3.2 Mängel der traditionellen Teilkostenrechnung
3.3 Beurteilung der traditionellen Kostenrechnungssysteme

4 Beschreibung der prozessorientierten Kostenrechnungssysteme
4.1 Grundlegende Charakteristika
4.2 Das Activity-Based Costing
4.2.1 Entwicklung des ABC
4.2.2 Zielsetzung
4.2.3 Grundlagen
4.2.4 Vorgehensweise
4.2.5 Kalkulation mit dem ABC
4.3 Die Prozesskostenrechnung
4.3.1 Entwicklung der PKR
4.3.2 Zielsetzung
4.3.3 Grundlagen
4.3.4 Vorgehensweise
4.3.5 Kalkulation mit der PKR

5 Vergleich zwischen ABC und PKR
5.1 Vergleich der Entstehungsgeschichte
5.2 Vergleich der Zielsetzung und Grundsätze
5.3 Vergleich des Aufbau und der Kostenzuordnung
5.4 Vergleich der Qualität und Quantität der Informationen

6 Beurteilung der prozessorientierten Kostenrechnungssysteme

7 Fazit

Literaturverzeichnis

Sammelbände

Zeitschriftenartikel

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Marketing-Dreieck

Abbildung 2: Kostenstruktur in der betrieblichen Wertschöpfung

Abbildung 3: Aufbau und Ablauf des ABC nach Cooper und Kaplan

Abbildung 4: Ermittlung der Kostenelemente

Abbildung 5: Ermittlung des Aktivitätskostensatzes

Abbildung 6: Produktkalkulation beim ABC

Abbildung 7: Einsatzfeld und Tätigkeitskategorien der Prozesskostenrechung in Industrieunternehmen

Abbildung 8: Aufbau der Prozesshierarchie

Abbildung 9: Ermittlung des Prozesskostensatzes

Abbildung 10: Ermittlung der Hauptprozesskostensätze

Abbildung 11: Kalkulationsschema bei der Prozesskostenrechnung

Abbildung 12: Abgrenzung der Einsatzfelder des ABC und der PKR

Abbildung 13: Kostenrechnungsumfeld und dominierende Zwecke von PKR und ABC

Abbildung 14: Grundstruktur von PKR und ABC

Abbildung 15: Unterschiede zwischen ABC und PKR

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1 Problemstellung

Wohl kaum eine Innovation hat auf dem Gebiet des Controllings soviel Diskussions- stoff geliefert, wie die Entwicklung der prozessorientierten Kostenrechnungssysteme, die Mitte der 1980er einsetzte. So verwundert es nicht, dass sich heute viele literarische Werke zum Thema Controlling mit prozessorientierten Kostenrechnungssystemen be- fassen. So wird die amerikanische Variante der prozessorientierten Kostenrechnungs- systeme mit der Bezeichnung Activity-Based Costing, die vor allem durch Veröffentli- chungen von Cooper und Kaplan geprägt wurde, als erstes Verfahren der prozessorien- tierten Kostenrechnungssysteme angesehen. Wohingegen die deutsche Methode mit der Bezeichnung Prozesskostenrechnung, die vor allem von Horváth und Mayer entwickelt wurde, als Weiterentwicklung gesehen wird.

Obwohl beide Methoden bereits seit mehr als 20 Jahren diskutiert werden, gibt es noch viel Unsicherheit in Bezug auf die verwendeten Begrifflichkeiten und Ausgestaltungs- formen. So finden sich in der Literatur Beschreibungen zu prozessorientierten Kosten- rechnungssystemen in denen die beiden Bezeichnungen ABC und PKR synonym ver- wendet und beide Verfahrensweisen gleich gesetzt werden. Selbst in der 1999 veröf- fentlichten Übersetzung von Kaplan und Coopers Buch „Cost and Effect“ wird der im Original verwendete Begriff ABC durch PKR ersetzt und Aktivitäten als Teilprozesse bezeichnet. Doch es wäre zu Einfach anzunehmen, dass lediglich aus der Übersetzung heraus in den USA der Begriff ABC und in Deutschland der Begriff PKR verwendet wird, aber das gleiche gemeint ist (vgl. Gaiser, 1998, S. 67). Einige Autoren fordern daher, entgegen der synonymen Verwendung, eine strikte Trennung der beiden Begriff- lichkeiten, da sich die Entwicklung und Zielrichtung der beiden Ansätze unterscheide (vgl. Kloock, 1992, 184; Horváth et al, 1993, S. 611).

Somit stellt sich die Frage, ob es sich bei der PKR tatsächlich nur um die deutsche Vari- ante des ABC handelt und damit eine Gleichsetzung der Begriffe gerechtfertigt ist oder ob die Argumente, die für eine Trennung der beiden Begrifflichkeiten hervorgebracht werden, dominanter sind. Zudem muss, sofern Unterschiede existieren, geklärt werden, worin sich beiden Ansätze unterscheiden.

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird dieser Frage nachgegangen. Es werden beide Ansätze hinsichtlich ihrer Entstehungsgeschichte, Ziele, Grundlagen, ihres Aufbaus sowie ihrer Stärken und Schwächen beschrieben. Anschließend werden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgearbeitet. Erst dann kann eine abschließende Antwort auf die oben formulierte Frage gegeben werden.

1.2 Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit

Der zweite Abschnitt der vorliegenden Arbeit beschreibt die veränderte Situation, welcher die Unternehmen heute ausgesetzt sind. Dabei werden kurz die Ursachen für die veränderten Umwelt-, Wettbewerbs-, Nachfrage- und Produktionsbedingungen erläutert, sowie deren Auswirkungen auf die Kostenstruktur und das Management dargestellt. Die Ausführungen sollen aufzeigen, warum die prozessorientierten Kostenrechnungssysteme als notwendig erachtet werden.

Im dritten Abschnitt stehen die traditionellen Kostenrechnungssysteme im Fokus. Hierbei soll ein kurzer Überblick über die Schwächen dieser Systeme vermittelt werden, da diese einen weiteren Ausgangspunkt für die Entwicklung der prozessorientierten Kostenrechnungssysteme bilden.

Abschnitt vier behandelt den ersten Schwerpunkt der Arbeit und beschreibt die beiden Ansätze. Nach einem kurzen Überblick über die gemeinsamen Grundlagen werden das ABC und die PKR dargestellt. Innerhalb der Beschreibungen beider Ansätze erfolgt eine Zusammenfassung der historischen Entwicklung, die Darstellung der Ziele, Grund- lagen sowie der Vorgehensweise bei einer Umsetzung der Verfahren. Dabei werden beide Verfahren bewusst einzeln dargestellt, da somit eine bessere Abgrenzung erfolgen kann. Dieser Abschnitt bildet die Grundlage für den späteren Vergleich der beiden Ver- fahren.

Der fünfte Abschnitt bildet den zweiten Schwerpunkt der Arbeit und befasst sich mit dem Vergleich von ABC und der PKR. Beide Ansätze werden bzgl. ihrer Gemeinsam- keiten und Unterschiede in Bezug auf ihre Entstehungsgeschichte, ihrer Zielsetzung, Grundlagen, ihres Aufbaus und Kostenzuordnung sowie ihrer Qualität und Quantität verglichen. Dabei sollen sowohl die Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten detailliert herausgearbeitet werden.

Im Abschnitt sechs erfolgt eine kurze und allgemein gehaltene Beurteilung der beiden Systeme in Bezug auf ihre Wirksamkeit und ihre Grenzen.

Abschnitt sieben fasst die gewonnenen Ergebnisse der Arbeit kurz zusammen und behandelt die Antwort auf die unten Punkt 1.1 formulierte Problemstellung.

2 Veränderte Situation für Unternehmen

Bevor auf die prozessorientierten Kostenrechnungssysteme eingegangen wird, sollen die Ursachen, die zu deren Entwicklung geführt haben aufgezeigt werden.

Die veränderten Bedingungen, denen die Unternehmen heute ausgesetzt sind, sollen mit Hilfe des Marketing-Dreiecks nach Ohmae (1982, S. 92) verdeutlicht werden (vgl. Abbildung 1). Dabei wird aufgezeigt, dass sich die Situation für die Mehrheit der Un- ternehmen sowohl in den externen Bereichen Umfeld, Nachfrage und Konkurrenz als auch in der internen Bereichen der Unternehmen verändert haben und sich vermutlich auch zukünftig weiter verändern werden. Die Mehrzahl der hier verwendeten Literatur- quellen stammt aus den 1980ern und 1990ern, besitzen aber heute noch die gleiche Aussagekraft, da sich die relevanten und im folgenden aufgeführten Veränderungen eher verstärkt als gemildert haben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Marketing-Dreieck (in Anlehnung an Ohmae, 1982)

Die unter Punkten 2.1 bis 2.4 aufgeführten Ursachen stellen eine Auswahl der wichtigs- ten Einflussgrößen auf die veränderten Bedingungen dar. Dabei sind die hier dargestell- ten Ursachen nicht als allgemein gültige Faktoren zu verstehen. Schließlich ist nicht jedes Unternehmen von allen Veränderungen betroffen und ebenso nicht im gleichen Umfang. Zudem sind die aufgeführten Ursachen nicht als isolierte Einflussgrößen zu verstehen, denn eine Vielzahl der Faktoren steht in einer engen Wechselwirkung zu einander (vgl. Braun, 1999, S. 27).

2.1 Umweltbedingungen

Unter den Umweltbedingungen der Unternehmen werden hier die Rahmenbedingungen in denen sich die Unternehmen befinden und operieren verstanden. Zu diesen zählen neben den rechtlichen, politischen, gesellschaftlichen und ökologischen Aspekten auch die technologischen Veränderungen, welche eine besondere Rolle einnehmen, da sie die größten Veränderungen nach sich gezogen haben und vermutlich nach sich ziehen werden (vgl. Reckenfelderbäumer, 1998, S. 5).

Die Rahmenbedingungen haben ihrerseits einen sehr starken Einfluss auf die Veränderung des Wettbewerbs, der Nachfrage und der Produktion. Daher wird auf diese in den sich anschließenden Punkten näher eingegangen.

2.2 Wettbewerbsbedingungen

Unter Wettbewerb soll an dieser Stelle die Beziehung der Unternehmen untereinander verstanden werden. Diese ist heute nicht nur von der Konkurrenz um Kunden bzw. Absatzmärkte geprägt, sondern auch durch die Konkurrenz um die Nutzung von wichtigen Ressourcen (vgl. Picot, 1990, S 120).

Dabei ist zu beobachten, dass der Wettbewerbsdruck, dem die Unternehmen ausgesetzt sind, immer mehr zunimmt. Als Ursachen können bspw. die Internationalisierung der Märkte (Globalisierung), das Imitationsverhalten der Konkurrenz, die Beschleunigung des Wissenswachstums, die Entwicklung neuer Technologien, die Deregulierung der Märkte sowie die Verknappung strategisch wichtiger Ressourcen genannt werden (vgl. Picot, 1990, S. 121). Die daraus resultierende starke Konkurrenz führt dazu, dass sich viele Anbieter innerhalb eines Marktes befinden und deren Leistungen mühelos durch die anderen Unternehmen substituiert werden können (vgl. Braun, 1999, S. 28).

Die daraus folgenden Auswirkungen auf die Unternehmen sind immens. So müssen sie sich permanent den sich verändernden Bedingungen anpassen, um erfolgreich am Markt zu bestehen. Hierzu müssen bspw. Arbeitsplätze geschaffen werden, die Informationen sammeln und auswerten, Forschungs- und Entwicklungsarbeit leisten oder aber die Or- ganisation an die neuen Herausforderungen anpassen (vgl. Remer, 1996, S. 23). Dar- über hinaus müssen viele Unternehmen, die auf internationalen Märkten konkurrieren, ihre Typenvielfalt schon aufgrund spezieller staatlichen Auflagen und Normen auswei- ten (vgl. Schulte, 1991, S. 18). Ebenso müssen sie permanent neue Technologien instal- liert um ihren Vorsprung aufrecht zu erhalten oder sich der Konkurrenz an zu passen (vgl. Ceonenberg und Fischer, 1991, S. 24).

2.3 Nachfragebedingungen

Aufgrund der seit den 1960er Jahren immer stärker wachsenden Einkommen, und der damit einhergehenden Möglichkeit neben Standardprodukten auch spezielle Produkte nachzufragen, haben sich viele der heutigen Märkte deutlich vom Verkäufer- zum Käufermarkt entwickelt (vgl. Johnson und Kaplan, 1987, S. 217). Des Weiteren stehen die Unternehmen heute einer Vielzahl heterogener Nachfragergruppen gegenüber, die ihre individuellen Bedürfnisse erfüllt haben wollen.

Neben dem o.g. Konkurrenzdruck hat dies zur Folge, dass die Unternehmen ihre Leis- tungsvielfalt immer weiter ausbauen und immer mehr Standardprodukte durch kunden- spezifische Produktvarianten ergänzt werden (vgl. Knöbel, 1995, S. 7). Dabei ist zu beobachten, dass viele Unternehmen sogar den Versuch unternehmen, selbst den spe- ziellsten Kundenwunsch zu erfüllen (vgl. Roever, 1991, S. 254). Zudem verlangen die Kunden heute Flexibilität, komplexe Leistungen, zusätzliche Serviceleistungen und eine fehlerfreie Qualität. Daraus ergibt sich für die Unternehmen zwangsläufig die Notwen- digkeit, ihre Teile-, Material-, Variantenvielzahl und Lieferflexibilität zu erhöhen sowie ihre Leistungserstellung und Qualitätssicherungsmaßnahen auf diese Wünsche auszu- richten. Des Weiteren müssen die Marketing- und Vertriebsabteilungen die Kommuni- kations- und die Vertriebskanäle auf die Kundenwünsche ausrichten, um die Kunden gezielt auf die für sie zugeschnittenen Produkte anzusprechen (vgl. Braun, 1999, S. 23).

Dies alles führt zu einem Anstieg der Komplexität innerhalb des Produktionsprozesses, einer Erhöhung der aufgelegten Lose mit geringerer Stückzahl und zur Aufstockung des indirekten Leistungsbereiches. Zusammengefasst führt dies innerhalb der Unternehmen zu einem großen planerischen und administrativen Aufwand.

2.4 Produktionsbedingungen

Die erwähnte Veränderung der Wettbewerbsbedingung sowie das veränderte Nachfragerverhalten haben einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Produktionsbereiche. Schließlich können die aufgeführten Veränderungen in diesen Bereichen für die zunehmende Umgestaltung der Produktionsbereiche verantwortlich gemacht werden. So werden, wie bereits erwähnt, viele Varianten gefertigt und immer bessere Qualitätssicherungsmaßnahmen aufgebaut, weil dies von den Kunden erwartet und gefordert wird. Diese Tatsache führt in den Unternehmen neben dem zunehmenden Kostendruck zu einem ständigen Innovations- und Rationalisierungszwang (vgl. Braun, 1999, S. 10-11).

Vergleicht man daher die heutigen Produktionsbedingungen mit denen zu Beginn des letzten Jahrhunderts, so wird deutlich, dass diese aufgrund des bereits erwähnten, per- manenten technischen und wissenschaftlichen Fortschritts, von zunehmender Automati- sierung und Flexibilisierung geprägt werden (vgl. Horváth und Renner, 1990, S. 100). Hierfür können bspw. die „flexiblen Fertigungssysteme“, die JiT-Konzeption und das Computer Integrated Manufacturing angebracht werden (vgl. Braun, 1999; S. 11).

Diese zunehmende Implementierung neuer Technologien und Verfahren und die damit verbundene Veränderung der Produktionsprozesse führt zu einem weiteren Anstieg der planenden, steuernden, kontrollierenden und koordinierenden Tätigkeiten in den Unter- nehmen (vgl. Fröhling und Krause, 1990, S. 223). Dabei sind nicht nur die Fertigungs- bereiche, sondern auch die diesen vor- und nachgelagerten Bereiche, von diesen Verän- derungen betroffen. Diese Tendenz hat zur Folge, dass die klassische Arbeit in den Fer- tigungsbereichen eine immer geringere Rolle einnimmt und verstärkt durch Kapital sub- stituiert wird (vgl. Johnson und Kaplan, 1987). Gleichzeitig steigt der Personalbedarf in den administrativen Bereichen immer weiter an. Des Weiteren haben sich die Unternehmensbereiche auch aufgrund der zunehmenden Humanisierung der Arbeitsplätze und -inhalte und der damit einhergehenden Veränderung der Arbeitsgestaltung und - organisation, welche wiederum einen Anstieg der Komplexität sowie steuernde und überwachende Aufgaben in den Unternehmen verursacht, stark verändert (vgl. Fröhling und Krause, 1990, S 223; Horváth und Renner, 1990, S. 100).

2.5 Auswirkung auf die Kosten und das Management

Nachdem die Veränderungen auf die Unternehmen und deren Struktur erläutert wurden, soll nun deren Auswirkung auf die Kostenstruktur der Unternehmen und die Managemententscheidungen im Fokus stehen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Kostenstruktur in der betrieblichen Wertschöpfung (in Anlehnung an Reckenfeldbäumer, 1998, S. 9)

So kann heute aufgrund der bereits geschilderten Veränderungen, in vielen Unterneh- men ein immer rasanterer Anstieg der Gemeinkosten beobachtet werden (vgl. Abbildung 2). Die Auslöser dieser Gemeinkostenexplosion sind die zunehmend planen- den, steuernden, überwachenden und koordinierenden Aktivitäten in den indirekten

Leistungsbereichen. So treten heute viele neue Kostenarten, wie bspw. Kosten für Soft- ware, Beratung, Qualitätssicherung, Forschung und Entwicklung, Technologie und Lo- gistik immer stärker in den Vordergrund und gewinnen zunehmend an Bedeutung (vgl. Fröhling und Krause, 1990, S. 223). Daneben führt die bereits erwähnte Substitution von Arbeit durch Kapital, und damit der sinkende Anteil der Einzelkosten, schon aus rechnerischen Überlegungen heraus, zu einem prozentualen Anstieg der Gemeinkosten. Die Autoren Miller und Vollmann (1986, S. 84) sprechen in diesem Zusammenhang von einer „verborgenen Fabrik“ hinter den eigentlichen Produktionsbereichen.

Dieser Gemeinkostenanstieg stellt neue Anforderungen an das Management. So müssen heute verstärkt die Kosten in den indirekten Leistungsbereichen transparenter gemacht und in die Entscheidungsfindung einbezogenen werden. Das Management muss sich dabei mit Kosten von Prozessen, wie bspw. der Betreuung eines Kunden, der Ergebnis- wirkung der einzelnen Leistungen und dem managen der Gemeinkosten auseinanderset- zen (Horváth et al., 1993, S. 609). Weiter ist festzuhalten, dass das Management heutzu- tage oft kurzfristige Entscheidungen treffen muss, aber dennoch eine Strategie zu ent- wickeln hat, die auf einen mittel- bis langfristigen Erfolg ausgerichtet ist. Eine Kontrol- le und Steuerung der Kosten die sich vornehmlich auf kurzfristige Entscheidungen kon- zentriert, erscheint daher nicht mehr gerechtfertigt. Ein adäquates Kostenrechnungssys- tem muss dem Management die Ursachen der Kostenentstehung aufzeigen und Informa- tionen zur Sicherstellung des kurz- bis langfristigen Erfolgs liefern (vgl. Mayer und Glaser, 1991, S. 303). Aus diesem Grund sollen in den nachfolgenden Abschnitten nicht nur die neuen Ansätze der prozessorientierten Kostenrechnungssysteme im Fokus ste- hen, sondern auch die Nachteile der traditionellen Kostenrechnungssysteme dargestellt werden.

3 Mängel der traditionellen Kostenrechnungssysteme

Wenn man heute von den traditionellen Kostenrechnungssystemen spricht, so ist i.d.R. von der Vollkostenrechnung die Rede. Die Ursache hierfür liegt in der Entstehungsge- schichte der prozessorientierten Kostenrechnungssysteme. Diese wurden anfänglich vorwiegend in den USA diskutiert, wo die undifferenzierte Vollkostenrechnung das vorherrschende Kostenrechnungssystem war und neue europäischen Teilkostenrech- nungssysteme, wie bspw. die Grenzplankosten- und Deckungsbeitragskostenrechnung, kaum Berücksichtigung fanden (vgl. Reckenfelderbäumer, 1998, S. 13).

Die Kritiker der traditionellen Verfahren weisen darauf hin, dass diese nicht mehr in der Lage seien, die im zweiten Abschnitt angebrachten Veränderungen richtig abzubilden bzw. deren Mängel erst mit den Anstieg der Gemeinkostenanteile immer stärker her- vorgetreten sind (vgl. Horváth und Renner, 1990, S. 100). Daher sollen die Mängel der traditionellen Voll- und Teilkostenrechnung in den folgenden Punkten dargestellt wer- den. Dabei wird hauptsächlich auf die Mängel in Bezug auf die Kostenallokation und Kalkulatorischenergebnisse eingegangen. Auf eine detaillierte Darstellung der Konzep- tion wird jedoch bewusst verzichtet, da dies nicht Gegenstand der Arbeit ist und den Rahmen sprengen würde.

3.1 Mängel der traditionellen Vollkostenrechnung

Wesentlich für die Vollkostenrechnung ist, dass diese vornehmlich für den Fertigungs- bereich konzipiert wurde und die indirekten Bereiche vernachlässigt werden (vgl. Re- ckenfelderbäumer, 1998, S. 13). Dieser Umstand verwundert nicht, wenn man bedenkt, dass die Vollkostenrechnung zu Beginn des letzten Jahrhunderts entwickelt wurde (vgl. Braun, 1999, S. 9). Wie dargestellt dominierten zu dieser Zeit die Einzelkosten, doch in Zeiten in denen diese immer mehr an Bedeutung verlieren, führt diese Fokussierung dazu, dass wesentliche Kosten nicht mehr verursachungsgerecht verteilt werden. Doch besonders in der deutschen Literatur wird darauf hingewiesen, dass die Kostentenver- rechnung in den Fertigungsbereichen über sehr differenzierte Bezugsgrößen verfügt und oft schon ein beängstigende Genauigkeit erreicht hat (vgl. Horváth und Renner, 1990).

Die Defizite der Vollkostenrechnung werden hauptsächlich in der pauschalen und un- differenzierten Verrechnung der Gemeinkosten gesehen. So werden bei der traditionel- len Vollkostenrechnung die Material- und Fertigungsgemeinkosten mit Hilfe von pro- zentualen Zuschlägen auf die entsprechenden Einzelkosten verrechnet. Die wesentliche Voraussetzung für die Durchführung einer Zuschlagskalkulation ist jedoch, die Existenz einer proportionalen Beziehung zwischen den zu verteilenden Gemeinkosten und der Zuschlagsbasis, doch gerade diese wird von den Kritikern in Frage gestellt (vgl. Renner, 1991, S. 27). Ein derartiger Zusammenhang dürfte nur in den seltensten Fällen beste- hen, womit die Genauigkeit der Zuschlagskalkulation mit Verhältnis zwischen Einzel- und Gemeinkosten steht und fällt (Hummel und Männel, 1986, S. 285). Der fehlende Zusammenhang kann zu Zuschlagssätzen führen, die mehrere hundert oder gar tausend Prozent betragen (vgl. Coenenberg und Fischer, 1991, S. 23; Fröhling, 1992, S. 110). Durch Verwendung derartiger Zuschlagssätze stellen die immer geringer werdenden Einzelkosten einen enormen Kostenhebel dar und können schon bei der geringsten Ver- änderung der Einzellkosten zu völlig anderen Ergebnissen führen.

Im Ergebnis führt diese Vorgehensweise dazu, dass bspw. die Materialgemeinkosten en block den Materialeinzelkosten zugerechnet werden, ohne die kostentreibenden Fakto- ren, wie bspw. Produktionsmengen bzw. Losgrößen, Produktkomplexität und Varian- tenanzahl zu berücksichtigen. Daraus resultiert, dass teure Materialien mehr Gemein- kosten zugeteilt bekommen als günstigere, obwohl es für Aufgaben wie Materialbestel- lung, Lieferantenbetreuung oder Wareneingangsprüfung keine Rolle spielt, welchen Wert ein benötigtes Teil hat. Dieses falsche Ausweisen von Kosten wird auch in Bezug auf die Anzahl der Fertigungsstunden als Verrechnungsbasis bemängelt (vgl. Wäscher, 1991, S. 7). In Hinsicht auf die Losgrößen, wie bspw. Maschinen rüsten, hat diese pau- schale Verwendung von Zuschlagssätzen zur Folge, dass Produkte mit hoher Auflage- größe mit Gemeinkosten belastet werden, die durch Produkte mit geringer Auflagegröße verursacht werden. Horváth und Mayer (1989, S. 215-216) stellen in diesem Zusam- menhang fest, dass die Verwendung von Zuschlagssätzen dazu führt, dass Standardpro- dukte zu teuer kalkuliert werden und einen geringen Ertrag ausweisen, während Exoten nicht alle Kosten zugerechnet bekommen und weiter gepuscht werden, da sie lukrativ erscheinen.

3.2 Mängel der traditionellen Teilkostenrechnung

Mit der Teilkostenrechnung sollen die beschriebenen Mängel der Vollkostenrechnung behoben werden, indem sie als Direct Costing, Grenzplankosten- oder Deckungsbei- tragsrechnung die fixen und variablen Kostenbestandteile trennt. Diese Verfahren stel- len somit die Einzelkosten und variablen Gemeinkosten in den Fokus. Die variablen Gemeinkosten werden dabei über differenzierte Bezugsgrößen auf die Einzelkosten verrechnet, und versuchen somit auf die nicht verursachungsgerechten Zuschlagsbasen zu verzichten. Die Fixkosten werden dagegen direkt als ganzer Block oder in Stufen, wie bei der mehrstufigen Deckungsbeitragskostenrechnung, in die Ergebnisrechnung übernommen. Diese Vorgehensweise wird von den Kritikern dieser Verfahren abge- lehnt, da sie die Fixkosten außen vor lassen und somit ein effektives Gemeinkostenma- nagement verhindern (vgl. Küting und Lorson, 1991, S. 1423). Zudem wird auch diesen Verfahren vorgeworfen, dass sie sich insbesondere auf die Produktionsbereiche kon- zentrieren und die produktionsfernen Bereiche unberücksichtigt bleiben (vgl. Horváth und Mayer, S. 215). Dem gegenüber wird daraufhin gewiesen, dass die Analysen und Methoden der Teilkostenrechnung besonders in den produktionsnahen Bereichen eine sehr hohe Genauigkeit aufweisen (vgl. Mayer, 1990b, S. 307). Kritisiert wird dagegen die Schlüsselung der Fixkosten innerhalb der entsprechenden Stufen der Deckungsbei- tragsrechnung, die letztlich nicht immer verursachungsgerecht vorgenommen wird und dort die gleichen Mängel wie bei der Vollkostenrechnung auftreten, da sie ebenfalls die kostentreibenden Faktoren in den Gemeinkostenbereichen nicht ausreichend analysie- ren. Des Weiteren wird kritisiert, dass sind die Methoden der Teilkostenrechnung eher für die kurzfristige Planungen eignen und der langfristige Aspekt eine untergeordnete Rolle spielt (vgl. Remer, 1997, S. 25).

3.3 Beurteilung der traditionellen Kostenrechnungssysteme

Als Fazit lässt sich festhalten, dass die traditionellen Verfahren nicht geeignet sind, die gestiegenen Gemeinkosten in den indirekten Leistungsbereichen transparent zu machen, ihre Einflussgrößen aufzuzeigen und die Kosten verursachungsgerecht zu verteilen. So wird den traditionellen Kostenrechnungssystemen vorgeworfen, dass sie die Varianten- vielfalt, die Komplexität und Losgrößenunterschiede nicht ausreichend berücksichtigen, und verzerrte Ergebnisse liefern (vgl. Reckenfelderbäumer, 1998, S. 17-18). Besonders der Vollkostenrechnung wird immer wieder vorgeworfen, dass diese weder für eine kurzfristige noch langfristige Steuerung geeignet ist. Zwar kann mit der Teilkostenrechnung eine kurzfristige Steuerung der Kosten gewährleistet werden, die Anforderung auch eine langfristige Steuerungsmöglichkeit zu haben, kann mit ihr jedoch nicht sichergestellt werden, da sie die Ursachen der Gemeinkostenentstehung nicht im erforderlichem Maße transparent macht. Eine Ausnahme bildet die Grenzplankostenrechnung, die zumindest im der Fertigung und in fertigungsnahen Bereichen, aufgrund der Verwendung von differenzierten Bezugsgrößen, gute Ergebnisse liefert.

Die hier kurz dargestellten Mängel der traditionellen Kostenrechnungssysteme bildeten die Ursachen, die zur Entwicklung der prozessorientierten Kostenrechnungssysteme geführt haben.

4 Beschreibung der prozessorientierten Kostenrechnungssys- teme

In diesem Abschnitt sollen die prozessorientierten Kostenrechnungssysteme beschrie- ben werden. Dabei muss darauf hingewiesen werden, dass hier in der Literatur nicht immer Einigkeit in Bezug auf die folgenden Beschreibungen herrscht. Daher orientiert sich die vorliegende Arbeit an den Ausführungen, die sich in der Mehrzahl der Literatur finden.

4.1 Grundlegende Charakteristika

Bevor auf die beiden Varianten der prozessorientierten Kostenrechnungssysteme eingegangen wird, sollen die grundlegenden Charakteristika dargestellt werden.

Kerngedanke beider Verfahren ist es, die Gemeinkosten möglichst nicht über Zuschlagssätze auf die betrieblichen Leistungen zu verrechnen, sondern eine verursachungsgerechte Verrechnung mit Hilfe differenzierter Bezugsgrößen vorzunehmen. Die Verrechnung der Ressourcenkosten soll dabei über die von den Produkten bzw. Kalkulationsobjekten beanspruchten Tätigkeiten erfolgen. Die Tätigkeiten werden im Rahmen beider Verfahren zu Aktivitäten oder Prozessen zusammengefasst, die wiederum die zentralen Elemente des ABC und der PKR bilden (vgl. Franz, 1991, S. 537). Die betrieblichen Abläufe werden in diesem Zusammenhang als ein System von Aktivitäten bzw. Prozessen erachtet, die innerhalb der Unternehmensbereiche oder bereichsübergreifend ablaufen (vgl. Fröhling und Krause, 1992, S. 385).

Beide Varianten sind ihrem Wesen nach Verfahren der Vollkostenrechnung, da sie nicht nur die Einzelkosten, sondern auch die verursachten Gemeinkosten auf die Kalkulati- onsobjekte verrechnen (vgl. Horváth und Mayer, 1989, S. 216). Die Vorgehensweise wird mit dem Argument, dass langfristig fast alle Kosten variabel sind und daher Ent- scheidungsrelevanz besitzen, begründet. Jedoch wird ihnen zunehmend die Möglichkeit zugesprochen, die Kosten über eine Teilkostenrechnung zu verrechnen (vgl. Fröhling, 1992, S. 109ff.).

4.2 Das Activity-Based Costing

Unter ABC wird die amerikanische Variante der prozessorientierten Kostenrechnungssysteme verstanden, deren Entstehung, Zielsetzung, Grundlagen und Aufbau im Folgenden dargestellt wird.

4.2.1 Entwicklung des ABC

Den entscheidenden Anstoß zur Entwicklung der prozessorientierten Kostenrechnungs- systeme in den USA gaben die bereits aufgeführten Mängel der traditionellen Kosten- rechnungssysteme. In den USA dominierten dabei insbesondere das Absorption Costing, welches einer Form der starren Vollkostenrechnung entspricht, und das Stan- dard Costing, welches mit der Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis verglichen wer- den kann (vgl. Stoi, 1999, S. 8). Dabei lag der Fokus in den USA auf der Bestandsbe- wertung und Ermittlung der Herstellkosten des Umsatzes, während weitere Aufgaben der Kostenrechnung, wie bspw. die Kontrolle von betrieblichen Abläufen oder Produkt- kalkulation, eher in den Hintergrund traten (vgl. Cooper und Kaplan, 1988; S. 22; Lor- son, 1992, S. 8). Zudem erfolgte, in den auf das externe Rechnungswesen fokussierten Konzepten, keine Differenzierung in Aufwand und Kosten (vgl. Küting und Lorson, 1991, S. 1422).

Der Anstoß für die Entwicklung der prozessorientierten Kostenrechnungssysteme wur- de mit dem 1985 von Miller und Vollmann veröffentlichten Aufsatz „The hidden facto- ry“ gegeben. In diesem Aufsatz machten die Autoren auf die Problematik der angestie- genen Gemeinkosten und die Fehler der traditionellen Kostenrechnungssysteme auf- merksam. Dabei wurde von ihnen kein neues Kostenrechnungssystem vorgestellt, son- dern eine Berücksichtigung der kostentreibenden Faktoren gefordert (vgl. Miller und Vollmann, 1985). Erst nach dieser Veröffentlichung wurde damit begonnen über mögli- che Ansätze zu diskutieren.

Die erste konzeptionelle Umsetzung der von Miller und Vollmann gemachten Vor- schläge kamen 1987 von Johnson und Kaplan in ihrem Buch „Relevance Lost: Rise and Fall of Management Accounting“. Nach der Erscheinung des Buches wurde der von ihnen entwickelte Ansatz zusammen mit Cooper zum ABC weiterentwickelt und bildet die Grundlage der heute in den USA verwendeten Verfahren. Dabei war die Idee einer prozessorientierten Kostenverrechnung nicht so neu wie man vermuten könnte. So be- hauptet das Unternehmen Catarpillar schon seit den 1940ern eine dem ABC vergleich- bare prozessorientierte Kostenrechnung zu benutzen (vgl. Stoi, 1999, S. 8). Neben ver- schiedenen anderen Werken ist auch das 1971 von Staubus veröffentlichte Buch „Acti- vity Costing and Input-Output Accounting“ ein Hinweis darauf, dass die Probleme der traditionellen Kostenrechnungssysteme früh erkannt wurden (vgl. Stoi, 1999, S. 8).

4.2.2 Zielsetzung

Das Ziel, welches mit dem ABC erreicht werden soll, beschreiben Kaplan und Cooper (1999, S. 111-113) als eine ökonomische Landkarte, die es den Unternehmen ermöglicht, in einem schwierigen Umfeld erfolgreich zu handeln.

Die grundsätzlichen Fragen, die dabei mit dem ABC beantwortet werden sollen, sind (vgl. Kaplan und Cooper, 1999, S 111):

1. Welche Aktivitäten und Prozesse werden von den Unternehmensressourcen durch- geführt?
2. Welche Kosten entstehen im Unternehmen bei der Durchführung dieser Aktivitäten und Prozesse?
3. Warum muss das Unternehmen diese Aktivitäten und Prozesse ausführen?
4. Wie viel an Aktivitäten des Unternehmens ist für Leistungen und Kunden zu entfal- ten?

Die vier von Kaplan und Cooper aufgestellten Fragen, bedeuten in anderen Worten die Forderung nach verbesserten Produktkosteninformationen, die Anforderung nach mehr Transparenz in den Unternehmen und das Erkennen und die Nutzung von Rationalisie- rungspotentialen. Im Wesentlichen entspricht dies den heutigen Vorstellungen eines modernen Managements.

Als Neuerung wird in den aktuelleren Veröffentlichungen zum ABC der Aspekt des Gemeinkostenmanagements im Rahmen des Activity-Based Managements aufgeführt. Die Ziele die mit der Anwendung des ABM verfolgt werden, sind die Reduzierung von Kosten, die Erwirtschaftung von höheren Erträgen durch effizientere Kostennutzung und die Vermeidung von zusätzlichen Kosten durch eine Umverteilung von Ressourcen (vgl. Kaplan und Cooper, 1997, S. 5).

4.2.3 Grundlagen

Um die o.g. Ziele zu erreichen, geht das ABC über die traditionellen Systeme hinaus, indem es die Kosten für Ressourcen auch mit der Produktvielfalt und -komplexität ver- bindet, statt diese nur mit Produktionsmengen zu verknüpfen (vgl. Kaplan und Cooper, 1999, S115). Die Produktkosten setzen sich beim ABC daher aus der Summe der Kos- ten aller Aktivitäten, die zur Herstellung und Auslieferung eines Produktes benötigt werden, zusammen (vgl. Cooper, 1990a, S. 211). Der Einsatzbereich erstreckt sich da- bei nicht nur auf die indirekten Leistungsbereiche, sondern auch ausdrücklich auf die Fertigung (vgl. Stoi, 1999, S. 19). Beim ABC handelt es sich somit um eine von den traditionellen Kostenrechnungssystemen völlig unabhängige Methode (vgl. Stoi, 1999, S. 31). Als mögliche Anwendungsbereiche werden die Logistik, die Fertigung, das Marketing und der Vertrieb, der Kundendienst, das Rechnungswesen, die Datenverar- beitung sowie die Allgemeine Verwaltung genannt (vgl. Cooper und Kaplan, 1988, S. 97).

4.2.4 Vorgehensweise

Im folgendem soll der schematische Aufbau des ABC dargestellt werden. Dabei orientiert sich die Arbeit an den von Cooper und Kaplan vorgeschlagenen zwei Stufenmodell mit insgesamt vier Schritten (vgl. Abbildung 3).

Bevor auf die einzelnen Schritte eingegangen wird, sei noch anzumerken, dass vor der Einführung des ABC die Einführungsentscheidung und die Auswahl eines geeigneten Unternehmensbereiches steht. Denn das ABC ist nicht für jedes Unternehmen geeignet, da es nicht immer bessere Ergebnisse liefert. In Unternehmen mit einer bspw. geringen Produktvielfalt und sehr homogenen Produkten können die traditionellen Systeme durchaus geeignete Kostenrechnungssysteme darstellen (vgl. Cooper und Kaplan, 1999, S113-115). Zudem sollte das Kostenrechnungssystem nicht sofort auf das gesamte Un- ternehmen ausgedehnt werden, sondern zu erst in einem besonders geeigneten Unter- nehmensbereich eingesetzt werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Aufbau und Ablauf des ABC nach Cooper und Kaplan (in Anlehnung und Erweiterung an Cooper, 1990c, S. 345; Heilmann, 1996, S. 26)

1. Schritt: Entwicklung des Aktivitätenkatalogs

Der erste Schritt umfasst die Identifizierung und Analyse, der im Unternehmen ablaufenden Tätigkeiten und Aktivitäten. Bei den Aktivitäten handelt es sich um eine Ansammlung, der von den Produkten und Kunden, in Anspruch genommenen Tätigkeiten, wie bspw. Produktentwicklung, Rechnungsprüfung oder Beratungsgespräche.

Bei der Ermittlung der Aktivitäten bieten sich mehrere Möglichkeiten an. So kann diese mittels Standardlösungen von Beratergesellschaften, durch Befragung der Mitarbeiter oder einer Kombination beider Möglichkeiten erfolgen. Dabei schlagen Cooper und Kaplan (1999, S. 119) vor, die Aktivitäten, die weniger als fünf Prozent der Zeit eines Mitarbeiters in Anspruch nehmen, aus Vereinfachungsgründen zu vernachlässigen.

Das Ergebnis der Aktivitätenermittlung ist ein Aktivitätenkatalog, in dem alle identifi- zierten Aktivitäten gelistet werden. Dieser kann je nach Zielsetzung unterschiedlich lang sein. Steht die Ermittlung von Produkt- oder Kundenkosten im Mittelpunkt kann der Aktivitätenkatalog eher kurz ausfallen (vgl. Kaplan und Cooper, 1999, S.119). Soll das Ergebnis bspw. auch die Basis für ein ABM bilden, kann dieser auch mehrere hundert Aktivitäten umfassen.

2. Schritt: Ermittlung der Kosten für die einzelnen Aktivitäten

Nachdem der Aktivitätenkatalog erstellt wurde, kann den Aktivitäten der von ihnen beanspruchte Ressourcenverbrauch zugeordnet werden. Dabei fordern Kaplan und Cooper (1999, S. 119), dass es sich bei den Ressourcen um eine homogene Gruppe von Kosten mit ähnlicher Funktion handeln soll. Im Rahmen der ersten Verrechnungsstufe müssen die Ressourcenkosten unter Verwendung von Ressourcenkostentreibern den Aktivitäten zugerechnet werden (vgl. Stoi, 1999, S. 19). Die Ressourcenkostentreiber als Bezugsgröße stellen somit das Bindeglied zwischen den Aktivitäten und den Aufwendungen bzw. Kosten (Ressourcen) des Unternehmens dar.

Die Aktivitätskosten bestehen aus Kostenelementen, die die anteiligen Ressourcenkos- ten darstellen. Zur Ermittlung der Kostenelemente müssen die Ressourcenkosten durch die entsprechende Ressourcenkostentreibermenge dividiert werden (vgl. Abbildung 4). Anschließend werden alle Kostenelemente einer Aktivität in einem Kostenpool gesam- melt und bilden die gesamten Aktivitätskosten (vgl. Abbildung 3). An dieser Stelle wird erstmals ersichtlich, welche Gesamtkosten die einzelnen Aktivitäten verursachen. Bei diesem Vorgehen kommt es laut Kaplan und Cooper (1999, S. 122) nicht auf die präzise Bestimmung der Kosten an, sondern darauf annähernd richtig zu liegen. Sie beziehen sich dabei vor allem auf die traditionellen Kostenrechnungssysteme, die versuchen mit größtmöglicher Genauigkeit die Herstellkosten zu ermitteln, aber aufgrund der willkür- lichen Kostenschlüsselung nicht in der Lage sind genaue Ergebnisse zu liefern.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Ermittlung der Kostenelemente

Nachdem die Aktivitätskosten ermittelt wurden, werden die Aktivitäten in eine Rangfolge gebracht. Darunter verstehen Kaplan und Cooper (1999, S. 123) eine Klassifizierung der Aktivitäten nach der Kostenhierarchie: Produkteinheit, Losgröße, Produkt- und Kundengruppe sowie unternehmenserhaltende Maßnahmen.

-1. Klasse: Aktivitäten auf Einheitsebene

In diese Klasse fallen Aktivitäten, die für jede erbrachte Leistung durchgeführt werden müssen. Die Aktivitäten verhalten sich somit proportional zum Produk- tions- und Absatzvolumen. Aktivitäten dieser Ebene können das Bohren von Löchern in Metallteile oder das Schleifen von Metall sein. Dabei handelt es sich um Aktivitäten, die auch mit traditionellen Kostenrechnungssystemen richtig verrechnet werden.

-2. Klasse: Aktivitäten auf Losebene

Diese Aktivitäten müssen für jedes Los oder für jede Arbeitseinrichtung erbracht werden. Dazu zählen bspw. die Maschinenrüstung für ein Los oder die Bearbei- tung eines Kundenauftrags, der mehrere Posten beinhalten kann. Diese Aktivitä- ten können von den traditionellen Kostenrechnungssystemen, die Kosten nur auf Einheitsebene verrechnen, nicht verursachungsgerecht zugeordnet werden.

-3. Klasse: Produkt- und kundenbezogene Aktivitäten

Zu dieser Klasse gehören alle Aktivitäten, die die Wettbewerbsfähigkeit der Produkte erhalten oder steigern sowie kundenerhaltende Aktivitäten. Darunter fallen bspw. die Modifikation von Produkten oder der Kundensupport. Alle Ak- tivitäten in dieser Klasse lassen sich Produkten und Kundengruppen zuordnen, und können ebenfalls mit traditionellen Methoden nicht verursachungsgerecht verrechnet werden.

-4. Klasse: Werks- und unternehmensbezogene Aktivitäten

Hierbei handelt es sich um Aktivitäten die notwendig sind, um ganze Marken, Produktlinien, Kundengruppen und Absatzwege zu erhalten sowie Aktivitäten, die die gesamte betriebliche Leistungserstellung sicherzustellen. Aktivitäten die- ser Klasse könne auf Produktlinien, Anlagen und Absatzwege umgelegt werden, lassen sich aber keinen einzelnen Leistungen oder Kunden zuordnen.

Beschreibung der prozessorientierten Kostenrechnungssysteme 22

Aufgrund dieser Unterscheidung ist eine strukturierte Betrachtung des Ressourcen- verbrauchs durch die Aktivitäten möglich. Außerdem bietet sich die Möglichkeit die sachlichen und zeitlichen Steuerbarkeit zu erkennen (vgl. Stoi, 1999, S. 21). Der Aufbau der Aktivitätenhierarchie weist dabei eine mit der mehrstufigen Fixkostendeckungs- rechnung vergleichbare Systematik auf, die erkennen lässt, welche Kosten innerhalb der einzelnen Stufen beeinflussbar sind (vgl. Cooper und Kaplan, 1991, S. 133).

Des Weiteren lassen sich zusammengehörige Aktivitäten zu höheren Unternehmenspro- zessen zusammenfassen um einen besseren Kostenüberblick zu erhalten (vgl. Kaplan und Cooper, 1999, S. 127-128). Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass diese Zu- sammenfassung zu Problemen führen kann, wenn die Aktivitäten nicht den gleichen Kostentreibern unterliegen. In anderen Quellen wird eine ähnliche Vorgehensweise be- schrieben, dabei wird ein Ausschnitt des Produktionsprozesses, für den das Manage- ment separate Kosten ausgewiesen haben möchte, zu Aktivitätszentren zusammenge- fasst (vgl. Cooper, 1992, S. 382). Die Zusammenfassung erfolgt dabei „ausschließlich zur zusätzlichen Informationsversorgung des Managements. Für die Durchführung des Activity-Based Costing und der Kostenzuordnung spielt die Bildung der Aktivitätszent- ren keine Rolle“ (vgl. Stoi, 1999, S. 21). Da die Aktivitätszentren in den neueren Veröf- fentlichung nicht mehr erwähnt werden und starke Ähnlichkeit mit den Unternehmensprozessen zu erkennen sind, ist Mangels näherer Angaben anzunehmen, dass der Begriff Aktivitätszentrum durch den Begriff Unternehmensprozess ersetzt wurde.

3. Schritt: Ermittlung der Produkte, Dienstleistungen und Kunden des Unterneh- mens

Im Rahmen der ersten beiden Schritte wurden die Aktivitäten und deren Kosten ermit- telt. Dabei stellt sich die Frage, wofür diese Aktivitäten durchgeführt werden. Der Grund, aus welchem die Unternehmen Aktivitäten durchführen, ist der ihren Kunden Produkte und Leitungen anzubieten. Erst wenn die Leistungen und Kunden bekannt sind, können diesen die Aktivitäten und deren Kosten zugeordnet werden. Daher ist es für die Unternehmen wichtig in diesem Schritt alle erbrachten Leistungen und deren Empfänger zu identifizieren.

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Excerpt out of 59 pages

Details

Title
Die Entwicklung der prozessorientierten Kostenrechnungssysteme in den USA und in Deutschland
College
Frankfurt School of Finance & Management
Grade
1,5
Author
Year
2006
Pages
59
Catalog Number
V75750
ISBN (eBook)
9783638852333
ISBN (Book)
9783638852067
File size
847 KB
Language
German
Keywords
Entwicklung, Kostenrechnungssysteme, Deutschland, Vergleich
Quote paper
Kersten Harwardt (Author), 2006, Die Entwicklung der prozessorientierten Kostenrechnungssysteme in den USA und in Deutschland, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/75750

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