Stimmt es, dass Schulverweigerung zunehmend Karriere macht? Ist die zunehmende Zahl von Schulverweigerern Ausdruck unseres desolaten Bildungssystems? Sind Schulverweigerung und Schulversagen ein Problem sozial benachteiligter Familien?
Abweichend von der Diskussion um schulische Bedingungsfaktoren für Schulabsentismus, mit der sich ein Großteil der einschlägigen Literatur beschäftigt, werden in dieser Arbeit familiale Psycho- und Interaktionsdynamiken beleuchtet, welche die Entwicklung, Verfestigung oder Aufrechterhaltung von Schulabsentismus begünstigen oder vorantreiben. Leitziel der Arbeit ist es, den Stellenwert familialer Risikofaktoren, sei es innerfamilial oder sozioökonomisch begründet, im Gesamtgefüge des Schulabsentismus einzuschätzen.
Einleitend macht es die inhomogene Verwendung von Begrifflichkeiten notwendig, die von mir gebrauchten Begriffe zu definieren und abzugrenzen. Da das Phänomen des Schulabsentismus nicht monokausal, sondern multiperspektivisch zu erklären ist, wird jeder dieser Faktoren kurz dargestellt. Ein Exkurs zu schulpolitischen Reformdiskussionen soll einen Einblick in derzeitige schulische Rahmenbedingungen und den Bildungs- und Erziehungsauftrag von Schule im Spannungsfeld zur Familie liefern. In weiteren Kapiteln werden die Ursachen und Wirkfaktoren von Schulabsentismus im familialen Gefüge ausführlich untersucht. Diese umfassen sowohl die Interaktion zwischen Schule und Familie, als auch den Einfluss innerfamilialer Psycho- und Interaktionsdynamiken auf die Kinder und Jugendlichen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Darstellung des sozioökonomischen Ansatzes von Bildungsprozessen im Zuge familialer Marginalisierung vieler Schulverweigererbiographien. Da bundesweite Versäumnisstatistiken fehlen, wurden im 5. Kapitel Aussagen zur Häufigkeit, Verteilung, sozialen Herkunft und familialen Mustern von Jugendlichen mit schulabstinentem Verhalten, auf Grundlage verschiedener regionaler Studien zusammengestellt. Die Befragung von Schülern und Eltern eines Schulverweigerer-Projektes in Schönebeck dient dem Vergleich mit Ergebnissen anderer Studien und wird auf die Bestätigung theoretischer Erklärungszusammenhänge hin untersucht.
Ausgehend von der Darstellung pädagogischer Grundlagen im Umgang mit Schulabsentismus wird schlussfolgernd der Frage nachgegangen, wie eine gelingende Kooperation zwischen Schule und Elternhaus gestaltet werden kann.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Einführende theoretische Überlegungen zu Schulabsentismus
- Definition und Abgrenzung der Begriffe
- Weiterführende Erläuterungen der Begriffe
- Schulschwänzen
- Schulverweigerung
- Fernhalten
- Risikofaktoren für schulabstinentes Verhalten - Das Ursachen-Quintett
- Exkurs: Schulabsentismus vor dem Hintergrund der aktuellen Schulpolitik und Bildungskritik - Aufgaben von Schule
- Diskurs der Erklärungsmodelle von Schulabsentismus im familialen Kontext
- Vorbetrachtung: Struktureller Wandel des Mikrosystems Familie - Auswirkungen auf Bildung und Erziehung
- Zusammenhänge im Spannungsfeld Familie und Schule
- Schule und Familie zwischen Erwartung und Ablehnung
- Schulabsentismus als Thema von Bindung-, Ablösung- und Interaktionsdynamiken
- Schulabsentismus als Ausstoßungsthema
- Schulabsentismus als Wiederholung und Übertragung
- Schulabsentismus als Konsequenz kritischer Lebensereignisse
- Modell der Trennungsangst bei Schulphobie
- Armutsentwicklung – Schulabsentismus im Kontext sozialer Ungleichheit
- Der sozioökonomische Ansatz
- Der sozioökonomische Ansatz von Bildungsprozessen
- Folgen familialer Marginalisierung: Schulabsentismus
- Die Anomie-Theorie als Deutungsmuster milieuspezifischer Entwicklungen von Schulabsentismus
- Weitere Delinquenztheorien: Kontrolltheorie, Subkulturtheorie und Theorie des Sozialen Kapitals
- Der sozioökonomische Ansatz
- Fazit
- Empirische Befunde zu Schulabsentismus bei Jugendlichen in Deutschland
- Häufigkeit und Verteilung von schulabstinentem Verhalten
- Empirische Befunde zum Zusammenhang von Schulabsentismus und familialen Einflüssen
- Ergebnisse einer Metaanalyse nach Ricking
- Ergebnisse einer repräsentativen Erhebung des Deutschen Jugendinstituts (DJI)
- Ergebnisse der Schüler-Befragung
- Ergebnisse der Experten-Befragung
- Überblick zu Ergebnissen weiterer deutscher Untersuchungen zu Schulabsentismus im familialen Kontext
- Fazit
- Untersuchung familialer Bedingungsfaktoren für Schulabsentismus am Beispiel eines Schulverweigerer-Projektes in Sachsen-Anhalt
- Untersuchungsdesign
- Entwicklung der Untersuchungsinstrumente
- Der Eltern-Fragebogen
- Der Schüler-Fragebogen
- Durchführung der Untersuchung
- Ergebnisse der Befragungen
- Beschreibung der Untersuchungsteilnehmer
- Ausgewählte Einzelergebnisse der Befragungen
- Ausgewählte Einzelergebnisse der Eltern-Befragungen
- Ausgewählte Einzelergebnisse der Schüler-Befragungen
- Diskussion der Ergebnisse
- Hypothesenprüfung
- Zum pädagogischen Umgang mit Schulabsentismus
- Präventive pädagogische Konzepte
- Interventive pädagogische Konzepte
- Reintegrative bzw. rehabilitative pädagogische Konzepte
- Ersatzbeschulung
- Fall- und Systemkooperation von Schule und Jugendhilfe
- Konsequenzen
- Elternarbeit in der Prävention und Intervention von Schulabsentismus
- Empirische Hinweise
- Aktivierung der Elternpartizipation
- Methodik und Rahmenbedingungen für Elterngespräche
- Empowermentorientierte Konzepte für eine Elternkooperation bei Schulabsentismus
- Praktizierte Elternarbeit in Schulverweigerer-Projekten
- Elternarbeit in der Prävention und Intervention von Schulabsentismus
- Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht das Ursachenfeld Familie im Kontext der Entstehung und Aufrechterhaltung von Schulabsentismus. Sie analysiert die Problematik anhand eines Schulverweigerer-Projektes in Sachsen-Anhalt und zielt darauf ab, die Bedeutung familialer Faktoren für die Entstehung und Aufrechterhaltung von Schulabsentismus zu beleuchten.
- Schulabsentismus im Kontext des familialen Umfelds
- Die Rolle der Familie als Risikofaktor für Schulabsentismus
- Der Einfluss von familialen Interaktionsmustern und Bindungsdynamiken auf schulabstinentes Verhalten
- Sozioökonomische Faktoren und ihre Auswirkungen auf Schulabsentismus im familialen Kontext
- Pädagogische Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit Schulabsentismus unter Einbezug der Familie
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung führt in die Thematik des Schulabsentismus im familialen Kontext ein und umreißt die Forschungsfrage sowie die methodische Vorgehensweise der Arbeit.
- Das zweite Kapitel liefert einführende theoretische Überlegungen zu Schulabsentismus. Es werden Definitionen und Abgrenzungen der Begriffe Schulabsentismus, Schulschwänzen und Schulverweigerung vorgestellt, sowie Risikofaktoren für schulabstinentes Verhalten im Ursachen-Quintett beleuchtet, wobei der Fokus auf den Risikofaktor Familie liegt.
- Das dritte Kapitel bietet einen Exkurs über Schulabsentismus im Kontext der aktuellen Schulpolitik und Bildungskritik und geht auf die Aufgaben von Schule ein.
- Das vierte Kapitel befasst sich mit den Erklärungsmodellen von Schulabsentismus im familialen Kontext. Es werden strukturelle Veränderungen des Mikrosystems Familie und deren Auswirkungen auf Bildung und Erziehung betrachtet, sowie Zusammenhänge im Spannungsfeld Familie und Schule analysiert. Zudem werden Schulabsentismus als Thema von Bindung-, Ablösung- und Interaktionsdynamiken im familialen Kontext untersucht, sowie sozioökonomische Faktoren und ihre Auswirkungen auf Schulabsentismus im familialen Kontext beleuchtet.
- Das fünfte Kapitel präsentiert empirische Befunde zu Schulabsentismus bei Jugendlichen in Deutschland, beleuchtet die Häufigkeit und Verteilung von schulabstinentem Verhalten und analysiert empirische Befunde zum Zusammenhang von Schulabsentismus und familialen Einflüssen.
- Das sechste Kapitel widmet sich der Untersuchung familialer Bedingungsfaktoren für Schulabsentismus am Beispiel eines Schulverweigerer-Projektes in Sachsen-Anhalt. Es erläutert das Untersuchungsdesign, die Entwicklung der Untersuchungsinstrumente und die Ergebnisse der Befragungen, die anschließend diskutiert und auf die Hypothesenprüfung bezogen werden.
- Das siebte Kapitel befasst sich mit dem pädagogischen Umgang mit Schulabsentismus und stellt verschiedene präventive, interventive und reintegrative bzw. rehabilitative pädagogische Konzepte vor.
- Das achte Kapitel fokussiert auf die Konsequenzen der gewonnenen Erkenntnisse für die Praxis, insbesondere auf die Elternarbeit in der Prävention und Intervention von Schulabsentismus. Es beleuchtet empirische Hinweise, Aktivierungsstrategien der Elternpartizipation und verschiedene empowermentorientierte Konzepte für eine Elternkooperation bei Schulabsentismus.
Schlüsselwörter
Schulabsentismus, Schulverweigerung, Familie, Risikofaktoren, familiäre Interaktion, Bindung, Ablösung, sozioökonomische Faktoren, Schulpolitik, Bildungskritik, pädagogischer Umgang, Elternarbeit, Prävention, Intervention, Reintegration, Schulverweigerer-Projekt, Sachsen-Anhalt.
- Arbeit zitieren
- Nicole Mösch (Autor:in), 2007, Schulabsentismus. Entstehung und Aufrechterhaltung. Ursachenfeld Familie., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76015