Stadien und Faktoren der Lesesozialisation


Seminararbeit, 2006

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

0.Vorbemerkung

1. Was ist Lesesozialisation?

2. Stadien der Lesesozialisation
a) in der Familie
b) in der Schule

3. Faktoren der Lesesozialisation
a) soziale Schicht
b) Geschlecht
c) ethnische Herkunft

4. Zusammenfassung und Ausblick

5. Literaturangaben

0. Vorbemerkung

Warum sich ein Kind zum Leser entwickelt und ein anderes nicht, lässt sich nicht mit Sicherheit beantworten. Auch lassen sich keine exakten Entwicklungsprogno­sen abgeben, ab wann ein Leseinteresse in Kindern erwacht und wie es sich im Laufe des Lebens verändert. Dennoch kann man durch die Erkenntnisse der For­schung im Bereich der Lesesozialisation heute genauer bestimmen, welche sozialen und psychologischen Faktoren dazu beitragen, dass ein Kind eher zum Buch greift, und auch, welche didaktischen Methoden erfolgsversprechend sind, wenn man Kin­der zu Lesern erziehen möchte.

Dieser „Bildungsprozess“[1] zum Buch und zum Lesen hin findet in verschiedenen Bereichen statt, die sich nicht immer klar voneinander abgrenzen lassen. So ist der Begriff der „Lesesozialisation“, also die Erziehung zum Lesen, eng mit einer „Schreibsozialisation“, dem freien und geübten Umgang mit Schrift und Schrift­lichkeit, verknüpft – beides lässt sich ohne einander nicht denken. Die Lesesoziali­sation ist aber auch eine wichtige Vorstufe zur „literarischen Sozialisation“, d.h. der Möglichkeit der Teilhabe am literarischen Leben von der Benutzung von Bibliothe­ken bis hin zum Theaterbesuch, und auch zur „Lesekompetenz“, d.h. der Fähigkeit, neben der Umsetzung vom Schrifttext zur Sprache auch den Inhalt des Textes zu verstehen und ihn für die eigene Lebenssituation oder das eigene Informationsbe­dürfnis gewinnbringend einzusetzen. Alle diese Teilbereiche lassen sich unter den Oberbegriff der Lesesozialisation subsumieren, die in dieser Arbeit keinen definito­rische Verengung erfahren soll, da eine scharfe Trennung der oben genannten Be­griffe m.E. nicht möglich und auch nicht sinnvoll ist.

1. Was ist Lesesozialisation?

Die Lesesozialisation ist ein relativ junger Forschungsgegenstand der Fachdidaktik. Zwar gab es bereits seit der Erfindung des Buchdrucks unter den ersten Fibelauto­ren eine Debatte darüber, wie dem Kind das Lesen im Sinne eines Dechiffrierens von Schrift in Inhalt beigebracht werden könne. Dort stritten die Vertreter des Lesen durch das Einaneinanderfügen einzelner Buchstaben (Elementiermethode) oder Silben (Syllabiermethode) gegen die, welche die Meinung vertraten, das Kind könne effizienter Lesen lernen, wenn man ihm ganze Worte beibringe (Wortbildle­sen)[2] Etwa hundert Jahre später tritt bei Tilemann Olearius und Johannes Bruno noch die Lautiermethode hinzu. Doch diese, wenn man so will fachdidaktischen, Ausführungen zu den Leselernmethoden, die bis ins 20. Jahrhundert hinein die­selben blieben, betrachten in ihren Untersuchungen Lesen lediglich nur als tech­nischen Prozess. In der Lesesozialisation dagegen, wie sie sich als Forschungs­gegenstand erst ab den 1970ern entwickelte, geht es nicht allein darum, wie ein Kind das Lesen als funktionale Kompetenz erlernt, sondern durch sie soll vor allem die Frage beantwortbar werden, warum ein Kind zum Leser wird, d.h. zu einem Menschen, der auch den Inhalt von Texten versteht und umsetzen kann, der Freude am Lesen empfindet und vielleicht im Erwachsenleben häufiger als andere aus eigenem Antrieb zum Buch greift.

Die Lesesozialisationsforschung untersucht daher, welche sozialen Faktoren, wel­che Einflüsse für die Entwicklung zukünftiger Leser förderlich sind, bzw. welche Hindernisse diesem individuellen Werdegang zum Leser, der Lesesozialisation im Wege stehen. Dieser Aspekt ist insbesondere in den Blickpunkt geraten, seit das Lesen verstärkt der Konkurrenz audio-visueller Medien ausgesetzt ist, durch die das verstehende Lesen nicht mehr der einzige Zugang zu Informationen und zur Teil­nahme an der Gesellschaft ist. Negativ gesprochen erwächst dem Lesen in der Nut­zung audio-viueller Medien nicht nur eine zeitliche Konkurrenz, denn je mehr Zeit Kinder wie Erwachsene vor dem Fernseher, dem PC oder dem Videospiel ver­bringen, um so geringer ist die Zeit, die zum Lesen verbleibt, sondern „in einer ganz aufs Visuelle angelegten Gesellschaft, wo es möglich ist, Unterhaltung wie Wissenswertes sehr eindrucksvoll visuell zu übermitteln, drohen Schreib- wie Lese­kunst in Vergessenheit zu geraten, ja wieder Sache einer kleinen Elite zu werden.“[3]

Solche Szenarien vom Untergang des Abendlandes durch die Multi-Media-Gesell­schaft, wie sie nicht zuletzt auch Neil Postmans plakativer These[4] zugrunde liegen, lassen sich statistisch (noch) nicht belegen. Weder Fernseher noch Internet haben das Lesen ganz verdrängen können. Aber die daran entfachten Diskussionen haben zumindest das Bewusstsein dafür geschärft, wie sehr Lesekompetenz und sozialer und beruflicher Erfolg miteinander verknüpft sind[5]. Denn nicht zuletzt erfordern auch die Bedienung von Fernseher und Computer Lesekenntnisse und den kompe­tenten Umgang mit Texten.

Eine Verschärfung der Diskussion um die Lesesozialisation ist zusätzlich durch die Ergebnisse der PISA-Studien eingetreten, in denen bereits 2001 den deutschen Schülern auch im Bereich der Lesekompetenz ein unterdurchschnittliches Ergebnis bescheinigt wurde: bei 25% der 15-jährigen wurde dieser Bereich mit „schwach“ bzw. „sehr schwach“ bewertet.[6]

Theoretisch liegt dem Begriff der Lesesozialisation das Konzept zugrunde, dass ein Mensch nicht nur durch seine spezifischen Anlagen, wie etwa Intelligenz oder die genetische Disposition zur Sprachkompetenz, geprägt ist, sondern durch seine soziale Umgebung, durch die Familie, die Schule und den Kontakt mit sozial ein­flussreichen Kontaktpersonen und Gleichaltrigen („peer-group“) in seiner Ent­wicklung maßgeblich beeinflusst wird.

Dieser Prozess der Beeinflussung ist aber keine Einbahnstraße, das Kind ist seinem sozialen Umfeld nicht hilf- und willenlos ausgeliefert, sondern gerade durch eine erfolgreiche Lesesozialisation entwickelt sich ein reziproker Prozess, der dem Menschen erlaubt, eigene Vorlieben zu entwickeln und eine Auswahl aus einem Lese- und Bildungsangebot zu treffen:

„Es geht nicht nur um das „Hineinwachsen“ des Menschen in gesellschaftliche Struktur- und Interaktionszusammenhänge, sondern auch um den Erwerb von Kom­petenzen, die es ermöglichen, diese zielbewusst mitzugestalten.“[7]

[...]


[1] Susanne Görlitzer: Lesesozialisation. In: Günter Lange/ Swantje Weinhold: Grundlagen der Deutschdidaktik. Hohengehren: Schneider Verlag 2005,

[2] Vgl. Klaus Füller: Lesen in Geschichte und Gegenwart. Hohengehren: Schneider Verlag 1997, S. 13 ff.

[3] Füller, a.a.O.

[4] Neil Postman: Wir amüsieren uns zu Tode. Frankfurt a.M.: Suhrkamo 1985

[5] Susanne Limroth-Kranz: Lesen im Lebenslauf. Doktorarbeit. Hamburg 1997,

[6] vgl. Jürgen Belgrad: Lesekompetenzschwächen: Versäumnisse des Deutschunterrichts. In: Michael Kämpüer-van den Boogaart (Hg.): Deutschunterricht nach der PISA-Studie. Frankfurt a.M.: Lang 2004

[7] Bettina Hurrelmann: Sozialisation. In: Norbert Groeben (Hg.): Lesesozialisation in der Mediengesellschaft. Köln: Kölner psychologische Studien 1999. Zit. in Gölitzer. a.a.O.,

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Stadien und Faktoren der Lesesozialisation
Hochschule
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig
Veranstaltung
Proseminar Literaturdidaktik
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
16
Katalognummer
V76087
ISBN (eBook)
9783638798242
ISBN (Buch)
9783656661474
Dateigröße
367 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Stadien, Faktoren, Lesesozialisation, Proseminar, Literaturdidaktik
Arbeit zitieren
Konstanze Wolgast (Autor:in), 2006, Stadien und Faktoren der Lesesozialisation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76087

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