Der Parlamentsvorbehalt im Haushaltsrecht - Betrachtungen zur Beschaffung des Transportflugzeuges A400M


Seminararbeit, 2002

25 Seiten, Note: 15 Punkte (gut)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Parlamentsvorbehalt im Haushaltsrecht

I. Einleitung
1. Begriff des Parlamentsvorbehalts
2. Bedeutung des Parlamentsvorbehalts
3. Grundsätze des Haushaltsrecht
a) Das Vollständigkeitsprinzip
b) Einheitsprinzip
4. Verpflichtungsermächtigungen

II. Der Gang der Airbusbeschaffung
1. Die Finanzierung im Bundeshaushaltsplan 2002
2. Unterzeichnung des Beschaffungsvertrags am 18.12.2001
3. Entschluß des Bundestages zum Vorhaben des A400M
4. Klage der FDP- und der Unionsfraktion beim Bundesverfassungsgericht
5. Scharpings Schadensersatzzusage
6. Einigung über die Finanzierung in zwei Stufen
7. Sondersitzung des Haushaltsausschusses am 30. April 2002

III. Rechtliche Bewertung: Verstoß gegen den Parlamentsvorbehalt?
1. Rechtlicher Status des Bundestagsbeschlusses vom 24. Januar 2002
a) Auffassung der Unions- und der FDP-Fraktion
b) Gutachten des Bundesrechnungshofes
c) Die Argumentation des Bundesministeriums der Verteidigung
d) Eigene Bewertung
aa) Erforderlichkeit eines Haushaltsgesetzes
bb) Verstoß gegen das Vollständigkeits- und das Einheitsprinzip
2. Verletzung des Parlamentsvorbehalts durch Schadensersatzzusagen
3. Pflicht zur Finanzierung aus Art. 87a I 2 GG?
4. Stellungnahme

IV. Ergebnis

Literaturverzeichnis

Zeitungsartikel

Internetquellen

Parlamentsvorbehalt im Haushaltsrecht

- Betrachtungen zur Beschaffung des Transportflugzeuges A400M -

„Die von Ew. Majestät berufenen Minister [haben seitdem] verfassungswidrig die Verwaltung ohne gesetzlichen Etat fortgeführt [...]. Das oberste Recht der Volksvertretung, das der Aufgabenbewilligung, war damit angegriffen – ein Recht welches die Grundlage des constitutionellen Staatslebens überhaupt ist [...].“[1]

So schrieb das preußische Abgeordnetenhaus in einer Adresse bezüglich der Reform der preußischen Armee an den preußischen König Wilhelm I. am 29. Januar 1863. Es gab also bereits vor 140 Jahren Streitigkeiten zwischen Parlament und Exekutive wegen der Finanzierung von Militärausgaben. Dieses Thema des Parlamentsvorbehalts im Haushaltsrecht wird heutzutage wieder bei der Finanzierung des Transportflugzeuges Airbus A400M aktuell.

I. Einleitung

Hintergrund des Streites zwischen dem Bundestag, vertreten durch die Fraktionen der CDU/CSU und FDP, und der Bundesregierung, vertreten durch den Bundesminister für Verteidigung, Rudolf Scharping, ist erstens die rechtliche Bewertung des Bundestagsbeschlusses vom 24. Januar 2002 bezüglich der Airbusbeschaffung sowie zweitens die Schadensersatzzusagen gegenüber den Vertragspartnern im sog. Side-Letter zum Beschaffungsvertrag. Inwieweit dadurch ein Verstoß gegen den Parlamentsvorbehalt im Haushaltsrecht und andere Haushaltsprinzipien vorliegt, wird im folgenden dargestellt.

Hierbei scheint es nicht primär um politische Sachfragen, sondern vielmehr um den Gang der Finanzierung des Rüstungsvorhabens zu gehen.[2] Immerhin liegt der Beschaffungspreis für 73 Maschinen bei 8,517 Milliarden €, was einem Stückpreis von ca. 116,6 Millionen € entspricht.

1. Begriff des Parlamentsvorbehalts

Der Parlamentsvorbehalt im Haushaltsrecht, auch parlamentarisches Budgetrecht genannt, ist Ausformung des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes, der „verlangt, daß staatliches Handeln in bestimmten grundlegenden Bereichen durch förmliches Gesetz legitimiert wird“.[3] Dieses Prinzip kommt vor allem im Bereich der Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen zum Tragen. Ebenso unterliegt die Feststellung des Haushaltsplanes dem Parlamentsvorbehalt, da dieser Plan gem. Art. 110 II 1 GG durch ein Haushaltsgesetz festgestellt werden muß. Damit stellt sich der Parlamentsvorbehalt im Haushaltsrecht als Ausprägung des Prinzips der Gewaltenteilung auf finanziellem Gebiet dar.[4]

2. Bedeutung des Parlamentsvorbehalts

Während des Deutschen Reiches von 1871 war das Budgetrecht des Reichstages, durch das dieser über die Finanzierung politische Schwerpunkte setzen konnte, wichtigstes parlamentarisches Kontrollinstrument gegenüber der monarchistischen Exekutive.[5] Dieser Dualismus ist weitgehend dadurch entschärft worden, daß in der Bundesrepublik enge Bindungen zwischen der parlamentarischen Mehrheit und der von ihr getragenen Regierung bestehen, während in der Kaiserzeit die Regierung in erster Linie vom Monarchen abhängig war. Nunmehr stehen sich, wie auch beim Streit um die Airbusbeschaffung, die Regierung und die Parlamentsmehrheit einerseits und die Opposition andererseits gegenüber.[6] Daraus ist gefolgert worden, daß das ursprüngliche Spannungsfeld zwischen Parlament und Regierung nicht mehr bestehe und entscheidend sei, ob einzelne Ausgaben dem politischen Programm der Bundesregierung entsprechen, welches von der Koalitionsmehrheit des Bundestages getragen wird.[7]

Demgegenüber vertritt das Bundesverfassungsgericht zutreffend, daß dem parlamenta­rischen Budgetbewilligungsrecht – trotz der Entwicklung in der modernen Staatspraxis – eine „überragende verfassungsrechtliche Stellung“ im „Gesamt­zusammen­hang der demokratisch-parlamentarischen Verfassung“[8] zukommt. Es ist „eines der wesentlichen Instrumente der parlamentarischen Regierungskontrolle, die die rechtsstaatliche Demokratie entscheidend prägt.“[9] Ziel des Budgetrechts des Parlaments ist es, ein demokratisch legitimiertes, am Gemeinwohl orientiertes Finanzgebaren zu gewährleisten.[10] Die Feststellung des Haushaltsplans durch Gesetz (Art. 110 II 1 GG) verschafft der staatlichen Haushaltswirtschaft erst seine nach Art. 20 II GG erforderliche demokratische Legitimation in sachlich-inhaltlicher Hinsicht[11] und ist damit „Rechtsgrundlage für das Handeln des Finanzstaates“.[12] Das parlamentarische Budgetbewilligungsrecht der Artt. 110 II, 87a I 2 GG ist somit letztlich Ausformung des Demokratieprinzips des Art. 20 II GG.[13] Neben diese Legitimationsfunktion treten unter der Geltung des Grundgesetzes noch Kontroll- und Steuerungsfunktionen.[14]

Für Ausgaben der Streitkräfte hebt Art. 87a I 2 GG die erforderliche Kontrolle durch das Parlament noch einmal speziell hervor. Hintergrund dieser Regelung ist, daß im Hinblick auf die militärische Aufrüstung ohne Kenntnis und Zustimmung des Reichstages in der Weimarer Republik[15] eine bessere Kontrolle der Bundeswehr durch das Parlament verfassungsrechtlich besonders betont werden sollte.[16] Art. 87a I 2 GG ist somit Ausdruck einer vom GG gewollten Parlamentarisierung der Streitkräfte.[17]

3. Grundsätze des Haushaltsrecht

Der Bundeshaushalt kann seine Funktionen nur erfüllen, wenn bestimmte Haushalts­grundsätze beachtet werden. Diese Prinzipien sind teilweise verfassungsrechtlich ausdrücklich garantiert, entstammen ungeschriebenen Verfassungsgrundsätzen oder sind einfachgesetzlich normiert. Folgend werden das Vollständigkeits- und das Einheits­prinzip näher erörtert, die eine besondere Bedeutung für das Budgetrecht des Parlaments haben, da sie u.a. die Beachtung des Parlamentsvorbehalts auch in der Haushalts­praxis gewährleisten sollen.

a) Das Vollständigkeitsprinzip

Das Vollständigkeitsprinzip ist in Art. 110 I 1 GG verankert. Demnach sind alle Einnahmen und Ausgaben des Bundes im Haushaltsplan zu veranschlagen. Das Vollständigkeitsprinzip zielt darauf ab, durch eine umfassende Aufstellung von staatlichen Einnahmen und Verpflichtungen die gesamte Finanzwirtschaft der Budgetplanung zu unterwerfen.[18] Das Vollständigkeitsprinzip kann auf verschiedene Art und Weise verletzt werden. Eine subtile Verletzung liegt vor, wenn die voraussichtlichen Einnahmen zu hoch bzw. die Ausgaben als zu niedrig angesetzt werden, um die wahre Finanzlage zu verschleiern.[19]

b) Einheitsprinzip

Das Einheitsprinzip wird ebenfalls in Art. 110 I 1 GG normiert: „Alle Einnahmen und Ausgaben des Bundes sind in den [Hervorhebung des Verfassers] Haushaltsplan einzustellen [...]“. Daraus folgt, daß sämtliche Ausgaben- und Einnahmentitel in einem einzigen Plan zusammenzufassen sind. Dadurch wird garantiert, daß eine Gesamtübersicht der Finanzwirtschaft auf Bundesebene greifbar ist.[20] Gegen das Einheitsprinzip verstößt das Organisieren von Einnahmen- oder Ausgabenkreisläufen außerhalb des Budgets (sog. Schatten- oder Nebenhaushalte).[21]

Auf den ersten Blick scheinen das Vollständigkeits- und das Einheitsprinzip deckungsgleich zu sein. Richtigerweise unterscheiden sie sich darin, daß das Einheitsprinzip verletzt sein würde – nicht aber zwangsläufig das Vollständigkeitsprinzip -, wenn alle Einnahmen und Ausgaben zwar veranschlagt sind, dies aber in vielen verschiedenen Haushaltsplänen geschieht.

4. Verpflichtungsermächtigungen

Der Begriff „Verpflichtungsermächtigungen“ wurde im deutschen Haushaltsrecht erst 1930 durch § 45b der Reichshaushaltsordnung eingeführt.[22] Allerdings wurde der Begriff im Zuge der Finanz- und Haushaltsrechtsreform 1969 nicht in das Grundgesetz aufgenommen. Im geltenden Recht wird der Begriff „Verpflichtungsermächtigung“ in § 6 BHO als Erlaubnis der Eingehung einer Verbindlichkeit zur Leistung in künftigen Haushaltsjahren definiert. Eine solche Genehmigung bedeutet die Vorausbindung von Finanzmitteln und damit eine Einschränkung der Gestaltungsmöglichkeiten des Parlaments bei der Erstellung von Haushaltsplänen in der Zukunft. Gem. § 3 I BHO verlangt das parlamentarische Budgetrecht, daß auch finanzielle Verpflichtungen, die erst in späteren Haushaltsjahren wirksam werden, vom Parlament bewilligt werden müssen.[23] Diese Verpflichtungsermächtigungen sind gem. § 11 II Nr. 3 BHO vollständig in den Haushaltsplan einzustellen. Da der Posten der Verpflichtungsermächtigung naturgemäß gar nicht oder nicht vollständig im veranschlagten Haushaltsjahr ausgegeben wird, regelt § 16 BHO, daß bei Ausgaben, die in mehreren zukünftigen Haushaltsjahren geleistet werden, die jeweiligen Jahresbeträge gesondert angegeben werden müssen. Für Verpflichtungsermächtigungen gilt nicht das Deckungsprinzip, da die Gelder nicht im laufenden Haushaltsjahr ausgegeben werden.[24]

Den Verpflichtungsermächtigungen kommt v.a. im Verteidigungshaushalt eine besondere Bedeutung zu. So sind im Bundeshaushaltsplan 2002 insgesamt über 19,6 Milliarden € durch Verpflichtungsermächtigungen eingestellt, die in den Folgejahren wirksam werden.[25]

II. Der Gang der Airbusbeschaffung

Am 19. Juni 2001 einigten sich acht europäische NATO-Partner (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Spanien, Belgien, Türkei, Portugal und Luxemburg) darauf, im Rahmen eines gemeinsamen Rüstungsprojekts insgesamt 196 Maschinen des Transportflugzeuges Airbus A400M zu beschaffen. Hierbei hat Deutschland zugesagt, die mit Abstand größte Bestellung zu tätigen (73 Flugzeuge). Der A400M soll die 30 Jahre alten Transall-Transporter der Bundeswehr ersetzen, da es sich gezeigt hat, daß neben Ablauf der Lebensdauer der alten Maschinen größere Transportkapazitäten erforderlich sind, um die wachsende Zahl von Auslandseinsätzen der Bundeswehr (z. B. auf dem Balkan und in Afghanistan) logistisch zu unterstützen. Im Bundestag sind sich alle Fraktionen – bis auf Ausnahme der PDS – einig, daß die Bundeswehr dringend erhöhte Lufttransportkapazitäten benötigt, um auf internationale Krisenentwicklungen angemessen reagieren zu können.[26] Insbesondere hat es sich bei dem Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der Operation „Enduring Freedom“ gezeigt, daß die Luftwaffe z.Zt. mit eigenen Kräften weder in der Lage ist, größere Truppenkontingente zu verlegen noch eine ausreichende logistische Unterstützung sowie Evakuierungsmöglichkeiten zu gewährleisten.[27] Der Airbus A400M soll in der Lage sein, die Defizite hinsichtlich Nutzlast, Reichweite, Geschwindigkeit und Überlebensfähigkeit abzubauen und zudem die Transportkosten gegenüber der Transall verringern.

[...]


[1] Huber, Dokumente Bd. 2, S. 60.

[2] Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 30.04.2002, S. 2.

[3] BVerfGE 98, 218, 251.

[4] v. Münch/Kunig – Fischer-Menshausen, Art. 110 Rdn. 1.

[5] v. Münch/Kunig – Fischer-Menshausen, vor Art. 110-115 Rdn. 3.

[6] v. Münch/Kunig – Fischer-Menshausen, vor Art. 110-115 Rdn. 3.

[7] Arndt, DVBl. 1975, 601.

[8] BVerfGE 45, 1, 31f.

[9] BVerfGE 70, 324, 356.

[10] Puhl, Budgetflucht und Haushaltsverfassung, S. 1, 4.

[11] v. Mangoldt/Klein/Starck – Hillgruber, Art. 110 Rdn. 19; vgl. auch v. Arnim, DVBl. 1985, 1286, 1289.

[12] Kirchhof, NVwZ 1983, 505.

[13] v. Mangoldt/Klein/Starck – Hillgruber, Art. 110 Rdn. 41.

[14] v. Münch/Kunig – Fischer-Menshausen, Art. 110 Rdn. 2.

[15] Vgl. Bracher, Die Auflösung der Weimarer Republik, S. 244 Fn 163.

[16] v. Mangoldt/Klein/Starck – Baldus, Art. 87a Rdn. 18.

[17] v. Mangoldt/Klein/Starck – Baldus, Art. 87a Rdn. 19, Jarass/Pieroth – Pieroth, Art. 87a Rdn. 3.

[18] v. Mangoldt/Klein/Starck – Hillgruber, Art. 110 Rdn. 51.

[19] Kisker, HdBStR Bd. IV, § 89 Rdn. 63; v. Mutius, VVDStRL 42 (1984), 147, 171.

[20] v. Mangoldt/Klein/Starck – Hillgruber, Art. 110 Rdn. 45.

[21] v. Münch/Kunig – Fischer-Menshausen, Art. 110 Rdn. 9.

[22] Fährmann, DÖV 1979, 886, 887.

[23] Piduch, BHO, § 6 Rdn. 2.

[24] Maunz/Dürig/Herzog – Maunz, Art. 110 Rdn. 32.

[25] BGBl. I 2001, 3979.

[26] Vgl. www.bundestag.de/aktuell/hib/2002/2002_113/01.html.

[27] Vgl. BT-Drucks. 14/8024, S. 1f.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Der Parlamentsvorbehalt im Haushaltsrecht - Betrachtungen zur Beschaffung des Transportflugzeuges A400M
Hochschule
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
Note
15 Punkte (gut)
Autor
Jahr
2002
Seiten
25
Katalognummer
V76197
ISBN (eBook)
9783638808354
ISBN (Buch)
9783638810821
Dateigröße
462 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Parlamentsvorbehalt, Haushaltsrecht, Betrachtungen, Beschaffung, Transportflugzeuges, A400M
Arbeit zitieren
Dr. jur. Manuel Ladiges (Autor:in), 2002, Der Parlamentsvorbehalt im Haushaltsrecht - Betrachtungen zur Beschaffung des Transportflugzeuges A400M , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76197

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