Präpositionen im Zweitspracherwerb - Ein integrativer Ansatz


Magisterarbeit, 2007

104 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Theorien des Zweitspracherwerbs
1.1 Behavioristische Theorien
1.1.1 Kontrastivhypothese
1.1.1.1 Interferenz
1.1.1.2 Transfer
1.2 Universalgrammatik
1.2.1 Positive und negative Evidenz
1.2.2 Prinzipien und Parameter
1.2.3 UG Prinzipien
1.2.4 UG Parameter
1.2.5 Universalgrammatik im Zweitspracherwerb
1.2.6 Bewertung des Ansatzes der Universalgrammatik
1.3 Identitätshypothese
1.4 Neuere kognitive Modelle
1.4.1 Verarbeitungstheorien
1.4.1.1 Informationsverarbeitendes Modell
1.4.1.2 Das ACT Modell
1.4.2 Konstruktionistischer Ansatz: Connectionism
1.4.2.1 Connectionism und Zweitspracherwerb
1.4.3 Bewertung kognitiver Ansätze

2 Didaktische Methoden
2.1 Grammatik-Übersetzungsmethode
2.2 Audiolinguale Methode
2.3 Communicative language learning
2.4 Total physical response
2.5 The silent way
2.6 Task-based language learning

3 Grammatikvermittlung
3.1 Definition von Grammatik
3.2 Induktive und deduktive Grammatikvermittlung
3.3 Stand der Unterrichtspraxis
3.4 Methodische Operationen in der Grammatikvermittlung
3.4.1 Feedback-Optionen
3.4.2 Performanz-Optionen für Lerner
3.4.2.1 Aktivitäten in der fokussierten Kommunikation
3.4.2.2 Merkmals-fokussierte Vermittlung
3.4.2.2.1 Explizite Grammatikvermittlung
3.4.2.2.2 Implizite Instruktion
3.4.2.2.2.1 Input-orientierte Optionen
3.4.2.2.2.2 Output-orientierte Optionen
3.5 Fazit

4 Präpositionen
4.1 Syntaktische Funktionen
4.1.1 Partikelverben und Präpositionalverben
4.2 Grammatikalisierung
4.3 Grammatikalisierte Präpositionen
4.3.1 Syntaktische Funktionen der grammatikalisierten Präposition “of”
4.3.1.1 Komplement in NPs
4.3.1.2 Komplement in AdjPs und AdvPs
4.3.1.3 Komplement in VPs und PPs
4.3.1.4 Andere Funktionen von “of”
4.4 Semantische Eigenschaften von Präpositionen
4.4.1 Lexikalische Eigenschaften englischer Präpositionen
4.5 Die Präposition “over”: eine polyseme Kategorien
4.5.1 Merkmale räumlicher Kategorien
4.5.1.1 Ein prototypisches Modell am Beispiel der Präposition “over”
4.5.1.1.1 ABOVE/ACROSS
4.5.1.1.2 ABOVE
4.5.1.1.3 BEDECKUNG
4.5.1.1.4 Anwendungsbeispiele für das prototypische Modell
4.6 Fazit

5 Schulbuchanalyse
5.1 Lexikalische Präpositionen
5.2 Präpositional- und Partikelverben
5.3 Gerundium
5.4Temporale Präpositionen
5.5 Fazit der Schulbuchanalyse

6 Schlußfolgerungen
6.1 Anwendungsmöglichkeiten im Unterricht

7 Ausblick

Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Einleitung

Diese Arbeit beschäftigt sich mit Präpositionen im Zweitspracherwerb. Das soll in einem integrativen Ansatz geschehen, der Theorien des Zweitspracherwerbs, didaktische Modelle und neuere kognitiv-linguistische Ansätze vereint. Unter diesem Aspekt soll untersucht werden, wie Präpositionen in Schulbüchern vermittelt werden und mit welchen Mitteln sich gegebenenfalls das schwer erlernbare Gebiet der Präpositionen leichter vermitteln lässt.

Die Probleme, die im Zweitspracherwerb auf die Lerner von Präpositionen zukommen, bringt TAYLOR 1995 auf den Punkt:

“As any foreign learner of English will confirm, the polysemy of prepositions verges on the chaotic. This impression is strengthened by the fact that the range of uses associated with any one preposition in one language rarely overlaps with the meanings of any single linguistic form in another language. (...) In German, you go auf Urlaub, you live auf dem Lande, and you meet people auf einer Party, while in English you go on holiday, you live in the country, and you meet people at a party.” (ibid.: 109)

Die von Taylor angeführten Beispiele legen die Vermutung nahe, dass es sich bei Präpositionen um ein zufälliges und willkürliches Phänomen handelt und dass Präpositionen wie idiomatische Wendungen von Fall zu Fall auswendig gelernt werden müssen. Dies gilt ganz besonders für die Partikeln in Partikelverben und die Präpositionen in Präpositionalverben, die als idiosynkratische Kollokationen, also als feststehende Wortgruppen, gelernt werden müssen. Dies kann im Unterricht eine frustrierende und demotivierende Erfahrung sein, die mit erheblichem Lernaufwand einhergeht und eine ständige potentielle Fehlerquelle darstellen. Das hier vorgestellte auf der Prototypentheorie basierende Modell soll helfen, diesen Lernaufwand zu verringern und hinter Präpositionen eine Systematik zu erkennen, die sich in Grenzen auch auf Präpositional- und Partikelverben anwenden lässt.

An dieser Stelle sei auch angemerkt, dass diese Arbeit hauptsächlich aus einem sprachwissenschaftlichen Blickwinkel verfasst ist. Sie bietet ein sprachwissenschaftliches Modell an, das auch für den Unterricht geeignet scheint. Es lassen sich aus sprachwissenschaftlicher Perspektive zwar sinnvolle Kombinationen mit didaktischen Methoden ganz besonders unter Aspekten der Grammatikvermittlung ableiten. In der Praxis des Unterrichts wurde das vorgestellte Modell jedoch nicht ausprobiert. Dies erscheint im Rahmen eines Feldversuchs überlegens- und wünschenswert, konnte allerdings im Rahmen dieser Arbeit nicht realisiert werden. Es muss hier also einschränkend bemerkt werden, dass es sich um rein theoretische Überlegungen handelt. Diese Praxisferne mag zunächst als Beschränkung empfunden werden. Sie bietet aber auch die Gelegenheit, eine neue Perspektive jenseits der Konventionen des schulischen Unterrichts zu vermitteln.

Weiterhin sollen auch Überlegungen angestellt werden, zu welchem Zeitpunkt und mit welchen Methoden das Modell sinnvoll anwendbar ist. Hierzu lassen sich ausschließlich grobe Einteilungen bezüglich Alter und Fortschritt in Englisch als Fremdsprache vornehmen. Ferner hat sich gezeigt, dass das vorgestellte Modell generell auch den Unterschied zwischen der englischen simple und progressive form veranschaulichen kann. Auch hierzu sollen einige Überlegungen angestellt werden.

Wie jede andere Abschlussarbeit unterliegt auch diese den üblichen Beschränkungen hinsichtlich des zeitlichen Rahmens und des vertretbaren Umfangs. Bei der Beschreibung der notwendigen Grundlagen habe ich auf die Darstellung von Grundlagen der kognitiven Linguistik verzichtet, da das prototypische Modell m.E. auch ohne sie ausreichend verständlich ist. Deswegen sei an dieser Stelle lediglich auf die grundlegenden Werke von LAKOFF & JOHNSON 1980, LANGACKER 1987, LAKOFF 1987, TAYLOR 1995 und TALMY 2000 verwiesen, die einen Paradigmenwechsel in der Betrachtung von Sprache darstellen. Die grundlegende Idee hinter der kognitiven Linguistik basiert auf der Annahme, dass das Funktionieren von Sprache die Art und Weise, wie Menschen die Welt wahrnehmen und konzeptualisieren, widerspiegelt.

Zu den formalen Angelegenheiten sei angemerkt, dass ich durchgängig die maskuline Form verwende. Dies geschieht aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit und ist in keiner Weise diskriminierend gemeint.

1 Theorien des Zweitspracherwerbs

1.1 Behavioristische Theorien

Nach behavioristischer Ansicht geschieht alles Lernen, also auch das sprachliche, durch denselben grundlegenden Prozess: Imitation, Übung, Verstärkung (oder bei Erfolg Feedback) und dem Bilden von Verhaltensmustern. Die behavioristische Lerntheorie betrachtet auch den Erstspracherwerb als Ergebnis von Imitation, Übung, Feedback bei Erfolg und Bilden von sprachlichen Verhaltensmustern. Kinder imitieren auditive Reize wie Klänge und Muster in ihrer Umgebung, also meistens die Äußerungen ihrer Eltern. Sie erhalten bei korrekter Aussprache positives Feedback und werden bei Fehlern entsprechend korrigiert, was auf lange Sicht zu einer Annäherung an die erwachsene Sprechweise führt. Wichtig hierbei ist, dass das Feedback auf eine kindliche Äußerung möglichst schnell geschieht, um einen optimalen Lernerfolg zu garantieren. Sprache wird also als Erwerb von Routinen betrachtet. Das Bewusstsein wird dabei als eine black box angesehen, in die man keinen Einblick erhalten kann, so dass man nur die getätigten Äußerungen untersuchen kann.

Imitation und Übung werden als primäre Prozesse des Spracherwerbs angesehen. LIGHTBOWN and SPADA 2004: 11 bewerten imitierende Tätigkeiten bei Kindern als Üben noch nicht gefestigter Strukturen, und nicht als die imitierende Tätigkeit eines Papageis, der einmal Erlerntes stetig wiederholt. Sie betonen hierbei, dass Kinder zum großen Teil selbst bestimmen, was sie wiederholen und Gespräche auch selbst steuern können. Jedes Kind macht hierbei seine individuelle Entwicklung durch. LIGHTBOWN and SPADA 2004 bewerten den behavioristischen Ansatz wie folgt:

“The behaviourist explanations for language acquisition offer a reasonable way of understanding how children learn some of the regular and routine aspects of language. However, their acquisition of the more complex grammatical structures of the language requires a different sort of explanation ... for going beyond imitation and practice.” (ibid.: 15)

Auch dem Zweitspracherwerb liegen nach behavioristischer Ansicht dieselben Prozesse zugrunde wie im Erstspracherwerb. Lerner erhalten sprachlichen Input aus ihrer Umgebung und formen Assoziationen zwischen Wörtern und Objekten oder Ereignissen. Diese Assoziationen werden durch Erfahrung und Wiederholung stärker. Bei korrekten Äußerungen erhalten Lerner positives Feedback, bei falschen Äußerungen werden sie korrigiert. Da Lernen als Erwerb von Routinen betrachtet wird, wird davon ausgegangen, dass ein Lerner mit den in der Erstsprache erworbenen Routinen den Spracherwerb beginnt und dass die neuen Routinen gegebenenfalls die bereits erworbenen stören. Diese Annahme ist Grundlage der Kontrastivhypothese.

1.1.1 Kontrastivhypothese

Zu den frühen Hypothesen der Spracherwerbsforschung gehört die Kontrastive Analyse, der ein bedeutender Einfluss auf zeitgenössische Unterrichtsmethoden zugeschrieben wird (siehe beispielsweise DULAY, BURT and KRASHEN 1982: 97 und GASS and SELINKER 2001: 65) . Der Kontrastiven Analyse zufolge spielt die Erstsprache im Zweitspracherwerb eine bedeutende Rolle. ROCHE 2005: 105 drückt dies folgendermaßen aus: „Die Erstsprache (L1) bildet sozusagen die Folie oder Matrix für den Erwerb weiterer Sprachen.“ Formen und Bedeutungen werden von der Erstsprache auf die Zweitsprache übertragen – Ähnliches ist leicht zu erlernen, Unterschiedliches bereitet gemäß dieser Hypothese Schwierigkeiten. Darum werden Ausgangs- und Zielsprache zunächst hinsichtlich ihrer grammatischen Eigenschaften detailliert verglichen. Erwerbsfehler sind an der Oberfläche feststellbar, nämlich in der gesprochenen und geschriebenen Sprache. Zentrale Konzepte der Kontrastiven Analyse sind Interferenz und Transfer, die unten behandelt werden.

1.1.1.1 Interferenz

Wie DULAY, BURT and KRASHEN 1982: 98f ausführen, besteht das Konzept der Interferenz genau genommen aus zwei Komponenten. Der psychologische Gebrauch bezieht sich auf den Einfluss alter Gewohnheiten auf neu erlernte. Der soziolinguistische Gebrauch bezieht sich auf typische sprachliche Interaktionen im Sprachkontakt wie dem Benutzen von Wörtern aus der zweiten Sprache und dem Hin- und Herwechseln zwischen zwei Sprachen. Im Kontext der Kontrastiven Analyse werden diese Phänomene im Sprachkontakt dergestalt interpretiert, dass Sprecher die Muster der neuen Sprache noch nicht erlernt haben und folglich Begriffe aus der anderen Sprache benutzen. Im soziolinguistischen Umfeld wird das Entleihen von Begriffen aus der Erst- beziehungsweise Zweitsprache und das Umschalten zwischen ihnen hingegen als Existenz zweier Codes betrachtet, zwischen denen willentlich gewechselt werden kann. Hierfür wurde der Begriff des c ode-switchings geprägt.

1.1.1.2 Transfer

Der Begriff Transfer beschreibt einen Prozess, der als automatische, unkontrollierte und unbewusste Übertragung zuvor gelernten Verhaltens auf neues Verhalten verstanden wird. Sprache wird auch in diesem Kontext als Verhalten betrachtet. Transfer kann entweder positiv oder negativ sein. Negativer Transfer beschreibt die Fälle, in denen Fehler entstehen, weil sich altes, habituelles Verhalten vom neuen Verhalten, das gerade erlernt wird, unterscheidet. Positiver Transfer bezeichnet die korrekte Anwendung von neuem Verhalten, das dem altem Verhalten ähnelt. Die Dichotomie positiver und negativer Transfer bezeichnet somit, ob der Transfer zu korrekten beziehungsweise nicht korrekten Ergebnissen geführt hat. Als Beispiel führen GASS and SELINKER 2001: 67f das Erlernen von Fragesätzen im Italienischen an: aufgrund der ähnlichen Syntax fällt in diesem Beispiel spanischen Muttersprachlern das Erlernen wesentlich leichter als englischen. Im Falle der spanischen Muttersprachler spricht man also von positivem Transfer, im Falle der englischen spricht man von negativem Transfer. ROCHE 2005: 105 hebt hervor, dass Interferenz und negativer Transfer gleichbedeutend sind.

Die Kritik an der Kontrastiven Hypothese wird im Kapitel über die Identitätshypothese aufgenommen.

1.2 Universalgrammatik

Die Universalgrammatik (UG) ist ein nativistischer Ansatz, der davon ausgeht, dass wenigstens einige Aspekte des Spracherwerbs angeboren sind. Die auf Chomskys Theorien basierende Universalgrammatik wurde ursprünglich entwickelt, um Phänomene im Erstspracherwerb zu erklären. Für die Existenz einer biologischen Basis zumindest im Erstspracherwerb sprechen nach WHITE 2003 folgende Argumente:

“the language capacity is species specific; ability to acquire language is independent of intelligence; the pattern of acquisition is relatively uniform across different children, different languages and different cultures; language is acquired with relative ease and rapidity and without the benefit of instruction; children show creativity which goes beyond the input that they are exposed to. All of these observations point to an innate component to language acquisition.” (ibid.: 3)

1.2.1 Positive und negative Evidenz

Wie GASS and SELINKER 2001 (173) hervorheben, legt die verfügbare Literatur über Erstspracherwerb eine geringe Tendenz zu negativer Evidenz, also zur Korrektur von Fehlern, seitens erwachsener Sprecher nahe, die zudem häufig ignoriert wird. Positive Evidenz, also korrekt formulierte Äußerungen, kann während des Erwerbsprozesses jedoch längst nicht alle grammatisch möglichen Sätze produzieren. Die Universalgrammatik beschäftigt sich also mit Argumenten der Erlernbarkeit: es gibt ein Missverhältnis zwischen dem Input und dem zugrunde liegenden grammatischen Wissen, das ein Kind unbewusst erwirbt. Dieses Phänomen wird als poverty of the stimulus oder logical problem of language acquisition bezeichnet (siehe hierzu unter anderem WHITE 2003: 4, GASS and SELINKER 2001: 169 und COOK 1985: 3).

INGRAM 1989 (28f) verdeutlicht das Problem der Erlernbarkeit an folgendem Beispiel, in dem er zu erklären versucht, wie ein Kind lernt, warum Satz (1d) grammatisch nicht korrekt ist:

(1) a. I gave a book to Mary
b. I gave Mary a book
c. I reported the crime to the police
d. *I reported the police the crime

Hierzu schlägt er vor, zunächst eine Regel namens „Dativ“[1] zu bilden nach der das indirekte Objekt zum Verb verschoben wird (1b). „Dativ“ trifft wegen des intervenierenden „to“ für (1a) und (1c) nicht zu. Die Dativ-Regel muss eingeschränkt werden, damit sie auf (1d) nicht zutrifft; hierzu schlägt er vor, eine Ausnahme für das Verb „report“ zu bilden. Hier ergibt sich die Frage, wie ein Kind erlernt, dass (1d) grammatisch nicht wohlgeformt ist.

Da ein Kind nur korrekte Äußerungen wie (1a) bis (1c) hört, kann es nicht an positiver Evidenz liegen – diese liefern nur Hinweise auf die korrekte Anwendung der Regel. Die nächste Möglichkeit ist das Erlernen durch direkte negative Evidenz, also durch elterliche Korrektur, wofür die Behavioristen argumentieren würden, die es aber wie bereits geschrieben kaum gibt bzw. deren Erfolg stark bezweifelt wird. Als dritte Möglichkeit kommt indirekte negative Evidenz in Betracht, das Wissen darüber, dass etwas niemals aufgetreten ist und deshalb nicht regelkonform sein kann. Dies würde allerdings eine riesige Menge an Berechnung des Inputs bedeuten. Außerdem widerspräche dies Annahmen der kreativen Dimension der Grammatik, die sich in zuvor nie gehörten, neuen Äußerungen ausdrückt. Da sich weder aus positiver noch aus negativer Evidenz überzeugend grammatische Regeln ableiten lassen, wird von angeborenen Prinzipien ausgegangen, die a priori die Möglichkeiten einer Grammatik vorgeben.

Grundlage der Universalgrammatik ist die Einteilung der Elemente in Prinzipien und Parameter, die im folgenden Kapitel beschrieben werden:

“The grammar of a language can be regarded as a particular set of values for these parameters, while the overall system of rules, principles, and parameters is UG”. CHOMSKY 1982 in COOK 1985: 3

1.2.2 Prinzipien und Parameter

Die Universalgrammatik besteht nicht aus bestimmten Regeln oder aus einer bestimmten Grammatik, wie der Name vermuten lässt, sondern vielmehr aus allgemeinen Prinzipien, die allen Grammatiken zugrunde liegen und die bestimmte Parameter offen lassen[2]. Die Universalgrammatik setzt die Grenzen, in denen natürliche Sprachen variieren können:

“UG is postulated as an innate language facility that limits the extent to which languages can vary. That is, it specifies the limits of a possible language.” GASS and SELINKER 2001: 170

“If Universal Grammar is present in toto from the beginning, all human languages should conform to the language principles, whether the stable grammars of adults or the temporary grammars of learners” COOK 1985: 5

Die postulierten Prinzipien sind abstrakt und schwer formulierbar. GASS and SELINKER 2001 versuchen, sie mit einer Analogie verständlich zu machen, die hier verkürzt wiedergegeben werden soll: im Straßenverkehr gilt das Prinzip, dass Verkehrsteilnehmer eine bestimmte Straßenseite benutzen müssen. Für die einzelnen Staaten gilt dann der Parameter, ob links oder rechts gefahren werden soll (S. 169). COOK 1985 stellt die Beziehung Prinzipien und Parameter folgendermaßen dar: Die European Convention on Human Rights (EHCR) gibt Richtlinien für Menschenrechte vor, die von den Mitgliedsstaaten der EU in geltendes Recht umgesetzt werden müssen – die Gesetze werden somit nicht direkt von der EHCR erlassen, sondern es werden die Parameter für die Rechtsprechung und Gesetzgebung in den Einzelstaaten gesetzt. Sie gelten somit auch für Staaten, die keine Menschenrechte in der Verfassung haben, wie beispielsweise Großbritannien (S. 3).

1.2.3 UG Prinzipien

Ein Prinzip der Universalgrammatik ist die Strukturdependenz, die auf der Annahme basiert, dass linguistische Prinzipien auf syntaktische Einheiten angewendet werden. Auf die englische Sprache bezogen bestimmt dies die Grammatikalität der folgenden Fragesätze:

(2) a. The boy who is standing over there is happy.
b. Is the boy who is standing over there ___ happy?
c. *Is the boy who ___ standing over there happy?

Die Regel für die Bildung von Fragesätzen bezieht sich auf das Subjekt, das in Beispiel (2a) aus einer Nominalphrase (the boy) und einem Relativsatz (who is standing over there) besteht. Die Regel bezieht sich nicht auf eine nicht-syntaktische Einheit wie „erstes Verb“ wie in (2b), sondern auf das Hauptverb wie in (2c), das in Ja-/Nein-Sätzen an den Satzanfang verschoben wird.

Im Japanischen werden Frage-Partikel an das Ende des Satzes gehängt, so dass es zu keiner Änderung der Wortstellung kommt. GASS and SELINKER 2001: 179 berichten von einer Untersuchung japanischer Lerner der englischen Sprache. Sie waren in der Lage, einfache Fragesätze zu bilden und hatten eine grundlegende Kenntnis von Relativsätzen; sie waren allerdings nicht dazu in der Lage, komplexe Sätze in Fragesätze umzuwandeln. Obwohl das Prinzip der Strukturdependenz für die Formulierung von Fragesätzen im Japanischen nicht erforderlich ist, scheint es für das Englische durchaus verfügbar zu sein. Dies kann man als Zugriff auf die Universalgrammatik im Zweitspracherwerb werten. Eine detailliertere Analyse, die zum selben Schluss kommt, liefert COOK 2000.

1.2.4 UG Parameter

Es gibt linguistische Merkmale, die in verschiedenen Sprachen variieren. Diese Variation wird durch das Konzept der linguistischen Parameter ausgedrückt. Im Erstspracherwerb wird davon ausgegangen, dass Kinder lernen, welcher Parameter dazu gesetzt wird. Das Erlernen der Sprache wird somit durch eine begrenzte Auswahl an Optionen erleichtert.

“Ein intensiv untersuchter Parameter ist der sog. 'pro-drop' -Parameter. Er unterscheidet zwischen Sprachen, bei denen die Subjektstelle obligatorisch lexikalisch gefüllt sein muß [-pro-drop] oder ob sie lexikalisch leer sein kann [+pro-drop], also entfallen kann. In Abhängigkeit von diesem Parameter weisen die Sprachen weitere grammatische Eigenschaften auf, die bei entsprechender Setzung des Parameters nicht mehr gelernt werden müssen.” GRIEßHABER 2004

GASS and SELINKER 2001: 181 listen als typisches Beispiel Italienisch und Spanisch als [+pro-drop]-Sprachen auf, die alle die Merkmale a) – c) besitzen, und Englisch und Französisch als [-pro-drop]-Sprachen, die keine der Merkmale a) - c) haben. Hier spricht man von Merkmalsclustern: eine Sprache hat entweder alle Merkmale oder keine[3]:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

GASS and SELINKER 2001 heben hervor, dass es widersprüchliche Erkenntnisse gibt, ob die Universalgrammatik die Grammatik der Zweitsprache beschränkt. Hieraus schließen sie, dass Erst- und Zweitspracherwerb ähnlich aber unterschiedlich verlaufen. Auch JORDAN 2004: 158-160 hebt die Widersprüchlichkeit von Ergebnissen über die Existenz der Universalgrammatik im Zweitspracherwerb hervor. Für die fünf weiter oben beschriebenen möglichen Beziehungen von L1-Transfer / Zugriff auf UG gibt es ebenso keine klaren Erkenntnisse.

1.2.5 Universalgrammatik im Zweitspracherwerb

Die interessante Frage ist nun, inwieweit im Zweitspracherwerb auf die Universalgrammatik zurückgegriffen werden kann. Eine logische Implikation bei komplett UG-gesteuertem Erwerb wäre die in der Identitätshypothese zitierte Extremposition von DULAY, BURT and KRASHEN 1982, dass Unterricht und grammatische Vermittlung eigentlich überflüssig sind, weil der Erst- dem Zweitspracherwerb gleicht.[5] Ungeachtet der Art des Erwerbs der Zweitsprache sieht WHITE 2003 Gemeinsamkeiten:

“Learners face a task parallel to that of L1 acquirers, namely the need to drive at a linguistic system which accounts for the L2 input, allowing the learner to understand and speak the second language.” (ibid.: 3)

Die Rolle der Universalgrammatik im Zweitspracherwerb ist noch unklar.[6] Es gibt generell fünf Hypothesen, die die Beziehung zwischen Transfer aus der Erstsprache und Zugriff auf die Universalgrammatik beschreiben. Die zugrunde liegende Frage ist, ob Prinzipien der Universalgrammatik im Zweitspracherwerb angewandt werden können und inwieweit die Erstsprache involviert ist, beispielsweise durch die Übernahme von Parametern aus der Erstsprache. Diese fünf möglichen Beziehungen sollen hier kurz skizziert werden (nach GASS and SELINKER 2001: 176-178):

1. Voller Transfer / kein oder teilweiser Zugriff auf UG: Es besteht Zugriff auf die Universalgrammatik durch die Erstsprache. Soll ein in der Erstsprache nicht existierendes Prinzip erlernt werden, dann ist es für den Zweitspracherwerb auch nicht verfügbar. Die Zweitsprache ist somit nicht komplett erlernbar.
2. Kein Transfer / voller Zugriff: Der Startpunkt für den Erwerb der Zweitsprache ist wie beim Erstspracherwerb die Universalgrammatik, und es gibt keinen Transfer zwischen Erst- und Zweitsprache. Resultiert potentiell in vollem Erwerb der Zweitsprache.
3. Voller Transfer / voller Zugriff: Ausgangspunkt des Spracherwerbs ist zwar die Erstsprache, es besteht aber voller Zugriff auf die Universalgrammatik, wenn die Erstsprache für das zu Erlernende nicht ausreichend ist. Erst- und Zweitspracherwerb verlaufen unterschiedlich, die Zweitsprache ist potentiell komplett erlernbar.
4. Teilweiser Transfer / voller Zugriff: Prinzipiell sind wie in 3.) Universalgrammatik und Erstsprache verfügbar, aber einige Merkmale sind durch die Erstsprache, andere durch die Universalgrammatik verfügbar. Je nach Verfügbarkeit der Elemente ist eine Zweitsprache potentiell vollständig erlernbar.
5. Teilweiser Transfer / teilweiser Zugriff: Da die Universalgrammatik und die Grammatik der Erstsprache nur teilweise verfügbar sind, ist der komplette Erwerb der Zweitsprache nicht möglich.

1.2.6 Bewertung des Ansatzes der Universalgrammatik

Forschung unter Gesichtspunkten der Universalgrammatik besteht nach Ansicht von Lightbown and Spada (2004): 37 hauptsächlich aus einer Untersuchung der Kompetenz der Lernenden. Hierbei wird die grammatische Komplexität einer Sprache untersucht. Häufigstes Mittel hierzu sind Vergleiche von Bilingualen mit Monolingualen, die Bewertungen der Grammatikalität von Äußerungen abgeben sollen. Dies soll Einblicke in das grammatische Wissen über die Sprache der Lernenden geben. Den tatsächlichen Äußerungen, also der Performanz, wird weniger Beachtung geschenkt. Allerdings betrachten MITCHELL and MYLES 2004: 92 gerade die grammatischen Intuitionen von Lernern einer Zweitsprache mit Skepsis, da diese instabil und wenig zuverlässig sind. Außerdem werden die entsprechenden Daten häufig kontrovers diskutiert und unterschiedlich interpretiert.

JORDAN 2004: 156 bezweifelt die Nützlichkeit des Einsatzes der Universalgrammatik in der Erforschung des Zweitspracherwerbs, da diese sich auf abstrakte grammatische Phänomene konzentrieren und den normalen Sprachgebrauch unberücksichtigt lassen. Nicht alles, was zur Sprache gehört, wird auch im postulierten Sprachmodul repräsentiert: periphere grammatische Phänomene und alles pragmatische Wissen um Sprache wird nach Chomskys Theorie als „relativ uninteressant“ (ibid.: 154) ausgeschlossen. Sprache wird ausschließlich als grammatisches Phänomen, das Parameter und Prinzipien vorgibt, betrachtet, die sogenannte „interne Sprache“; die „externe Sprache“, die soziale Aspekte berücksichtigt, ist nicht von Interesse, und somit bezweifelt JORDAN den Sinn des ausschließlichen Einsatzes der Universalgrammatik in der Erforschung des Zweitspracherwerbs: “neither the domain of UG nor its research methodology is appropriate to SLA research” (ibid.: 161).

GASS and SELINKER 2001: 183 betonen die Notwendigkeit der Falsifizierbarkeit von Theorien. Eine Theorie muss Vorhersagen treffen können, welche Ergebnisse erwartet werden. Da insbesondere eine Zweitsprache eine höchst komplexe Struktur aufweist, betrachten sie Vorhersagen höchstens als probabilistisch:

“Grammars of learner languages are unique grammars. Unlike L1 grammars, no two individuals have the same L2 grammars and hence there is no way of predicting what will happen to a grammar when new information is added, causing changes in the existing system.”

Werden Voraussagen nicht erfüllt oder gibt es Gegenbeispiele, gibt es verschiedene Ansätze: (a) es gibt keinen Zugriff auf die Universalgrammatik, (b) die Ergebnisse basieren auf methodologischen Problemen und (c) die Theorie ist falsch. GASS and SELINKER 2001: 184 halten die Annahme über eine falsche Theorie, die nur von einem falschen Prinzip oder Parameter ausgeht für zutreffend. Lässt sich beispielsweise eine Vorhersage für ein Element eines angenommenen Merkmalsclusters nicht bestätigen, dann kann es vielleicht von einem anderen Prinzip beeinflusst sein. In diesem Fall gehen sie von einem falsch formulierten Parameter aus, und nicht von keinem Zugriff auf die Universalgrammatik oder gar deren Nicht-Existenz.

Ein weiterer Weg, Falsifizierbarkeit zu betrachten, ist die Akzeptanz temporärer Verletzungen von Universalien, die der Veränderbarkeit des Lernsystems Rechnung trägt. Hier dient die Universalgrammatik als Korrektiv. Wird ein Prinzip verletzt, kann es an einem instabilen System liegen. Es ist aber methodologisch unmöglich, zu entscheiden, ob Stabilisation oder Fossilisation vorliegen. Werden Prinzipien hingegen nicht verletzt, werten GASS and SELINKER 2001 dies als Indiz für eine stabile Grammatik. Werden Prinzipien jedoch verletzt, lässt sich daraus wenig schließen.

Zweifel an der Bedeutung der Universalgrammatik im Zweitspracherwerb hegt JORDAN 2004: 162-165. Neben dem Problem der Falsifizierbarkeit stellt er drei wichtige Grundaussagen der Universalgrammatik in Frage: (1.) die Annahme eines schnellen Erlernens der Erstsprache ist kaum haltbar, da sie erst mit ungefähr sechzehn Jahren völlig erlernt zu sein scheint, (2.) hält er die Unerlernbarkeit syntaktischer Prinzipien für nicht hinreichend bewiesen und (3.) bezweifelt er, dass der sprachliche Input nicht adäquat ist und somit eine angeborenes linguistisches Wissen vorliegen muss. Er schließt daraus, dass die Universalgrammatik eine rein linguistische und keine Lerntheorie ist, für die die Erlernbarkeit nicht das eigentliche Interesse ist, sondern die Beschreibung der Komponenten der Kerngrammatik. Für den Zweitspracherwerb wichtige Phänomene wie Variabilität, Fossilisation und individuelle Unterschiede werden wegen der engen Betrachtungsweise der Universalgrammatik ausgeschlossen.

JORDAN 2004 misst der Universalgrammatik im Zweitspracherwerb folgende Rolle zu:

“its role should ... be to influence hypotheses, models and theories of SLA that necessarily go beyond it. At the very best (assuming „full transfer“), UG can be no more than “a part of a part“ of a theory of SLA” (ibid.: 165)

Die Frage nach dem Sinn des Einsatzes der Universalgrammatik im Zweitspracherwerb wird kontrovers diskutiert und kann im Rahmen dieser Arbeit natürlich nicht geklärt werden, ebenso wenig wie eine Diskussion darüber, ob die Universalgrammatik wirklich existiert. Wichtig für den Bezug zu dieser Arbeit ist eher die Frage nach den didaktischen Implikationen. Diese wird in HELBIG et. al. 2001 eher skeptisch gesehen:

„Didaktische Empfehlungen aus den theorieorientierten Forschungen zur Universalgrammatik abzuleiten, ist kaum möglich, da ihr Untersuchungsgegenstand (Kerngrammatik) nur einen kleinen Teilbereich der fremdsprachlichenunterrichtlichen Wirklichkeit mit ihren weitgestreuten Lernzielen entspricht ... Auch eine denkbare negative Empfehlung besäße kaum Innovationskraft: alle grammatischen Bereiche, die die Universalgrammatik (eventuell) steuert, zu vernachlässigen und den „Rest“ ins Zentrum des Fremdsprachenunterrichts zu rücken.“ (ibid.: 669)

Einen direkten Einfluss der Universalgrammatik auf die Didaktik gibt es also nicht. Ihre große Bedeutung erhält die Universalgrammatik durch die von ihr beeinflussten nativistischen Ansätze, die im Folgenden dargestellt werden und die ihrerseits didaktische Implikationen beinhalten, die im zweiten Kapitel diskutiert werden.

1.3 Identitätshypothese

Den Einfluss der Erstsprache halten DULAY, BURT and KRASHEN 1982: 102ff entgegen den Vorhersagen der Kontrastivhypothese für eher gering. Im Bereich der Grammatik lassen sich nur geringe Einflüsse der Erstsprache auf die gemachten Fehler feststellen, sie sprechen von 4% - 12% bei Kindern und 8% - 23% bei Erwachsenen. Die gemachten Fehler scheinen eher entwicklungsbedingt zu sein und dem Erwerb der Erstsprache zu ähneln, woher auch der Begriff der Identitätshypothese stammt – Erst- und Zweitspracherwerb scheinen denselben Mustern zu folgen und sind von denselben Mechanismen gesteuert. So stellen sie auch den Sinn von Fehlerkorrektur in Frage:

“Teachers might be interested to know that the available research on error correction suggests that neither correction techniques nor heavy drilling does much to affect the quality of student speech ... Thus, whatever attention is given the small number of interlingual errors that do appear to occur, it is not likely that the correction or drilling procedures suggested by contrastive analysis tenets are likely to lead much to change in the students' verbal performance.” (ibid.: 104)

Es hat sich entgegen den Aussagen der Vertreter der Kontrastivhypothese auch gezeigt, dass viele grammatische Fehler vermieden werden könnten, wenn die Sprecher den Regelmäßigkeiten der Erstsprache folgten. Positiver Transfer findet also nicht statt, die Erstsprache erleichtert demzufolge nicht das Erlernen der Zweitsprache. Zum Beispiel erwerben spanische Muttersprachler beim Erlernen der englischen Pluralallomorphe /-s/, /-z/ und /-iz/ in der Reihenfolge /-s/ und /-z/ und dann /-iz/. Das Spanische ließe aber zunächst die Reihenfolge /-s/ und erst dann /-z/ und /-iz/erwarten, weil Plurale im Spanischen stimmlos sind und Stimmhaftigkeit das neue erlernte Merkmal ist. Es kommt also nicht zu einem Transfer von der Erstsprache zur Zweitsprache. (ibid. 105)

Auch bei der Bewertung der Grammatikalität von Sätzen zeigt sich kein durchgängiger Einfluss der Erstsprache. Weniger die Erstsprache als vielmehr der Satztyp scheint ausschlaggebend dafür zu sein, ob ein Satz als grammatisch wohlgeformt wahrgenommen wird. Auch auf der Seite der Performanz lassen sich nicht leicht Aussagen machen, da problematische Äußerungen häufig umgangen werden – man spricht hier von Vermeidung. Als Beispiel führen DULAY, BURT and KRASHEN 1982 die linksverzweigten Relativsätze an. Diese kommen in der Erstsprache persischer und arabischer Sprecher in ähnlicher Form vor und werden im Englischen häufig verwendet, teilweise korrekt und teilweise falsch. In der Erstsprache japanischer und chinesischer Sprecher kommen jedoch rechtsverzweigte Relativsätze vor, und sie verwenden relativ selten Relativsätze im Englischen. Dieses Phänomen lässt sich als Beweis für den Einfluss der Erstsprache gemäß der Kontrastivhypothese werten, allerdings können auch Persönlichkeitsmerkmale ausschlaggebend für dieses Verhalten sein: Ängstlichkeit, Selbstbewusstsein und die Bereitschaft Risiken einzugehen können ebenfalls sprachliche Äußerungen beeinflussen. So wird zwischen Personen unterschieden, die gerne Strukturen raten und Fehler riskieren, und solchen, die Strukturen vermeiden um möglichst wenig Fehler zu machen. (ibid.: 107)

ROCHE 2005 weist darauf hin, dass „viele vermeintliche Interferenzfehler auch bei solchen Lernern auftreten, deren Sprachen sich in unterschiedlichen Aspekten von der Zielsprache unterscheiden oder in deren Sprachen es gar keine Strukturen gibt, die eine Interferenz auslösen können.“ (S.106) Ganz im Gegenteil machen Lernende verschiedener Ausgangssprachen beim Erwerb derselben Zielsprache ähnliche Fehler. Zudem ähneln sich die Erwerbssequenzen im Erst- und Zweitspracherwerb. DULAY and BURT 1974 machten die Beobachtung, dass spanische und chinesische Kinder Funktionswörter der englischen Sprache in einer ähnlichen Reihenfolge erlernten, obwohl sich ihre Erstsprachen stark voneinander unterscheiden[7] (S. 51):

1. Fall
2. Artikel
3. Kopula
4. Progressiv (-ing)
5. Plural
6. Hilfsverben
7. regelmäßige Vergangenheit
8. unregelmäßige Vergangenheit
9. langer Plural (/-iz/)
10. Possessiv
11. 3. Person Singular

Aus diesen Ergebnissen schließen sie zumindest bei Kindern auf einen universellen kognitiven Mechanismus, der auch dem Zweitspracherwerb zugrunde liegt. Der Fremdspracherwerb wird von der Zweitsprache bestimmt, und nicht von der Erstsprache. Sie erklären den Erwerb mit universellen Strategien:

“we believe that „universal strategies“ should be sufficiently abstract and comprehensive so as to predict acquisition orders based on different types of language input, such as languages other than English, or types of speech exposure other than natural speech.” (ibid.: 53)

Dem Erwerb von allen Sprachen liegt demzufolge ein ähnlicher Mechanismus zugrunde, der die Reihenfolge der Elemente bestimmt.

Eng verbunden mit der Identitätshypothese ist die Fehleranalyse. Nach GASS and SELINKER 2001: 78 sind Fehler im Zweitspracherwerb nicht das Ergebnis falscher Imitation. Vielmehr sind Fehler Anzeichen für das Erlernen einer neuen Sprache, in dem Lernende die Regelmäßigkeiten der zu erlernenden Sprache entdecken. Fehler sind somit Beleg für ein zugrunde liegendes regelbasiertes System. GASS and SELINKER 2001 betrachten diese Erkenntnis als den eigentlichen Beginn der Zweitspracherwerbsforschung, da nicht nur pädagogische Aussagen über den Zweitspracherwerb gemacht werden können, sondern auch theoretische Implikationen für andere wissenschaftliche Disziplinen wie Psychologie und Linguistik bereitgehalten werden.

Fehler sind aus der Sicht der Lehrer, nicht jedoch aus der Sicht der Lerner Fehler. Lerner haben ein System, das GASS and SELINKER 2001 als Interlanguage bezeichnen:

„The basic assumption in SLA research is that learners create a language system, known as interlanguage (IL). This system is composed of numerous elements, not the least of which are elements from the NL and the TL. There are also elements in the IL that do not have their origin in either the NL or the TL. What is important is that the learners themselves impose structure on the available linguistic data and formulate an internalized system. Central to the concept of interlanguage is the concept of fossilization which generally refers to the cessation of learning. The Random House Dictionary of the English Language (1987, p. 755) defines fossilization of a linguistic form, feature, rule, and so forth in the following way: “to become permanently established in the interlanguage of a second language learner in a form that is deviant from the target-language norm and that continues to appear in performance regardless of further exposure to the target language.”” GASS and SELINKER 2001: 12

Auch Fehler sind Bestandteil der Interlanguage, so dass Fehler nur in Bezug auf die externe Norm als solche gelten können. Die Fehleranalyse betrachten GASS and SELINKER 2001: 86 insgesamt als wichtigen Meilenstein der Zweitspracherwerbsforschung, da sie den begrenzten Einfluss der Erstsprache aufzeigt. Sie messen ihr allerdings nur eine untergeordnete Funktion hinsichtlich der Verwertung von Daten bei, da sie nur teilweise wiedergibt, wie Lerner die Zweitsprache produzieren. Dies kann die Komplexität des Zweitspracherwerbs nicht wiedergeben. Aber sie erklärt durch das Konzept der Fossilierung, warum ein Lerner trotz großer Fortschritte im Zweitspracherwerb einige schwer zu überwindende Fehler beibehalten kann.

1.4 Neuere kognitive Modelle

Die kognitiven Herangehensweisen legen den Schwerpunkt auf die Komponente des Lernens im Zweitspracherwerb. Zweitspracherwerb wird als eine Form des Lernens unter vielen anderen betrachtet, und der Vorgang des Erwerbs kann besser verstanden werden, wenn zunächst verstanden wird, wie das menschliche Gehirn neue Informationen verarbeitet und lernt. Für kognitive Theorien sind eher Fragen wie Echtzeit-Sprachverarbeitung, Strategien bei Versagen des unvollständigen Sprachsystems und warum es bessere und schlechtere Sprachenlerner gibt von Interesse.

MITCHELL + MYLES 2004 S. 97 unterscheiden zwischen zwei kognitiven Richtungen: zwischen verarbeitenden (processing approaches) und konstruktionistischen (constructionist approaches) Ansätzen:

a) Die verarbeitenden Ansätze untersuchen, wie Sprachenlerner sprachliche Informationen verarbeiten und wie sich der Verarbeitungsprozess mit der Zeit verändert. Die Frage, ob es einen Spracherwerbsapparat gibt, ist hier eher von sekundärem Interesse.
b) Die konstruktionistischen Ansätze vereint eine nutzungsbasierte Sichtweise der sprachlichen Entwicklung, die durch kommunikative Bedürfnisse getrieben wird. Ein Spracherwerbsapparat wird als unnötig erachtet:

“Learning in this view is seen as the analysis of patterns in the language input, and language developments seen as resulting from the billions of associations which are made during language use, and which lead to regular patterns that might look rule-like, but are in fact merely associations.” MITCHELL and MYLES 2004: 98

Die Komplexität der Sprache entsteht also durch assoziative Lernprozesse, indem man einer komplexen Umgebung ausgesetzt ist. Der Grundgedanke ist, dass zunächst Exemplare (Wörter und Formeln) erlernt werden; die hier entstehenden Regelmäßigkeiten bieten Einschübe wie all- gone + Referent oder I can't + Verb. Es entwickeln sich mehr solche Formeln, die verglichen und analysiert werden; letztlich werden Regelmäßigkeiten entdeckt und anderweitig angewandt. Diese Art des Lernens wird für den Erstspracherwerb angenommen:

“The children are picking up frequent patterns from what they hear around them, and only slowly making more abstract generalisations as the database of related utterances grows.” (ELLIS, 2003, p. 70 in MITCHELL and MYLES 2004: 98)

Diese Art des Erlernens von Bruchstücken wird auch für den Zweitspracherwerb angenommen. Solche Bruchstücke sind auch in frühen Stadien des Zweitspracherwerbs, die dann graduell in die einzelnen Komponenten zerlegt werden, zu beobachten.

1.4.1 Verarbeitungstheorien

Diese Ansätze interessieren sich für die Mechanismen die beim Verarbeiten einer Zweitsprache im Gehirn ablaufen. Von besonderer Bedeutung sind das Kurz- (STM) und das Langzeitgedächtnis (LTM).

1.4.1.1 Informationsverarbeitendes Modell

Der Grundgedanke dieses Ansatzes betrachtet komplexes Verhalten als auf simplen Prozessen basierend. Diese Prozesse haben modularen Charakter und sind somit getrennt untersuchbar. Bezogen auf den Zweitspracherwerb fasst MCLAUGHLIN folgendes zusammen:

“Within this framework, second language learning is viewed as the acquisition of a complex cognitive skill. To learn a second language is to learn a skill, because various aspects of the task must be practised and integrated into fluent performance. This requires the automatization of component subskills. Learning is a cognitive process, because it is thought to involve internal representations that regulate and guide performance ... As performance improves, there is constant restructuring as learners simplify, unify, and gain increasing control over their internal representations ... These two notions – automatization and restructuring – are central to cognitive theory.” (MCLAUGHLIN, 1987, pp. 133-4 in MITCHELL and MYLES 2004: 100)

Automatisierung bezeichnet die Art der Informationsverarbeitung: sie läuft entweder automatisch oder kontrolliert ab. Im Zweitspracherwerb verarbeiten Lerner die Zweitsprache zunächst kontrolliert, einige Informationsknotenpunkte werden im Gedächtnis vorübergehend in einer neuen Konfiguration aktiviert. Solche Prozesse erfordern eine große Aufmerksamkeitskontrolle und sind durch die Beschränkungen des Kurzzeitgedächtnisses begrenzt. Durch wiederholte Aktivierung wird eine lange Sequenz wie “good morning how are you” (sofern sie nicht als unanalysiertes Bruchstück memoriert wird) allmählich automatisch und als Einheit im Langzeitgedächtnis abgespeichert. Automatische Prozesse sind schneller verfügbar und erfordern wenig Aufmerksamkeit, somit können sie auch parallel verarbeitet werden und komplexe kognitive Fähigkeiten aktivieren. Hier besteht allerdings die Gefahr der Fossilisation, weil sich solche Sequenzen nur noch schwer bearbeiten oder löschen lassen.

Lernen wird in dieser Theorie als Veränderung von kontrollierter zu automatischer Verarbeitung durch wiederholte Aktivierung, also durch Praxis, verstanden. Gelingt dieser Wechsel, dann können sich die kontrollierten Prozesse mit komplexeren Problemen befassen, wodurch sich der inkrementelle Verlauf des Lernens erklären lässt. Zunächst müssen einfache Strukturen gelernt und automatisiert werden bevor komplexere in Angriff genommen werden können. Hierdurch kommt es zu einer stetigen Restrukturierung des sprachlichen Systems der Zweitsprache, woraus sich auch einige Variabilitäten der Lernersprache erklären lassen könnten. Einige bereits erworbene sprachliche Strukturen könnten destabilisiert werden, die dann in vorübergehenden wieder auftretenden Fehlern resultieren. Die Restrukturierung ist auch das Ergebnis von exemplarischen Repräsentationen, die regelbasiert werden. Fossilisation kann in dieser Theorie als ein vorzeitig automatisierter Prozess betrachtet werden, der noch kein muttersprachliches Niveau erreicht hat.

1.4.1.2 Das ACT Modell

Dieses Modell ist dem Informationsverarbeitenden Modell recht ähnlich, da auch hier Automatisierung von zentralem Interesse ist. Allerdings werden statt zwei Arten von Gedächtnis (Kurzzeitgedächtnis und Langzeitgedächtnis) in diesem Modell drei Arten von Gedächtnis postuliert: Kurzzeitgedächtnis, deklaratives Langzeitgedächtnis und prozedurales Langzeitgedächtnis. MITCHELL and MYLES (102) veranschaulichen dies an folgendem Beispiel: Beim Erlernen des Autofahrens weiß man zwar, dass ab einer gewissen Drehzahl höhergeschaltet werden muss, das ist aber nicht gleichbedeutend damit, dass man das prozedurale Wissen hat, wie man es schnell und erfolgreich tut. Man geht also zunächst durch eine deklarative Phase, bevor man das prozedurale Wissen erwirbt. Das ACT*-Modell ist zwar ein generelles Modell des Erwerbs von Fähigkeiten, es lässt sich aber gut auf die Aspekte des Zweitspracherwerbs anwenden, die Verarbeitung und Automatisierung beinhalten.

Den Unterschied zwischen deklarativem und prozeduralem Wissen kann man gut an der Markierung der dritten Person Singular im Englischen verdeutlichen. Ein Lerner kann zwar das Wissen haben, dass ein -s dem Verbstamm hinzugefügt werden muss, aber es kann sein, dass dies in einer Konversation nicht in Echtzeit umsetzbar ist. Das deklarative Wissen ist also noch nicht prozeduralisiert, und es erfordert noch Praxis, bis dies der Fall ist und das -s für die 3.P.Pl. in jedem Kontext korrekt hinzugefügt wird.

Dieses Modell erklärt genau wie das Informationsverarbeitende Modell den schrittweisen Erfolg beim Lernen – wird ein Vorgang prozeduralisiert, kann darauf automatisch zugegriffen werden ohne auf das in der Verarbeitungskapazität beschränkt arbeitende Gedächtnis zugreifen zu müssen. Daher kann neues deklaratives Wissen hinzugefügt werden, das dann seinerseits wieder automatisiert werden kann. Automatisiertes Wissen ist schnell verfügbar und stellt wenig Ansprüche an das Gedächtnis, aber es ist auch schwer zu verändern und bedarf ständiger Wiederholung. Wenn eine Prozedur erfolgreich angewandt wird, wird sie verstärkt und ist danach leichter abrufbar. Bezogen auf den Zweitspracherwerb spielt das Vermitteln grammatischer Regeln eine bedeutende Rolle:

“When we learn a foreign language in a classroom situation, we are aware of the rules of the language, especially just after a lesson that spells them out. One might argue that our knowledge at that time is declarative. We speak the learned language by using general rule-following procedures applied to the rules we have learned, rather than speaking directly, as we do in our native language ... applying this knowledge is a much slower and painful process than applying the procedurally encoded knowledge of our own language. Eventually, if we are lucky, we can come to know a foreign language as we know our native language. At that point, we often forget the rules of the foreign language. It is as if the class-taught declarative knowledge had been transformed into a procedural form.” (MITCHELL and MYLES 2004: 104, Kursivsetzungen meine)

Diese Aussage impliziert, dass ein Großteil der Grammatik einer Zweitsprache zunächst bewusst gelernt wird und aus dem Lernen und Anwenden von Regeln[8] besteht. Diese Ansicht wird allerdings nicht von vielen Forschern geteilt, wie die entsprechende Diskussion über die Methodik in Kapitel 3 zeigt.

Ein wichtiger Bestandteil dieser Theorie sind Lernstrategien, die es erleichtern sollen, Mechanismen zu prozeduralisieren und damit eine schnellere Verarbeitung des sprachlichen Inputs zu bewirken. Diese Lernstrategien beinhalten nach O'Malley and Chamot, 1990, p.43 in MITCHELL and MYLES 2004: 106 beispielsweise Metakognitive Strategien wie die Evaluation: das Verständnis einer Äußerung wird kontrolliert oder eine sprachliche Äußerung wird bewertet; Kognitive Strategien wie Organisation: Klassifizieren und Gruppieren von Wörtern, Terminologie oder Konzepten nach semantischen oder syntaktischen Attributen; Soziale Strategien wie Nachfragen: von einem Lehrer oder Mitschüler zusätzliche Erklärungen, Umformulierungen oder Beispiele erfragen. Solche Strategien sollen ausdrücklich nur das Lernen erleichtern und geben keine Auskunft darüber, was in welcher Weise wann erlernt werden kann.

MITCHELL and MYLES 2004 (120f) betonen, dass die vorgestellten Modelle wenig über das linguistische System aussagen und eher Modelle der Verarbeitung im Zweitspracherwerb darstellen. Das hauptsächliche Interesse liegt auf der Verarbeitung des Inputs, welchen Beschränkungen die Lerner ausgesetzt sind und wie sich diese Beschränkungen mit der Zeit verändern – es handelt sich also um eine Theorie des Übergangs (eine transition theory).

1.4.2 Konstruktionistischer Ansatz: Connectionism

Diese Theorie ist Bestandteil einer allgemeineren Untersuchung von Gedächtnis und Lernen und basiert sehr stark auf Einflüssen aus der Welt der Computer (MITCHELL and MYLES 2004: 121). Das Gehirn wird mit einem auf neuronalen Netzen basierenden Computer gleichgesetzt: eine komplexe Ansammlung von Verbindungen zwischen Informationsknotenpunkten. Diese Verbindungen werden durch Aktivierung oder Hemmung verstärkt oder geschwächt. Lernen wird als assoziativer Prozess betrachtet, und nicht als Konstruktion abstrakter Regeln. Das menschliche Gehirn ist also veranlagt, nach Assoziationen zwischen Elementen zu suchen und Verbindungen zwischen ihnen herzustellen. Bezogen auf das Erlernen einer Sprache sind Lerner nach dieser Theorie empfänglich für Ähnlichkeiten im Input und schließen aus ihnen probabilistische Muster. Gelernt wird durch wiederholtes Aktivieren solcher Muster.

Dieser Ansatz unterscheidet sich radikal von den bisher betrachteten, da die Konstruktion linguistischen Wissens durch assoziative Prozesse geschieht und nicht auf dem Erlernen von Regeln basiert. Dies widerspricht der linguistischen Einteilung von Sprache in Module (zum Beispiel Syntax, Morphologie, Phonologie) mit einem begleitenden Lexikon. Der Spracherwerb wird nicht als Ableiten von Regeln aus der umgebenden Sprache zum Erstellen eigener Regeln und dem Erlernen lexikalischer Elemente, die dann in die grammatisch vorgegebenen Einfügepositionen eingesetzt werden betrachtet. Das Erlernen einer Sprache wird als Herstellen von Milliarden von Assoziationen und dem Extrahieren von Mustern angesehen, die ein regel-ähnliches Verhalten ergeben.

1.4.2.1 Connectionism und Zweitspracherwerb

Als Beispiel führen MITCHELL and MYLES 2004: 124 ein Experiment von Sokolik and Smith (1992) an. Diese haben die Zuweisung des grammatischen Geschlechts für französische Substantive untersucht. Das französische Genus ist kaum semantisch motiviert, die Wortendungen bieten jedoch einen Hinweis: Endungen auf - ette oder - tion sind meistens feminin, Endungen auf - eur oder - on sind meistens maskulin. Im Erstspracherwerb französischer Kinder gelingt die Zuweisung des Genus anhand der Wortendungen relativ schnell, im Zweitspracherwerb handelt es sich aber um eine schwere Hürde, die zu nehmen viel Zeit erfordert.

Sokolik and Smith entwickelten ein Computerprogramm, das lernen musste, das grammatische Geschlecht französischer Substantive anhand orthographischer Informationen korrekt zu identifizieren. Das Modell war dann in der Lage, zu generalisieren und es konnte neuen Substantiven mit hoher Wahrscheinlichkeit das richtige grammatische Geschlecht zuweisen. Es wird also neuen Substantiven auf der Basis im Input beobachteter Regelmäßigkeiten das korrekte grammatische Geschlecht zugewiesen. Es werden keine Regeln extrahiert und angewendet, sondern assoziative Muster erkannt, die im Gebrauch verstärkt werden. Lernen geschieht durch Verstärken assoziativer Muster. Sokolik and Smith waren mit dieser Methode in der Lage, Erst- und Zweitspracherwerb durch Hinzufügen von im Text nicht weiter beschriebenen Variablen zu simulieren.

[...]


[1] Ingram bezieht sich in diesem Beispiel offensichtlich auf den Oberflächenkasus, der als „I gave her a book“ deutlicher zu erkennen ist

[2] Im Rahmen dieser Arbeit beschränke ich mich auf die Beschreibung der Kernelemente der Universalgrammatik, den Prinzipien und Parametern

[3] GASS and SELINKER 2001 relativieren diese Aussage allerdings gleich wieder und listen Beispiele auf, in denen Merkmale augenscheinlich kein Cluster bilden.

[4] „Who did you say came“ klingt m.E. korrekt

[5] Allerdings wäre anhand dieser These fraglich, ob der Zweitspracherwerb, der häufig gesteuert in der Schule stattfindet und sich dadurch deutlich vom „natürlichen“ Erstspracherwerb unterscheidet, überhaupt erfolgreich verlaufen kann, da der Input wesentlich geringer ist als im Erstspracherwerb. Nach der Ansicht von COPPIETERS 1987 ist ein vollständiger Erwerb der Zweitsprache nicht möglich, es bleiben immer oberflächlich schwer wahrnehmbare Unzulänglichkeiten im grammatischen System von nicht-Muttersprachlern. Dieser interessanten These, die auch große Auswirkungen auf die weitere Forschung hatte, kann im Rahmen dieser Magisterarbeit nicht weiter nachgegangen werden.

[6] Diese Annahme setzt natürlich die Existenz der Universalgrammatik voraus.

[7] Die Reihenfolge des Erwerbs ist nicht bei jedem Lernenden gleich, sondern individuell unterschiedlich ausgeprägt

[8] Der Begriff Regel wird hier nicht in normativem Sinne verwendet, sondern als deskriptive Regel verstanden (siehe beispielsweise die Diskussion in LYONS 1981: 48f)

Ende der Leseprobe aus 104 Seiten

Details

Titel
Präpositionen im Zweitspracherwerb - Ein integrativer Ansatz
Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Note
2
Autor
Jahr
2007
Seiten
104
Katalognummer
V76303
ISBN (eBook)
9783638712637
ISBN (Buch)
9783656206651
Dateigröße
2404 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Präpositionen, Zweitspracherwerb, Ansatz
Arbeit zitieren
M.A. Thorsten Witting (Autor:in), 2007, Präpositionen im Zweitspracherwerb - Ein integrativer Ansatz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76303

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