Im Nachwort zur Reclam-Ausgabe Der Verbrecher aus verlorener Ehre und andere Erzählungen kommt Bernhard Zeller zu der Schlussfolgerung, dass Schiller die Verbrechen des Protagonisten Christian Wolf „aus angeborener Anlage und äußeren Umständen, aus Charakter und Situation“ herleitet. Somit werde Schiller „in gewisser Weise doch zum Anwalt Schwans“ . Diese Schlussfolgerung erscheint mir insofern beachtenswert, da einige Rezensenten des Verbrechers aus verlorener Ehre eine derartige Parteinahme Schillers für Wolf, sei sie direkt oder indirekt, nur unzureichend aufzeigen. In anderen Fällen hingegen wird Wolfs Entwicklung zum Verbrecher zu einseitig begründet und somit übersehen, wie weit reichend Schillers Netz der positiven Beeinflussung des Lesers für Wolf gespannt ist.
Ich werde mich in meiner Arbeit vorrangig damit beschäftigen, die Hinweise für eine direkte beziehungsweise indirekte Parteinahme Schillers für Wolf zusammen zu tragen und näher zu deuten. Daraus resultierend werden gleichzeitig diejenigen Rezensenten Gegenstand kritischer Erwähnung sein, die die Faktoren für Wolfs Verbrechertum meiner Meinung nach nur unzureichend oder zu einseitig erläutern.
Ein Vergleich mit der Erzählung Lebensgeschichte Fridrich Schwans von Jacob Friedrich Abel beziehungsweise mit den historischen Fakten des wahren Falles von Schwahn soll nicht hauptsächlicher Gegenstand meiner Untersuchung sein und wird von mir nur dort vollzogen, wo es der Veranschaulichung von Schillers Parteinahme für Wolf dient.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Philosophisch-ästhetische Thesen Schillers
- Die Entstehungsgeschichte der Erzählung Der Verbrecher aus verlorener Ehre
- Die programmatische Vorrede der Erzählung
- Schillers Erzählstrategie bei der Darstellung Christian Wolfs
- Wolfs Äußeres und erste Einflüsse auf ihn: seine Eltern, Hannchen, Robert
- Schillers implizierte Kritik an der Gesellschaft und der Justiz
- Wolf jenseits der bürgerlichen Moral
- Der Mord und Wolfs innere Leere nach der Tat
- Wolf in der Räuberbande
- Wurde Schiller zum literarischen Anwalt Wolfs?
- Das Ende der Erzählung: Warum stellt sich Wolf freiwillig?
- Schillers Intention: aufklären und vorbeugen, aber auch verteidigen?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht, inwieweit Friedrich Schiller in seiner Erzählung "Der Verbrecher aus verlorener Ehre" zum Anwalt des Protagonisten Christian Wolf wird. Dabei werden die Hinweise auf eine direkte oder indirekte Parteinahme Schillers für Wolf analysiert und gedeutet. Gleichzeitig werden Rezensenten kritisch beleuchtet, die die Faktoren für Wolfs Verbrechertum ihrer Meinung nach nur unzureichend oder zu einseitig darstellen.
- Schillers literarische Strategien in der Darstellung von Christian Wolf
- Schillers Kritik an der Gesellschaft und der Justiz
- Die Genese von Verbrechen und die Frage nach der Schuld
- Schillers Absicht, die Leserschaft aufzuklären und vorzubeugen
- Die Rolle des Autors und seine Beziehung zum Leser
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt die Forschungsfrage und die Zielsetzung der Arbeit dar. Sie beleuchtet die unterschiedlichen Interpretationen des Verbrechers aus verlorener Ehre und kündigt die Analyse der Hinweise auf Schillers Parteinahme für Wolf an.
- Philosophisch-ästhetische Thesen Schillers: Dieses Kapitel beleuchtet Schillers literarische und gesellschaftliche Kontext, insbesondere die Entstehungsgeschichte der Erzählung und die programmatische Vorrede. Es wird die Intention Schillers beleuchtet, die Leser durch seine Erzählung gleichzeitig zu unterhalten und aufzuklären.
- Schillers Erzählstrategie bei der Darstellung Christian Wolfs: Dieses Kapitel untersucht, wie Schiller den Protagonisten Christian Wolf darstellt, seine Kindheit, seine soziale Umgebung und die Einflüsse, die ihn prägen. Dabei wird auch die implizierte Kritik an der Gesellschaft und der Justiz beleuchtet.
- Wolf jenseits der bürgerlichen Moral: Dieses Kapitel analysiert Wolfs Handlungsweise und seine innere Verfassung, insbesondere seinen Mord und die Zeit in der Räuberbande. Es wird untersucht, inwieweit er die bürgerliche Moral transzendiert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themenfeldern Verbrechen, Schuld, Verantwortung, Gesellschaft, Justiz, literarische Strategien, Autor-Leser-Beziehung, Aufklärung, Prophylaxe, Moral, und Friedrich Schiller.
- Quote paper
- Jana Henseleit (Author), 2005, Inwieweit wurde Schiller zum literarischen Anwalt des "Verbrechers aus verlorener Ehre"?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76318