Zu: Walther von der Vogelweides "Lange swîgen des hât ich gedâht"

L 72,31: sog. Sumerlaten-Lied


Seminararbeit, 2005

14 Seiten, Note: 3,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Thematik

Entstehung – Überlieferung – Edition
Zur Entstehungsgeschichte
Überlieferung in den Handschriften
Unterschiedliche Editionen

Metrik

Wortwahl

Perspektive

Zeit

Raum

Aufbau

Literaturverzeichnis
Primärliteratur
Sekundärliteratur

Thematik

Beim Sumerlaten-Lied handelt es sich um eine Minneklage, welche als Monolog aufgebaut ist. Das offensichtlich männliche Sänger-Ich beklagt ein Verhältnis zwischen ihm und einem wîp.

Das Gedicht besteht aus fünf Strophen. Die erste Strophe beginnt damit, dass der Sänger bekannt gibt, dass er beabsichtigt hatte, lange zu schweigen, und nicht mehr zu singen.

Nun aber muss er wieder singen wie einst. Dazu hat ihn das Publikum, die guote liute (I, 3), gebracht. Mit guote liute sind die Mitglieder der höfischen Gesellschaft gemeint.[1] Diese Interpretation wird durch die folgende Zeile (I, 4) unterstützt. In dieser stellt er fest, dass dieses Publikum ihm wohl mehr bieten könne, was sich dadurch auswirken wird, dass sie ihm mehr Dienste auferlegen könnten. Für seine ihm gewogene Zuhörerschaft will er seine Lieder vortragen und alles machen, was sie wünschen. Als Gegenleistung fordert er jedoch, dass sie seinen kumber clagen (I, 6). Dies ist hier doppeldeutig zu verstehen: Einerseits sollen sie sein Leid beklagen und andererseits juristische Klage erheben.[2]

In der zweiten Strophe erzählt er von dem wunder (II, 1), dem Unglaublichen, das ihm, durch seine eigene Arbeit, widerfahren ist. Ein w îp (II, 3) will ihn nicht mehr ansehen, welches erst durch sein Wirken zu großem Ansehen werdecheit (II, 4) gekommen ist. Vermutlich durch die, aufgrund des Sängers, erlangte gesellschaftliche Anerkennung ist diese besungene Dame hochmütig und arrogant geworden. Abschließend stellt er sich die Frage, ob die Dame denn nicht wisse, dass ihr Ansehen am Hof völlig vergehe, wenn er sein lobendes Singen unterlasse. Diese Frage weist darauf hin, dass es Walther offensichtlich bewusst war, dass das Singen eines Minnesängers das Ansehen in der Gesellschaft erhöht.

Die dritte Strophe beginnt damit, dass er sich an Gott hêrre (III, 1) wendet und die Dame verwünscht. Er führt aus, welche Flüche und Verwünschungen sie erleiden müsse, wenn er seinen Sang aufgebe. Alle, die sie jetzt noch loben, und das ist dem Sänger gewiss, werden sie dann schelten, ohne dass er etwas dafür kann. Tausende Herzen wurden durch die Gunst, die sie ihm erwies, froh. Hier wird deutlich, dass das Besingen einer Dame die Menschen ihr gegenüber fröhlicher machen könne. Diese vielen Herzen müssen aber nun vielleicht dafür büßen, wenn er sich von der Dame auf diese unfreundschaftliche Weise lösen muss. Dies zeigt, dass der Sänger seinen Dienst aufkündigt, weil die Dame ihm den Minneerfolg nicht gegönnt hat.

Als er noch dachte, dass sie gout (IV, 1) wäre, was sie jedoch offenbar nicht ist, wer war ihr dann wohlgesonnener als er. In (IV, 3) will er dem Ganzen ein Ende setzen, dest ein ende. Um seinen Unmut zu äußern, verkündet er, dass, was immer sie ihm angetan hat, könne auch sie von ihm erwarten. Erlöse sie ihn von diesem, von ihr verursachten Leid, so habe ihr Leben auch Teil an der Ehre seines Daseins. Abschließend gibt er in (IV, 6) mit sterbet sie mich, sô ist si tôt, bekannt, zumal sie ihn tötete und mit ihm auch seine Dichterkunst, so sei sie gesellschaftlich tot.

In der letzten Strophe wagt Walther einen Blick in die Zukunft. Sollte er im aussichtslosen Minnedienst an dieser Dame alt werden, so mache die Zeit sie auch nicht viel jünger. Er kritisiert, dass im Alter sein Haar vielleicht so grau und dürftig aussehe, dass er ihr nicht mehr gefalle und sie sodann doch einen jungen Mann will. Diesem jungen Mann wünscht er viel Glück, sô helfe iu got, herre junger man (V, 5), da dieser ja eine arrogante und die Minne verachtende Dame zu umwerben vorhat. Er warnt ihn, und bittet ihn zugleich, ihn zu rächen. Das Lied endet mit und gânt ir alten hût mit sumerlatten an! (V, 6). Diese letzten Worte haben dem Lied auch seinen Namen gegeben. Abschließend will er, dass sich dieser junge Mann an der Frau rächen sollte, indem er ihre alte, faltige Haut mit Ruten aus diesjährigen, im Sommer gewachsenen Schösslingen bearbeiten soll. Die in diesem Sommer gewachsenen Zweige eignen sich aber höchstwahrscheinlich nicht für feste Prügel. Mertens bringt die sumerlatten als Sinnbild der Lebenskraft daher mit dem Fruchtbarkeitszauber in Verbindung, Brautpaare oder nur die Bräute mit der Rute zu schlagen, und versteht das abschließende Bild als scherzhafte Verjüngungskur mit sexueller Komponente.[3]

Ob zur Verjüngung oder auch zur Strafe, der neue Jungwerber soll die Dame schlagen. Mit diesem Vorschlag Walthers endet das Lied.

Entstehung – Überlieferung – Edition

Zur Entstehungsgeschichte

Das so genannte „Sumerlaten-Lied“ ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit dem wohl bekanntesten mittelalterlichen Dichter Walther von der Vogelweide zuzuschreiben.

Walther schaffte eine Gegenpoesie zur Hohen Minne, die Mädchenlieder, auf deren minnetheoretischen Basis vielleicht das hier behandelte Lied entstanden ist. So gerät um 1200 das Konzept der Hohen Minne in Diskussion. Damen, welche nicht bereit sind, dem werbenden Mann ihre Zuneigung zu zeigen, werden, da Güte das Wesen der Frau ausmachte, herablassend beschrieben.[4]

An dieser Stelle möchte ich ein paar Details zur Geschichte Walthers ausführen:

Walther wurde um 1170 geboren und war von 1195 bis Ende 1198 am Hof der Babenberger zu Wien. In dieser Zeit war vermutlich der damalige Hofpoet, Reinmar der Alte, sein Lehrer. Während seiner Zeit am Wiener Hof kommt es ab 1196 zur ersten „Reinmar-Fehde“ aufgrund unterschiedlicher Auffassungen des Minnesangs. Im Winter 1203 ist Walther nach seinen Wanderjahren wieder am Wiener Hof.[5] Die ältere Forschung sieht im „Sumerlaten-Lied“ den Kern einer zweiten Fehde zwischen Walther und Reinmar, die um/nach 1203 beginne und in diesem Lied derart eskaliere, dass Walther erneut den Wiener Hof wegen seiner Rivalität mit Reinmar habe verlassen müssen.[6]

Als „schärfsten Spott“ bezeichnet v. Kraus die pervertierte Sterbemotivik Reinmars.

Im Lied Wol ime, daz er ie wart geborn beschreibt Reinmar die Abhängigkeit des Werbenden von seiner Geliebten mit den Worten:

[...]


[1] Vgl. Ricarda Bauschke: Die „Reinmar-Lieder“ Walthers von der Vogelweide. Literarische Kommunikation als Form der Selbstinszenierung. Heidelberg: Winter 1999. (= Germanisch-romanische Monatsschrift: Beiheft. 15.) S. 203

[2] Vgl. Volker Mertens: Alte Damen und junge Männer. Spiegelungen von Walthers ,sumerlaten-Lied’. In: Walther von der Vogelweide. Hamburger Kolloquium 1988 zum 65. Geburtstag von Karl-Heinz Borck. Hrsg. Von Jan-Dirk Müller und Franz Josef Worstbrock. Stuttgart: Horzel 1989. S. 204

[3] Vgl. Volker Mertens: Alte Damen und junge Männer. Spiegelungen von Walthers ,sumerlaten-Lied’. In: Walther von der Vogelweide. Hamburger Kolloquium 1988 zum 65. Geburtstag von Karl-Heinz Borck. Hrsg. Von Jan-Dirk Müller und Franz Josef Worstbrock. Stuttgart: Horzel 1989. S. 202

[4] Vgl. Horst Brunner: Geschichte der deutschen Literatur des Mittelalters im Überblick. Stuttgart: Reclam 1997. (= Universal-Bibliothek. 9485.) S. 181

[5] Vgl. Siegfried Obermayer: Walther von der Vogelweide. Der Spielmann des Reiches. München: Langen-Müller 1980. S. 273ff.

[6] Vgl. Ricarda Bauschke: Die „Reinmar-Lieder“ Walthers von der Vogelweide. Literarische Kommunikation als Form der Selbstinszenierung. Heidelberg: Winter 1999. (= Germanisch-romanische Monatsschrift: Beiheft. 15.) S. 217

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Zu: Walther von der Vogelweides "Lange swîgen des hât ich gedâht"
Untertitel
L 72,31: sog. Sumerlaten-Lied
Hochschule
Karl-Franzens-Universität Graz
Veranstaltung
Literarische Kultur des Mittelalters
Note
3,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
14
Katalognummer
V76440
ISBN (eBook)
9783638818681
ISBN (Buch)
9783638820394
Dateigröße
448 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Walther, Vogelweides, Lange, Literarische, Kultur, Mittelalters
Arbeit zitieren
Jasmin Krois (Autor:in), 2005, Zu: Walther von der Vogelweides "Lange swîgen des hât ich gedâht", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76440

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