Der Zweibund von 1879


Hausarbeit, 2005

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Berliner Kongress von 1878

2. Der Vollzug der Berliner Kongressakte und die Annäherung des Deutschen Reiches an Österreich/ Ungarn

3. Der „ Zwei – Kanzler - Krieg“ zwischen Bismarck und Gortschakow
3.1. Der „Ohrfeigenbrief“ von Zar Alexander II

4. Dem Zweibund vorausgehende Verhandlungen

5. Der Inhalt des Zweibundvertrages

Schlussbetrachtung

Bibliografie

Einleitung

Am 7. Oktober 1879 wurde in Wien ein geheimes Defensivabkommen zwischen dem Deutschen Reich und Österreich - Ungarn unterzeichnet[1]. Dieses Bündnis war Ausdruck einer bedenklich veränderten Weltlage „[…] nämlich dass wir wegen drohender Gefahr von Russland die bisherige Politik mit demselben aufgeben und eine gegen Russland gerichtete europäische Koalition defensiver Natur nicht nur suchen, sondern abschließen sollten[2] “. Schon mit dem Berliner Kongress, den Reichskanzler Fürst Otto von Bismarck als „ ehrlicher Makler“ und Mittler zwischen den Mächten moderiert hatte, war eine neue Etappe in der permanenten Suche nach Sicherung der labilen „halb – hegemonialen“ Stellung des Reiches eingeleitet worden. Eine Option für Russland oder Österreich - Ungarn ließ sich in den Augen des deutschen Reichskanzlers nicht länger umgehen. Da er aber eine endgültige Festlegung zu vermeiden trachtete, begann er sein Sicherungsnetz mit der Donaumonarchie neu zu knüpfen. Zu dieser Entscheidung veranlassten ihn die sich nach dem Berliner Kongress rapide verschlechternden Beziehungen zu Russland. Ein Defensivbündnis mit Österreich - Ungarn schien Bismarck das einzig wirksame Mittel zur Sicherung des Friedens für Deutschland zu sein. Seines Erachtens nach durfte sich das Reich in der Mitte Europas keiner Isolierung aussetzen. In der Erhaltung der Habsburgermonarchie sah der Kanzler einerseits eine Grundbedingung der deutschen Sicherheit; andererseits wollte er Wien aber nicht zu stark werden lassen. Russland sollte als Gegengewicht zu Österreich - Ungarn erhalten bleiben, aber gleichzeitig vor Augen geführt werden, dass das Deutsche Reich nicht allein auf das Zarenreich angewiesen war.

Im Folgenden wird daher die Frage aufgeworfen , inwiefern sich die Beziehungen des Deutschen Reiches nach dem Berliner Kongress zu Russland derart negativ veränderten, dass der Reichskanzler sich gezwungen sah, ein gegen das Zarenreich gerichtetes Bündnis mit der Donaumonarchie abzuschließen. Zu diesem Zweck soll der Berliner Kongress von 1878 und deren Auswirkungen auf das deutsch – russische Verhältnis näher beleuchtet werden. Als Untersuchungsgrundlage dienen hier vor allem die Arbeiten von Friedrich Scherer[3] und Heinz Wolter.[4] Die Stimmen in der Literatur differieren zum Teil sehr stark bei der Analyse des sich nach dem Berliner Kongress abzeichnenden „ Zwei – Kanzler Krieges“ zwischen Bismarck und dem Staatskanzler Russlands Alexander Fürst Gortschakow. Eine Untersuchung des Ablaufes der Auseinandersetzungen zwischen Bismarck und Gortschakow erscheint in Anbetracht des späteren gegen Russland gerichteten Zweibundes sinnvoll. Bei der Analyse des „ Zwei – Kanzler – Krieges“ dienen vor allem Briefwechsel und Pressemitteilungen, anhand derer dieser Prozess nachvollzogen werden soll. Besondere Aufmerksamkeit wird im Folgenden speziell dem legendären „ Ohrfeigenbrief“ von Zar Alexander II an seinen Onkel Wilhelm I gewidmet. Die Betrachtung des Forschungsstandes gibt Aufschluss über die politische Situation, in der es zur Verfassung des „ Ohrfeigenbriefes“ kam. Einen großen Wert lege ich vor allem auf die Untersuchung der gesammelten Quellen aus der „ Großen Politik der Europäischen Kabinette“. Dieses Werk dient maßgeblich als Untersuchungsgrundlage der Arbeit. Auf eine Erörterung der österreichischen Perspektive während des „ Zwei – Kanzler – Krieges“ soll hier aus Gründen des limitierten Umfangs der Hausarbeit verzichtet werden. Der Schwerpunkt der Betrachtungen liegt demnach in den sich verändernden deutsch – russischen Beziehungen im Vorfeld des Abschlusses des Zweibundvertrages.

1. Berliner Kongress von 1878

Betrachtet man die deutsch – russischen Beziehungen im Mächtekonzert des ausklingenden 19. Jahrhunderts, so stellt man fest, dass der Berliner Kongress vom 13. Juni bis zum 13. Juli 1878 eine entscheidende Zäsur darstellt.

Der Niedergang des Osmanischen Reiches löste Spannungen zwischen der Habsburgermonarchie und dem Zarenreich aus. Unmittelbarer Anlass dazu war ein Sieg der Russen über die Armeen des Sultans und der im Anschluss oktroyierte Friede von San Stefano vom März 1878. Auf Grundlage des Friedens von San Stefano wurde unter anderem das russlandfreundliche Bulgarien geschaffen. Russland hatte sich die letzten türkischen Gebiete auf dem Balkan einverleibt. Vor allem Wien, aber auch London waren über die Machtverschiebungen auf dem Balkan besorgt. In dieser Situation, die sich in einem russisch – österreichischen Krieg zu entladen drohte, entschloss sich Bismarck eine Internationalisierung des Problems zu unterstützen. Als „ ehrlicher Makler“ strebte er auf dem anschließenden Berliner Kongress eine Lösung der orientalischen Frage an[5].

Der Berliner Kongress hatte unter der Leitung Bismarcks stattgefunden. Sein Ziel bestand darin, die außenpolitische Stellung des Reiches durch eine flexible status – quo Politik, durch die überlegene Ausnutzung natürlicher Interessengegensätze zwischen den anderen Großmächten und durch deren Ablenkung von der europäischen Mitte an die Peripherie des Kontinents zu sichern[6]. Dass die Mitglieder der Balkanstaaten nicht vollberechtigte Kongressteilnehmer waren, machte deutlich, dass es offenbar nicht um nationale sondern um machtpolitische Anliegen ging. Die wesentlichen Grundlinien eines Kompromisses waren bereits durch separate Abkommen zwischen Petersburg, London und Wien vorgezeichnet. Besonders empfindlich traf die Pforte die feindliche Haltung Bismarcks in der Frage Bosnien – Herzegowinas. Diese avancierte für sie nach dem bulgarischen Votum zum wichtigsten Thema des Kongresses. Aufgrund territorialer Zugeständnisse, die in vorausgegangenen jeweils zweiseitig geführten Verhandlungen erreicht worden waren, wurden Österreich - Ungarn mit der de facto Herrschaft über Bosnien und die Herzegowina ausgestattet. Frankreich wurde durch Aussicht auf Ausdehnung im Bereich des Mittelmeeres zufrieden gestellt. England, das den Besitz von Zypern zugesprochen bekam, und die Habsburgermonarchie verhinderten auf dem Berliner Kongress die Bildung eines großbulgarischen von der Donau bis zur Ägäis reichenden Staates. Auf diese Weise versuchten sie die Einflusssphäre des Zarismus einzudämmen. Serbien, Montenegro und Rumänien wurden souverän. Russland erlitt auf dem Berliner Kongress eine besonders schwere Niederlage, weil es sein Ziel, die Meerengen zu beherrschen und zum Mittelmeer vorzudringen, nicht erreicht hat. Das Zarenreich musste von seiner bulgarischen Beute große Stücke, vor allem die Provinz Ostrumelien, wieder hergeben. Der „Berliner Friede“ vermochte somit keine dauerhafte Entspannung zwischen den Großmächten zu bringen. Vielmehr wurde der Balkan zu einem „ Pulverfaß“.[7] Auf dem Berliner Kongress war es Bismarck sowohl gelungen, den großen Krieg zu vermeiden, als auch das orientalische „ Geschwür“ offen zu halten. Dieses erfüllte den Zweck, die Auseinandersetzungen der Mächte fortdauern zu lassen. Dem unbeteiligten Deutschen Reich verschaffte es im Konzert der Mächte eine komfortable Schiedsrichterposition. Das Zarenreich allerdings fühlte sich um die Früchte seines militärischen Erfolgs, der einen Zugang zu den Meerengen verschaffen sollte, betrogen. Unter diesen Vorraussetzungen begannen sich die deutsch – russischen Beziehungen im Sommer 1878 rapide zu verschlechtern. Der Bruch des 1873 abgeschlossenen Dreikaiserabkommens zwischen dem Deutschen Reich, Österreich - Ungarn und Russland schien mehr und mehr zur Gewissheit zu werden. Damit kündigte sich eine neue Zäsur in der Orientpolitik an.

2. Der Vollzug der Berliner Kongressakte und die Annäherung des Deutschen Reiches an Österreich/Ungarn

Die internationale Konstellation war für das Deutsche Reich im Spätsommer 1879 nicht gerade günstig. Das Deutsche Reich war „ […] für das kontinentale Gleichgewicht zu stark und für die europäische Hegemonie zu schwach.“[8] . Nach dem Bruch des 1873 abgeschlossenen Dreikaiserverhältnisses drohte sogar ein russisch – französisches Zusammengehen. Dieses versuchte Bismarck durch die Schaffung politischer Gegengewichte zu verhindern.

Das Ende des Dreikaiserbundes hatte sich bereits in den Monaten vor dem Berliner Kongress abgezeichnet. Die Unbekümmertheit, mit der Russland im Vertrag von San Stefano über die Budapester und Reichstädter Vereinbarungen hinweggegangen war, hatte die Habsburgermonarchie an die Seite der Engländer rücken lassen. Auf dem Berliner Kongress hatten die englischen und russischen Delegierten Hand in Hand gearbeitet, um das russische Großbulgarien in akzeptable Teile zu zerlegen. Der in Berlin gefundene Kompromiss machte den Seitenwechsel jedoch nicht rückgängig – im Gegenteil. Die scheinbar beigelegte Orientkrise entflammte erneut. Eine Verständigung zwischen Wien und St. Petersburg rückte aufgrund der korrelierenden Balkaninteressen in weite Ferne.[9] Nach dem österreichisch – russischen brach nach dem Berliner Kongress auch der russisch – deutsche Pfeiler des Dreikaiserbundes weg. Die für Russland unbefriedigenden Kongressresultate erzeugten dort eine scharfe Wende gegen das Deutsche Reich. Die innergesellschaftliche Krise im Zarenreich ließ in Bismarcks Augen auch seine außenpolitische Berechenbarkeit sinken. Weit mehr als in den Jahren zuvor rechnete er mit der Möglichkeit, dass Russland auf eine innere Explosion zu treibe. Diese würde unter der angespannten politischen Situation gegen das Deutsche Reich gerichtet sein. Charakteristisch für die vorherrschende Stimmung in der russischen Öffentlichkeit war eine Rede des Vorsitzenden des Moskauer Slawenkomitees, des Publizisten Iwan Aksakow, noch während der Kongresstage. Er warf der russischen Diplomatie vor, sich „[…] der Herrschaft deutscher und katholischer Elemente zu unterwerfen.“[10] Mit einer groß angelegten diplomatischen Offensive, die Bismarck nun gegen Russland einleitete, sollte zum einen eine gegen das Deutsche Reich gerichtete Allianz verhindert werden. Aber es ging um viel mehr. Russland sollte diszipliniert und die Möglichkeit seiner eigenen Isolation vor Augen geführt werden.[11]

[...]


[1] Die Hausarbeit folgt der neuen deutschen Rechtschreibung

[2] GP, Bd. 3, Nr. 466, S. 66, Wilhelm I an Bismarck, 10.09.1879.

[3] Scherer, Friedrich: Adler und Halbmond: Bismarck und der Orient 1878 -1890. München 2001.

[4] Wolter, Heinz: Bismarcks Außenpolitik 1871 – 1881. Berlin 1983.

[5] Vgl. Hildebrand, Klaus: Das vergangene Reich. Stuttgart 1996, S. 55 ff.

[6] vgl. Hillgruber, Andreas: Bismarcks Außenpolitik, Freiburg i. Br., 1993, S. 129 – 146.

[7] Vgl. Engelberg, Ernst: Das Reich in der Mitte, Berlin, 1990, S.282.

[8] u.a. Hildebrand, Klaus: Reich – Großmacht – Nation. Betrachtungen zur Geschichte der deutschen Außenpolitik 1871 – 1945, HZ 259 ( 1994) 370.

[9] Vgl. Hertz – Eichenrode, Dieter: Deutsche Geschichte 1871 – 1890, Stuttgart, 1992.

[10] Golczewski, Frank u.a. ( Hrsg.): Russischer Nationalismus. Göttingen, 1998, S. 184 ff.

[11] vor allem Engelberg, Ernst: Bismarck. Das Reich in der Mitte Europas, Berlin 1990, S. 205.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Der Zweibund von 1879
Hochschule
Universität Potsdam  (Historisches Institut)
Veranstaltung
Proseminar Bismarck und die europäische Außenpolitik
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
20
Katalognummer
V76681
ISBN (eBook)
9783638812634
Dateigröße
425 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Zweibund, Proseminar, Bismarck, Außenpolitik
Arbeit zitieren
Jasmin Ruge (Autor:in), 2005, Der Zweibund von 1879, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76681

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Der Zweibund von 1879



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden