Pietismus und die Entwicklung Brandenburg-Preußens

Religion als Motor preußischer Entwicklung?


Hausarbeit, 2005

17 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Einordnung in den historischen Kontext
a. Überblick über die Entwicklung Brandenburgs bis zum Ende des 17. Jahrhunderts
b. Reformen und Religionspolitik in Brandenburg (-Preußen)

3. Der Pietismus- von individueller Frömmigkeit hin zur staatstragender Religion
a. Hintergründe, theologische Grundannahmen, Zielsetzungen
b. Anfänge des Pietismus in Brandenburg (-Preußen)
c. August Hermann Francke - der Vater des Halleschen Pietismus

4. Der Hallesche Pietismus als Reformmotor in Brandenburg - Preußen?
a. Staats- und Menschenbild des Halleschen Pietismus
b. Kooperation zwischen Herrscherhaus und Halleschem Pietismus
c. Der pietistische Einfluss auf das Verständnis von Herrschaft
d. Der Einfluss des Pietismus auf die preußische Armee und Bürokratie

5. Fazit

6. Bibliographie

7. English Summary

8. Eigenständigkeitserklärung

1. Einleitung

Die Evolution Brandenburg-Preußens von der „Streusandbüchse“ des „Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation“ hin zu einer mittleren europäischen Großmacht ist etwas Erstaunliches, betrachtet man die Voraussetzungen die dieser an der Peripherie liegende, wirtschaftlich und geistig unterentwickelte Flecken östlich der Elbe mitbrachte. Nicht dass es einem Wunder gleicht, dennoch wurde zu Beginn des 17. Jahrhunderts eine Entwicklung, eingeleitet, die maßgeblich zu einer Neuordnung der politischen Kräfte in Mitteleuropa geführt hat. In Brandenburg-Preußen wurde diese moderne Entwicklung, die den traditionellen feudalen Fürstenstaat hin zu einem machtorientierten, effektiven Herrschaftsraum veränderte, relativ früh eingeleitet. Was die Neuordnung der politischen Kräfte im Besonderen zu Gunsten der Brandenburger ermöglichte, war die immense Militärmacht die hinter Brandenburg (-Preußen) stand. Der kleine Staat Brandenburg hatte sich fortan der Funktionalität des äußerst effektiv arbeitenden militärischen Machtwerkzeugs unterzuordnen. An dieser Stelle muss die Wirkung in das Innere des brandenburgischen Staates untersucht werden. Wie hatte man es geschafft, das brandenburgische Volk und die als widerspenstig geltende adelige Junker-„Elite“ vor den Karren der Hohenzollern zu spannen?

Diese Arbeit soll sich der außergewöhnlichen Entwicklung Brandenburg-Preußens zu einem absolutistischen Staat, unter Berücksichtigung seiner Religionspolitik, widmen und im Speziellen die Rolle und den Anteil des Pietismus an diesem state-building Prozess analysieren. Die Entwicklung Brandenburgs soll nicht pauschal durch die Herausbildung staatlicher Machtagenturen erklärt werden, vielmehr ist der Gegenstand dieser Hausarbeit die ideologische Grundlage, die den enormen gesellschaftlichen, sozialen und religiösen Wandel unterstützt hat.

Diese Seminararbeit gliedert sich in drei Teile und beginnt mit einem einleitenden Abschnitt, der sich insbesondere mit der historischen „Rahmenhandlung“ auseinandersetzt und einen grundlegenden Einblick in die Religionspolitik des Hauses Hohenzollern gibt. Der zweite Teil widmet sich der Religionsgruppe der Pietisten. Personen, Entwicklungen und die besondere Theologie der Pietisten werden vorgestellt. Im dritten Teil soll der Einfluss des Pietismus auf Staat und Gesellschaft in Brandenburg-Preußen von der Regierungszeit Friedrich III. (I.) bis Friedrich Wilhelm I. analysiert werden und die immense Wichtigkeit des Pietismus für die Staatenwerdung Preußens herausgearbeitet werden.

Grundlegend für diese Arbeit waren das Buch von Carl Hinrichs „Preußentum und Pietismus“ und die Arbeit „Pietism and the making of eighteenth-century Prussia“ von Richard L. Gawthrop, sowie „Eine kleine Geschichte Preußens“ von Eberhard Straub.

2. Einordnung in den historischen Kontext

a. Überblick über Entwicklung Brandenburgs bis zum Ende des 17. Jahrhunderts

Wiege des später berühmt-berüchtigten preußischen Staates war die kleine und unscheinbare Mark Brandenburg. Beherrscht wurde dieser ost-elbischen Landstrich von den Markgrafen von Brandenburg, die bis 1320 der Sippe der Askanier angehörten. Die Askanier erhielten im 13. Jahrhundert die Kurwürde und durften - mit sieben anderen Fürsten - den Kaiser des „Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation“ wählen. Doch abgesehen von diesen Ehren, hatte die Mark Brandenburg nicht viel zu bieten, gehörte sie doch zu den armen und unterentwickelten Gebieten des Reiches.[1]

Nach dem der letzte Marktgraf der Askanier 1320 verstorben war, wurde die Mark Brandenburg zunächst von bayerischen und luxemburgischen Fürsten beherrscht. Diese sahen in Brandenburg eine Art Notration, deren Inhalt (Burgen, Dörfer, landwirtschaftliche Güter) man je nach Kassenlage an potente adlige Herrschaften verkaufen konnte. Durch den Ausverkauf Brandenburgs etablierte sich schnell eine zweite Machtebene neben der des Kurfürsten: Landadelige (auch Junker genannt), die das Leben der Städte und der Bauern zunehmend erschwerten und durch ihren stetigen Konflikte untereinander Brandenburg nahezu unregierbar machten.[2]

Der wohl für die Zukunft folgenschwerste Vorgang war die Zuteilung der Mark Brandenburg an das Adelsgeschlecht der Hohenzollern[3], die im Jahre 1417 die Kurwürde erhielten und von da an das Schicksal Brandenburgs bzw. Preußens bis zu seinem Untergang bestimmen sollten. Der Kurfürst Albrecht Achilles (Kurfürst 1470-1486) legte 1473 in der Dispositio Achillea die Unteilbarkeit der Mark Brandenburg fest und sicherte damit die Zukunft eines zusammenhängenden Einfluss- und Herrschaftsgebiets der sich herausbildenden Linie der brandenburgischen Hohenzollern. Durch die ungewollt gewaltlose Expansionspolitik durch Erbaneignung konnte das Herrschaftsgebiet der Hohenzollern im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts um ein Beträchtliches erweitert werden. Darunter fiel auch die Übernahme des Preußischen Ordenstaates. Dessen letzter Ordensmeister entstammte dem Ansbach-Bayreuther Zweig der Hohenzollern und wandelte den Ordensstaat in ein weltliches Herzogtum um.[4] 1569 erhielten die Brandenburger vom polnischen König die Mitbelehnung Preußens und untermauerten ihren Anspruch auf Preußen durch die Heirat des späteren Kurfürsten Johann Sigismund mit der Erbin des ehemaligen Ordensstaates, Anna von Preußen, im Jahre 1591.[5] Durch Erbgang fiel das Herzogtum Preußen im Jahre 1618 endgültig an Brandenburg. Damit war ein Grundstock an brandenburgischen Herrschaftsgebieten durch geschicktes Heiraten und durch Bündnisse gelegt. Die neuen Besitzungen verhalfen dem Fürsten durch vergrößerte finanzielle Möglichkeiten zu einer gewissen Unabhängigkeit von der durch die Stände kontrollierten Steuerbewilligung.[6]

Der zunächst positiven Entwicklung Brandenburg-Preußens setzte der sog. „Dreißigjährige Krieg“ (1618-1648) ein Ende. Brandenburg war wegen seiner nur sehr kleinen Armee vielen Überfällen der umliegenden Länder schutzlos ausgesetzt, wurde nach Belieben durch fremde Mächte besetzt, ausgeplündert und befand sich 1648 in einem desolaten, infrastrukturellen, wirtschaftlichen, finanziellen und moralischen Zustand.[7]

b. Reformen und Religionspolitik in Brandenburg (-Preußen)

Die signifikante „religiöse“ Entwicklung der Hohenzollern begann nicht mit der Annnahme des Luthertums durch den Kurfürsten Joachim II. (1505-1571) im Jahre 1539, sondern vielmehr damit, dass im Jahre 1613 Johann Sigismund (1572-1619) „für seine Person“ zum Calvinismus konvertierte. Daraus erfolgte keine Verpflichtung seiner Untertanen es ihm gleichzutun, sondern er prägte damit gewissermaßen den privaten Charakter der Religion in Brandenburg.[8] Die durch Johann Sigismund de facto postulierte religiöse Toleranz in Brandenburg stellte eine wichtige Grundlage für die Entwicklung Brandenburg-Preußens während der Herrschaftsperiode seines Enkels, des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm (1620-1688), dar.

Nachdem sich Brandenburg-Preußen in den vorangegangenen Jahrzehnten als eher passiver politischer Akteur hervorgetan hatte, stellte die Etablierung eines stehenden Heeres neben einem außenpolitischen auch einen innenpolitischen Paradigmenwechsel dar. Das Heer, das für die Interessen Brandenburgs nach außen operieren sollte, diente dem Kurfürsten nach innen als wichtiges Machtinstrument bezüglich der Neuordnung der Kräfteverhältnisse im Staat. Denn ähnlich wie in den meisten deutschen Territorialstaaten herrschte auch in Brandenburg ein quasi „duales System“[9] der Aufteilung der Macht. Obwohl der Kurfürst die höchste Instanz im Lande war, konnten die Stände bei der Bewilligung von Steuern die Politik des Herrscherhauses behindern. Ein stehendes Heer, das mit stetigen Ausgaben auch stetige Einnahmen benötigt, kann ohne ein stabiles, den Geldfluss sichernden Steuersystem nicht operieren. Der Große Kurfürst musste demnach ein von den Ständen unabhängiges Steuersystem nebst loyaler Verwaltung etablieren.[10]

Die Religionspolitik in Brandenburg-Preußen wirkte in den durch äußere Einflüsse stimulierten und notwendig gewordenen Reformprozessen[11] zumindest unterstützend. Neben den massiven militärischen und bürokratischen Neuerungen war es dem Großen Kurfürsten ein Anliegen, den Einfluss und die Rolle des Calvinismus in Brandenburg-Preußen auszubauen und damit gegenüber den lutherischen Landständen ein Gegengewicht zu etablieren. Neben der Stärkung und dem Ausbau calvinistisch-orientierter Institutionen, wie Kirchen und Universitäten,[12] setzte er auf den gelenkten Zustrom reformierter christlicher Siedler, welche wegen ihres Glaubens in Europa vielerorts Verfolgung erleiden mussten. Ihnen wurden umfassende Autonomierechte, Steuervergünstigungen und andere Privilegien zugesprochen.[13] Im Zuge der sich ausweitenden Verfolgung protestantischer Christen siedelten sich von 1672 bis Ende der 1690er Jahre Tausende Flüchtlinge in Brandenburg-Preußen an. Viele dieser Flüchtlinge, darunter ca. 20.000 Hugenotten, sollten den neuen, auf den Lehren des Calvinismus beruhenden Staat, tragen und waren dankbare und loyale Diener des brandenburgischen Kurfürsten. In Brandenburg schaffte der Große Kurfürst damit eine neue Gesellschaft, die nicht unter der direkten Herrschaft der Landstände stand. Sie waren allein dem Kurfürsten Rechenschaft schuldig und waren ob der vielen Privilegien und Berufschancen dankbare Diener Preußens, besonders in den neugeschaffenen staatlichen Organisationen wie Heer und Verwaltung.[14]

3. Der Pietismus – von individueller Frömmigkeit hin zur staatstragenden Religion

a. Hintergrund, theologische Grundannahmen, Zielsetzungen

Spricht man von Pietismus, so muss festgestellt werden, dass es keine allgemeingültige Umschreibung einer universaltypischen Form des Pietismus gibt. Vielmehr war der „Pietismus“ eine „[...] aus vielen Richtungen und Abtönungen zusammengesetzte Erscheinung, die nicht ohne weiteres auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen ist.“[15]

Konsens jener Gläubigen in der Zeit nach dem sog. „Dreißigjährigen Krieg“ war es indes, dass die lutherische Reformationskirche und die allgemeine Christenheit an sich, in einem desolaten moralischen und geistigen Zustand befanden und das eine umfassende Reform derselben von Nöten war.

[...]


[1] Vgl. Straub, Eberhard: Eine kleine Geschichte Preußens, Berliner Taschenbuch Verlag, Berlin 2002, S. 23ff

[2] Vgl. Straub, Eberhard (2002), S.29-30

[3] Ursprünglich befanden sich die Herrschaftsgebiete der Hohenzollern Süddeutschland und umfassten Besitzungen in Franken, Ansbach, Bayreuth und Kulmbach.

[4] Vgl. Meyers Lexikon, Band 16, B.I. Taschenbuchverlag, Mannheim 1998, S. 206-207

[5] Vgl. Straub (2002), S. 31-35

[6] Siehe Gawthrop, Richard L., Pietism and the making of eighteenth-century Prussia, Cambridge University Press, Cambridge 1993, S. 37, 39

[7] Vgl. Gawthrop (1993), S. 38

[8] Siehe Straub (2002), S. 40

[9] Vgl. Gawthrop (1993), S. 17

[10] Vgl. Straub (2002), S. 48/49

[11] Siehe ebenda: S.47/48

[12] Die Universität in Frankfurt/Oder gehörte damals zu den wenigen Institution die calvinistisch waren.

[13] Vgl. Gawthrop (1993), S. 45f

[14] 1688 waren 31% des brandenburg-preußischen Heeres hugenottische Offiziere

[15] Siehe Hinrichs, Karl: Preußentum und Pietismus, Vandenhoeck und Rupprecht, Göttingen 1971, S. 1

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Details

Titel
Pietismus und die Entwicklung Brandenburg-Preußens
Untertitel
Religion als Motor preußischer Entwicklung?
Hochschule
Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)  (Kulturwissenschaftliche Fakultät)
Veranstaltung
Die Stabilisierungsmoderne
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
17
Katalognummer
V77431
ISBN (eBook)
9783638818803
Dateigröße
498 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Pietismus, Entwicklung, Brandenburg-Preußens, Stabilisierungsmoderne
Arbeit zitieren
Philipp Appel (Autor:in), 2005, Pietismus und die Entwicklung Brandenburg-Preußens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/77431

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