Mensch und Maschine in William Gibsons 'Neuromancer'


Trabajo de Seminario, 2006

17 Páginas, Calificación: 1.0


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Mensch und Maschine – Versuch einer Begriffsbestimmung

3. Die Annäherung des Menschen an die Maschine
3.1. Der Cyberspace zwischen Transzendenz und Exklusion
3.2. Case und der Cyberspace
3.3. Die Eroberung des Körpers durch die Technik
3.4. Die Maschine als Metapher für den Menschen
3.5. Der Mensch als Softwarekonstrukt

4. Maschine und Mensch
4.1. Künstliche Intelligenz als übermenschliche Lebensform
4.2. Die Evolution der Maschine und die Stagnation des Menschen

5. Zusammenfassung

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Beziehung zwischen Mensch und Maschine steht im Mittelpunkt des Romans Neuromancer von William Gibson, der zu den einflussreichsten und bekanntesten Werken der literarischen Strömung des sogenannten Cyberpunk gehört. Der Cyberpunk entstand Mitte der 1980er Jahre als ein Subgenre der Science-Fiction-Literatur. Die genaue Definition des Genres ist umstritten, eine Annäherung lässt sich aber über die Etymologie des Begriffes vornehmen: cyber von cybernetics verweist auf eine hochtechnologisierte Welt und die umfassende Durchdringung des menschlichen Daseins durch Computer, also kybernetische Systeme; punk wiederum verweist auf die Gegenkultur der 80er Jahre und deutet die Möglichkeit einer Kritik ebendieser alles beherrschenden Macht des Computers hin.[1]

Im Zentrum dieser Arbeit soll die Frage nach der Beziehung von Mensch und Maschine in einer technologisierten Welt stehen, wie sie in Neuromancer dargestellt wird. Diese Fragestellung wird entlang zweier Entwicklungslinien untersucht: zum einen wird die Annäherung des Menschen an die Maschine durch die Technik dargestellt, zum anderen soll umgekehrt gefragt werden, wieweit sich die Maschine dem Menschen annähert. klären. Zum Schluss bleibt die Frage nach den Konsequenzen dieser Entwicklung sowohl für den Menschen als auch für die Maschine zu beantworten.

Die Darstellung wird sich eng am Text orientieren und auf weitere Literatur weitgehend verzichten. Der Frage nach der Annäherung des Menschen an die Maschine wird mehr Raum eingeräumt, da sich darüber im Roman deutlich mehr Aussagen finden lassen als zur umgekehrten Fragestellung. Im Hinblick auf die Beziehung zwischen Mensch und Maschine soll die Ambivalenz der technologischen Entwicklung für den Menschen besondere Berücksichtigung finden. Eine solchermaßen kritische Sichtweise deckt sich mit Gibsons eigener Einschätzung: „My feelings about technology are totally ambivalent – which seems to me to be the only way to relate to what’s happening today.”[2] Der Begriff der Ambivalenz impliziert nicht unbedingt eine negative Wertung. Dennoch soll in der vorliegenden Arbeit gezeigt werden, dass die zunehmende Annäherung von Mensch und Maschine, wie sie in Neuromancer beschrieben wird, letztlich zu einer pessimistischen Bewertung der Folgen technologischer Entwicklung für den Menschen führt.

2. Mensch und Maschine – Versuch einer Begriffsbestimmung

Wer von einer Annäherung von Mensch und Maschine spricht, muss zunächst diese beiden Begriffe klären. Es erscheint jedoch nahezu unmöglich, eine zufriedenstellende und allgemeingültige Definition davon anzugeben, was ein Mensch bzw. was eine Maschine eigentlich ist, sodass hier auch begrifflich lediglich eine ‚Annäherung’ möglich ist. Der Dualismus Mensch / Maschine legt nahe, Mensch und Maschine in Abgrenzung voneinander zu definieren. Unter den Eigenschaften, die den Menschen ausmachen, sollen hier folgende Charakteristika genannt werden: Bewusstsein von sich selbst, Freiheit des Denkens, Fühlen und Wollens, Körperlichkeit, Persönlichkeit, Fähigkeit zu planvollem Handeln, schöpferischer Tätigkeit und Ausbildung sozialer Strukturen.[3] Maschine bezeichnet dann etwas, dem diese Eigenschaften fehlen; als Hauptcharakteristikum einer Maschine lässt sich darüber hinaus ihr mechanisches Funktionieren bestimmen. Anzumerken bleibt, dass hier von einem weiten Maschinenbegriff ausgegangen wird. Unter Maschine werden nicht nur konkret dingliche Maschinen im Sinne von technischen Apparaten verstanden; der Begriff kann auch als Metapher für jedes nach mechanischen Gesetzen funktionierende System gebraucht werden. Gelegentlich wird er hier auch als Synonym für die Technik verwendet.

3. Die Annäherung des Menschen an die Maschine

3.1. Der Cyberspace zwischen Transzendenz und Exklusion

Die wichtigste technische Neuerung in der Welt von Neuromancer ist die Schaffung einer direkten Verbindung des menschlichen Gehirns mit dem Computer. Mittels am Kopf angebrachter Elektroden, eines Computers und einer Tastatur kann sich der Benutzer im Cyberspace bewegen, einem virtuellen Raum, in dem die in der Matrix, einem weltweiten Computernetzwerk, miteinander verbundenen Systeme als abstrakte geometrische Gebilde dargestellt werden.[4] Der Roman gibt jedoch nur eine vage Definition des Begriffs.

Der Cyberspace wird von seinen Benutzern als „consensual hallucination“[5] erfahren, ein Trugbild, das über die am Kopf befestigte Elektrodenschnittstelle direkt in das menschliche Sensorium eingespeist wird. Auch wenn diese Halluzination auf gegenseitigem Einverständnis („consensual“) der Benutzer beruht, der Mensch sich somit der Fiktionalität des Wahrgenommenen durchaus bewusst ist, scheinen im Cyberspace die Grenzen von Fiktion und Wirklichkeit bereits zu verschwimmen. Jedenfalls findet menschliche Interaktion im Cyberspace losgelöst von jeder räumlichen Existenz statt, im Nicht-Raum des Geistes („nonspace of the mind“[6]), und somit auch befreit von der realen körperlichen Existenz („disembodied consciousness“[7]). Der Cyberspace lässt sich somit als ein den Menschen transzendierendes Medium verstehen, dem aber eine gefährliche Ambivalenz innewohnt. Denn auch wenn er scheinbar den Menschen von den Fesseln seines materiellen Daseins befreit, sein Bewusstsein um einen Raum (bzw. Nicht-Raum) unvorstellbarer Komplexität („unthinkable complexity“[8]) zu erweitern scheint, legt er ihm gleichsam neue Fesseln an. Zum einen wird er zum unverzichtbaren Arbeitsraum für Milliarden von Menschen und macht den Menschen damit direkt von seiner Verbindung mit der Maschine abhängig. Zum anderen schließt er all jene aus, die keine Zugangsberechtigung („legitimate operators“[9]) besitzen. Technologie wird somit zum Instrument sozialer Ausgrenzung.

3.2. Case und der Cyberspace

Dieselbe Ambivalenz im Hinblick auf die technische Neuerung des Cyberspace zeigt sich auch bei dem Protagonisten des Romans, dem jungen Computerhacker Case. Als „cyberspace cowboy“[10] ist der Cyberspace sein eigentliches Arbeitsgebiet, er ist ein Dieb, der über den Cyberspace in fremde Computersysteme eindringt, deren Daten anzapft und sie weiterverkauft. Für Case ist er jedoch noch weit mehr als nur ein Mittel zum Gelderwerb, vielmehr wird der Cyberspace zu einer tragenden Säule, auf der seine Identität beruht: „This was it. This was what he was, who he was, his being.“[11] Das Land der farbigen Muster in der virtuellen Welt wird für Case zur utopischen Heimat („his distanceless home, his country“[12]), in der er sich losgelöst von den Beschränkungen des als “meat”[13] empfundenen Körpers bewegen kann. Der Cyberspace ermöglicht eine Transzendierung des eigenen Körpers, gleichzeitig eine Auflösung seiner physischen Trägheit , die in der Metapher des Tanzes dargestellt wird, wie sich in der Beschreibung seines letzten Runs zeigt: „Beyond ego, beyond personailty, beyond awareness, he moved, Kuang moving with him, evading his attackers with an ancient dance [...]“[14] Das Ideal der Geschwindigkeit und Eleganz, das den Datencowboy auszeichnet, erfordert einen permanenten Zustand der geistigen Wachsamkeit: „He’d operated on an almost permanent adrenaline high, a byproduct of youth and proficiency [...]“[15] Der Zustand der Körperlosigkeit, der Rausch der bunten Farben und geometrischen Muster sowie das Gefühl der unbegrenzten Bewegungsfreiheit und Geschwindigkeit ähneln dabei deutlich dem Erleben, das durch psychedelische Drogen hervorgerufen wird.[16] Für Case wird der Cyberspace zur Sucht, stundenlang mit dem Computernetz verbunden vergisst er seine elementaren körperlichen Bedürfnisse („He forgot to eat“[17]) nach Tagen in der Matrix selbst sein Zeitgefühl („He lost track of days“[18]).

[...]


[1] Vgl. Markus Säbel: „Cyberspace-Cyborg-AI: Technologie in William Gibsons Neuromancer“, in: Jahrbuch für Literatur u. Ästhetik, Band 18, Hrsg. Inklings-Gesellschaft für Literatur und Ästhetik, Moers, 2000, S. 250-271 (hier 251); für eine umfassendere Definition von Cyberpunk siehe beispielsweise den Eintrag „Cyberpunk“ in: Peter Nicholls: Encyclopedia of science fiction, London, Orbit, 1999, S. 288-290

[2] Larry McCaffery: „An Interview with William Gibson“, in: Storming The Reality Studio. A Casebook of Cyberpunk and Postmodern Fiction”, Hrsg. Larry McCaffery, Durham u.a., Duke University Press, 1992, S. 274

[3] Vgl. Artikel ‚Mensch’ in Heinrich Schmidt: Philosophisches Wörterbuch, Stuttgart, Kröner, 1982, S. 447f.

[4] Vgl. Säbel, Technologie, S. 253

[5] William Gibson: Neuromancer, New York, Ace Books, 1984, S. 51

[6] Gibson, Neuromancer, S. 51

[7] Ebd., S. 5

[8] Ebd., S. 51

[9] Ebd. S. 51

[10] Ebd., S. 5

[11] Ebd., S. 59

[12] Ebd., S. 52

[13] Ebd., S. 6

[14] Ebd., S. 262; vgl. Säbel, Technologie, S. 261

[15] Ebd., S. 5

[16] Vgl. Säbel, Technologie, S. 260

[17] Gibson, Neuromancer, S. 59

[18] Ebd., S. 59

Final del extracto de 17 páginas

Detalles

Título
Mensch und Maschine in William Gibsons 'Neuromancer'
Universidad
University of Augsburg
Curso
Der künstliche Mensch in der Literatur
Calificación
1.0
Autor
Año
2006
Páginas
17
No. de catálogo
V77801
ISBN (Ebook)
9783638823302
ISBN (Libro)
9783638824880
Tamaño de fichero
515 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Mensch, Maschine, William, Gibsons, Neuromancer, Mensch, Literatur, Menschmaschine, Künstlicher Mensch, Artificial Intelligence, Künstliche Intelligenz
Citar trabajo
Thomas Neumann (Autor), 2006, Mensch und Maschine in William Gibsons 'Neuromancer', Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/77801

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Título: Mensch und Maschine in William Gibsons 'Neuromancer'



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